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1. Das deutsche Vaterland - S. 130

1917 - Leipzig : Wunderlich
— 130 — Auf beiden ruht ein Brett. Zwei schräg daran gelegte Stämme, mit Leisten benagelt, dienen als Treppe. (Zeichnen!) Diese Brücken sind deshalb so hoch, damit ein mit Heu beladener Kahn bequem darunter durchfahren kann. Manche der Inseln, an denen wir vorübergleiten, tragen fette Wiesen, ans denen schmucke Rinder im üppigen Grase weiden, andere wieder sind vollständig mit Gurken, Meerrettich, Zwiebeln oder Majoran bepflauzt. Nach einiger Zeit begegnet uns wieder eine Flotte von Kähnen, aus denen Lust und Jubel schallt. Eine stattliche Hochzeitsgesellschaft fährt in das Dorf, an dem wir eben vorbeikamen, zur Kirche. Lustig schmettert die Musik im ersten Kahne, begleitet von Jauchzen und Pistolenschüssen aus den übrigen Fahrzeugen. Die Braut trägt ein schwarzes Kleid und eine große weiße Hanbe. 1) Ein schwarzer, hoher Hut, ein Rock mit langen Schößen und eiu riesiger Blumenstrauß mit bunten Bändern schmücken den Bräutigam. Aber Freud und Leid sind oft beieinander. Noch ehe wir unsere Fahrt beendet haben, gleitet still und feierlich eine lange Reihe von Kähnen an uns vorüber. Auf dem ersten Kahne steht ein Sarg. Er ist mit einem großen weißen Tuche bedeckt. Ju den folgenden Fahrzeugen sitzen die Leidtragenden. Von Zeit zu Zeit bricht ein allgemeines Weinen und Wehklagen aus, wie auf Kommando. Die Weiber setzen eine Ehre darein, in den gellendsten Tönen zu jammern. Schwarzer Flor weht von den Hüten der Männer. Die Weiber sind in weiße Kleider gehüllt, denn weiß ist im Spreewald die Farbe der tiefsten Trauer. Aber nicht allein die Bekannten und Verwandten sollen um den Verstorbenen trauern, auch sein Vieh soll teilnehmen an der allgemeinen Traurigkeit. Kaum hatte der Verstorbene seine Augen für immer geschlossen, so ging der älteste Sohn an das Bienenhaus, klopfte an jeden Bienenstock und sprach: Bienchen, Bienchen, stehet auf! Euer Wirt ist gestorben! Und als der Sarg aus dem Hause in den Kahn getragen wurde, ging der Sohn in den Stall, störte das Vieh auf, streute ihm Futter und wehklagte: Stehet auf, stehet auf! Soeben tragen sie euren Wirt hinaus, und nie kehrt er wieder! Wir beendigen uufre Fahrt, denn der Abend naht. Nebelschleier breiten sich über Wiese, Wald und Wasser. Aus dem Schilf am Ufer der Wasserstraßen tönt das Quaken der Frösche. Wir haben genug ge- sehen und bitten nnsern Fährmann, uns zu einem Gasthofe zu fahren, wo wir ausruhen können von uusrer Reise. Wiedergabe durch die Kinder. „Mit diesem blendendweißen Kopftuche geht schon das Mädchen tagaus, tagein, mit ihm geht es zur Schule, in ihm wird es konfirmiert. Die Jungfrau und die Braut, die Frau und die Greisin tragen das Tuch und legen es zeitlebens nicht ab, mit ihm gehen sie ins Grab." (Weigeldt.)
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