1907 -
Essen Berlin
: Bachmann Baedeker
- Hrsg.: ,, Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Wie sorgt der Handwerker für die Zukunft?
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man zu sagen pflegt, rein abgebrannt, und, was das Schlimmste war, sein
Handwerkszeug, sein Ledervorrat, sein Bestand an Schuhleisten, alles war
dahin! wollte er nicht mit den Seinen verhungern, so mußte er sich wohl
oder übel als Arbeiter in der Schuhfabrik einschreiben lassen, die vor einiger
Zeit in einembenachbarten Orte angelegt worden war. Dem Bäckermeister
war freilich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte, ein Teil seines Hausrats
verblieben,- allein davon war nur weniges noch in brauchbarem Zustande.
Sein Haus lag völlig in Trümmern, und an die Fortführung seines Ge-
werbes konnte er vorerst nicht denken. Trotzdem durfte er mit geringerer
Sorge in die Zukunft schauen; denn er hatte sein Haus und seine beweg-
liche habe bei einer Feuerversicherungsgesellschast versichert, und schon we-
nige Tage nach dem Brandunglück erschienen zwei Beamte dieser Gesell-
schaft, um den Schaden festzustellen, den Meister Schulten erlitten hatte.
Sie sahen bald ein, daß das Haus neu ausgeführt werden mußte,- deshalb
schätzten sie den Wert des in den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab
und rechneten diesen Betrag auf die Entschädigungssumme an, die bald
nachher dem Bäckermeister ausgezahlt wurde.
Rlsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein Bau-
meister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzuführen als der
frühere gewesen war- denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute Woh-
nungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Einnahme
erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen rechnete er
dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Baukosten nicht decken
würde, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hinzunähme,- zudem sei
er für seinen und seiner Familie Unterhalt aus seine Ersparnisse so lange
angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne, hiergegen konnte
der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vorschlag, die fehlende
Summe bei der städtischen Sparkasse als Hypothek aufzunehmen. Schulten
sah den Baumeister ungläubig an: „Bei der Sparkasse leihen?" sagte er,
„eher leihe ich doch der Sparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe."
„Bedenken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn
die Sparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassen-
bücher gewährt? Sie muß eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen,
aber gegen hohe Sicherheit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von
ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geld-
schränke wollen bezahlt sein, und einen für unvorhergesehene Fälle aus-
reichenden Reservefonds muß sie auch sammeln. Sie wird also für die
Hypothek auf den Neubau 4 bis 4hso/o Zinsen verlangen; dafür sind Sie
aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wo-
fern Sie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den guten
Rat; bald stieg der Neubau in die höhe, und nach einigen Monaten konnte
Schulten seine Freunde zum Richtfest einladen. Ruch der arme Burkhard
war zugegen. „Ich Tor!" rief er im Laufe des Gesprächs aus, „warum
habe ich eure früheren Ermahnungen in den wind geschlagen! Ein jähr-
liches Opfer von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so
betrübten Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie
versuchen; denn sonst werde ich wohl nie mehr in einer eigenen Werkstatt
arbeiten!"
„Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere
Schmied, „und ich will dir nach Mästen behülslich sein; nur schlag dir die