1910 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Autor: Gehrg, Hermann, Stillcke, Fr., Helmkampf, Adolf, Krausbauer, Theodor
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1909
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Ländlich-gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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Vi. Aus der Bürger- und Gesetzeskuude.
„Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich." Denn die Sicherheit
und das Ansehen des Staates selbst würden Not leiden, wenn solche
Vergehungen ungeahndet und solche Mitglieder des Gemeinwe ens un-
bestraft blieben.
2. Wenn es sich um die Bestrafung eines Verbrechers
handelt, werden vielfach bei schweren Verbrechen zur Entscheidung außer
den Rechtsgelehrten Männer aus dem Volke als Geschworene hinzu-
gezogen. Diese Fälle werden vor dem Schwurgerichte verhandelt.
Die Geschworenen haben nur auszusprechen, ob der Angeklagte des
Verbrechens, dessen er bezichtigt wird, schuldig ist oder nicht. Die ge-
lehrten Richter haben hierbei das Amt, durch Voruntersuchung und
durch die Leitung der Gerichtsverhandlung die tatsächlichen Um-
stände des Verbrechens bis ins kleinste klarznlegen und im Falle des
von den Geschworenen ausgesprochenen „Schuldig" die Strafe nach
dem Strafgesetzbuche zu bestimmen. Die Schwurgerichtsverhand-
lungen werden an den Landgerichten abgehalten. Viele Vergehen
werden an Landgerichten vor Strafkammern, die aus rechtsgelehrten
Richtern zusammengesetzt sind, abgeurteilt. Für geringere Strafsachen
sind die Schöffengerichte bei den Amtsgerichten zuständig. Die
Gerichtsverhandlungen sind öffentlich.
3. Bei bürgerlichen Streitigkeiten, wo es zumeist auf die
Auslegung des Rechts ankommt, entscheidet allein der fachmännisch
gebildete und vom Staat angestellte Richter. Die Rechtsverhältnisse
sind jedoch oft so verwickelt, daß die Richter selbst in Verlegenheit
kommen. Es kann vorkommen, daß zwei derselben über die gleiche
Sache eine verschiedene Meinung haben. Deshalb begnügt sich
eine gute Rechtsverfassung nicht damit, für alle Fälle nur eine ein-
malige Aburteilung zuzulassen. Es kann der Verurteilte ein höheres
Gericht anrufen, damit „seine Sache nochmals geprüft und ein neuer
Spruch gefällt werde. Über dem Amtsgerichte steht das Landgericht,
über diesem das Oberlandesgericht (29 im Deutschen Reiche), in Berlin
Kammergericht genannt. Das höchste Gericht ist das Reichsgericht
in Leipzig.
4. Die Rechtsanwälte sind die Fürsprecher für die streitenden
Parteien und darum notwendig, weil die rechtlichen Formen oft so
verwickelt sind, daß ein Rechtsunkundiger nicht damit umgehen kann.
Das Prozesseführen wird freilich teurer durch die Rechtsanwälte;
denn diese müssen ebensogut wie andere Leute von ihrer Arbeit leben.
Allein ein guter und ehrlicher Rechtsbeistand verhütet auch manchen
Prozeß, wenn er die Parteien zu einem gütlichen Vergleiche be-
wegt und prozeßsüchtige Leute von vornherein abweist.
-r o Mi y o Nach Deimling.
<§in magerer Vergleich ist oft besser denn ein fetter Prozeß!
„Fch will, daß jedermann, er sei vornehm oder gering, reich oder
arm, eine prompte Justiz administrieren und einem jeglichen Untertaneil
ohne Ansehen der Person und des Standes durchgehends ein unpartei-
isches Recht widerfahren soll." Friedrich der Große.