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1. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 437

1907 - Essen Berlin : Bachmann Baedeker
Wie sorgt der Handwerker für die Zukunft? 437 man zu sagen pflegt, rein abgebrannt, und, was das Schlimmste war, sein Handwerkszeug, sein Ledervorrat, sein Bestand an Schuhleisten, alles war dahin! wollte er nicht mit den Seinen verhungern, so mußte er sich wohl oder übel als Arbeiter in der Schuhfabrik einschreiben lassen, die vor einiger Zeit in einembenachbarten Orte angelegt worden war. Dem Bäckermeister war freilich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte, ein Teil seines Hausrats verblieben,- allein davon war nur weniges noch in brauchbarem Zustande. Sein Haus lag völlig in Trümmern, und an die Fortführung seines Ge- werbes konnte er vorerst nicht denken. Trotzdem durfte er mit geringerer Sorge in die Zukunft schauen; denn er hatte sein Haus und seine beweg- liche habe bei einer Feuerversicherungsgesellschast versichert, und schon we- nige Tage nach dem Brandunglück erschienen zwei Beamte dieser Gesell- schaft, um den Schaden festzustellen, den Meister Schulten erlitten hatte. Sie sahen bald ein, daß das Haus neu ausgeführt werden mußte,- deshalb schätzten sie den Wert des in den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab und rechneten diesen Betrag auf die Entschädigungssumme an, die bald nachher dem Bäckermeister ausgezahlt wurde. Rlsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein Bau- meister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzuführen als der frühere gewesen war- denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute Woh- nungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Einnahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Baukosten nicht decken würde, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hinzunähme,- zudem sei er für seinen und seiner Familie Unterhalt aus seine Ersparnisse so lange angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne, hiergegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vorschlag, die fehlende Summe bei der städtischen Sparkasse als Hypothek aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig an: „Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." „Bedenken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassen- bücher gewährt? Sie muß eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicherheit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geld- schränke wollen bezahlt sein, und einen für unvorhergesehene Fälle aus- reichenden Reservefonds muß sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den Neubau 4 bis 4hso/o Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wo- fern Sie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den guten Rat; bald stieg der Neubau in die höhe, und nach einigen Monaten konnte Schulten seine Freunde zum Richtfest einladen. Ruch der arme Burkhard war zugegen. „Ich Tor!" rief er im Laufe des Gesprächs aus, „warum habe ich eure früheren Ermahnungen in den wind geschlagen! Ein jähr- liches Opfer von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so betrübten Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen; denn sonst werde ich wohl nie mehr in einer eigenen Werkstatt arbeiten!" „Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere Schmied, „und ich will dir nach Mästen behülslich sein; nur schlag dir die
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