1894 -
Weinheim (Baden)
: Ackermann
- Autor: Kleinschmidt, Arthur
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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findet sich Überfluß; wenige Männer erlegen innerhalb 5 Stunden 1 Tapir,
1 Jaguar, 1 Riesenschlange, 3 der großen Lobos genannten Fischottern.
9 Wasserschweine, 3 schwarze Affen und 39 große Krokodile. Nach Vtägiger
Fahrt landen wir in der Hauptstadt Afuucion, die schachbrettartig an-
gelegt und auf weichem, rotem Saudsteiu erbaut ist. Starker Regeu der-
wandelt die Straßen in Gießbäche; auch der durch Verwitterung immer wieder
entstehende Stanb hemmt den Verkehr ost. Neben den einfachen Bürger-
Häusern aus Ziegelu finden sich zahlreiche Paläste. Die mancherlei Bequem-
lichkeiten unserer Großstädte fehlen Afuneion uoch. Durch die offenen
Thüren der besseren Häuser sehen wir in freundliche Höfe; die Zimmer
sind feilt ausmöbliert, ihr Fußboden ans Ziegeln ist mit Teppichen bedeckt.
Wir treten mit einer Empfehlung in ein solches Haus; nach Landessitte
geben wir allen Familiengliedern die Hand und sagen jedem eine Artigkeit
dabei; in gleicher Art werden wir behandelt. Dann bewirtet man uns
mit deutschem Bier, die miteingetretenen Landeskinder erhalten den üblichen
Mate. Auch hier wundern wir uns über das Äußere der Damen, das
uns schou aus der Straße so sehr auffiel. Sie bevorzugen das Schwarz
entschieden; schwarz ist die Kleidung, schwarz der Kamm, schwarz sind
auch Haar und Augeu. Die Hautfarbe wechselt sehr, vom hellsten Weiß
des Südeuropäers stuft sich die Färbung ab bis zum lichten Braun des
ungebrannten Kaffees. Mit Erstaunen vernehmen wir im Gespräche, daß
die Bevölkerung des Landes infolge des blutigen Krieges mit Brasilien
von mehr als 11/3 Millionen auf 1/3 Million gesunken ist und daß 2/s
dieses Restes dem weiblichen Geschlecht angehören. Die Frauen und Mädchen
des Hauses reden sehr unbefangen über Dinge, die bei uns nicht einmal
andeutungsweise erwähnt werden dürfen; sie drehen sich ihre Cigarre ans
schwerstem Tabak selbst, lassen sie wohl auch vou Dienstboten anrauchen
und legen sie dann so lange fort, bis sie nach ihrer Meinung stark genug
geworden ist. In vertraulichem Umgang reden sie die Sprache der Ein-
geborenen, das Guarani, denn das Spanische ist die amtliche, offizielle,
Guaraui aber die Nationalsprache. Getrennt von den Männern nehmen
die Frauen ihre Mahlzeiten ein, und eiueu großen Teil des Tages schaukeln
sie sich träge in ihren Hängematten. Wenn wir auf die Straße zurück-
kehre», haben wir Gelegenheit, die Mädchen der mittleren Klassen zu
beobachten; sie werden allgemein „Mädchen vom goldenen Kamme" ge-
nannt und haben in dem Fraueulaude beinahe den gesamten Kleinhandel
in Händen, treiben auch die Gewerbe, ja, auch kleine Rentnerinnen finden
sich unter ihnen. Sie tragen nntadelhaft weiße Wäsche, weiße, spitzenbesetzte
Röcke und schwarze Seidenmantillen. Im schwarzen Haare steckt der Gold-
oder Schildpattkamm, Fingerringe und ein paar Korallenketten dienen als
Schmuck. Schuhe und Strümpfe siud niemals bei diesen Mädchen in
Gebranch, dafür darf aber der elegante Fächer, die Rose oder Nelke hinter
dem Ohre nicht fehlen. Die unbemittelten Franen tragen einfache Kleiduug
aus weißem Zeuge; eiue Schnur dient als Gürtel. So gehen die armen
Weiber im Gänsemarsch zum Wasserholeu oder auf deu Markt. Alle