1912 -
München [u.a.]
: Oldenbourg
- Autor: Kracher, Fritz, Baier, Hans
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
418
186. Flachs, Hanf und Jute.
Durch die erwähnten Arbeiten erhält man den Flachs und das
Werg oder die Hede. Flachs und Werg unterscheiden sich durch
die Länge der Fasern und dadurch, daß die Flachsfaser parallel,
die des Werges aber wirr durcheinander liegt. Die Länge der
Flachsfaser schwankt von 30—90 cm, die durchschnittliche beträgt
50 cm. Bei guten Sorten ist die Farbe hell, gelbblond, gelblich-
weiß oder stahlgrau; der Flachs ist seidenglänzend, weich, bieg-
sam, schwer zerreißbar. In den Handel kommt er in Form von
Zöpfen, gewöhnlich 1 m lang. Er ist trocken aufzubewahren und
nimmt durch Lagern an Glanz zu.
Obwohl sehr viele Länder Flachs bauen, so ist doch die Zahl
der Handelssorten von Bedeutung gering. Die Mehrzahl der Län-
der verarbeitet den erzeugten Flachs gleich an Ort und Stelle. Es
sind zu erwähnen: Russischer Flachs, von dem der beste der weiß-
gelbe Rigaer ist, der aus Livland und anderen russischen Ostseeländern
kommt, Königsberger und Danziger aus Ost- und Westpreußen so-
wie Polen, Holländischer, meist dunkelgrau, von Holland, Seeland
und Friesland, und Ägyptischer, der lang, stark, grob und von röt-
licher Farbe ist.
Der H a n f ist die Bastfaser aus dem Stengel der Hanfpslanze.
Diese besitzt einen betäubenden Geruch, herrührend von Kannabin
(Haschischrauchen). Ihr Stengel wird 1—2 m hoch, die weibliche
Pflanze gibt eine wertvollere Faser als die männliche. Die Frucht
bildet einsamige Nüßchen, die Hanfsamen. Die aus Asien stammende
Pflanze wird in Europa schon lange gebaut, so in Rußland, Italien,
Österreich-Ungarn, Deutschland und Frankreich. Die Hanfbereitung
stimmt mit der des Flachses überein. Nach dem Brechen heißt der
Hanf Rohhanf, der jedoch auch dadurch gewonnen wird, daß man nach
dem Rösten das Holz vom Baste schält. Er führt alsdann den Namen
Schleiß-, Schäl- oder Pellhanf. Der Abfall dabei heißt Börtel. Der
gehechelte Hanf wird Reinhauf genannt. Wird er zum Spinnen ver-
wendet, so heißt er Spinnhanf. Der Abfall beim Hecheln heißt Hanf-
werg, Hanfhede oder Tors. Die Farbe ist perl- oder stahlgrau, auch grün,
gelb oder dunkel, der Geruch stark und eigentümlich. Die Länge
beträgt 60—120 cm, erreicht auch 2 m. Die Lagerung soll trocken
und luftig sein, andernfalls tritt Erhitzung und sogar Selbstent-
zündung ein.
Die wichtigste Handelssorte ist der sehr gute Russische Hanf, ein
Hauptausfuhrartikel Rußlands, der aus den russischen Ostseepro-
vinzen kommt. Preußischer kommt aus Ost- und Westpreußen und
aus Polen, Rheinischer aus Baden, der Rheinpfalz und dem Elsaß,.
Italienischer von Bologna, Ferrara und Neapel, Österreichischer aus
Kärnten und Ungarischer vornehmlich aus Slavonien.