1859 -
Lübeck
: Rohden
- Autor: Rohden, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Evangelisches Gymnasium, Realschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
Xiv. §. 4. Verderbniß in Rom.
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zen erregen und Nothstände herbeiführen, durch welche Denen, die noch
sehen konnten und wollten, die Augen geöffnet wurden über das
sittliche Berderben und die Nothwendigkeit der Umkehr. Es gab
aber zwei Punkte, wo Rom für schmerzliche Wunden und Geschwüre
sehr empfänglich war, die äußere Politik und die innere Ordnung
des Staats. Nach außen hin brauchte Rom freilich vor der Hand
nichts zu fürchten, denn alle unterthänigen oder benachbarten Völker
waren, wenigstens nach dem Osten und Süden hin, verderbter und
entsittlichter, schwächer und elender als die Römer selbst. Auf den
anderen Punkten aber, im Norden und Nordwesten, sollten sie erst
etwas später ihrer Schwäche inne werden. Dagegen im Innersten
des Staats, in Rom's Mauern, brach eine Revolution aus, welche
nicht bloß die vorhandenen Nebel in schmählichster Weise bloßlegte,
sondern auch so betrübte Zustände in ihrem Gefolge hatte, daß von
da an der römische Staat fast ein Jahrhundert hindurch an einem
schleichenden Fieber hinzusiechen schien. Die Noth war, daß keine
Leute mehr da waren, welche den Staat regieren konnten. Der Adel,
d. h. die früheren Patricier, durch die plebejischen Beamtenfamilien
verstärkt, der früher an Weisheit, Kraft und Hoheit einer Reihe von
Königen glich, bestand jetzt aus lauter Sklaven des Eigennutzes,
welche ihre Amtsgewalt, besonders in den Provinzen, nur dazu be-
nutzten, um sich zu bereichern, um ausgedehnte Ländereien als Grund-
besitz zu gewinnen, um sich mit Schaaren von Sklaven und Clienten,
mit unaufhörlichem Wechsel von Genüssen zu umgeben, um jeden
fremden Eindringling (homo novus) aus dem Optimatenkreise fern
zu halten, um das Volk durch Stimmenkauf, glänzende Spiele und
Bestechungen zu gewinnen. Das Volk aber, ehemals ein Muster
von ackerbauender Einfachheit, Nüchternheit, Selbstverleugnung und
Vaterlandsliebe, war jetzt durch das ruhelose Kriegsleben verwildert,
durch die Beute verwöhnt, um sein Erbgut von den Reicheren betro-
gen, ohne höheres Interesse als seine Existenz, ohne Arbeitslust, ohne
Fähigkeit, sich in ärmliche Verhältnisse zu schicken, ohne Fürsprecher
und Berather, ohne Geld, ohne Heerd, eine zuchtlose Masse, die täg-
lich durch Einwanderung aus den italischen Städten neuen Zuwachs
bekam, die durch Aussendung von Colonieen nicht mehr hinlänglich
zerstreut werden konnte, und durch die jetzt seltenen Kriege nicht mehr
wie vormals zu Tausenden aufgerieben wurde. Diese wüste Masse
sollte in ihren Comitien die Entscheidung geben über Gesetze, Beam-
tenwahlen, Kriegführung u. s. w. Sie machte daraus ein einträg-
liches Geschäft, indem sie ihre Stimmen verkaufte. Nur der meist-