1850 -
Stuttgart
: Müller
- Autor: Hoffmann, Friedrich W.
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Meeresströmungen.
engen Kanal der Themse bis zur Londoner Brücke hinauf zurückzulegen.
An einigen Inseln der Südsee steigt die Fluth gewöhnlich nicht höher als
2 Fuß. Zu Annapolis, in der Fundy-Bay in Nordamerika, hat sie eine
Höhe von 120 Fuß. Zu St. Malo in der Bretagne und zu Bristol zeigt sich
zwischen Ebbe- und Fluthgrenze ein Unterschied von 50 Fuß. Diese Angaben
werden genügen, um den Einfluß der Localität auf die Gezeiten darzuthun.
Dazu kommt noch die Wirkung des Windes, der das Steigen je nach
Umständen vermehrt oder vermindert.
Viele größere Seen, besonders die auf S. 339 ffg. erwähnten großen
Seen Nordamerika's, zeigen ziemlich regelmäßige Ebbe und Fluth, und
ganz besonders sehr beträchtliche Fluthen. Man würde übrigens sehr irren,
wenn man diese Erscheinungen der Einwirkung der Himmelskörper zu«
schreiben wollte; ste rühren vielmehr nur von den wechselnden See- und
Landwinden her, und haben somit dieselbe Ursache gemein mit der Verän-
derung im Niveau der Ostsee, deren wir S. 347 erwähnten. Derselben
Ursache sind auch die sogenannten Seiches des Genfersee's und eine
Reihe analoger Niveauveränderungen an der Westküste von Frankreich, bei
Algier u. s. f. zuzuschreiben. Die Seiches des Genfersee's bestehen in
einem unregelmäßigen Steigen des Wassers ohne Wellenschlag, welches
selten über eine starke Viertelstunde andauert, und an den engsten Punkten
des See's, z. B. bei Genf, fünf Fuß, — an andern Orten nur wenige
Zolle beträgt. — Diese Erscheinungen hängen sämmtlich von dem verän-
derten atmosphärischen Druck in Folge der wechselnden Winde ab. Außer
den Seiches hat der Genferfee zuweilen noch andere Strömungen von
West nach Ost, also dem Rhonelauf entgegengesetzt, 6nlliöres genannt,
deren Ursprung von dem unterirdischen Zufluß von Gewässern aus den
piemontesischen Alpen herkommen soll, wenn die Schnee - und Eismassen
der dortigen Gletscher von der Sommerhitze schmelzen. —
Meeresströmungen.
Wir gehen nun zu der Betrachtung der dritten Art von Bewegung
über, ^welcher das Meer unterworfen ist — nämlich zu derjenigen, die durch
Meeresströme erzeugt wird. Diese Ströme sind nach den Umständen, die
ihre Bewegung reguliren, in Klassen eingetheilt worden, wovon die erste
die beständigen, die zweite die periodischen, und die dritte die zufälligen
und unbestimmten umfaßt. In dieser allgemeinen Skizze wird es jedoch
nicht nothwendig seyn, daß wir unsere Bemerkungen auf die gegebene Ein«
theilnng beschränken. In Beziehung auf ihre Ursachen können wir uns
nicht so bestimmt aussprechen, wie bei Gelegenheit des Ursprungs der Ge-
zeiten, indem wahrscheinlich mehrere Kräfte zugleich dabei thätig sind. Der