1. Bd. 2
- S. 136
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
136 Iii. Länder- und Völkerkunde. A. Europa.
182. Die Bevölkerung Großbritanniens *).
(Nach Albr. v. Roon, Grundzüge der Erd-, Völker- und Staateukuude.)
Die heutigen Bewohner der vereinigten Königreiche sind theils ger-
manischen, theils celtischen Stammes; der letztere ist der ältere,
ureingeborene, der erstere der numerisch und politisch herrschende.
Nachdem die auch Großbritanniens ebenen Süden umfassende Römer-
herrschast zusammengebrochen, bildeten die deutschen Stämme der An-
geln und Sachsen den Keim der nachmaligen germanischen Bevölke-
rung und Obmacht. Dänische und normännische Abenteurer verstärkten
bekanntlich das germanische Element, ungeachtet sie die Sachsenherrschaft
und das L-achsenthum bedrängten. Nichtsdestoweniger erscheint dieses
letztere, durch zahlreiche Nachsahrer aus der Heimath verstärkt, als der
Haupt-Typus der germanischen Bevölkerung Britanniens. Diesen hat
die nachfolgende Ueberflutnng durch die normännisch-französische Völker-
welle nicht verwischt, vielmehr aufgefrischt, denn sie war ebenfalls
ihrem Urwesen nach germanisch. Dies sind die Elemente, aus deren
Verschmelzung auf britischem Boden ein Volksthum entstanden ist, das
in gewissen Beziehungen unter allen germanischen das kräftigste genannt
werden muß. Die heutigen Engländer sind daher vorzugsweise als
die Söhne jener ersten angelsächsischen Eroberer und Einwanderer zu
betrachten, wenngleich sie auch anderes germanisches und im Laufe der
Zeit nicht wenig celtisches Blut in sich aufgenommen haben mögen.
Dies letztere wenigstens ist fast ohne alle erkennbaren äußerlichen Spuren
assimilirt worden, während die zwar in ihren Wurzeln und Formen
dem Niederdeutschen noch immer sehr ähnliche englische Sprache durch
die als Sieger und mit überlegener Bildung über den Canal gekom-
menen französirten Normannen eine unverkennbar fremdartige Beimi-
schung erhalten hat.
Diese Sprache ist gegenwärtig in beiden Königreichen die entschieden
vorwaltende, so daß es nur noch verhältnißmüßig wenige abgelegene
Grafschaften in West-Irland, Hoch-Schottland, Wales und Cumberland
gibt, wo ihr die Herrschaft von den der celtischen Urbevölkerung eigen-
thümlichen kymrischen und erfischen Mundarten bis jetzt streitig gemacht
wird. Die celtische oder gälische Bevölkerung besteht nämlich aus den
beiden einander nahe verwandten Stämmen der Briten oder Kymren
und der Gälen oder Ersen. Beide theilen sich wieder in zwei
dialektlich verschiedene Völkerschaften. Zu den ersteren gehören die
Wälschen oder Walliser, welche in dem größten Theile von Wales
ausschließlich die ländliche Bevölkerung bilden, und die Cambrier
oder die cambrischen Briten in den Gebirgsgegenden der Grafschaften
Cumberland und Westmoreland.
*) Vgl. des Nordamcrikaners Ralph Waldo Emerson's Charakteristik der
Engländer in K. Andree's geographischen Wanderungen, I. S. 14 ff.