1864 -
Mainz
: Kirchheim
- Autor: Kieffer, Franz Xaver
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
38
31. Ein schwefelgelber Wetter-
schein
Umzieht hierauf des Waldes Laub.
Angst rieselt ihm durch Mark und
Bein;
Ihm wird so schwül, so dumpf und
taub.
Entgegen weht ihm kaltes Grausen;
Dem Nacken folgt Gewittersausen.
32. Das Grausen weht; das Wetter
saust,
Und aus der Erd' empor, huhu!
Fährt eine schwarze Niesenfaust;
Sie spannt sich auf; sie krallt sich zu;
Hui! will sie ihm beiin Wirbel packen;
Hui! steht sein Angesicht ini Nacken.
33. Es stimmt und flammt rund
um ihn her
Mit grüner, blauer, rother Gluth;
Es wallt um ihn ein Feuermeer,
Darinnen wimmelt Höllenbrut.
Hoch fahren tausend Höllenhunde,
Laut angehetzt, empor vom Schlunde.
34. Er rafft sich auf durch Wald
und Feld
Und flieht laut heulend Weh und
Ach;
Doch durch die ganze weite Welt
Rauscht bellend ihm die Hölle nach,
Bei Tag tief durch der Erde Klüfte,
Um Mitternacht hoch durch die Lüfte.
35. Fm Nacken bleibt sein Antlitz
stch'n.
So rasch die Flucht ihn vorwärts reißt,
Er muß die Ungeheuer seh'n,
Laut angehetzt vom bösen Geist;
Muß sehen das Knirschen und das
Zappen
Der Rachen, welche nach ihm schnap-
pen. —
36. Das ist des wilden Heeres
Jagd,
Die bis zum jüngsten Tage währt
Und oft den Wüstling noch bei Nacht
Zu Schreck und Graus vorüberfährt.
Das könnte, müßt' er sonst nicht
schweigen,
Wohl manches Jägers Mund bezeugen.
Bürger.
20. Fragment aus einer Predigt.
Die Wahrheit sollen wir reden; nicht bloß nach der Wahrheit, sondern
auch für die Wahrheit sollen wir sprechen. Sprechen wir nach der Wahrheit:
so drücken wir nichts Anderes aus, als was in unserer Seele ist; so herrscht
zwischen unsern Worten und Gedanken, zwischen unsern Reden und Empfin-
dungen die genaueste Uebereinstimmung; so erklären wir uns selbst dann nicht,
anders, wenn es Ueberwindung kostet, redlich zu sein, wenn wir unserer Frei-
müthigkeit wegen Verdruß und Schaden zu fürchten hahen. — Und sprechen'
wir für die Wahrheit: so heben wir jeden Mißverstand, widerlegen jeden Irr-
thum, vertilgen jeden Wahn, theilen jede nützliche Kenntniß mit, verbreiten
jede heilsame Entdeckung , befördern jede wohlthätige Kunst und Wissenschaft
und verkündigen, vertheidigen jede Lehre, jedes Gebot der Vernunft und
Religion.