1881 -
Leipzig
: Ed. Peters Verl.
- Autor: Senckpiehl, Richard, Schreiber, Carl
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Bürgerschule, Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Mädchenschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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danach, sich und sein Volk auf eine höhere Bildungsstufe zu erheben und Rußlands
Macht zu vergrößern. Er rief zur Förderung der Industrie Ausländer nach Rußland
und begünstigte den Handel und die Schiffahrt. Zu seiner eigenen Ausbildung unter-
nahm er eine Reise durch Deutschland, Holland und England. In Amsterdam suchte
er sich mit allem, was das Seewesen betrifft, bekannt zu machen, und in dem nahen Dorfe
Saardam arbeitete er sogar einige Zeit als Schisfszimmermann. Seinen Aufenthalt
in England benutzte er, um sich noch eingehender mit dem Seewesen bekannt zu machen.
Tüchtige Handwerker und Künstler, auch Offiziere wurden von ihm unter den günstigsten
Bedingungen angeworben und nach Rußland geschickt. Ein Aufstand der Strelitzen,
einer im 16. Jahrhunderte eingerichteten kaiserlichen Leibgarde, rief ihn nach seiner
Hauptstadt Moskau zurück. Nachdem er mit grausamer Strenge die Empörung unter-
drückt hatte, löste er das Corps der Strelitzen ganz auf und bildete sich ein Heer,
das nach europäischem Muster von ausländischen Offizieren eingerichtet und eingeübt
wurde. Er führte nun bei den Russen europäische Kleidung und Sitte ein, errichtete
Schulen, legte Buchdruckereien an und ließ die hervorragendsten Bücher des Auslandes
ins Russische übersetzen. Besondere Sorgfalt widmete er der Ausbildung des See-
wesens und der Ausbreitung des Handels.
Das Streben Peters des Großen war, Rußland zu einer Großmacht zu erheben.
In einem Kriege mit den Türken hatte er Asow erobert und besaß nun eine Flotte aus
dem Schwarzen Meere. Um die Herrschaft aus der Ostsee zu erlangen, trachtete er
danach, den Schweden Livland, Esthland und Jngermanland zu entreißen. Deshalb
schloß er mit den Königen von Polen und Dänemark, welche schon lange mit Neid
auf die Machtentwickelung Schwedens gesehen hatten, ein Bündnis gegen den jungen
König Karl Xii. von Schweden, und es begann der nordische Krieg, welcher von
17 00—17 21 dauerte. Nach einer Reihe von Siegen wurde Karl Xii. in der
Schlacht bei Pultäwa 1709 von den Russen gänzlich geschlagen und floh nach der Türkei.
Dort blieb er bis zum Jahre 1714. Die Zahl seiner Feinde vermehrte sich durch
Friedrich Wilhelm I., König von Preußen, und Georg I., König von England.
Schweden verlor außer den Ostseeprovinzen noch die Besitzungen in Deutschland.
Karl Xii. unternahm, um sich für die erlittenen Verluste zu entschädigen, mehrere
Kriegszüge nach Norwegen. Bei der Belagerung von Friedrichshall (an der Süd-
ostgrenze Norwegens) wurde er 1718, wahrscheinlich meuchelmörderisch, erschossen.
Im Frieden zu Nystiidt 1721 erhielt Rußland die Ostseeprovinzen und wurde nun-
die erste Macht im Norden. Peter nahm den Kaisertitel an und wählte Petersburg,
das er i. I. 1703 in einer sumpfigen Gegend erbauen ließ, zur Residenz. Die
Bildung seines Volkes nach europäischer Weise so viel als möglich zu fördern und
die Wohlfahrt des Landes zu heben, blieb fortgesetzt seine eifrige Sorge. In seinem
Streben unterstützte ihn der Fürst Mentschikoff, der sich vom Sohne eines Pasteten-
bäckers zum Minister und Günstling des Kaisers emporgeschwungen hatte. Noch
während des nordischen Krieges unternahni Peter mit seiner Gemahlin Katharina
eine Reise nach Holland und Frankreich, wo damals Ludwig Xiv. regierte, und
suchte die dabei gesammelten Erfahrungen in seinem Lande zu verwerten. Er starb
1725 im Alter von 53 Jahren, ohne männliche Erben zu hinterlassen. Durch
Mentschikofss Einfluß kam Peters Gemahlin Katharina I. auf den Thron. Sie ließ
das Land durch Günstlinge regieren, ergab sich dem Trünke und starb schon nach
zwei Jahren. Auch unter ihren Nachfolgern Peter Ii., 17 17—1 730, und Anna,
1730—1740, führten Günstlinge die Regierung. Von 1741 —1762 war Elisabeth,
Tochter Peters des Großen, Kaiserin. Ihr Nesse Peter Iii. wurde nach einer
Regierung von wenigen Monaten vom Throne gestoßen und ermordet. Seine Ge-