Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Prosalesebuch für Ober-Sekunda - S. 37

1900 - Leipzig [u.a.] : Ehlermann
V. Hehn: Die Entstehung der romanischen Sprachen. 37 Unterste zu oberst stieg. Irgend ein gemeiner Soldat thrakischer Her- kunft konnte Kaiser werden, der altehrwürdige Senat war voll bar- barischen Blutes. Gegen die neuen Klimate und ihre Produkte, gegen die Anschauungen und Sitten, die alten Erfindungen der vielen unterworfenen Völker, vorzüglich der Anwohner des Ozeans und der naturkräftigen thrakisch-illyrischen Stämme in der Donauebene und am Hämus, konnte sich das enge und geschlossene Idiom der lati- uischen Landschaft in seiner Reinheit nicht halten. Besonders das Heerwesen, das immer mehr der eigentliche Halt des ungeheuren Reiches wurde, vermittelte wie die Verbreitung der herrschenden Sprache so die Aufnahme und Verschmelzung fremder Begriffe. Die Konskription versammelte Genossen der verschiedensten Länder in den Armeen und stehenden Lagern, in denen eine eigene Militär- sprache sich ailsbildete, die wieder durch Ansiedelung gedienter Sol- daten, durch Veterauenkolonien und durch den lebhaften Krämer- handel in und bei den Stationen auf die Bevölkerung ganzer Land- striche überging. Vom Orient aus wirkte das Juden- und Christen- tum zersetzend im Innern. Schon in verhältnismäßig früher Zeit war Italien von jüdischen und syrischen Sklaven und Sklavinnen überfüllt, die als Gärtner, Köche, Musikanten, als leichtfertige Zofen, Tänzerinnen, Citherspielerinnen dem Luxus der Reichen dienten und die Künste und die Verdorbenheit des Orients einführten. Das Lateinische als Herrschersprache ging noch immer mit dem Purpur- streif an der Toga, aber es konnte sich der steigenden Flut von unten nicht mehr erwehren; es wurde immer künstlicher, schwülstiger, un- reiner; es schwankte allmählich in das sogenannte Mittellatein, die Kirchen-, Staats- und Litteratursprache des Mittelalters, hinüber. Ungesehen, im Dunkel des Lebens, im Zuge der Notwendigkeit bildete sich eine moderne Sprache mit weiterem Gesichtskreis und tieferem Empfindungsgrunde aus — das Romanische. Die hereinbrechende Nacht der Barbarei war seinem Werden nur günstig. Eine moderne Sprache, sagen wir, hatte sich hervorgebildet, eine christliche, eine europäische. Modern — im Gegensatz zu den antiken, wie das Griechische und Lateinische, den künstlerischen, von einem Theater, einem Forum umschlossenen Sprachen kleiner Politien, die zugleich so geistvoll und so sinnlich sind und den tiefern Bruch zwischen Ideal und Wirklichkeit noch nicht kennen; christlich — im Gegensatz zu den ethnischen, wie das Gotische und noch heutzutage das Slavische in den meisten seiner Zweige, Sprachen, die in die Ge- schichte der Menschheit noch nicht eingetreten sind; europäisch, d. h. auf weiterem Schauplatz, im Wechselverkehr der Länder und Klimate, innerhalb des ungeheuren römischen Reiches und seiner Nachfolgerin, der völkerumsassenden christlichen Kirche, geboren und erwachsen.
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer