1912 -
München [u.a.]
: Oldenbourg
- Autor: Kracher, Fritz, Baier, Hans
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
159. Die alten Zollschranken.
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159. Die allen Zollschranken.
Es ist eine allbekannte Sache, daß unser deutsches Vaterland
früher in ungleich mehr Länder und Ländchen zerrissen war als jetzt
und daß zwischen jedem Lande Zollschranken errichtet waren, die
jedes Land vom andern wirtschaftlich trennten.
Da mochte man zu jener Zeit von Norden nach Süden oder von
Westen nach Osten reisen, man stieß zuweilen alle paar Stunden auf
einen Schlagbaum. Bei jedem Schlagbaum befand sich ein Zoll-
haus und vor jedem Zollhaus standen Zollwüchter. Diese Tag und
Nacht strenge Wacht haltenden Beamten fragten jeden Reisenden,
ob er etwas „Zollbares" bei sich habe; nach Befinden durchsuchten
sie das Gepäck oder gar die Taschen desselben nach zollbaren Waren
oder Sachen. Schöpften die Zollbeamten Verdacht, so schleppten sie
ihre Opfer mit ins Zollhaus, wo sie gründlich untersucht wurden.
Fand man etwas Zollpflichtiges, was der Reisende verschwiegen
hatte, so wurde die eingeschmuggelte Ware „kontreband" gemacht,
d. h. sie wurde dem Besitzer als eingeschmuggelt weggenommen.
Außerdem mußte der letztere noch tüchtige Strafgelder bezahlen.
Besonders gründlich wurden die Wagen untersucht, selbst Kutsch-
wagen waren nicht ausgeschlossen.
Um die Zollplackereien, die damals in Deutschland herrschten,
recht deutlich zu machen, will ich eine Geschichte erzählen:
Ein Professor aus Thüringen reiste zur Ferienzeit des Jahres
1821 mit seiner Gattin nach Bremen, wo sie Verwandte besuchen
wollten. Sie hatten sich ein Lohngeschirr gemietet und fuhren
damit in der schönen Sommerzeit nach Norddeutschland.
In Bremen hörte die Professorin, wie außerordentlich billig
die Kolonialwaren zu erstehen waren, und konnte der Versuchung
nicht widerstehen ein Säckchen Kaffee dort zu kaufen. Dieser Handel
war geschlossen worden, als der Herr Professor gerade nicht zugegen
war. Als dieser aber von dem Säckchen Kaffee hörte, welches, im
Wagen versteckt, heimlich mit über die Grenze genommen werden
sollte, so war er darüber sehr ungehalten und verlangte, daß der
Handel rückgängig gemacht werde. Die Frau Professorin versprach
dies endlich um ihren Gatten zu beruhigen.
Ohne Sorgen bestieg daher der Professor seinen Kutschwagen
um die Heimreise wieder anzutreten; auch die Frau Professorin
nahm in fröhlichster Stimmung im Wagen Platz und die Reise
ging fort.
Da der Herr Professor in Göttingen einen Kollegen hatte, mit
dem er befreundet war, so wurde diese berühmte Universitätsstadt
zum Reiseziel gemacht.