1883 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Sach, August, Keck, Heinrich, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 9
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
207. Der Hauptmann von Wismar.
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im Stand des jammerhaften Schwedens,
sah sich nach Rettung um vergebens.
Und da er also um sich blickte,
sah er ein Zweiglein, welches nickte
vom Brombeerstrauch mit reifen Beeren:
da konnt' er doch der Lust nicht wehren.
Er sah nicht des Kameles Wut,
und nicht den Drachen in der Flut,
und nicht der Mäuse Tückespiel,
als ihm die Beer' ins Auge fiel.
Er ließ das Tier von oben rauschen
und unter sich den Drachen lauschen,
und neben sich die Mäuse nagen,
griff nach den Beerlein mit Behagen,
sie beuchten ihm zu essen gut,
aß Beer' auf Beerlein wohlgemut,
und durch die Süßigkeit im Essen
war alle seine Furcht vergessen.
Du fragst: Wer ist der thöricht' Mann,
der so die Furcht vergessen kann?
So wiss', o Freund, der Mann bist du!
Vernimm die Deutung auch dazu:
Es ist der Drach' im Brunuengrund
des Todes aufgesperrter Schlund:
und das Kamel, das oben droht,
es ist des Lebens Augst und Not.
Du bist's, der zwischen Tod und Leben
am grünen Strauch der Welt muß schweben.
Die beiden, so die Wurzel nagen,
dich samt den Zweigen, die dich tragen,
zu liefern in des Todes Macht,
die Mäuse heißen Tag und Nacht.
Es uagt die schwarze wohlverborgen
vom Abend heimlich bis zum Morgen;
es uagt vom Morgen bis zum Abend
die weiße, wurzeluntergrabend.
Und zwischen diesem Graus und Wust
lockt dich die Beere Sin neu tust,
daß du das Lasttier Lebensnot,
daß du im Grund den Drachen Tod,
daß du die Mäuse Tag und Nacht
vergissest und auf nichts hast acht,
als daß du recht viel Beerlein haschest,
aus Grabes Brunnenritzen naschest.
R ü ck e r t.
daß du Kamel, die
In der sechsten Zeile vom Ende hat der Dichter geschrieben:
Lebensnot." Aber der Ausdruck ist nicht glücklich gewählt.
206.
1. Ä)enn alles eben käme,
wie du gewollt es hast,
und Gott dir gar nichts nähme,
und gab’ dir keine Last:
wie wär's da um dein Sterben,
du Menschenkind, bestellt?
Du müßtest fast verderben,
so lieb wär' dir die Welt.
Trost.
2. Nun fällt, eins nach dem andern,
manch süßes Band dir ab,
und heiter kannst du wandert:
gen Himmel durch das Grab.
Dein Zagen ist gebrochen,
und deine Seele hofft; —
dies ward schon oft gesprochen,
doch spricht man's nicht zu oft.
Fouqus.
207. Der Hauptmami von Wismar.
Ziegen das Ende des vierzehnten Jahrhunderts, als die norddeutsche
^ Hansa in ihrer Blüte stand, kam nach Wismar mitten im Winter
die Nachricht, dass Stockholm in Schweden hart von den Dänen
belagert würde und die Bürger grossen Hunger litten, und wenn sie
nicht nächstens entsetzt würden, so müssten sie aus Not die Stadt über-
geben. Um das zu verhindern, wurden in dem Tief von Wismar acht
grosse Schiffe ausgerüstet; diese wurden mit Korn, Mehl und anderen
Lebensmitteln beladen und mit kühnen Männern besetzt, den Holm zu
befreien. Es war aber mitten im Winter, da diese Schiffe ausliefen:
sie hatten einen Hauptmann, namens Meister Hugo. * Die Dänen
hatten aber auch einen Haufen Schiffe in See, um auf ihre Feinde acht-
zugeben.