1898 -
Würzburg
: Stuber
- Autor: Klemmert, Hugo
- Hrsg.: Weickert, Kaspar
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Bayern
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gebaut werden, so daß lauter schmale Gassen entstanden. Die Gassen waren weder eben, noch geradlinig, weil anfänglich jeder baute, wohin und wie er wollte. (Steinerne Gebäude waren ein Luxus; erst später wurden sie allgemein. Die Wohnhäuser waren aus Holz und Lehm oder auch aus Backsteinen gebaut und häufig mit Stroh oder Schilf gedeckt. Die sogenannten Überhänge — man baute nämlich jedes höhere Stockwerk hinausragend über das untere — und die vorspringenden Dächer über den Hausthüren (Fürsätze, Überthüren, Wetterdächer) verengerten und verdunkelten die Gassen noch mehr. Nur die Häuser der reichen Bürger, die Stifts- und Klostergebäude waren vornehm gebaut mit Erkern, Altanen und Galerien, sowie mit großen Höfen und Gärten versehen. Mancher freie Platz (Markt oder Kirchenplatz, Kirchhof) unterbrach das Gewirr der Straßen. Marktplatz, Kirche und Rathaus bildeten zusammen den Mittelpunkt jeder Stadt.
b) Zustand der Straßen; Reinlichkeitspflege. Im allgemeinen wohnte man in den mittelalterlichen Städten schlecht, unreinlich und ungesund. Die Straße war den Leuten ganz Nebensache, der Hof war ihnen viel wichtiger. Auf diesen führten die meisten Fenster ihrer Stuben. Die Gasse dagegen bildete den Ablagerungsort aller Unreinlichkeit. Dahin warf inan alles, was man auf dem Hofe nicht gebrauchen konnte. Pflaster und Beleuchtung gab es nicht. Nach anhaltendem Regen war ein solcher Morast, daß Fnßgäuger gewöhnlich nicht durchkamen, sondern auf den mitten im Wege liegenden „Schrittsteinen" forthüpften. Nebstdem tummelten sich Schweine und Geflügel in den an Abfällen reichen Straßen. Eine regelmäßige Säuberung kannte das frühe Mittelalter nicht, ebensowenig eine Entleerung und Reinigung der in den Häusern befindlichen Kloaken (Aborte). Darum wüteten auch häufig Seuchen unter der Bevölkerung und rafften Taufende dahin (Siechenhäuser). Brachen Feuersbrünste aus, so legten sie gleich die halbe Stadt in Asche. Größere Reinlichkeit brach sich erst im 15. Jahrhundert langsam Bahn. Anfänglich legte man längs der Häuser erhöhte Dämme (Bürgersteige — Trottoire) an, und allmählich begann mau die Straßen zu pflastern (zuerst wohl in Augsburg 1416). Trotz solcher Ärmlichkeit verstanden es die Bewohner doch, ihre Stadt für den Besuch eines Fürsten festlich herauszuputzen. Aus den Straßen wurde der Schmutz entfernt und der Boden dick mit Gras und Blumen bestreut. Das Fachwerk der Häuser verhängte man mit Tüchern und Teppichen, und so bot die Stadt dann doch ein schmuckes Aussehen.