1. Bd. 3
- S. 543
1838 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Neuseeland.
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Flachs verarbeitet, und die daraus verfertigten Zeuge sind eben so schön,
aber viel fester, geschmeidiger und leichter als die Leinenzeuge. Eine
Haupteigenthümlichkeit des Gewebes besteht darin, daß man es ein
halbes Jahr im Wasser liegen lassen kann, ohne daß es Veränderung
erleidet. Zahlreiche Erfahrungen an Netzen und Tauen lassen hier-
über keinen Zweifel mehr. Diese Fabrik beschäftigt 1000 Menschen,
indem die Pflanze, ehe man sie zum Spinnen gebrauchen kann, 7
Manipulationen erleidet; doch kommt, wenn man bis zum Kämmen
alle Kosten zusammen rechnet, der Ctr. von diesem Flachs nicht ein-
mal auf 1 \ rl. zu stehen.
Von den Mineralien ist besonders der Jade oder Nieren-
stein, Nephrit zu bemerken, ein zu den Talkartcn gehöriger Stein,
welcher sich auf der mittlern Insel in Menge an den Ufern eines
Sees findet, der den Namen Grünstein-See führt. Wenn man
ihn ausgrabt, ist er weich und undurchsichtig, gewinnt aber an Harte,
wenn man ihn der Luft aussetzt und wird dann halb durchsichtig.
Die Eingebornen verfertigen ihre Beile und Messer daraus, daher er
auch Beil stein genannt wird.
Die Bevölkerung der nördlichen Insel, welche den bevölkertsten
Theil Neuseelands ausmacht, wird auf etwa 160,000 Individuen ge-
schätzt. Wie viel Menschen aber auf der mittlern und südlichen In-
seln leben, darüber laßt sich gar nichts sagen; man halt indessen ihre
Zahl für sehr gering. Die Neuseeländer gehören nicht wie die
Bewohner der andern Inseln des Binnengürtels zu der Papuas-Rasse,
sondern zu der, welche Lesson die Hindu-Kaukasische und zwar zu dem
Zweige, welchen er den Ozeanischen nennt. Als Neuseeland zuerst
von den Europäern entdeckt wurde, waren die Neuseeländer ein ganz
wildes und rohes Volk und selbst in neuerer Zeit, bis vor etwa 10
bis 20 Jahren konnte man nur eine geringe oder vielmehr gar keine
Verbesserung des Nationalcharakters wahrnehmen, wiewohl es nicht
leicht ein Volk giebt, das die Neuseeländer an geistigen und körperli-
chen Anlagen und an Empfänglichkeit für Civilisation übertreffe, noch
irgend eins, das in kürzerer Zeit sich würdig mache, einen Rang un-
ter den civilisi'rten Nationen einzunehmen, wenn die gewöhnlichen
Mittel des Unterrichts und der Unterweisung in den verfeinernden und
veredelnden Künsten angewendet werden. Daher haben auch die Neu-
seeländer in Folge des eingetretenen lebhaften Verkehrs mit Europäern
und der Bekehrung zum Christenthum durch die hier bestehenden Eng-
lischen Missions-Anstalten, auf der Bahn der Gesittung bedeutende
Fortschritte gemacht, so daß die heutigen Einwohner, wenigstens die
auf der Ostseite der nördlichen Insel und nördlich von der Themse le-
benden, sehr verschieden sind von denen, welche Tasman, der Ent-
decker Neuseelands, und nach ihm Cook kennen lernten.
Zur ersten Gründung dieser jetzt auf Neuseeland blühenden Mis-
sivnsanstalten trug der vom ächten Geiste der Menschenliebe beseelte