1848 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Neudecker, Chr. Gotth., Schröer, Tobias Gottfried
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Privatunterricht, Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
274
Heinrich Viii., König von England, in den Niederlanden auf demselben
Schlachtfelde, wo er als Jüngling für seine Maria siegreich gekämpft hatte,
die Franzosen schlug, mußte er doch, da es Frankreich und Venedig gelang,
sowohl die Engländer als auch die Schweizer, seine Söldner, von ihm ab-
wendig zu machen, mit wenigem Vortheile Frieden schließen. Auch seinen
sehnlichsten Wunsch, mit einem Kreuzheere gegen die Türken zu ziehen,
mußte er unerfüllt lassen; die Reichsstände waren, wie immer und in allen
Dingen, auch hierin nicht willig und verkannten die Aufgabe des deutschen
Volkes, die Schutzmauer gegen die östlichen Barbaren zu sein.
Am erfolgreichsten für das Haus Oestreich war der Vertrag, welchen
Maximilian mit Wladislaw, König der Ungarn, schloß. Durch denselben wurde
die Vereinigung Ungarns und Böhmens begründet. Die Könige von Ungarn
und Polen kamen nach Wien, um daselbst eine Wechselheirath zwischen
beiden Herrscherfamilien zu stiften: der noch minderjährige Sohn Wladis-
law's, Ludwig Ii., wurde mit der Enkelin Maximilians, der spanischen
Prinzessin Maria, und ihr Bruder Ferdinand mit Ludwig's Schwester-
Anna mit großer Feierlichkeit verlobt. Weil der Jnfant Ferdinand nicht
anwesend war, ließ sich der alte Kaiser die kleine Anna im Namen seines
Enkels antrauen. Es war charakteristisch für ihn, daß er nach der Hoch-
zeittafel mit den Kindern um silberne Denkpfennige, die zu dieser Feierlich-
keit geprägt worden waren, spielte und sich wie im Leben, so jetzt im
Spiele alles Geld abgewinnen ließ.
So sorgte er noch in seinen letzten Tagen für seine Enkel und für
sein Haus, von dem er nun schon ahnen konnte, wie groß es bald werden
würde. Doch ist seine Regierung für Deutschland, ja für ganz Europa
durch die Geistesbildung segensreich geworden, die unter seinem Schutze
einen kräftigen Aufschwung nahm. Er selbst liebte und übte Kunst und
Wissenschaft mitten unter den Regierungsgeschäften und lautem Waffen-
getümmel. „Er pflegte sich," erzählt Pirkheimer, sein Gefährte auf dem
Zuge gegen die Schweizer, „nach großen Unglücksfällen einige Stunden zu
verschließen. Dann trat er wieder unter die Seinen hinaus, heiter, als ob
nichts vorgefallen sei, unterhielt sich mit denen, welche ihm nahe kamen,
durch freudige oder ernste Gespräche, durch Scherze und Spiele, hatte auch
Schreiber bei sich, denen er, wenn es die Umstände erlaubten, in kurzen
Sätzen, den Hauptsachen nach, die Begebenheiten des Tages in die Feder
sagte. Am Abende pflegte er das Geschriebene seinen Gesellschaftern vor-
lesen zu lassen und wohl lächelnd zu fragen: „wie ihnen sein Reiterlatein
gefalle?" Gelehrte Männer und ausgezeichnete Geister standen bei ihm in
hoher Gunst; er erhob sie zu seinen Gesellschaftern, zu seinen Räthen und
Feldherren. „Sie sind es," sagte er, „die da regieren, nicht aber Unter-
than sein sollen, und denen man die meiste Ehre schuldig ist, weil Gott
und die Natur sie Anderen vorgezogen hat." Und so trat denn wieder
die Tafelrunde König Arthur's in's Leben, an welcher Franz von