1910 -
Breslau
: Dülfer
- Autor: Jahn, Ernst
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch, Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Lehrerseminar
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
Rückblick auf die Slawenpolitik der deutschen Kaiser des Mittelalters. 5
erstreckten sich weite, aus Unland bestehende Gebiete, in denen dle Slawen den
besten Schutz gegen feindliche Überfälle erblickten.
Die zahlreichen Gewässer des Landes boten mit ihrem Fischreichtum
die Möglichkeit eines müheloseren, dem slawischen Wesen mehr entsprechenden
Lebensunterhaltes als der harte Kampf gegen die Unkultur des Bodens. An
der Seeküste trieben die Wenden frühzeitig regen Handel, dessen Mittel-
punkt das auf der Insel Wollin gelegene Julin ward. „Die Anfänge des
Handels und der Industrie nahmen unter der Einwirkung der nun schon vor-
handenen slawischen Fürstengewalten die eigenartigsten Formen an.
Städtegründungen im deutschen Sinne erwiesen sich als unmöglich; dazu war
die Fürstengewalt nicht stetig genug entwickelt; sie vermochte keinen dauernden
Frieden zu wirken: die erste Lebensbedingung für den kapitalsammelnden,
kapitalsbedürftigen Bürger fehlte. So wenig wie die orientalischen Reiche
gegenüber den Hellenen, haben die Slawen gegenüber den Deutschen wirklich
städtisches Leben begründen können. Wohl aber vermochte die fürstliche Ge-
walt, die, obwohl unfähig allseitig in die Ferne zu wirken, doch ungemein
absolut eingriff, soweit der persönliche Wille des Fürsten sich unmittelbar zu
äußern verstand, der Industrie Schutz zu gewähren unter den neuen Hörigen
der Grenzhage. Hier, und später auch sonst im Lande, entstanden darum
ganze Kolonien höriger Handwerker, Dörfer, in denen eine Anzahl
von Arbeitern desselben Handwerks zusammensaß: noch heute gibt es tschechische
Ortsnamen wie Zernoseky (Mühlsteinschläger), Kolodejc (Radmacher), Mydlo-
vary (Seifenkocher), und innerhalb der schlesischen Fürstentümer wohnen nur
Drechsler in Schickwitz, Stellmacher in Jaurowitz, anderwärts Böttcher, Schuh-
macher, Korbmacher, Schmiede. Die Erzeugnisse dieser Kolonien aber wurden
durch fürstliche Agenten im Lande vertrieben: auch der Handel lag in der
Hand des Fürsten." (Lamprecht.)
§ 2. Rückblick aus die Llawenpolitik der deutschen Kaiser des Mittelalters.
Im frühen Mittelalter haben einzelne Kaiser die Eroberung
und Germanisation des Slawenlandes begonnen, ohne es jedoch
zu dauernden Erfolgen zu bringen.
1. Noch zur Zeit der letzten Merowinger befanden sich die wendischen
Völkerschaften in langsam gegen den Westen fortschreitender Bewegung. Die
deutschen Stämme der Thüringer und Sachsen, mit denen die Eindringlinge
zuerst in Berührung kommen mußten, scheinen sich in der Zeit, in welcher bei
ihnen noch der alte Götterglaube in ungebrochener Kraft herrschte, den Slawen
nicht unbedingt feindselig gegenübergestellt zu haben. Sobald aber unter den
Sachsen das Christentum festen Fuß gefaßt hatte, begann zwischen ihnen und
den Elbslawen (besonders den Völkerschaften der Liutizen) ein Vernichtungs-
kampf, der auf beiden Seiten mit entsetzlicher Wildheit durch mehr als ein
Jahrhundert fortgeführt wurde.
2. Karl der Große war der erste germanische Herrscher, der,
die slawische Gefahr erkennend, dem weiteren Vordringen der
Slawen ein Ziel setzte, indem er die Ostgrenze seines Reiches, von
der unteren Elbe bis zur Donau hinab, durch Marken schützte.
„Solche Mark war ein noch nicht in das Reich und dessen Gausystem
eingereihtes Vorland; es war eine kriegerische Okkupation in Feindesland mit