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1. Erzählungen aus der neuesten Geschichte (1815 - 1881) - S. 177

1877 - Oldenburg : Stalling
177 in ihm einen Charakter entwickelt, der sich in jede Lage des Lebens zu fgen wute, und seinen natrlichen Scharfsinn zu einem hohen Grade von Feinheit ausgebildet, mit dem er eine ausgebildete Welt- und Menschenkenntni verband. Zeuge des hchsten Steigens und des tiefsten Falles menschlicher Gre, hatte er, wenn auch persnlich ohne Furcht, sich einer gewissen Vorsicht und Bedchtigkeit des Handelns hingegeben und den Geist des Zweifels und des Mitrauens in irdisches Glck in sich aufgenommen. Ohne entschiedene Ueberzeugung und Richtung huldigte er einer klugen Berechnung der jedes-maligen Verhltnisse, war aber zugleich ein Gegner aller Unordnung und Gewaltsamkeit und stets zu Milde und Mensch-lichkeit geneigt. Obgleich den ltesten Regentenfamilien an-gehrig, war er in den Augen des Volkes nur ein Empor-kmmling, ohne jede Kraft und Gre, die das Heer oder die Massen mit sich htte fortreien knnen und die der Franzose von je her von seinen Herrschern zu fordern geneigt war. Wenn auch Ludwig Philipp weder die bevorrechteten Stnde, die ihm jedoch meist feindlich gegenber standen, noch die Massen, die aber erst fr das politische Leben heranzubilden waren, von sich entfernt hielt, so sttzte er doch seinen Thron vorzugsweise auf den gebildeten und wohlhabenden Mittelstand, die sogenannte Bourgeoisie, und gab in den ersten Jahren seiner Regierung viel auf die Gunst der Nationalgarde, in der er die vornehmste Sttze seiner Krone erkannte. Er richtete keinen Hof ein, der zwischen ihm und der Nation gestanden htte, und sein Privatleben blieb dasselbe wie zu der Zeit, wo er nur der erste Prinz von Geblt gewesen. Seine jngeren Shne wurden nach wie vor in den ffentlichen Anstalten erzogen. Er entlie die Schweizerregimenter und fhrte keine Haus-truppen ein, suchte aber das stehende Heer dadurch an sich zu ziehen, da er abwechselnd alle Regimenter zur Besetzung von Paris und der Umgegend herbeirief. Ueberall, wo Ludwig Philipp, der seine Ehre darein setzte, Brgerknig zu sein und zu heien, sich ffentlich zeigte, wurde er in der ersten Zeit mit Begeisterung aufgenommen, und Alles, mit Ausnahme der Anhnger Karls X., berlie sich der lieber ' Zeugung, an dem Ziele der mit 1789 begonnenen Umwlzungen angelangt zu sein. Stacke, neueste Geschichte. 3. Aufl. 12

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1. Geschichte der Neuzeit - S. 149

