1901 -
Kiel
: Lipsius & Tischer
- Autor: Lund, Heinrich, Suhr, Wilhelm
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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Iv. Aus der weiten Welt.
sich auch die kleine Stadt entlangzieht, ist die gefälligste, und nur von
hier ist der Berg zu besteigen. Ganz oben, etwa in der Mitte des Berg-
rückens, ist eine Signalstation errichtet, von wo aus eine Wache jedes
von Osten nach Westen kommende Schiff' schon aus weiter Entfernung
beobachten kann.
Geologisch soll dieser einsame, gewaltige Felsblock mit Afrikas Bergen
zusammenhängen. Er wäre also einst durch eine gewaltige Erdrevolution
von seinem Mutterlande abgesprengt worden. Auch zoologisch trägt Gibraltar
einen südlichen Stempel, da es in Europa die einzige Stätte ist, wo Affen in der
Wildheit, allerdings gesetzlich geschont und gepflegt, fortkommen. Der
hellgrau schimmernde, steile Kalkberg ist natürlich unbewachsen. Kur am
Fusse der Westseite hat Menschenkunst der Pflanzenwelt ein Fortkommen
ermöglicht. Der Garten des englischen Gouverneurs kaun sogar ein Park
genannt werden.
Ein englischer Gouverneur am Eingang des Mittelmeers, am Südpunkt
Spaniens! Das führt uns auf die Geschichte dieses wunderbaren Ortes.
Wie die Heimat und Natur Gibraltars, so weist auch sein Name und seine
Geschichte mehrfach nach Afrika,
Der Name „Gibraltar,“ -— Dschebel-al-Tarik d. i. Fels des Tarik, — ist
ein bleibendes Erinnerungsmal an das Eindringen der Mauren nach Europa
unter Tarik im Jahre 710. Er ging freilich nur denselben Weg, den Afrikas
Böhne schon 1000 Jahre früher zur Zeit der Blüte Karthagos gegangen
waren. Man zeigt an der Gibraltarbucht noch die Stätte, wo Hannibal einst
sein karthagisches Heer gelandet haben soll. Diese Behauptung darf aber
wohl nur mit einem Fragezeichen weitergegeben werden. Geschichtlich ist,
dass Tarik den Grund zu der Bergfeste Gibraltar legte und von hier aus
der denkwürdige Kampf des Halbmondes gegen das Kreuz begann. Erst
nach 600 Jahren ward Spanien von diesen Eindringlingen wieder gänzlich frei.
Gibraltar selbst trägt ausser dem Namen nur wenige Spuren jener Zeit
an sich. Nennenswert ist nur ein im Nord westen oberhalb der Stadt ge-
legenes und völlig verfallenes maurisches Kastell.
Zur Zeit des spanischen Erbfolgekrieges ward Gibraltar von den
Engländern fast ohne Gegenwehr genommen und ihnen im Utrechter
Frieden 1713 förmlich abgetreten. Seitdem ist Gibraltar englisches Besitztum.
Nur einmal haben die Spanier, verbündet mit den Franzosen, einen
ernstlichen Versuch gemacht, diese, die Einfahrt ins Mittelmeer beherrschende
Feste zu gewiunen, nämlich zur Zeit der amerikanischen Freiheitskämpfe.
Ermuntert durch die Erfolge Jung-Amerikas hoffte Frankreich, Englands
Seeherrschaft brechen zu können. Wie gegen die westindischen Kolonien,
so ward auch ein Kampf gegen Gibraltar unternommen. Es ward von einer
spanisch - französischen Flotte blockiert und zu Wasser und zu Lande
angegriffen. Die angreifende Flotte von 47 Linienschiffen sollte von
sogenannten schwimmenden Batterieen mit dreihundert schweren Geschützen
«unterstützt werden. Diese Batterieen, eine Erfindung des französischen In-