1890 -
Wolfenbüttel
: Zwißler
- Autor: Voges, Theodor
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Braunschweig
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde, Braunschweig
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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Während die Spinbein hier bei uns zu Lande niemand mehr
kennt, sind die Wirtel noch zahlreich vorhanden. Sie dienen meist
als Anhängsel kleiner Schlüssel, damit diese nicht so leicht verloren
gehen, und darum heißen sie auch oft Schlüsselsteine.
Jahrhunderte hindurch war die einfache Form der Spindel
dieselbe geblieben. Reiche waren gegründet und wieder unter-
gegangen, die mittelalterlichen Waffen hatten den Donnerbüchsen
und Feuerrohren saatz gemacht, Gutenbergs schwarze Aunst hatte
sich über Europa verbreitet, aber immer noch spannen die Frauen
in uralter Weise ihren Faden, wie sie es am Herdfeuer vor tausend
Jahren gethan hatten. Das ging so hin bis ins s6. Jahrhundert.
Da lebte um das Jahr \520 zu Watenbüttel hinter Braun-
schweig ein kunstreicher Steinmetz und Bildschnitzer mit Namen
Jürgen. Dieser Nkeister hat, wie eine alte Ehronik erzählt, das
Spinnrad erdacht. Doch hatte es noch nicht die leichte und zier-
liche Gestalt, wie wir es heute sehen. Eine niedrige Lade oder
Bank trug rechts das Rad, links die Spindel und den Wocken.
Das Rad hat an der einen Speiche einen Griff, durch den es mit
der Hand in Bewegung gesetzt werden kann. Vermittelst einer
doppelten Schnur wird die Spindel samt der Rolle gedreht. Letztere
sind von den beiden heutigen fast durch nichts unterschieden. Ein
drehbarer Arm trägt die hohe Wockenstange mit dem Flachse.
Nlit diesem Rade ließ sich offenbar rascher arbeiten, aber in einer
Einsicht hatte es doch auch eine Schattenseite. Nlit der Aunkel unterm
Arme oder im Gürtel konnte die Spinnerin aus- und eingehen, jetzt
aus die Rinder draußen vor der Thür achten, jetzt das Feuer aus
dem Herde schüren und dabei fast ohne Unterlaß die Spindel schnur-
ren lassen. Das Rad, wie es alte Bilder aufweisen, war nicht so leicht
sortzuschaffen; jedenfalls mußte die Frau, wenn sie zwischendurch ihre
häusliche Arbeit verrichten wollte, die Spinnlade stehen lasten.
Uut der Zeit wurde eine wesentliche Verbesserung angebracht:
an die Stelle des Handgriffs am Rade traten die beweglichen Fuß-
bretter, welche nun vermittelst des sog. Anechtes und einer Aurbel
das Rad in Drehung setzten. Damit war die rechte Hand frei ge-
worden und konnte mit ziehen helfen. Nun wurde das Rad tiefer
gesetzt, die Lade siel fort, und so erhielt das ganze Gestell mehr
Leichtigkeit und damit auch Beweglichkeit.