1901 - München [u.a.] : Franz
Frankreich unter dem Brgerknigtum. 149 Verlangen nach einer Gesamtvertretung des Volkes insoferne nach, als er aus den einzelnen Provinzialstnden, die sein Vater ein-gerichtet, einen vereinigten Landtag der Monarchie" nach Berlin beschied, der aber in stndische Kurien geteilt war und bezg-lich der Gesetzgebung eine blo beratende Stimme hatte. Frankreich unter dem Brgertnigtnm. Ludwig Philipp regierte von 18301848 der Frankreich. uere Politik. Sein schlichtes brgerliches Wesen und seine leutselige Haltung machten ihn anfnglich beliebt, zumal er viel zur Hebung der materiellen Wohlfahrt Frankreichs that. Aber bald nahm diese Beliebtheit ab. In der ueren Politik befolgte Ludwig Philipp ein System vorsichtiger Zurckhaltung, das dem fr kriegerischen Ruhm besonders empfnglichen Charakter der Franzosen wenig zusagte. So wurde nur die Unterwerfung Algeriens vollendet und die Abtrennung Belgiens von Holland durchgesetzt. Aber als der Minister Thiers 1840 Frankreich in einen Krieg mit Deutschland zu verwickeln drohte, wobei sich die alten Gelste nach der Rheingrenze wieder regten, entlie Ludwig Philipp dieses Ministerium, von dessen Plnen nur die Befestigung von Paris durchgefhrt ward. Schwieriger wurde feine Stellung noch durch die i u u e r e Innere Politik Politik. Hier begnstigte er durchaus den Mittelstand, die Bourgeoisie, und verfeindete sich mehr und mehr mit der Partei Begnstigung der Legitimisten, die an der vertriebenen Linie Bonrbon fest- der hielten, mit den Bonapartisten und den Republikanern, ourgeoche. Wiewohl die sorgsame Pflege von Handel und Gewerbe fr Frankreich hohen Wert hatte, so zeigte sich doch auch darin eine einseitige Bevorzugung der Bourgeoisie, besonders bei der Eisenbahn-gesetzgebung, die ganz zum Vorteil der Kapitalisten ausfiel. Es machte einen schlimmen Eindruck, als gerade in diesen der Regierung so eng verbundenen Kreisen sowie im Beamtenstande arge Korruption durch beschmende Skandalprozesse aufgedeckt wurde. Korruption. Als auch der König selbst in brgerlicher Frsorglichkeit fr feine Familie sich nicht scheute, fr feine Shne hohe Dotationen von den Kammern zu fordern, fchien seine Regierung von keinem anderen Grundsatz als dem materialistischer Selbstsucht geleitet zu sein. Die Herrschaft des Geldes kam besonders in dem damaligen Wahlgesetz zur Geltung, nach welchem wegen des hohen Zensus Wahlgesetz, nur ein auffallend kleiner Teil der Nation wahlberechtigt war. Deshalb verlangten immer grere Kreise des Volkes Abnderungen des Wahlmodus und brachten diese Forderung auf eigens hiezu abgehaltenen Reformbanketten zum Ausdruck. Reform-Aber das Ministerium Guizot lehnte hartnckig jede Reform bankette.

2. Erzählungen aus der Weltgeschichte - S. 353

1888 - Kreuznach [u.a.] : Voigtländer
— 353 — ein Land von drei Millionen Menschen mit unzureichender Bewaffnung konnte sich unmöglich gegen die Kriegsmacht des Kaisers von Rußland, der über mehr denn sechzig Millionen gebot, auf die Dauer behaupten. Der Aufstand wurde nach mehreren blutigen Schlachten überwältigt, Polen seiner besonderen Verfassung und Rechte verlustig und dem russischen Reiche nur um so enger und fester eingefügt. Tausende von Polen aber verließen ihr Vaterland und flohen in fremde Länder, namentlich nach Frankreich, wo die Heimatlosen Aufnahme fanden. 131. Die $*bvtwvvev#lnti#n. 1. Ein neuer Aufstand in Paris. — Der durch die Julirevolution eingesetzte König Ludwig Philipp, obwohl ein Mann von großer Klugheit, verstand es doch nicht, sich die Liebe und Anhänglichkeit seiner Franzosen zu erwerben. Das Land blieb auch unter seiner Regierung von Parteien zerrissen. Zu wiederholten Malen wurden von überspannten Menschen sogar Angriffe auf des Königs Leben gemacht. Er entging denselben zwar unverletzt; aber die Unzufriedenheit griff bei dem unbeständigen, reizbaren Volke immer weiter um sich. Man warf dem Könige vor, er habe bei seinen Regierungshandlungen mehr seinen eigenen Vorteil, als des Landes Wohlfahrt und Größe im Auge. Namentlich wurde die Aufregung gemehrt, als Ludwig Philipp sich abgeneigt zeigte, die dringend begehrte Erweiterung der Volksrechte zu gewähren. Am 22. Februar 1848 sollte in Paris eine große Versammlung der Unzufriedenen gehalten werden, um sich für die Ausdehnung des Wahlrechts zur Volksvertretung mit Entschiedenheit auszusprechen. Die Regierung verbot die gefahrdrohende Versammlung. Aber dieses Verbot brachte die herrschende Erbitterung erst recht zum Ausbruch. Bald befindet sich Paris in vollem Aufstand. Die Straßen bedecken sich mit Barrikaden, das Volk ergreift die Waffen zum Kampfe gegen die Regierung. Am folgenden Tage verspricht der geängstigte König, seine bisherigen Ratgeber zu entlassen und neue Minister einzusetzen, von denen die Erfüllung der Andrs, Erzählungen aus der Weltgeschichte. Ausg. B. 23

