1854 -
Saalfeld
: Riese
- Autor: Nitzelnadel, Friedrich August
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike, Mittelalter
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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seiner Nichte, Agrippina, des Germanicus Tochter, welche ihn zu Gun-
sten ihres Sohnes Nero vergiftete (54 n. Chr.).
Auch gelang es der Agrippina, des Claudius Sohn Britanniens zurück-
zudrängen und ihren Sohn erster Ehe, den Nero Claudius, zuerst von
der habsüchtigen Leibwache, dann von dem elenden Senate, endlich von allem
Volke als Imperator begrüßen zu lassen. Dieser Nero gilt in der Meinung
der Menschen als das unübertroffene Vorbild aller schändlichen Tyrannei.
Wenn man auch in den ersten Jahren seiner Negierung glaubte, daß er gut
und menschlich regieren würde, so sah man sich in dieser Erwartung bald
schrecklich getäuscht, besonders seitdem die schöne aber lasterhafte Poppäa
Sabina auf ihn Einfluß gewann. Von dieser Zeit an stürzte er sich aus
einem Verbrechen in das andere, behandelte die entarteten und verächtlich
gewordenen Römer, von deren allgemeiner Sittenverderbniß der damals
lebende Philosoph Sencca eine entsetzliche Schilderung entworfen hat, mit
einer gräßlichen Menschenverachtung und suchte die Furien seines Gewissens
mit immer neuen Schandthaten zu beschwichtigen. Wer nur seinen Lüsten,
seiner Herrschsucht im Wege stand oder seinen Zorn erregte, mußte sterben:
sein Stiefbruder Britannieus, seine Lehrer Burrhus und Seneca, ja seine
Mutter und Schwester. Selbst seine geliebte Poppäa, die er nach der Ver-
stoßung der Dctavia zu seiner Gemahlin erhoben hatte, tödtete er durch einen
Fußtritt. Mit lächerlicher Eitelkeit setzte er seine größte Ehre darein, als
Komödiant, Sänger oder Tänzer vor dem Volke aufzutreten, und wehe dem
Zuschauer, der ihm nicht enthusiastischen Beifall klatschte I In einem mord-
brennerischen Gelüste und in einer verrückten Laune, eine Vorstellung von
dem Brande Troja's zu haben, ließ er im Jahre 64 n. Chr. die Stadt
Rom anzünden und deklamirte bei dem Anblick des gräßlichen Feuermeers
Homerische Verse. Sechs Tage und sieben Nächte dauerte der verheerende
Brand, wobei die schönsten Denkmäler der Baukunst zu Grunde gingen.
Um aber den immer drohender werdenden Verdacht von seiner eigenen Per-
son abzuwälzen, schob Nero die Schuld jener Schandthat auf die in Rom
lebenden Christen, welche damals noch den Römern als eine jüdische Secte
galten und als Verbreiter eines „neuen Aberglaubens," wie der heidnische
Hochmuth das Christenthum nannte, verhaßt waren. Mit der ausgesuchtesten
Grausamkeit wurden dieselben hingerichtet, theils ans Kreuz geschlagen, theils
in die Häute wilder Thiere eingenäht und die Hunde auf sie gehetzt, theils
in Pechsäcke gestoßen und so verbrannt, um als Fackeln in den Gärten des
Kaisers zu leuchten. Zum Neubau der zum großen Theil niedergebrannten
Stadt, des kaiserlichen Palastes und seines Wohnsitzes, des s. g. goldenen
Hauses, schritt er zu unerhörten Gelderpressungen und Brandschatzungen der
Provinzen. Endlich rächten die aufständischen Prätorianer die vierzehn Jahre
lang verhöhnte Welt. Von allen seinen bisherigen Freunden verlassen,
mußte das Ungeheuer in bettelhafter Vermummung aus Rom flüchten und ver-
suchte unter unsäglichem Wehklagen und dem wiederholten Ausrufe: „Welch
ein Künstler stirbt in mir!" sich zu erdolchen, wozu ihm endlich ein Frei-
gelassener behülflich war. Mit dem erst zweiunddreißigjährigen Nero war
Cäsar's Geschlecht gänzlich erloschen (68 n. Chr.). Der Eindruck jener
ersten Verfolgung war übrigens bei den Christen so schrecklich, daß sie auch
nach Nero's Tode nicht an denselben glauben wollten, sondern annahmen,
er werde einst als der Antichrist wiederkommen.