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1. Geschichtliches Lesebuch - S. 69

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
V. Pfizer, Stellung von Österreich und Preußen. 69 anderes, wenn auch ihr ähnliches, ebensowenig wiederholt sich die Geschichte jemals ganz auf dieselbe Art wieder. Der Strom der Zeit läßt sich nicht gegen seine Quelle zurückdrängen, es giebt keinen Zauberspruch, das Tote wieder zu erwecken, immer neue Gestalten drängen sich, aber das Erstorbene wird nie in derselben Gestalt wieder lebendig, wenn es auch Gesetz der Welt und Ordnung der Natur ist, daß aus Tod und Verwesung neues Leben hervorgeht. So wenig als diesseits des Grabs die Toten auferstehen, so wenig wird daher Österreich, einst der Erbe deutschen Ruhms und deutscher Herrlichkeit, für Deutschland je wieder das werden, was es einst gewesen. Eine Kluft von drei Jahrhunderten hat sich zwischen seiner Gegenwart und seiner Vergangenheit aufgethau, die nicht mehr rückwärts übersprungen werden kann. Hätte freilich Österreich beint Beginn der Reformation es verstanden, dem Impuls der neuen Zeit zu folgen, ihre Bedeutung aufzufassen und zu nützen, ihren Forderungen zu genügen und sie dadurch zu beherrschen, so wäre Österreich heute noch das erste Reich der Welt, und im Mittelpunkt Europas festgewurzelt an der Spitze jener großen europäischen Bewegung weiterschreitend, würde es auch zum Lichtpunkt Europas und zum Brennpunkt der Civilisation geworden sein. Statt dessen hat Österreich vorgezogen, sich mit aller Kraft dem Strome der Ereignisse entgegenzustemmen und dadurch allerdings dessen Macht zu brechen, eben damit aber auch in entschiedene Opposition gegen das übrige Deutschland zu treten, dem es durch seine Verblendung gegen das herein-dtingende neue Geisteslicht den Segen in einen Fluch verwandelt und tiefe, fast unheilbare Wunden geschlagen hat; und wollte Österreich jetzt wieder in die verlassene Bahn einlenken, so wäre es jetzt zur Umkehr zu spät und der Rückweg unmöglich geworden. Auch scheint Österreich keineswegs seinen Ehrgeiz auf ein solches Ziel zu richten; es ist Deutschland fremd geworden, hat zuerst gezwungen und dann freiwillig seinen Ansprüchen auf die Hegemonie entsagt, und die gewaltigen Ereignisse der jüngsten Vergangenheit haben nur einen Bruch vollendet, der vor dreihundert Jahren schon begann. Österreich hat seinen deutschen Rainen gegen einen europäischen vertauscht und sieht nun allem, was wir von deutschem Eigentums noch gerettet haben, allem, worauf Deutschland noch einen Stolz setzen darf, seinem geistigen Leben, seiner Litteratur, seinen Hochschulen, schroff, man könnte sagen feindselig, gegenüber. Wenn daher Österreich, um nicht in sich selbst zu zerfallen und von den Fluten einer
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