1902 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Jungandreas, R., Runkwitz, Karl
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mehrklassige Volksschule
- Regionen (OPAC): Reuß (Jüngere Linie)
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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sich aus, als ob ein russischer Winter bevorstände. Das Thermometer
zeigt noch 12—14 0 C, aber es giebt auch kühlere Tage, und allen
Ernstes erzählt der Führer den Bergsteigern, daß hier in letzter Regen-
zeit ein alter Jäger vor Kälte umgekommen sei. Darum ziehen jetzt
die schwarzen Träger dicke wollene Strümpfe und Hosen an, setzen
Mützen mit Ohrklappen auf ihr krauses Haupt und vergessen nicht die
wollenen Decken. Der Weiße marschiert aber weiter in Flanellhemd
und Flanellhose, das zusammengerollte Plaid auf dem Rücken, den
Bergstock in der Rechten und eine Flasche Wasser aus der Mannsquelle
über der Schulter.
Die Graslandschaft ist hier und dort von schmalen Fußpfaden
durchkreuzt, es sind Jägerpfade, auf denen man wandert. Bon Zeit
zu Zeit springt eine Antilope auf und verschwindet hinter den höher
gelegenen Graten. Immer höher hinauf zieht sich diese Bergsteppe;
man wandert auf ihr weiter, bis der Abend naht, die Sonne untergeht
und neue Rast gehalten wird. In einer Bodenvertiefung, die einigen
Schutz gegen den kalten Wind gewährt, wird das Lager aufgeschlagen,
und mit Morgengrauen geht es wiederum vorwärts.
Nun hört das Gras auf, die Landschaft wird wilder; das Auge
erblickt nichts als Lavagerölle und Kraterhöhlen, tiefe Risse und Spalten
im Gestein, bedeckt mit Asche und den Wurzelresten der Büschelgräser.
An Lavasäulen, an mächtigen Blöcken von wunderlichsten Formen'
vorüber führt der Weg bald über Höhen, auf denen ein scharfer Ost-
wind weht, und wo es eisig kalt ist, bald durch Kessel und Mulden,
wo die Sonne brütet. Die wenigen Sträucher, die noch zu sehen sind,
werden immer krüppelhafter, auch die Blumen erscheinen spärlicher, bis
endlich nordisches Moos unter dem Äquator zur Herrschaft gelangt
und die Lavafelder mit viele Zoll hohem, weichem Polster überzieht.
Bald verschwindet der Gipfel des Berges hinter steil aufsteigenden
Graten, bald tritt er in den Einschnitten der Schluchten hervor näher
und näher.
Die schwarzen Träger bleiben zurück, sie fürchten sich vor den
Zaubermächten, die droben walten; die Weißen klettern allein empor
über Felder mit weichem Moose, über Geröll und Schluchten. Die
Geführten trennen sich, um den besten und bequemsten Anstieg zur
höchsten Höhe zu finden. Endlich setzt Flegel den Fuß auf die Spitze
des Berges. Welcher Rundblick bietet sich hier dem Auge! „Es war
ein Bild von mächtig die Seele packender Großartigkeit, das ich da
überschaute. Im Westen senkte sich eine ziegelrote Wand in einen tiefen
Abgrund, gegenüber lagen zwei gewaltige Kraterschlünde, schwarz und
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