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1. Theil 2 - S. 227

1864 - Mainz : Kirchheim
227 schwemmte Holland. Wenn man dahin kommt und die Menschen und ihre Art und ihr Leben sieht, ihre Flüsse, Kanäle, Gräben, Schleusen und Deiche, ihre mächtigen Häfen und Schiffswerften, ihre Landstraßen, Städte, Schlösser und Thürme, ihre Thätigkeit, Kühnheit, Nettigkeit und Sauberkeit: so sieht man stisi und staunt und wundert sich. Aber wenn man vollends die Geschichte die- ser Menschen erforscht, so wundert man sich noch mehr. Denn Alles dies, dieses reiche Land, diese prächtigen Städte, diese blanken, freundlichen Dörfer, hat der denkende und arbeitsame Mensch aus dem Schlamme herausgehoben und zum Theil den Wogen des Meeres abgewonnen. Die Holländer haben ihr Land sich selbst geholt, und darum heißen sie mit Recht auch Holländer. Um aber den Holländer recht kennen zu lernen, muß man oft und lang ihn sehen, um ihn von innen heraus verstehen zu lernen. Wenn man also in die hol- ländischen Städte und Dörfer kommt und die Menschen so still und langsam und doch so nett und reinlich, als hätten sie mit Mühe und Arbeit nur leicht sich zu befassen, einhergehen sieht; wenn der Bauer langsam und bedächtig, wie ein Storch, in seinen hohen Holzschuhen einherschreitet und mit wohlbehaglicher Miene und langsamer Rede uns begegnet: so könnte uns einfallen, ein so stilles, bequemes Geschlecht könne dieses Land nicht gemacht und diese gewal- tigen, herrlichen Werke nicht geschaffen haben. Der Holländer steht aber da im Bewußtsein der Wohlhabenheit und Behaglichkeit, eben daß er der Schöpfer und Herr dieses Landes ist, wo nur Frösche, Möven und Rohrdrommeln ihre heisere Stimme ertönen lassen würden, wenn der Mensch nicht mit Spaten, Schaufeln und Rudern in der Hand sein „Es werde" gerufen hätte. Der Hol- länder gleicht dem stillen, zahmen Seelöwen, der sich auf die trocknen Klippen in die Sonne gelegt hat. Wenn man diesen Menschen sieht, wie nett seine Kleider, wie wohlgesetzt seine Perücke, wie mit Blumen und Kräutern mancher- lei Art sein Flur - und Vorhaus geziert ist, wie er in seinen zierlich geschnör- kelten und mit Bildchen verzierten Wändchen wochenlang spazieren gehen kann, ohne ein Spänchen zu verrücken; wenn man sieht, wie er seine Gärten mit allerlei bunten Muscheln und Steinen ausgelegt und die Bäume und Sträu- cher zu allerlei regelrechten Figuren geschnitzt hat; wenn man in seinen Kuh- stall tritt, der so reinlich und nett gefegt ist, daß eine Prinzessin mit ihrem Schleppkleide hindurchgehen könnte: dann bekommt man eine Vorstellung von dem holländischen Wesen. Aber störe diesen Seelöwen auf, jage ihn in's Wasser, da siehst du ihn spielen und plätschern; da hörst du ihn brausen; dann brüllt auch sein Zorn mitunter auf, daß dir vor Grausen die Haare stehen. Der sonst so stille und ruhige Mensch wird ein ganz anderer, wenn er auf dem Meere schaltet und waltet. Seine Hände und Füße regen sich geschwinder, wenn er Wind und Wellen Trotz bietet. Um der Einförmigkeit seines Landes gleichsam zu entgehen, hat sich der Mensch hier mit einem anderen Schmucke des Landes umgeben müssen. Die übertriebene Reinlichkeit und Sauberkeit, die uns anderen Deutschen oft pein- lich wird, Blumenliebe und Blumenpflege noch mehr, als bei den belgischen 15*
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