3. Mittlere und neue Geschichte - S. 370

1877 - Leipzig : Senf
370 Neuere Geschichte. Auch die Schweiz erfuhr die Nachwirkung der Iulirevolutiou von 1830. In mehreren Cantonen wurden die Verfassungen in democra-tischem Sinne verändert. In Neufchatel mißlang die Auflehnung ge gen Preußen, aber in Basel erfolgte nach einem blutigen Kampfe die Trennung des Cantons in zwei Theile: Bafel-Stadt und Basel-Landschaft, letzteres mit der Hauptstadt Liestall. Der Beschluß der Mehrheit der Cantone über die Entfernung der Jesuiten führte 1847 zum blutigen Sonderbundskriege. Die sieben Cantone: Lucern, Schwyz, Uri, Unterwalden, Zug, Freiburg und Wallis, die gegen diesen Beschluß einen Sonderbund geschlossen hatten, unterlagen dem Heere der Mehrzahl der Cantone unter Dufour. Freiburg und nach dem blutigen Kampfe an der Gisliconbrücke am 23. November auch Lucern fielen und der Sonderbund mußte sich unterwerfen. Nun wurde die Verfassung der Schweiz 1848 dahin geändert, daß die Cantone ihre Souveränetät verloren und die Schweiz aus einem Staatenbund ein Bundesstaat wurde. Heer, Finanzen, Zölle u. s. w. wurden eine Bundessache. Sitz der Bundesbehörden würde Bern. An der Spitze der Regierung staub ein Buubesrath mit einem aus feiner Mitte zu wählenden Präsidenten; er theilte die gesetzgebende Gewalt mit dem Ständerath, der die Interessen der einzelnen Cantone zu wahren, und mit dem Nationalrath, der das Gesammtin-teresse der Nation zu berücksichtigen hatte. Seit 1840 war Guizot von Ludwig Philipp in Frankreich mit dem Ministerium des Innern betraut worden. Die Forderung einer Vermehrung der Zahl der Wähler (es waren ihrer nur 200000 für ganz Frankreich) wurde immer lebhafter, deshalb errichtete Reformbankette wurden aber verboten. Da brach am 23. und 24. Februar 1848 ein Barricadenkampf in Paris aus, in Folge dessen das Julikö-nigthum stürzte. Umsonst hatte der König jetzt neue Minister ernannt und umsonst verzichtete er auf den Thron Frankreichs zu Gunsten seines Enkels, des Grafen von Paris, des ältesten Sohnes des Herzogs von Orleans. Vergebens suchte die Herzogin von Orleans durch ihre persönliche Erscheinung in der Deputirtenkammer ihrem Sohne den Thron zu retten: die Republik wurde ausgerufen und Ludwig Philipp flüchtete nach England.

4. Erzählungen aus der neuesten Geschichte (1815 - 1881) - S. 176

1877 - Oldenburg : Stalling
176 einigten Landtage im Allgemeinen keine weiteren Befugnisse zuzuerkennen vermge, im Einzelnen aber die Gesetzgebung nicht fr abgeschlossen halte. Indessen war die Opposition gegen die Regieruna auf dem vereinigten Landtage so be-deutend, da derselbe am 26. Juni 1847 ohne erhebliches Resultat geschlossen wurde. Am 29. December begannen wieder die Sitzungen der vereinigten stndischen Ausschsse in Berlin, aber noch waren ihre Berathungen nicht zu Ende, als die Februarrevolution in Frankreich das Zeichen zu ernsteren politischen Kmpfen gab. V j Xvi. Die Julimonarchie bis zur Februarrevolution (1830-1848). Die Julimonarchie war aus einem Siege der Volksmacht der das alte Knigthum hervorgegangen und hatte im ersten Augenblick unter den Massen groen Beifall gefunden. Doch schon in ihrem Entstehen lagen die Keime ihres Unterganges, die im Laufe der Zeit sich immer mehr entwickelten und end-lich ihren Sturz herbeifhrten. Ludwig Philipp war weder durch Geburt noch durch Wahl zum Throne gelangt. Wh-rend das Erbfolgerecht, das fr den Herzog von Bordeaux sprach, durch seine Annahme der Krone verletzt wurde, htte ein neues Knigthum nur durch eine allgemeine Wahl der Nation gegrndet werden knnen. Durch Einsetzung der Or-leans'schen Dynastie war weder dem monarchischen noch dem demokratischen Princip Genge geleistet, und es entstand dar-aus eine Halbheit und Unsicherheit, die sich durch die ganze Aera der Julimonarchie hindurchzog. Ludwig Philipp hatte ein vielbewegtes, an den strksten Contrasten reiches Leben hinter sich. Entsprossen aus kniglichem Geschlechte, war er dem Jakobinerklub nicht fern ge-blieben und hatte der Republik seine Dienste geliehen. Spter sah er sich genthigt, sich durch Arbeit seinen Unterhalt zu verschaffen, als ihn das Geschick zum Schwiegersohne eines Knigs machte. So hatte ein beraus wechselvolles Leben

