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1. Neue Zeit - S. 13

1892 - Berlin : Weidmann
— 13 — lischen Besitzungen an sich zu reifsen, und Rußland hat jedenfalls ein Interesse, England diesen Feind im Rücken zu erwecken, wie denn auch dieser Gesichtspunkt ohne Zweifel bereits ins Auge gefafst ist. Dennoch würde England nach dem Verlast seiner amerikanischen Besitzungen, ja selbst nach dem Selbständigwerden Australiens (was eben auch nur Frage der Zeit ist), immer noch mächtig genug sein, um in einen europäischen Krieg mit Nachdruck einzugreifen, zumal der Dreibund keineswegs auf die Beihülfe Englands gegründet ist und Kriege, wie die Napoleonischen zeigen, zu Lande und nicht zur See entschieden werden. Wohl aber könnte eine Einmischung Amerikas in europäische Händel die Folge haben, Europa ganz oder zum gröfsten Teil, Rußland ausgenommen, Amerika gegenüber zu einer gewissen Einheit zusammenzuschliefsen. Amerika, in seiner auswärtigen Politik geleitet von dem Staatssekretär Blaine, dem ‘amerikanischen Bismarck’, ist Europa gegenüber in jenem Bewufstsein der Unangreifbarkeit bereits jetzt mehrfach mit einer an Insolenz grenzenden Rücksichtslosigkeit aufgetreten,l) wie es z. B. neuerdings das Behringsmeer für ein amerikanisches Binnenmeer erklärt und den Walfischfang auf demselben allen Nicht-Amerikanern untersagt, Italien gegenüber aber die Regeln des Völkerrechts in so frivoler Weise verletzt hat,2) dafs letzteres die diplomatischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten durch Abberufung seines Gesandten abgebrochen hat. Diese einstweilen noch einzelnen Vorfälle betreifen jedoch Europa nicht in seiner Gesamtheit und sind, wenn sie den Staatsmännern Europas auch zu denken geben, zunächst noch nicht geeignet, Europa zu gemeinsamem Auftreten gegen Amerika zu veranlassen. Anders dagegen verhält es sich mit der schon erwähnten Mac-Kinley-Bill, die ohne ein förmliches Recht der europäischen Staaten zu verletzen, durch ihre rücksichtslosen Einfuhrzollerhöhungen die auf Versorgung des amerikanischen Marktes berechnete Industrie fast aller europäischen Staaten schwer schädigt. Da solchem Vorgehen der Amerikaner kein einzelner Staat, sondern nur eine Vereinigung am besten aller europäischen Staaten entgegentreten kann, so ist es vielleicht nicht ohne Bedeutung, wenn das Deutsche Reich jetzt durch Handelsverträge eine Art Zollbund hersteilen zu wollen scheint, welcher der heimischen Produktion und Gewerbthätigkeit ein von Amerika unabhängiges Absatzgebiet schafft und gegen Amerika nachdrückliche Gegenmafsregeln zu ergreifen im Stande ist. Ein politisches Eingreifen Amerikas in europäische Verhältnisse in Gemeinschaft mit Rußland würde einen europäischer Staatenbund gegen Amerika nur noch schneller herbeiführen oder erweitern und befestigen, und auch Rußland würde die Folgen davon spüren. Doch die Zukunft vermag mit Sicherheit niemand vorauszusagen; immerhin ist es notwendig, sich die großen Kräfte, welche die Gegenwart beherrschen, so wie auch die Richtung, die sie ihrer Natur nach zu nehmen bestrebt scheinen, zu vergegenwärtigen. *) Eine in St. Louis erscheinende deutsche Zeitung sagte von den Yankees, ‘sie wollten die ganze Erde haben und den Mond als Busennadel dazu’. *) Es verweigerte Italien Genugthuung, als in New-Orleans italienische Staatsangehörige, die des Mordes angeklagt, aber durch Parteiumtriebe freigesprochen waren, vom Volke gelyncht wurden (1891).
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