1867 -
Breslau
: Max
- Autor: Nösselt, Friedrich
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Privatunterricht, Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Mädchen
258 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Frankreich.
ches zum Erstaunen aller Engländer und Franzosen festgesetzt
wurde: der König von England solle eine französische Prinzessin
heirathen, Regent von Frankreich und künftig einmal, wenn der
verrückte Karl Vi. stürbe, auch König von Frankreich werden,
so daß England und Frankreich unter Einem Könige ständen;
der Dauphin aber solle von dem Throne ganz ausgeschlossen
sein. Das war der berüchtigte Vertrag von Troyes. Aber
der König von England, Heinrich V., starb schon zwei Jahre
darauf (1422) und bald nachher auch Karl Vi.
Der König von England hatte einen erst neun.monat alten
Sohn hinterlassen, der in England unter dem Namen Heinrich Vi.
den Thron bestieg, und dieser wurde von Jsabeau und von Bur-
gund auch zum Könige von Frankreich ernannt. Laut schrie der
Dauphin Kart über Ungerechtigkeit. Er nannte sich nun König
Karl Vii. (1422—61); aber was half es ihm, da ihn nur seine
wenigen Anhänger als solchen anerkannten? Die Engländer, die
Burgunder und die ihm abgeneigten Franzosen drängten ihn
immer mehr zurück, nahmen ihm eine Stadt nach der andern und
endlich mußte er über die Loire zurückweichen. An diesem Flusse
liegt die Stadt Orleans. Diese wollteik die Engländer erst noch
einnehmen; dann hofften sie, ihn auch jenseit des Flusses verfol-
gen zu können. Karl verlor jetzt alle Hoffnung; Orleans gab
er ganz verloren und war schon willens, sich bis in die südlich-
sten Provinzen Frankreichs zurückzuziehen. Da zeigte es sich wie-
der recht, wie nützlich dem Manne die treue Hausfrau werden
kann, wenn sie ihm, wie sie soll, als verständige Freundin zur
Seite steht. Maria von Anjon hieß seine Gemahlin, eine
gar sehr verständige, herzhafte Frau. Sie tadelte mit sanften
Worten seine Verzagtheit. „Nie muß der Mensch", sagte, sie,
„an der Zukunft verzweifeln; jeder neue Tag kann
dir eine unerwartete Rettung bringen. Gehst du nach
dem Süden, so werden alle deine Anhänger den Muth verlieren,
deine Sache für verloren halten und zu den Engländern über-
gehen." — Agnes Sorel, die gemeinschaftliche Freundin des
Königs und der Königin, eine höchst liebenswürdige Dame, un-
terstützte die Vorstellungen der Königin, und so brachten diese
beiben Frauen es endlich dahin, daß er noch zu bleiben und je-
den Fußbreit Landes zu vertheidigen beschloß. Wie Recht hat
nicht die kluge Maria gehabt, daß man nie verzweifeln müsse!