1827 -
Leipzig
: Fleischer
- Autor: Nösselt, Friedrich
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule, Gymnasium
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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dem Rücken in der Stadt umher, um Brot, Eier, Käse u. d. gl.
einzusammeln, er mußte die Thurmuhr stellen, die Kirche und
die Kreuzgänge ausfegen, die Abtritte ausraumen, und wem,
er in den wenigen Augenblicken, die ihm blieben, fleißig in der
Bibel las und ftudirte, so schalten ihn die andern Mönche, und
meinten: man müsse sich dem Kloster nicht durch Studiren, son-
dern durch Einsammeln von Geld, Brot, Korn, Eier, Fischen
und Fleisch nützlich machen. Dazu kam, daß Luther die größ-
ten Qualen der Seele empfand; denn immer glaubte er, noch
nicht genug zu thun, und jeder Gedanke an die Welt und seine
früheren Verhältnisse schien ihm eine große Versündigung. Da-
her schwanden ihm seine Körperkräfte; denn er aß manchen
Tag nichts als ein Stück Brot und einen magern Häring.
Allein Gott nahm sich seiner väterlich an. Er sandte ihm Trost
zu durch einen ehrwürdigen alten Mönch des Klosters, dem
Luther oft beichtete, und der ihn auf die Vergebung der Sün-
den hinwies, die Jesus dem Reuigen verheißen habe. Diese
Worte trösteten ihn ungemein. Auch besuchte ihn oft Johan-
nes von Staupitz, Generalvicar des Ordens, der ihn recht
lieb gewonnen hatte. „Du willst," sagte er ihm eines Tages,
„mir Gewalt ein Sünder seyn, und hast doch keine rechte Sünde.
Soll Christus dir helfen, so mußt du nicht mit solchem Hum-
pelwerk und solchen Puppensünden umgehen, und aus jedem
Gedanken dir gleich eine Sünde machen."
Dennoch hätte endlich der Körper seinen Anstrengungen und
seinem Trübsinn unterliegen müssen, wäre er nicht aus dieser
drückenden Lage herausgerissen worden. Der Kurfürst von Sach-
sen, Friedrich der Weise, hatte 1502 eine Universität in
Wittenberg gestiftet, und da er einen geschickten Professor der Phi-
losophie suchte, so schlug ihm Staupitz Luthern vor. So sehr
sich auch dieser dagegen sträubte, seine enge Zelle zu verlassen,
und ins Leben zu treten, so ließ Staupitz nicht nach, bis er
einwilligte. So reifte er 1508, im 25ften Jahre seines Lebens
nach Wittenberg, damals die Residenz des Kurfürsten, und be-
zog eine Zelle im dortigen Augustinerkloster, die noch jetzt nebst
einigem Hausgeräts), welches ec gebraucht hat, den Fremden
gezeigt wird. Nach einiger Zeit redete ihm Staupitz zu, doch
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