1867 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
24. Die Parteikämpfe in Spanien.
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aus der moderirten Partei, dessen Präsidentschaft Mira fl ores neben
der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten erhielt, Jsturiz die der
inneren.
Narvaez und Christine gaben ihre einmal gescheiterten Pläne
nicht auf: die gänzlich willenlose Jsabella Ii. ließ plötzlich in der
Nacht Miraflores rufen und verlangte von ihm die Auflösung der
Cortes, die eben am Tage vorher dem Ministerium ein Vertrauens-
Votum gegeben hatten. Der Minister weigerte sich und gab, als die
Königin darauf bestand, seine Entlassung. Am nächsten Morgen
(17. März) war ein (zweites) Ministerium Narvaez gebildet
und die Vertagung der Cortes decretirt. Kaum 14 Tage später
brach zwischen Narvaez und Christine ein Zwist aus, dessen wahre
Ursachen noch nicht aufgeklärt sind, Narvaez gab (4. April) seine
Entlassung und reiste nach Bayonne, Jsturiz bildete nicht ohne
große Schwierigkeiten ein neues Cabinet, in welches der Finanz-
Minister Mon nebst zwei anderen Mitgliedern des vorigen Cabinettes
wieder eintrat.
Die ganze Aufmerksamkeit der Regierung wandte sich der Ver-
mählungsfrage zu, die im Geheimen zwischen Paris und Madrid
aufs Eifrigste betrieben wurde. Die Candidatur Trapani, deren
Unpopularität bei der Nation den Thron Jsabella's gefährdet hätte,
wurde definitiv aufgegeben. Am 29. August machte die Gaceta
von Madrid die bevorstehende Vermählung der Königin mit ihrem
Vetter Franz de Assis bekannt; zugleich wurde officiös in Paris
und Madrid angekündigt, daß die Infantin Luisa den jüngsten Sohn
des Königs der Franzosen, Herzog von Montpensier, zu derselben
Zeit heirathen werde. Gegen letztere Heirath erhoben sich im Jn-
und Auslande die heftigsten Einsprüche. England reichte mit Be-
ziehung auf den Utrechter Vertrag wiederholte Proteste gegen die
Montpensier'sche Heirath ein und erklärte, daß die englische Regie-
rung die aus derselben entsprossenen Kinder nicht als erbberechtigt
erkennen werde. Gleichzeitig erhob sich eine verhängnißvolle Spal-
tung zwischen den Cabinetten von London und Paris, deren Folgen
eine für die Geschicke Europa's traurige Wendung nahmen (s. S.
156). Weder die französische noch die spanische Regierung ließen
sich durch die Einsprache Englands von ihren einmal fest beschlossenen
Plänen abbringen. Am 10. October, dem 16. Geburtstage der
Königin, fand die Doppeltrauung mit großem Pompe Statt, welcher
der englische Gesandte, der sich nach Aranjuez begeben hatte, nicht
beiwohnte. Schon am 21. October führte Montpensier seine junge
Gemahlin in seine Heimat an den Hof Ludwig Philipp's, nicht ahnend,
wie bald schreckliche Stürme, die ohne seine Ehe sich vielleicht nie
entfesselt hätten, den Thron seines Vaters zertrümmern und ihn
selbst zwingen sollten, als Flüchtling in dem Lande eine Zuflucht
zu suchen, das er zuerst im Glanze fürstlicher Macht betreten hatte.
Franz de Assis empfing von seiner Gemahlin den Königstitel — die