1912 -
Berlin
: Oldenbourg
- Autor: Geistbeck, Alois, Fischer, Heinrich, Geistbeck, Michael
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule, Lyzeum
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Mädchenschule, Lyzeum
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Mädchen
Das Deutsche Reich.
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und Griechen, sondern auch die der Neuzeit, wie die Spanier, Portugiesen und Briten,
bewogen, Kolonien zu gründen.
Politische Unzufriedenheit. So dankt z. B. schon Karthago seine Eni-
stehung inneren Unruhen der Mutterstadt. Die Unterdrückung des Deutschtums in
den Gebieten des Rheinbundes durch Napoleon I. veranlaßte viele Deutsche zur Aus-
Wanderung. Ebenso ergriffen in Deutschland in der Zeit der inneren Verfassungs-
kämpfe (1848 ?c.) viele Unzufriedene den Wanderstab.
Religiöse Gründe. Sie waren besonders für die Auswanderung im
17. und 18. Jahrhundert maßgebend. Hugenotten wandten sich z. B. nicht nur nach
Deutschland, sondern selbst nach Südafrika. Die Quäker, die in England nur Hohn
und Verfolgung gefunden hatten, suchten ihr Reich der Bruderliebe in Pennfylvanien
zu verwirklichen.
Wirtschaftliche Verhältnisse. Diese Art der Auswanderung wird meist
durch Übervölkerung hervorgerufen, durch wiederholte Mißernten usw.
Ansammlung starker Kapitalkräfte, die nach Betätigung suchen. Diese
Veranlassung ist besonders in den neueren Jahrhunderten wirkungsvoll hervorgetreten.
c) Einteilung der Kolonien. Nach den Zwecken, die hierbei verfolgt werden,
unterscheidet man:
1. Siedel ung skol onien; der Ansiedler beschäftigt sich je nach den Boden-
Verhältnissen entweder mit Ackerbau oder Viehzucht. Kolonien dieser Art haben
die Phönizier in Cypern, die Griechen in Sizilien und Unteritalien begründet. Bei-
spiele solcher Kolonien aus der neuesten Zeit sind Kanada, das anßertropische Südafrika.
2. Betriebskolonien. Das fremde Gebiet wird hier durch Plantagen-
bau, Handel und Bergbau verwertet. Man spricht daher auch von Handels-,
Plantagen - und Bergbaukolonien. Die Arbeit wird in ihnen durch Einge-
borene verrichtet, während die Europäer die Aussicht führen und das erforderliche
Kapital beschaffen.
3. Erobernngskolonien; es wird nur die Herrschaft über die betreffenden
Gebiete erstrebt, Bodenbesitz nur, insofern er für jene Bedingung ist.
Von diesen drei Arten der Kolonien sind natürlich die Siedelnngskolonien die
bei weitem wichtigsten; sie stellen die Abflußgebiete dar für die überschüssige Bevölke-
rung eines Landes, deren Unterbringung für viele europäische Staaten heute eine
Lebensfrage ist.
In rechtlichem Sinne gliedern sich die Kolonien in eigentliche Kolonien,
Protektoratsländer und Interessensphären.
1. Die eigentlichen Kolonien sind (vom europäischen Standpunkt aus
gesprochen) überseeische Provinzen eines europäischen Staates, welche seiner Herrschaft
völlig unterworfen sind. Sie bilden Bestandteile des Mutterlandes.
2. Protektoratsländer sind Gebiete mit staatlicher Organisation, welche
einer Schutzherrschaft unterstehen; hierher gehört z. B. Tunis.
3. Interessen- oder Machtsphären entstehen durch Vereinbarungen zwischen
Kolonialmächten, wonach gewisse Gebiete der kolonialen Erwerbung oder Protektorats-
ansübung bestimmter Kolonialmächte vorbehalten bleiben: so ist z. B. Süd-Schantuna
deutsche Interessensphäre.
6) Nutzen der Kolonien. Handel, Schiffahrt, Industrie und Gewerbe des
Mutterlandes behaupten auch bei freier Handelsbewegung der Kolonien fast überall
weitaus den Vorrang in ihnen vor fremden Mitbewerbern.
Die Kolonien bieten dem Kapital vielfach gewinnreiche Anlagen in landwirt-
schaftlichen, industriellen und Bergwerksunternehmungen. Eine größere Zahl der ver-
hältnismäßig jungen Pflanzungs- und Bergwerksunternehmungen in unseren Kolonien
wirft bereits ganz ansehnliche Gewinne ab.