5. Bd. 7 - S. 250

1845 - Leipzig : Kollmann
— 250 — geschickt, um über den Hintritt des Prinzen ein Protocoll aufzu- nehmen. Angelangt im Schlosse, ward ihnen die Leiche von dem Baron von Flassan (Neffen der Frau von F euch eres, einer guten Freundin des Herzogs von Bourbon) in derselben Stellung gezeigt, worin man ihn gefunden hatte. Herbeigerufene Aerzte und Wundarzte trugen kein Bedenken, den durch eine Erwürgung verursachten Tod des sünfundsiebenzigjährigen altersschwachen Prin- zen für die Wirkung eines Selbstmordes auszugeben; alle An- zeigen bestätigten auch diesen Ausspruch: das dunkelblaue Gesicht, die zwischen den Zahnen liegende Zunge, der Mangel an allen äußeren Verletzungen, mit Ausnahme einer leichten von der Hals- binde verursachten Hautverletzung am Halse. Bei der Leichen- section, zu der man schritt, fand man an den Schenkeln des Er- henkten Blutunterlausungen, welche von dem Drucke der eisernen Stabe am Fenster und von dem Sessel, worauf der Unglückliche gestiegen, um die Halsbinde zu befestigen, und der umgefallen war, herrühren sollte. Allein man verschwieg, daß der rechte Arm des Prinzen durch einen Bruch des Schlüsselbeins gelähmt, und er daher durchaus unfähig gemacht war, die zum Selbster- henken nothwendigen beiden Knoten selbst zu schürzen. Diese aller- dings nicht auf Selbstmord, sondern auf Meuchelmord hindeuten- den Umstände wurden noch auffallender, als man in dem Schrei- beschrank des Prinzen ein Testament vorfand, welches den Her- zog von Aumale, dritten Sohn des König Ludwig Philipp, zum Universalerben einsetzte, wiewohl mit der Bedingung, der Baronin von Feucheres, welche seit vielen Jahren des Prinzen vertraute Freundin gewesen war, ein wahrhaft fürstliches Legat von mehreren Millionen auszuzahlen. In dem Kamine fand man, unter der Asche verbrannter Papiere, eine Schrift von der Hand des unglücklichen Prinzen, aus welcher sich die Ursache eines Selbstmordes herleiten ließe; dies war eine Art von Proclama- tion an die Einwohner von St. Leu, worin diesen gesagt ward: „St. Leu und Zubehör gehörten dem König Ludwig Philipp; sie möchten das Schloß weder plündern, noch in Brand stecken, auch den Freunden und den Leuteu des Prinzen kein Leid zufügen." In einer Nachschrift verlangte der Prinz, seinen Tod als nahe ankündigend, zu Vincennes neben seinen unglücklichen Sohn beer- digt zu werden :c. Dies alles ward zu Protocoll genommen.

