1882 -
Kiel
: Homann
- Autor: Ahrens, I. F.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch, Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Ii. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
Leibeigenschaft mit Leib und Seele verfallen war, mußte möglichst viel für
die Herren produzieren um die gesteigerten Bedürfnisse der letzteren zu decken.
Ten Grundeigentümern mußte demnach daran liegen, daß die Arbeit ihrer
Hörigen eine recht nutzbare fei und da die Erfahrung bewies, daß die
Pachlwirlschaft viel bessere Resultate liefere, als die Bearbeitung der Felder
durch verdrossene Leibeigene, so verwandelte mancher Herr feine leibeigenen
Bauern in Zeitpächter oder Erbpächter. Solchen wurde meist auch die
Bebauung der durch die Einziehung der Kirchengüter in den protestantischen
Gegenden entstandenen fürstlichen Domänen überlassen. Anderwärts be-
nutzte man die Rodung von Forsten und die Entsumpfung von Moorgegen-
den, um zur Anlegung von Kolonieen besitzloser Bauern Boden zu gewinnen.
Bereits erschienen auch landwirtschaftliche Schriften, wie die „Sieben
Bücher vom Landbau" 1580 und die Gesetze, welche aus die Landwirt-
schaft Bezug hatten, wurden zu „Landesordnungen" zusammengestellt. Da
und dort nahm sich auch wohl ein Fürst des Ackerbaus und der Obstzucht
an, wie der Kurfürst August von Sachsen, dessen Gemahlin Anna eine
vortreffliche Wirtschafterin war. Indessen konnte sich Deutschlands Acker-
bau doch noch keineswegs mit dem oberitalischen messen, welcher bereits
den Kleebau und die Sommerbrache kannte. Auch für die Verbesserung
der Viehzucht geschah manches und zwar das meiste für die Pferdezucht.
Aber all die auf dem landwirtschaftlichen Gebiete sprossenden Keime des
Fortschritts zertrat der plumpe Fuß der dreißigjährigen Kriegsfurie. Man
kann sich leicht vorstellen, wie es zur Zeit des westfälischen Friedens mit
dem deutschen Ackerbau bestellt war, wenn man bedenkt, daß damals in
vielen, sehr vielen Gegenden unseres unglücklichen Landes mehr Wölfe als
Bauern in den Dörfern hausten.
Jedoch zähe Beharrlichkeit unseres allzeit arbeitseifrigen Volkes griff
das zerstörte Werk der Kultur von neuem an und allmählich kleideten sich
die mit seinem Schweiß gedrängten verödeten Fluren wieder in das grüne
Gewand hoffnungsreicher Saaten. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts
hatte sich die Landwirtschaft wieder bedeutend erholt. In der Pfalz war
der Kleebau eingeführt, in Kärnthen schon 1665 die erste Säemaschine er-
funden worden. Die Ackerwerkzeuge wurden verbessert und in der Vieh-
zucht einige Fortschritte gemacht. Doch der Herrenstand beschäftigte sich noch
viel zu viel mit den wilden Tieren, um den zahmen die gehörige Auf-
merksamkeit zu schenken. Die altgermanische Jagdlust stand noch in hoher
Blüte und fand seine Nahrung in dein reichen Wildstand jener Zeiten in
Wald und Flur. Bären, Wölfe, Luchse, Biber waren überall noch häufig
anzutreffen und Hochwild gab es in zahlloser Menge, ungerechnet dessen,
was zur mittleren und niederen Jagd gezählt wurde. Um 1630 fing man
binnen drei Jahren über 120 Biber an den Donauufern bei Ulm. Doch
wurde schon 1686 in Thüringen der letzte Bär erlegt, aber in den Berg-
wäldern von Graubünden gräbt sich „Mutz" noch heute feine Winterhöhle.
Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen erlegte während seiner Regierung
mit eigener Hand 208 Bären, 200 Luchse und 3583 Wölfe. Die all-
gemeine Verwilderung während des dreißigjährigen Krieges, war freilich dem