1. Bd. 2
- S. 97
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
169. Belgiens Bodengestaltung und Flüsse.
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Flüssen und einer geringen Anzahl von westöstlichen Straßenzügen. Im
Norden stellt sich zwischen dein Scheldelande und dem ihm ähnlichen
Rheinmündungslande (Holland) ebenfalls eine Kluft dar. Zwischen der
Demer-, Dyle- und Scheldelinie und den Waal-, Maas-, Leck- und
Rheinlinien bleibt ein 30 Stunden breiter Landstrich (der Hauptsache
nach die Provinz Nordbrabant), in welchem es keine Flüsse und Na-
turbahnen aus Osten nach Westen giebt, der außerdem voll von Hai-
den, Morästen und unfruchtbaren Gegenden ist, der demzufolge eine
schwächere Bevölkerung, wenige reiche Städte, wenige Producte und
Bedürfnisse hat, und daher auch von der Kunst durch ein dichtes Netz
von Canälen und Chausseen weniger wegsam gemacht ist. Dieses nord-
brabantische Land theilt das Scheldeland und das Rheinmündungsland
von einander, scheidet die beiden Länder Flandern und Holland und die
mächtigen Städtegruppen, die sich in beiden gebildet haben.
Die Demer von ihrer Quellengegend au, die Dyle von der Ein-
mündung der Deiner an, die Rüpel von der Einmündung der Dyle
au, das Scheldestück von Rupelmonde bei Gent und die Lys von Gent
bis Kortryk bilden eine wesiöstlich gestreckte Wasserlinie, die mit dem
Hauptrücken der Ardennen ganz parallel geht, und von der inan sagen
kann, daß sie, am äußersten nördlichen Fuße der Ardennen hinlaufend,
eine ununterbrochene Rinne bilde. In geologischer Beziehung kann man
diese Rinne als die Hauptlinie des Scheldcgebiets bezeichnen, in welche
alle Ardennenflüsse: Geete, obere Dyle, Senne, Dcnder, obere Schelde,
obere Lys, sich ausschütten.
Wie in geologischer, so kann man auch in commercieller und poli-
tischer Beziehung jenen Canal als die hauptsächlichste und namentlich
für Deutschland wichtigste Linie des Scheldegebiets bezeichnen. Wie
die Gewässer, so fluteten in ihm auch stets der Verkehr, der Handel,
die Armeen, die Völker in dieser Richtung. Ein ganzes Bündel von
Straßen, das von Köln, Bonn und Düsseldorf am Rhein ausgeht, sich
über Aachen, Lüttich, Mastricht in die Niederlande wirft, an den Flüs-
sen und in die Rinne am Nordfnße der Ardennen über Hasselt, Löwen,
Brüssel nach Gent, Antwerpen, Brügge geht, bezeichnet diese Richtung.
Diese Straßenrichtnug, sowie jene tief ins Land eindringenden Meeres-
fluten und Schifffahrtslinien, bewirkten es, daß der Scheldearm gleich-
sam ein 9t eben arm und das Schcldeland gewissermaßen ein zwei-
tes Mündung stand des Rheins wurden. Daher hauptsächlich
die große Haudelsblüthe dieser Striche im Mittelalter, daher auch jetzt
wieder in neuerer Zeit ihre Bedeutsamkeit für Deutschland, seitdem auch
eine große Eisenbahn von Köln her in derselben Richtung sich bis zu
der Mündung der Schelde ausgebildet hat.
Zum Theil in Folge dieser Verhältnisse wurde das Scheldeland
eine mit so reichen und blühenden Städten geschmückte Gegend, zum
Theil aber auch, ganz abgesehen von seiner Weltlage, in Folge seines
eigenen Naturreichthums und seiner innern Fruchtbarkeit. Der größte
Theil des untern Scheldelnndes ist, wie Holland, ein Geschenk des Flus-
Pl'ch, Charakteristiken zur vergleichenden Erdkunde. Ii. ^