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1. Von der Urzeit bis zum Dreißigjährigen Kriege - S. 35

1910 - Halle a.S. : Schroedel
— 35 — Teil, aber keineswegs entging seinem Scharfblick, wie mächtig noch die Sonderinteressen der einzelnen Stände waren, wie schwer man sich überhaupt in einen geregelten Gang der Dinge fügte. Mit Unmut sah er die Habsucht und den Ehrgeiz der Geistlichkeit, die Gewalttätigkeiten des Adels, den Trotz und Ungehorsam des gemeinen Mannes. Es gedieh nicht alles, wie er es wollte und wünschte. Viel fehlte in Wahrheit daran, daß Karls staatliche Ordnungen wirklich die ganze Weite seiner Herrschaft durchdrungen hätten: das Ideal, das seinem Geiste vorschwebte, verwirklichte sich eigentlich vollständig nur in seiner nächsten Nähe, an seinem Hofe. Nach dem geistlich-weltlichen Charakter des Reichs vereinte sich hier um die Person des Kaisers eine zahlreiche Hofgeistlichkeit mit einem glänzenden Gefolge weltlicher Großen. An der Spitze des geistlichen Hofstaates stand der Apocrisiarius oder Erzkaplan, durch dessen Hand alle kirchlichen Sachen an den Kaiser gingen, und der überdies die Geschäfte des Referendarius übernommen hatte; noch stand unter ihm mit der kaiserlichen Kanzlei auch der Erzkanzler, der später selbst die Stellung des Erzkaplans gewann. Die gewandtesten Geschäftsleute, die. würdigsten Diener des Evangeliums, die ersten Gelehrten der Zeit fanb man unter dem Hofklerus, der die Pflanzschule der Reichsbifchöfe war und unter beffen Leitung auch die Hof schule staub, bamals die berühmteste gelehrte Bildungsanstalt im ganzen Abenblanbe. Wie die Hofkapelle, die Gesamtheit der Hofgeistlichkeit, der Mittelpunkt aller kirchlichen und wissenschaftlichen Bestrebungen war, so sah man im Hofgericht die Rechtspflege und Regierungsweisheit auf ihrer Höhe. Der Kaiser führte hier entweder in Person den Vorsitz ober an seiner Stelle der Pfalzgraf, der die Spitze der weltlichen Beamten bilbete und durch beffen Hand alle Rechtssachen an den Thron gelangten; die Schöffen für° das Hofgericht wurden aus den erfahrensten Männern am Hofe gewählt. Zum unmittelbaren Dienst bei der Person des Königs waren Vasallen bestimmt, die als Muster ritterlicher Zucht und Sitte gelten konnten. Am Hofe Karls begegneten sich die angesehensten und einflußreichsten Männer aus allen Teilen des Reiches. Niemand kam in die Nähe des Kaisers, der dort nicht einen einflußreichen Landsmann und in ihm einen Fürsprecher gefunden hätte. Der Dienst in der kaiserlichen Pfalz war auf das genaueste geordnet und geregelt. Jeder hatte in demselben seine Stelle und danach feine Geltung. Alles griff ineinander ein, um sich gegenseitig zu fordern; die Älteren fanden Hilfe und Unterstützung bei den Jüngeren, und diese bei jenen Lehre und Vorbild. So war der Hof nicht allein eine Bildungsfchule für die Geistlichkeit, sondern nicht minder für den Adel. Die edle Zucht und die höfische Sitte, welche später ein unterscheidendes Merkmal des Rittertums waren, scheinen vom Hofe Karls ihren Ausgang genommen zu haben. 3*
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