1867 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Geschlecht (WdK): Jungen
142 13. Frankreich unter Ludwig Philipp.
und zwar, wie er selbst ohne Umschweife erklärte, im Interesse des
Weltfriedens.
Im Anfänge des Jahres 1831 hatte sich die legitimistische Par-
tei von ihrem Julischrecken so weit wieder erholt, daß sie ihre Stärke
zu versuchen wagte, und zwar durch eine prunkvolle Feier des Todes-
tages des Herzogs von Berry (14. Februar). Die darüber erbitterte
Volksmasse brach in die Kirche St. Germain l'auxerrois ein, zer-
trümmerte Altar, Kanzel, Beichtstühle und Heiligenbilder und stürmte
am folgenden Tage die Wohnung des geistlichen Oberhirten von
Paris, des Erzbischofs Quoten, der schon in den Julitagen einen
Angriff bestanden hatte. Ludwig Philipp wurde um so leichter der
Mitverantwortlichkeit für jene Gewaltthaten, welche die Regierung nicht
verhindert hatte, beschrckdigt, als er dem Tumulte ein Zugeständmß
dadurch machte, daß er die bourbonischen Lilien, die mit den Kreuzen
auf den Kirchen zerstört worden waren, aus seinem Wappen entfernte.
Der Liberalismus sah darin einen neuen Beweis des Bruches mit
einer verhaßten Vergangenheit, der dem Könige zum Verdienste an-
gerechnet wurde. Die Kammer von 1830, deren Rechtsbeständigkeit
von Anfang an zweifelhaft gewesen war, hat, abgesehen von den oben
(S. 132) angeführten Veränderungen der Charte, keine wesentlichen
Neuerungen beschlossen. Sie wurde am 20. April 1831 aufgelöst,
um einer nach dem neuen Wahlgesetze zu wählenden Volksvertretung
Platz zu machen.
Als im Anfänge des Jahres 1831 in Modena, Bologna und
Parma Aufstände ausgebrochen waren (s. Nr. 20), in denen das
französische Volk eine neue Wirkung der Juli-Revolution erblickte,
und Oesterreich in entschlossenem Tone den Grundsatz der Nichtein-
mischung für Italien verwarf, glaubte auch das französische Mini-
sterium, mit einziger Ausnahme des Minister-Präsidenten, zu Gunsten
Italiens nicht länger auf dem Grundsätze der Nichtintervention be-
stehen zu müssen und Lafitte, der sich schon mit Ludwig Philipp
wegen Kaufs eines Forstes entzweit hatte, nahm von dieser Jncon-
sequenz Grund oder Vorwand zum Austritte aus dem Ministerium,
welches seinen Namen geführt hatte.
Unter dem Ministerium Casimir Perier
(13. März 1831 bis 11. October 1832).
Der Nachfolger Lafitte's war Casimir Perier, seinem Vorgänger
verwandt durch seine bürgerliche Stellung an der Spitze eines groß-
ßen Bankhauses, aber durch die schroffsten Gegensätze des Charakters
und der Politik von ihm getrennt. Er besaß Willenskraft und
staatsmännisches Talent in weit höherem Grade. Im Gegensätze zu
der Milde und Anspruchslosigkeit seines Vorgängers, war er lei-
denschaftlich, jähzornig, herrisch und bemächtigte sich als Minister-
Präsident einer Machtvollkommenheit, vor welcher sich die Kammer
und der König beugten und deren kraftvolle Handhabung vom Aus-