1869 -
Langensalza
: Beyer
- Autor: Kaiser, Hermann
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Römische Antike
- Inhalt: Zeit: Antike
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er sich in hetrurischer Kleidung in das feindliche Lager und suchte
der Person des Königs nahe zu kommen. Dies gelang ihm, und
er stieß mnthig dem, den er für den König hielt, den Dolch in
die Brnst. Aber ach! er hatte sich geirrt, und statt des Königs
den prächtig gekleideten königlichen Schreiber getödtet. Mueius
wurde nun ergriffen, entwaffnet und vor den König gebracht. „Hat
dich anch hente mein Arm verfehlt," sprach er, „so wird dich doch
gewiß bald ein Anderer treffen."
Der König drohte, ihn dem Fener zu übergeben. ,,Siehe,"
sprach Mneius ganz kalt, „wie wenig deine Drohung ein Herz
schreckt, das sein Vaterland liebt!" Indem er so redete, hielt
er seine Rechte über eine Pfanne voll glühender Kohlen, die vor
ihm auf einem Altare stand, und verbrannte sie vor den Angen
des Königs. Porsenna, hierüber erstaunt, ließ ihn wegreißen.
„Halt ein!" schrie er, „du Rasender, gehe hin, ich schenke dir die
Freiheit."
„Habe Dank," sprach Mueius, „und vernimm als einen
Beweis meiner Erkenntlichkeit, daß sich 300 römische Jünglinge
verbunden haben, dich, so wie ich, mit dem Dolche in deinem
Lager aufzusnchen. Mich traf zuerst das Loos, die Andern werden
mir nachfolgen."
Mueius kehrte mit seiner verbrannten Hand nach Rom
zurück und erzählte seinen Mitbürgern, was ihm begegnet war.
Voll Dank und Bewunderung errichteten sie ihm eine Ehrensänle
und schenkten ihm ein großes Stück Land. Von da ab hieß er
Scävola (— der Linkhändige). Porsenna aber bekam eine solche
Furcht vor den römischen Jünglingen, daß er Frieden mit der
Stadt machte und nun nicht mehr auf der Wiedereinsetzung seines
Schützlings bestand.
Der alte Tarquin, all' seiner Kinder beraubt, mußte als
90 jähriger Greis nochmals flüchten, und starb, fern vom Bater-
lande, gehaßt und verachtet.