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1. Quellenlesebuch für den Unterricht in der Länder- und Völkerkunde - S. 378

1911 - Hannover-List [u.a.] : Carl Meyer (Gustav Prior)
— 378 — bald tritt er hart an den Rand des Ufers heran. Dichter wird hier infolge der größeren Fülle des Lichts die Masse des Laubes, reicheres Unterholz erfüllt den Wald, die Äste der Baumkronen drängen sich wetteifernd der Freiheit und Helligkeit entgegen, und plötzlich stehen wir an der Kante der jäh herniederstürzenden Wand, über deren Stirn die Fetzen der diluvialen Decke zuweilen noch überhängen, von Baumwurzeln durchkrallt. Nach unten fällt der Blick auf die phantastischen Formen der Kreidewände, die hinter dem schmalen, all ihren Biegungen folgenden Strande emporsteigen, oft unten auch noch in Grün gehüllt, das in den Schluchten und Rnnfen emporsteigt. Geradeaus aber fliegt er in die unendliche Weite der See, deren Blau infolge des Farbeukontrasts zu den weißen Wänden noch tiefer als sonst erscheint. Besonders anziehend ist das Bild, wenn die Abendsonne von Westen her ihr Licht auf die rotbraunen Segel der Fischerboote auf der See wirft, so daß sie wie leuchtende rote Flecke in dem tiefen Blau der Flut stehen. Der Höhepunkt des Spaziergangs, dessen Großartigkeit sich von Süden nach Norden geradezu künstlerisch steigert, liegt an der Groß-Stubbenkammer (der Name ist aus dem slavischeu „Felsstufe" abgeleitet) genannten Stelle. Hier springt ein mit Geländern versehener Felsen, „Wilhelms I.-Sicht" ge- nannt, nach außen vor. Betritt man ihn, so liegt vor einem die bedeutendste der rügenschen Kreideklippen, der majestätische Königsstuhl, der mit massiver Wucht aus Buchengrün emporsteigt, um auf seiner breiten, 122 m über dem Meere aufragenden Plattform wiederum den Buchenwald zu tragen. Auf dieser weit vom Ufer vorspringenden, ebenfalls mit Geländern umfriedigten Plateauzunge erblickt man noch freier als sonst das prachtvolle Bild der See und zugleich auch der hinter uns zurückliegenden Ufer. Schön ist auch der Anblick der ganzen Küste von der See aus, wie man ihn auf der Dampferfahrt von Saßnitz nach Arkona genießt. Wendet man sich vom Königsstuhl wieder landeinwärts, so gelangt man zu dem stimmungsvoll im Walde gelegenen Gasthaus „Zur Stubben- kammer". Wenige Minuten von hier liegt eine Stätte im Waldesdämmern, die von Sagenromantik und mythologischen Schauern mehr als eine andere Rügens umwittert ist, wenngleich diese auf Grund der Lage und landschaft- lichen Stimmung des Ortes erst nachträglich und mit zweifelhaftem Recht von den fremden Besuchern übertragen sind. Wir meinen den Herthasee und die Herthaburg. Der Herthasee, ein kleiner träumerischer Waldsee, wird gern für den geheimnisvollen See gehalten, wo nach dem Berichte des Tacitus das Bild der Göttin Nerthus nach ihrem Wintersonnenwend-Umzng gebadet wurde. Der See verschlang danach jedesmal die Sklaven, die hierzu Hand- reichuug geleistet hatten. Die Herthaburg ist der uoch wohlerhaltene Rest eines alten Burgwalles, jetzt von Bäumen in feierlichem Schweigen über- laubt. Auch ein paar Opfersteine liegen in der Nähe mit Vertiefungen, die als Blutrinne und Blutbecken ausgedeutet werden. Die Echtheit ist aber zweifelhaft.
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