6. Bd. 7 - S. 260

1845 - Leipzig : Kollmann
— 260 — und auch auf dieser Fahrt hielt man es für nöthig, sie durch eine starke Bedeckung gegen die allgemeine Erbitterung, die sich auch über die Provinzen verbreitet hatte, zu beschützen. (In Ham wur- den sie in anstandigem Gewahrsam gehalten, bis Ludwig Philipp sie, nach sieben Jahren, im Oetober 1637, der Haft entließ.) Trotz aller angewendeten Vorsicht brach doch bei Bekannt- werdung des, in der Volksmeinung allzumilden Urtheils, der Straßentumult aufs Neue aus. Das Volk stürmte nach dem Louvre, die Kanonen dort zu nehmen. Aber die Gitter waren ge- schloffen, und die Mündungen der Geschütze, neben welchen die Artilleristen mit brennenden Lunten standen, gähnten dem wilden Haufen entgegen. Da wichen sie zurück. Auf allen Platzen bi- vouakirten, wie auf dem Hofe und im Garten des Palastes, starke Abtheilungen Nationalgarden. Viele Straßen waren, wie in den Julitagen, erleuchtet, die Buden und Laden aber geschlossen, und zahlreiche Reitertrupps sprengten durch die Gassen. So konnte in der Nacht die wilde Wuth sich nur durch einige Excesse, Zerschla- gen der Laternen k. äußern, und es floß kein Bürgerblut. Am folgenden Morgen, als der Urteilsspruch allgemein bekannt ward, strömten abermals drohende Haufen auf den Pont-Neuf, den Bou- levards und in der Nahe des Louvres zusammen. In diesem tri- tischen Augenblicke faßten einige taufend Zöglinge der Rechtsschule den Entschluß, nach dem Palais Royal zu eilen. Sie zogen unter dem Rufe: „Es lebe die öffentliche Ordnung! Achtung dem Gesetze!" durch die Straße St. Honore, obgleich dort starke Hau- fen Unruhstifter das Geschrei: „Tod den Ministern!" erschallen ließen, nach dem Palaste, wo Ludwig Philipp auf dem Balkon erschien und ihren Eifer belobte. Starke Colonnen Garden drang- ten nun die Aufrührer von dem Platze hinweg und die Gardeca- vallerie sprengte die dichten Masseil auseinander. Die letzten Hau- fen, die mit Steinen warfen, wurden von einer Compagnie Gre- nadiere in die Flucht gejagt. Um eilf Uhr Abends war der Tu- mult gestillt und die Ruhe der Hauptstadt gesichert. — Die Regierung war in diesen stürmischen Tagen unleugbar einer höchst gefährlichen Crifis entgangen; es lag am Tage, daß es von den Empörern keineswegs nur auf den Tod der Exmini- ster, sondern auf den Umsturz der Regierung abgesehen war, wo- von sich die deutlichsten Beweise auf mancherlei Art kund gegeben

