1880 -
Sondershausen
: Eupel
- Hrsg.: Helmrich, Karl, ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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zu diesem Falle geführt hatte, und daß alle iu allen Ständen daran ihren
Theil hatten. Cs mußte an allen Enden und bei allen besser werden, ehe
man hoffen konnte, das Vaterland wieder frei und groß zu machen. Ge-
rade in jener Zeit der Not unternahm es König Friedrich Wilhelm Iii.
im festen Vertrauen auf Gott, die Keime einer besseren Zukunft zu pflanzen
und zu pflegen. Er hatte dabei vornehmlich zwei Männer als Helfer, den
Minister Freiherrn vom Stein und den General Scharnhorst.
Zn allererst kam es darauf an, die Kriegssteuer an Frankreich zu
zahlen; denn so lange diese nicht gezahlt war, blieben das Land und die
Festungen von Franzosen besetzt. Daher galt es vor allem zu sparen.
Der König ging selbst voran: er beschränkte seinen Haushalt, er entließ
viele seiner Diener, er aß nicht besser als ein einfacher Bürger. Das
goldene Tafelgeschirr schickte er in die Münze und ließ Geld daraus prägen.
Im ganzen Lande wurden die Steuern erhöht, es wurden Anleihen ge-
macht, und so gelang es noch im Jahre 1808 die Kriegssteucr abzutragen.
Die Franzosen räumten Berlin, und unter großem Jubel zogen wieder
preußische Truppen in die Hauptstadt ein.
Aber mehr noch mußte man für die Zukunft sorgen. Es mußte in
alle Stünde ein ganz neues Leben gebracht werden. Kein Stand hatte
dies so nötig als der Bauernstand. Fast alle Bauern in den Ländern
östlich von der Elbe waren damals noch unfrei. Sie waren zwar nicht
leibeigen, aber sie waren dem Gutsherrn erbunterth änig. Der Bauer war
an sein Gut, an die Scholle, auf der er geboren war, gebunden. Der
Acker, den er bearbeitete, gehörte ihm nicht als freies Eigentum, sondern
er hatte nur den Nießbrauch. Der eigentliche Besitzer war der Gutsherr,
und der Bauer mußte demselben für den Nießbrauch seines Ackers schwere
Frohndienste leisten und Abgaben an Korn und Geld geben. Unter solchen
Umständen konnte man von den Bauern eine lebendige freudige Thätigkeit
nicht erwarten. Um nun einen freien Bauernstand zu schaffen, erließ der
König im Oktober 1807 die Gesetze über Aufhebung der Erbunter-
thänigkeit zunächst auf allen Krongütern, gleich darauf über den freien
Gebrauch des Grundeigentums und über die persönlichen Verhältnisse der
Landbewohner.
Ebenso erhielten die Städte 1808 eine ganz neue,Verfassung, die
Städtcordnnng. Bis dahin hatten sie in obrigkeitliche Ämter nur ausge-
diente Militärs wählen dürfen, die den Bürgern fremd waren und nicht
wußten, was der Stadt not that. Jetzt durften die Bürger ihren Bürger-
meister, ihren Magistrat und ihre Stadtverordneten nach ihrem Wunsche
und aus ihrer eigenen Mitte wählen. Diese verwalteten dann das Ver-
mögen der Stadt und alle ihre Angelegenheiten selbständig, und die Re-
gierung hatte nur die Aufsicht über sie. Durch dieses Gesetz wurde in der
That bald wieder Liebe zur Gemeinde, Theilnahme an ihren Angelegen-
heiten und ein erhöhtes Gefühl für Selbständigkeit und Ehre erweckt.
Vor allem aber mußte dafür gesorgt werden, daß der Staat ein neues
tüchtiges Heer bekam. Der edle, feste und geistvolle General von Scharn-
horst war es, der in Gemeinschaft mit Gneisenau die Grundgedanken der
neuen Schöpfung feststellte. Die Wehrhaftmachung des ganzen Volks
war der oberste Grundsatz der neuen Wchrverfassung: rasche und tüchtige
Ausbildung der Massen, sittliche und wissenschaftliche Hebung der Offiziere,
Gleichheit der Rechte und Pflichten für alle, Begründung der Kriegszncht