1874 -
Halle
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Masius, Hermann
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
136 Zur physischen Geographie.
nisses zu sein, das einst in gesteigerter Höhe die Erdoberfläche bildete und
denselben Boden aus dem Meere emporhob, den es nun seinen anstürmen-
den Wogen in erneuter Katastrophe wieder preisgiebt.
Doch das Ende des Unheils, so schauerlich schön in seinen einzelnen
Zügen, steht nahe bevor. Schon zeigt sich der glühende Fluß leicht gewölbt
über den niedrigsten Stellen des Kraters, schon rinnt an einzelnen Punkten
die geschmolzene Lava herab und tränst langsam und schwer an den Wänden
des Kegels hinunter, die niedrigen, ihr im Laufe begegnenden Gesträuche
entzündend, daß sie mit flackernder Flamme emporlodern. Bald folgt solchen
Vorläufern der Hauptstrom nach. Im Krater immer mehr emporgestiegen,
durch neue Fluten näher und näher dem Rande gerückt, endlich sogar
polsterartig über den tiefsten Stellen desselben eine zeitlang schwebend, sinkt
plötzlich unter Donnergekrach die Lava herab; aber in demselben Augen-
blicke bricht auch tief unten aus dem geborstenen Fuße des Kegelberges der
feurige Schwall hervor. Fontainenartig wird er vom Drucke der über der
Oeffuung stehenden Massen hinaus und hinaufgeworfen; dann immer breiter,
mächtiger sich ergießend, wendet er sich mit verderblicher Gewalt, brennend
und siedend in die blühende Ebene, gegen die Stätten der Menschen. Allein
nun wird auch der Krater allmählich entleert und den elastischen Stoffen ein
Ausweg geöffnet. Nuu führen die aufsteigenden Dämpfe statt der festeren
Auswürflinge bald nur noch Asche mit sich, und wieder streckt sich die dunkle
Säule empor, um sich oben in den Lüften zu der schon vorher erwähnten
Pinienform zu gestalten. Dieser majestätische ungeheure Aschenbaum bildet die
tragische Schlußscene der ganzen Erscheinung. Er breitet seine Krone unheil-
schwanger über die Ebene aus, und bedeckt sie, sich senkend, mit seinen:
düstern Laube auf ewig; an 100 Fuß mächtige Lager hat er einstens über
Hereulanum und Pompeji ausgeschüttet.*) Auf solche Weise kehrt der
Cyclus der Eruptionsphänomene von der höchsten Ausbildung durch mannig-
fache Abstufungen bis zu jener unscheinbaren Dampfsäule zurück, welche als
der erste Bote so grauenvoller Entwickelungen die Übergangserscheinungen
einleitete.
Aber erst wenn wiederum Tagesklarheit den durch die großartigsten
Leuchtfeuer nur schwach erhellten Finsternissen folgt, zeigt sich das Bild der
Zerstörung in seiner ganzen Vollendung: alles urbare Erdreich ist rings umher
*) Beide Städte sind jedoch nicht gleich stark verschüttet worden. Nur über Her-
eulanum (richtiger Herculaueum), welches dem Vesuv näher liegt, beträgt die Erddecke
gegenwärtig 70 bis 112 Fuß, rührt aber, wie die Durchstiche zeigen, miudesteus von sechs
verschiedenen Ausbrüchen her- Pompejis Gebäude haben bloß eine Decke vou 12 bis 20
Fuß- Lava hat sich nicht über sie ergossen, das Verschüttungsmaterial besteht nur aus
Asche und bröckelndem Gestein-