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- S. 122
1912 -
Grünstadt
: Riedel
- Autor: Böshenz, Jakob
- Sammlung: Politikschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Sonntagsschule
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Licht uns vorzaubert: Frühlingsanmut, Sommerpracht, Herbstes-
segen und Winterruhe! Schwebende Wolken mit schillernden Regen-
bogen und zarten Morgenrotstreifen, Blumengefilde und wogende
Aehrenfelder, blaue Weiher mit darin sich spiegelnden Mühlen und
Fliederbüschen, Schneedächer mit glitzernden Eiszapfen, weite Meere
mit enteilenden Schiffen! Was Dichter schildern, Gelehrte erforschen,
jugendliche Schüler zum ersten Male zu begreifen suchen, durch das
Auge muß es zuerst erfaßt und aufgenommen werden. Arbeit und
Erwerb, Unterhaltung und Spiel, Schutz des Lebens und der Ge-
sundheit, sie alle werden nur ermöglicht durch das Auge. So ver-
stehen wir des jungen Melchthal wehen Not- und Klagegeschrei:
„Sterben ist nichts — doch leben und nicht sehen, das ist ein
Unglück."
Wir hätten nunmehr nur noch einer Art der Lichtwirkungen
zu gedenken, die zwar allgemein bekannt, aber wenig genannt sind,
der chemischen Wirkungen. Nach alter Erfahrung gibt es eine
ganze Menge von Körpern, die dem Lichte ausgesetzt, eine bleibende
Umwandlung ihrer Eigenschaften erfahren. Jede Hausfrau könnte
dafür Dutzende von Belegen bringen. Das Bleichen der Leinwand
und des Wachses, das Verschießen der Tapeten, Gardinen und
sonstiger gefärbter Stoffe, das Verblassen von Bildern, Photographien
2c., das Braunwerden des Tannenholzes u. s. w. sind solche Bei-
spiele chemischer Lichtwirkungen im häuslichen Erfahrungskreise.
Chlor- Brom- und Jodsilber (3 bekannte Silbersalze) sind sehr
empfindlich gegen die Einwirkung des Lichtes und werden dadurch
geschwärzt. Auf dieser Wirkung beruht die Photographie.
Das Sehen (Auge und Pflege desselben).
Die „Tore des Lichtes" hat man die Augen benannt, eine
poetische Hindeutung auf ihre Wichtigkeit als Werkzeuge des Sehens.
Der wesentlichste Teil des Auges, der aus drei gleich Zwiebel-
schalen übereinander liegenden Häuten gebildete „Augapfel", ist
nahezu kugelförmig, einem Apfel nicht unähnlich, dem sogar der
Stiel nicht fehlt, wenn man den dicken Nervenstrahl, der, aus dem
Gehirn kommend, von hinten in den Augapfel eintritt, als solchen
ansehen will.
Den äußeren Abschluß bildet die harte, lederartige „weiße
Augenhaut". Sie ist vorn etwas stärker gewölbt, durchsichtig wie
ein Uhrglas und ändert hier auch ihren Namen in „Hornhaut".
Unter dieser äußeren Schale liegt die an Blutgefäßen ungemein
reiche, dunkelfarbige „Aderhaut". Auch sie wechselt Farbe und
Namen, indem sie nach vorn in die „Iris" oder „Regenbogenhaut"
übergeht, so benannt nach dem Durchschimmern des hier abgelagerten
Farbstoffes, der den Augen die bekannte Färbung (blau, braun,
grau 2c.) verleiht. In der Mitte der Regenbogenhaut ist eine kreis-