1. Bd. 7
- S. 287
1845 -
Leipzig
: Kollmann
- Autor: Fortmann, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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gegen den Feind ziehen würden, die Bildung einer Stadtgarde
verfügt, wozu alte waffenfähigen Einwohner von achtzehn bis
fünfzig Jahren berufen wurden.
Bald folgten auch die andern belgischen Städte dem Bei-
spiele Brüssels. Wahrend hier noch gefochten ward, entstand in
Lüttich ein falscher Lärm. Der Generalmarsch wurde geschlagen,
die Brandglocke gelautet, Frauen und Kinder rissen das Straßen-
Pflaster auf, junge Madchen füllten große Krüge mit Wasser und
trugen solche ins oberste Stockwerk, Weiber stürmten, mit alten
Gewehren bewaffnet, durch die Straßen, die Steinkohlenarbeiter
stellten sich in Kompagnien auf, und aus Verviers rückten
Verstarkungs-Detachements mit wehenden Fahnen und Ringendem
Spiel an. So standen binnen wenigen Stunden über 10,000
Wallonen unter den Waffen; 113 Fasser Pulver wurden aus den
Magazinen weggenommen und auf die Cartaufe gebracht, um von
dort die (Zitadelle zu beschießen. Dies war nur ein Vorspiel
künftiger Uebergabe der mit furchtbarer Artillerie und 1700 Mann
Besatzung versehenen Festung. Am 30. wurde ein von Mastricht
abgeschicktes Corps Hollander, welches den Truppen in der Cita-
delle Lebensmittel zuführen sollte, von den Einwohnern zurück-
geschlagen, worauf sich endlich am ö, Ottober die Besatzung aus
Mangel an den notwendigsten Bedürfnissen ergeben mußte. —
Am 26. Septbr. empörte sich Ostende und zwang in den fol-
genden Tagen die Holländer zum Abzüge. — Am 27. ging
Brügge über und ward das Fort Ath von den Belgiern ein-
genommen. — Arn 28. wurde in Tour n a y die Bevölkerung
Meister der Stadt, wahrend die Holländer die die Stadt beherr-
schende Citadelle besetzt hielten. — Ein wichtigerer Schritt erfolgte
zwei Tage spater in Möns. Diese Stadt stand seit vierzehn
Tagen unter dem Kommando des Generals Howen, eines Hol-
landers. Am 29. Morgens wurden an allen Thoren Kanonen
aufgestellt, und gegen die Straßen gerichtet und auch der Rath-
hausplatz! mit zwei Kanonen besetzt. Die Garnison bestand aus
3600 Mann ohne die Artillerie. Ein Theil dieser Truppen stand
Morgens um 6 Uhr unter den Waffen, als plötzlich ein Soldat
ausrief: „Es lebe die Freiheit! Es leben die Belgier!" und dann
zu seinem Offizier sagte: „Ich gehe nach Hause." Der Offizier
wollte ihn in die Reihe zurückstoßen, der Soldat aber ergriff ihn
und schleppte ihn in die Mitte des Platzes. In diesem Augen-