1913 -
Berlin
: Oehmigke
- Autor: Nohl, Walther
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Brandenburg
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde, Geographie, Brandenburg
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Schon nach wenigen Minuten landen wir am jenseitigen
User und betreten den Park von Babelsberg. Weitästige Bäume
streuen Schatten über die vielfach gewundenen Wege, auf denen
wir langsam dahinschreiten. In dem Gezweige jubelt und singt
und klingt es in Heller Frühlingslust. Aus den weitgedehnten,
sattgrünen Rasenflächen aber leuchten die gelben Ranunkeln,
und um der Butterblumen goldige Sterne gaukeln Schmetter-
linge mancherlei Art. Das Auge schwelgt in der tausendfachen
Farbenharmonie, und fast ehe wir's denken, stehen wir vor einer
halbkreisförmigen Marmorbank, deren Rückseite von üppigem
Weingerank umsponnen ist. Dieses umzieht auch die über die
Lehne aufragenden Säulen, von deren Höhe die meisterhaft
ausgeführten Bronzebüsten der ruhmgekrönten Heerführer Kaiser
Wilhelms auf uns niederschauen. Dunkle Lorbeerbäume erheben
auf schlanken Stämmen ihre glänzende Krone, als böten sie ihren
Blätterschmuck den Siegern zum überreich verdienten Kranze
dar. Der Bank gegenüber aber auf hohem Postament erhebt
sich die Büste des ersten deutschen Kanzlers.
Weiter führt uns ein gewundener Pfad zu einer sanften
Höhe, auf deren Scheitel die Viktoriasäule sich erhebt. Ein mäch-
tiger Säulenschaft aus poliertem Granit mit künstlerisch gestaltetem
Kapitäl trägt die goldstrahlende Siegesgöttin, die aus lichter Höhe
den Ruhmeskranz den Männern spendet, deren bronzene Bilder
zu ihren Füßen aufragen. Das Postament der Säule ist geschmückt
mit den Nachbildungen der Ehrenzeichen, die Kaiser Wilhelm
zur Erinnerung an die ruhmreichen Feldzüge der Jahre 1864,
66 und 70/71 gestiftet hat. Ein halbkreisförmiges, niedriges Lorbeer-
gebüsch grenzt die Vorderseite der Plattform ab, auf der das Denk-
mal sich erhebt. Weithinaus schweift der Blick des Beschauers
über die Stadt Potsdam hinweg, bis am Horizont der schlanke
Turm von Werder auftaucht, und über Nowawes und die grünen
Wiesen, durch die der Nuthe silbernes Band sich windet, bis zu
den waldumsüumten Höhen des Brauhausberges, die in bläu-
lichem Dufte verschwimmen.
Zwischen kräftig aufstrebenden Eichen und Buchen, denen
sich Eschen und Birken, Ulmen und Ahorn, Kastanien und Linden
gesellen, gelangen wir auf eine zweite Höhe, von welcher der
Flatowturm weit in das Land hinausschaut. Der Bau, eine Nach-
bildung des Eschenheimer Turmes zu Frankfurt a. M., ist von den