1. Bd. 7
- S. 178
1845 -
Leipzig
: Kollmann
- Autor: Fortmann, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
. — 178 —
sich den Truppen zu zeigen, weil man hoffte, daß sein Erscheinen
dieselben"bewegen werde, ihn zum Könige auszurufen. ■— Wäh-
rend dies aus dem Roscio-Platze vorging, hatte sich das diplo-
malische Corps auf Einladung des französischen Gesandten, Hyde
de Neuville, versammelt, und über den Roscio hinschreitend,
verlangte es, den König zu sprechen. Als die Gesandten vor dem
Palaste angelangt waren, weigerten sich die Wachen, sie ohne
eine besondere Erlaubniß des Infanten eintreten zu lassen. Unter
diesen Umstanden wendete die Geistesgegenwart des französischen
Gesandten die beabsichtigte Frevelthat ab, indem er nemlich sagte:
„Europa erkennt nur den König für denjenigen an, der in Por-
Lugal zu befehlen habe," und durch diese wenigen Worte den In-
fanten so sehr schreckte, daß dieser dem Adjutanten, den der com-
mandirende Offizier an ihn abschickte, den Befehl ertheilte, das
diplomatische Corps durchzulassen. Dies geschah, wie behauptet
wird, in demselben Augenblicke, wo Johann V!. (den man bis
dahin, Morgens zehn Uhr, noch nicht einmal das Frühstück ge-
reicht hatte) abdanken wollte. Aufgerichtet durch die fremden Ge-
sandten, versicherte der König, daß von dem, was vorgehe, nichts
auf seinen Befehl geschehen sey, und er seinen Sohn erwarte,
um Ausschluß darüber zu erhalten.
Der Infant sah sich durch das Dazwischentreten des diplo-
matischen Corps in eine peinliche Lage versetzt. Auf allen Gesich-
fern feiner Freunde stand die angstliche Frage, was nun zu thun
sei. Dieser Verlegenheit wurden sie durch den Lord Beressord
— der sich damals, angeblich in Privatangelegenheiten, zu Lissabon
befand —' entrissen, indem er dem Infanten den Befehl überbrachte,
sogleich vor dem Könige zu erscheinen. Diesem Befehle mußte
gehorcht werden. Die Truppen wurden demnach in ihre Käfer-
nen zurückgeschickt, und Don Miguel erschien beim Könige. Er
küßte, nachdem er ein Knie gebeugt hatte, die Hand seines Va-
ters und erklarte hierauf den Gesandten, daß eine Verschwörung
gegen das Leben des Monarchen entdeckt worden sei, und daß er
diese Maßregeln habe nehmen müssen, um die Plane der Uebel-
wollenden Zu vernichten. Der König jedoch überhauste ihn mit
Verweisen und Vorwürfen, in welche auch der englische und
französische Gesandte mit einstimmten. Das diplomatische Corps
verweilte bis gegen Mitternacht bei dem Könige; es bildete gleich-
sam die europäische Leibwache des Königthums. Im Allgemeinen
I