7. Die Geschichte der letzten 50 Jahre - S. 139

1867 - Köln : DuMont-Schauberg
13. Frankreich unter Ludwig Philipp. 139 und schließlich mit den Worten gutgeheißen, „daß man die Entschei- dung über diesen Punkt der Weisheit des Fürsten anheimstelle". Am 9. August wurde die „Erklärung" der zweiten Kammer und der zustimmende Beschluß der Pairskammer dem General-Statthalter vorgelesen, von ihm genehmigt und beschworen. Schon von Anfang an sah der neue König der Franzosen zwei Parteien in unversöhnlicher Feindschaft ihm gegenüberstehen: die Karliften und die Republikaner. Eine Anzahl karlistischer Mitglieder beider Kammern verweigerte "demselben den Eid, andere Karliften leisteten zwar den Eid, um ihre Sitze in den Kammern zu behaupten, arbeiteten aber darum nicht weniger planmäßig auf den Umsturz der revolutionären Regierung hin. Die Republikaner ihrerseits wa- ren mit geringeren Mitteln eben so thätig für den nämlichen Zweck. Uebrigens erfreute sich Ludwig Philipp, inmitten aller Feindseligkeit des Parteigeistes und trotz der drückenden Lage des Volkes in Folge der Störung des Geschästslebens durch die Revolution, in den ersten Monaten seiner Regierung einer großen Popularität. Seine Zu- gänglichkeit, seine einfache häusliche Sitte blieben nach seiner Thron- besteigung dieselben, wie zuvor und wurden ihm von der öffentlichen Meinung hoch angerechnet. Seine Söhne besuchten auch jetzt noch die öffentlichen Schulen, die früher niemals einen Prinzen unter ihren Zöglingen gezählt hatten; den König selbst sah man im bür- gerlichen Rocke mit dem Regenschirm in der Hand durch die Straßen von Paris wandeln, immer bereit zu einem freundlichen Worte, zu einem Händedruck gegen Jedermann. Seine Geistesgegenwart, seine Redefertigkeit, der vertrauliche Ton seiner Unterhaltung, seine Kennt- niß des kleinbürgerlichen Lebens und seine stete Bereitwilligkeit, auf die Interessen desselben einzugehen, waren eben so viele wirksame Mittel, sich die Volksgunst zu erwerben, deren eifriger und erfolg- reicher Gebrauch ihm bald den Namen eines „Bürgerkönigs" erwarb. Der nächste Gegenstand, welcher die neue Regierung beschäftigte, war der Proceß gegen die Exminister Karl's X. Vier der- selben: Polignac, Peyronnet, Chantelauze und - Guernon-Ranville waren auf der Flucht nicht so glücklich gewesen, wie ihre Collegen, die unerkannt und unaufgehalten über die Grenze gekommen warey. Die Regierung ließ die ohne ihr Zuthun und zu ihrem großen Be- dauern gefangen genommenen Urheber des Staatsstreiches nach dem Schlosse Vincennes abführen, aber, um die Todesstrafe von ihnen abzuwenden, sich durch die zweite Kammer auffordern, einen Gesetz- entwurf auszuarbeiten und der Rational-Vertretung vorzulegen, nach welchem die Todesstrafe überhaupt, als dem humanen Geiste des Jahrhunderts widersprechend, einstweilen wenigstens für politische Verbrecher abzuschaffen sei, also für Handlungen, deren Verdienst oder Schuld von wechselnden Ereignissen, ja sogar von der wandel- baren Meinung des Tages abhange. Dieses Verfahren setzte die Masse des pariser Volkes, welches eine dem Verbrechen der Exminister

8. Die Geschichte der letzten 50 Jahre (1816 - 1866) ; in abgerundeten Gemälden - S. 139

1867 - Köln : DuMont-Schauberg
13. Frankreich unter Ludwig Philipp. 139 und schließlich mit den Worten gutgeheißen, „daß man die Entschei- dung über diesen Punkt der Weisheit des Fürsten anheimstelle". Am 9. August wurde die „Erklärung" der zweiten Kammer und der zustimmende Beschluß der Pairskammer dem General-Statthalter vorgelesen, von ihm genehmigt und beschworen. Schon von Anfang an sah der neue König der Franzosen zwei Parteien in unversöhnlicher Feindschaft ihm gegenüberstehen: die Karlisten und die Republikaner. Eine Anzahl karlistischer Mitglieder beider Kammern verweigerte demselben den Eid, andere Karlisten leisteten zwar den Eid, um ihre Sitze in den Kammern zu behaupten, arbeiteten aber darum nicht weniger planmäßig auf den Umsturz der revolutionären Regierung hin. Die Republikaner ihrerseits wa- ren mit geringeren Mitteln eben so thätig für den nämlichen Zweck. Uebrigens erfreute sich Ludwig Philipp, inmitten aller Feindseligkeit des Parteigeistes und trotz der drückenden Lage des Volkes in Folge der Störung des Geschästslebens durch die Revolution, in den ersten Monaten seiner Regierung einer großen Popularität. Seine Zu- gänglichkeit, seine einfache häusliche Sitte blieben nach seiner Thron- besteigung dieselben, wie zuvor und wurden ihm von der öffentlichen Meinung hoch angerechnet. Seine Söhne besuchten auch jetzt noch die öffentlichen Schulen, die früher niemals einen Prinzen unter ihren Zöglingen gezählt hatten; den König selbst sah man im bür- gerlichen Rocke mit dem Regenschirm in der Hand durch die Straßen von Paris wandeln, immer bereit zu einem freundlichen Worte, zu einem Händedruck gegen Jedermann. Seine Geistesgegenwart, seine Redefertigkeit, der vertrauliche Ton seiner Unterhaltung, seine Kennt- niß des kleinbürgerlichen Lebens und seine stete Bereitwilligkeit, auf die Interessen desselben einzugehen, waren eben so viele wirksame Mittel, sich die Volksgunst zu erwerben, deren eifriger und erfolg- reicher Gebrauch ihm bald den Namen eines „Bürgerkönigs" erwarb. Der nächste Gegenstand, welcher die neue Regierung beschäftigte, war der Proceß gegen die Exminister Karl's X. Vier der- selben: Polignac, Peyronnet, Chantelauze und Guernon-Ranville waren auf der Flucht nicht so glücklich gewesen, wie ihre Collegen, die unerkannt und unaufgehalten über die Grenze gekommen waren. Die Regierung ließ die ohne ihr Zuthun und zu ihrem großen Be- dauern gefangen genommenen Urheber des Staatsstreiches nach dem Schlosse Vincennes abführen, aber, um die Todesstrafe von ihnen abzuwenden, sich durch die zweite Kammer auffordern, einen Gesetz- entwurf auszuarbeiten und der National-Vertretung vorzulegen, nach welchem die Todesstrafe überhaupt, als dem humanen Geiste des Jahrhunderts widersprechend, einstweilen wenigstens für politische Verbrecher abzuschaffen sei, also für Handlungen, deren Verdienst oder Schuld von wechselnden Ereignissen, ja sogar von der wandel- baren Meinung des Tages abhange. Dieses Verfahren setzte die Masse des pariser Volkes, welches eine dem Verbrechen der Exminister

