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1. Bd. 2 - S. 385

1844 - Leipzig : Kollmann
385 man darin, daß ein Sturm in der Nacht das prächtige Zelt umwarf, in welchem Tags darauf Heinrich hatte bewirthet wer- den sollen. Anfangs sahen sich beide Fürsten unter einer steifen Etikette und mit mißtrauischer Vorsicht. Die Stärke ihres bei- derseitigen Gefolges war genau bestimmt, ja, die Entfernung und die Schritte festgesetzt, wie weit sie sich einander nähern sollten. Wenn der König von England die Königin von Frankreich in Andres ' «richte, so mußte sich der König von Frankreich zu der- selbe ocit zur Königin von England nach Guines begeben, so daß sie einander gegenseitig als Geißeln dienten. Doch dieser Förmlichkeit wurde Franz bald überdrüssig. Eines Morgens stand er, gegen seine Gewohnheit, sehr früh auf, stieg zu Pferde und stog im Galopp, nur von zwei Edellcuten und einem Pagen beglei- tet, nach Guines. Auf der Brücke von Guines traf er den Stadt- kommandanten mit zweihundert Bogenschützen. „Ihr scyd meine Gefangenen — rief er ihnen entgegen — geschwind führt mich in das Zimmer meines Bruders, des Königs!" Staunend sagten ihm diese, daß der König noch nicht aufgestanden sey. —> Franz ging unaufhaltsam fort, pochte an Heinrichs Thüre und trat vor dessen Bett. Ganz überrascht rief dieser mit Erstaunen: „Sie spielen mir den angenehmsten Streich, mein Bruder! Gut, ich bin Ihr Gefangener und gebe Ihnen mein Ehrenwort. Sie zei- gen wie man mit Ihnen leben muß; wobei er ihm zugleich ein Halsband von sehr großem Werhe mit den Worten überreichte: „Ich bitte, tragen Sie es heute aus Liebe zu Ihrem Gefange- nen." Franz nahm es an und schenkte ihm dagegen ein Arm- band von doppeltem Werlhe. Heinrich wollte nun aufstehen. „Mein Bruder, — sagte Franz — heute müssen Sic mich zu Ih- rem Kammerdiener annchmen" und reichte ihm die Wasche. Bald darauf stieg er wieder zu Pferde und ritt nach Andres zurück. Die Seinigen, voll Unruhe über seine unbegreifliche Abwesenheit, kamen ihm entgegen, und einer seiner Vertrauten rief in der Hitze des Diensteifers: „Mein Gebieter, Sie sind ein Tollkopf, daß Sic dieses gethan haben; wer Ihnen das gcrathen, den wünsche ich zur Hölle." — „Ich habe Keinen um Rath gefragt, — ccwie- derte der König — weil ich wohl wußte, daß mir Niemand das rathen würde, was ich wünschte." Den folgenden Morgen machte der König von England seinen Gegenbesuch auf dieselbe Weise. Die Geschäfte, welche diese glänzende Zusammenkunft vcr- Ii. 25
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