1911 -
Berlin [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Sandt, Hermann, Schulze, Hermann, Trautwein, Emil, Kahnmeyer, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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traten die Abgeordneten der einzelnen Städte zu Beratnngen znsammen. 300
Jahre lang vertrat die Hansa deutschen Geist und deutsche Tatkraft dem
Auslande gegenüber zu einer Zeit, als das deutsche Kaisertum ohnmächtig
war. Im 16. Jahrhundert zerfiel sie allmählich, weil Uneinigkeit unter den
Hansastädten ausbrach und der Welthandel sich seit der Entdeckung Amerikas nach
dem Westen Europas verschob. Nur Lübeck, Hamburg und Bremen erneuerten
den Bund 1630.
3. Die Femgerichte.
In den schütz- und rechtlosen Zeiten des Mittelalters verbreiteten sich durch ganz
Deutschland die Femgerichte. Ihre obersten Richter hießen Freigrafen, die übrigen
Mitglieder Freischöffen. Die Gerichtsstätte nannte man die Mahlstätte, das Gericht selbst
den Freistuhl. Der oberste Freistuhl war in Dortmund unter der Femlinde. War
jemand beim Femgerichte verklagt, dann wurde er durch den Ladebrief mit 7 Siegeln
vorgeladen. War es ein Ritter, der auf seiner Raubburg verschlossen wohnte, so hieben
die Fronboten 3 Späne aus dem „Nennbaum oder Riegel" am Tore und steckten den
Ladungsbries in die Kerben. (Daher noch heute der Ausdruck Steckbrief.) Erschien der
Angeklagte, so führte man ihn in den Kreis der Richter und las ihm die Anklage vor.
Bekannte er sich schuldig oder wurde er überführt, dann sprachen die Schöffen das Urteil.
Ursprünglich befaßte sich die Feme nur mit todeswürdigen Verbrechen. Die Todesstrafe
wurde sofort vollzogen, meistens von dem jüngsten Schöffen. Gewöhnlich hängte man den
Verurteilten an den nächsten Baum. Erschien der Angeklagte nicht, so galt er für
schuldig und ward „verfemt". Dann wurde der Name des Verurteilten in das Blutbuch
geschrieben und der also Verfemte von allen Freischöffen verfolgt. Keiner durfte das
Urteil verraten; aber jeder hatte die Pflicht, es zu vollstrecken; doch mußten sie
dabei zu dreien sein. Wo sie des Verfemten habhaft werden konnten, da stießen sie ihn
nieder oder hängten ihn. Zum Zeichen, daß der Getötete durch die Feme gefallen war,
steckte man ein Messer neben ihm in die Erde. Ende des 16. Jahrhunderts finden sich
die Femgerichte nur noch in Westfalen; 1808 wurden sie von den Franzosen aufgehoben.
Viii. Das Zeitalter der Reformation und der
religiösen Kämpfe.
Die Vorboten einer neuen Zeit.
a. Erfindungen.
1. Bucbdruckerkunft. a) Bor der Erfindung der Buchdruckerkunst wurden
die Bücher durch Abschreiben vervielfältigt, womit sich besonders die Mönche
beschäftigten. Doch waren solche Bücher sehr teuer. Später schnitt man Heiligen-
bilder in Holz und druckte sie ab. Ebenso versuchte man, ganze Buchseiten in
Holztafeln zu schneiden und durch Abdruck zu vervielfältigen. Da kam Johann
Gutenberg aus Mainz auf den Gedanken, die Buchstaben einzeln her-
zustellen und zu Wörtern zusammenzusetzen, nach dem Druck aber
wieder auseinander zu nehmen und zu anderen Wörtern zu ver-
wenden. Ferner erfand er die Kunst, die einzelnen Buchstaben aus Metall
zu gießen. Geldnot zwang ihn, sich mit dem Goldschmied Fust und dessen
Schwiegersohn Peter Schöffer, dem Erfinder der noch jetzt gebräuchlichen Drucker-
schwärz e, zu verbinden. Das erste große Druckwerk war eine lateinische
Bibel. Anfangs blieb die Druckerkunst Geheimnis; als aber die Fust-Schöffersche