1861 -
Münster
: Coppenrath
- Autor: Welter, Theodor Bernhard
- Auflagennummer (WdK): 16
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Höhere Bürgerschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Wagen von Menschen umringt. Alle wollten den kühnen Mönch
sehen, der es gewagt hatte, dem Papste, vor welchem sich
Kaiser und Könige früher gedemüthigt hatten, öffentlich den
Krieg zu erklären. Am 16. April kam er zu Worms an. Eine
ungeheure Volksmenge erwartete ihn am Thore, und nur mit
Mühe konnte sein Wagen zur Herberge durchdringen. Bis
tief in die Nacht war diese von neugierigen Zuschauern um-
ringt. Gleich am folgenden Morgen holte ihn der Neichs-
marschall zur Versammlung ab. Und als Luther in den Vorhof
kam, wo mehrere Ritter standen, klopfte ihm im Vorbeigehen
der in den Waffen ergraute Ritter Frönsberg auf die Schulter
und sagte: „Mönchlein, Mönchlein, du gehst jetzt einen Gang,
dergleichen ich und viele Obersten auch in unfern allergefähr-
lichsten Schlachten nicht gemacht haben. Bist du aber auf
rechter Meinung und deiner Sache gewiß; so fahre nur in
Gottes Namen, und sei getrost, Gott wird dich nicht verlassen."
Jetzt rauschten die Saalthüren auf, und Luther trat ein in
die hohe Versammlung. Aller Augen waren auf den herein-
tretenden Mönch gerichtet. Ehrerbietig nahete sich dieser dem
Throne des Kaisers. Nun richtete man an ihn die Frage,
ob er die Bücher — welche man ihm vorzeigte, — für die
seinigen anerkenne? Und als er sich ohne Anstand für den Ver-
fasser bekannte, fragte man ihn weiter, ob er bereit sei, ihren
Inhalt zu widerrufen? In diesem entscheidenden Augenblicke
schien ihn die Zuversicht, mit welcher er gekommen war, zu
verlassen; denn er bat sich Bedenkzeit aus. Seine Bitte ward
ihm gewährt, jedoch nicht ohne den Vorwurf, daß er ja Zeit
genug gehabt habe, zuvor darüber nachzudenken. Desto größer
aber war die Entschlossenheit, mit welcher er am folgenden
Tage seine Grundsätze vertheidigte und die Aufforderung zum
Widerrufe mit der Erklärung von sich wies: „sein Gewissen
erlaube ihm nicht, zu widerrufen, so lange er nicht überzeugt
sei, daß seine Meinung der Bibel widerspreche." Ihm wurde
dagegen bedeutet, daß er nicht zu einer Disputation über
Glaubenssachen, sondern zur Leistung des Widerrufes vorge-