9. Theil 4 - S. 203

1880 - Stuttgart : Heitz
Ludwig Philipp. 203 seischen Felder. Arbeiter und Blousenmänner der verdächtigsten Art, rote sie nur in den Tagen des Aufstandes in den bessern Theilen der Hauptstadt erscheinen, Studenten, Zöglinge der polytechnischen Schule und andere Schaaren hielten unter dem Gesang der Marseillaise Umzüge auf den Straßen und Plätzen, und begaben sich mit dem Ruf: „Es lebe die Reform, nieder mit Guizot!" vor die Deputirtenkammer. Die Obrigkeit ließ Militär und Muni-cipalgarbe die Straßen durchziehen, aber es wurde sehr mild und schonend verfahren, obgleich an einzelnen Punkten schon Barricaden errichtet wurden. Die Nationalgarde trat zusammen, ließ aber selbst fast überall bett populären Ruf: „Es lebe die Reform!" erschallen, und ermuthigte so die radicale Volksmasse. Am 23. Februar nahmen die unruhigen Austritte so sehr zu, daß Ludwig Philipp am Vormittag schon entschlossen war, den Marschall Bugeaud mit dem Oberbefehl zu beauftragen, um den Aufstand mit aller Energie zu unterdrücken; er wurde aber wieder schwankend gemacht, besonders weil die gesammte Nationalgarde mit Ungestüm die Entfernung Guizots verlangte, um diesen Preis aber die Wiederherstellung der Ruhe zusichern zu können glaubte. Nachdem im Innern von Paris schon ein heftiger Barricadenkampf stattgefunden hatte, beschloß der König, in Guizots Entlassung zu willigen, und berief den Grafen Mole zur Bildung eines neuen Ministeriums. Als diese Nachricht bekannt wurde, schien sich der Aufruhr zu legen und in dem größten Theil der Stadt traten*an die Stelle desselben allgemeine Freudenbezeigungen. Am Abend wurde der Sturz des unbeliebten Ministeriums mit einer großen Illumination gefeiert und Tausende von Menschen zogen jubelnd durch die Straßen. Da kam gegen 10 Uhr ein dichter Haufen der wildesten „Freiheitskämpfer", die rothe Fahne voran, die Boulevards heruntergezogen und schritt dicht bis an eine Abtheilung Muuicipalgarde heran, welche das Guizotsche Ministerhotel noch bewacht hielt. Plötzlich fiel aus dem tobenden Haufen ein Schuß gegen die Garde, welche mit einer großen Salve antwortete. Viele der Umstehenden waren tödtlich getroffen oder verwundet. Das eben hatte der rohe Haufen gewünscht, um den kaum beruhigten Aufruhr zu erneuern. In wildem Gewühl stürzten die Schaaren der Spaziergänger durcheinander; jene wilden Gesellen aber ließen durch alle Straßen den Ruf ertönen: „Verrath! Matt tobtet uns! Zu bett Waffen!" Eine der Leichen würde auf eine Bahre gelegt ttttb bei Fackelschein mit wilbem Rachegeschrei durch die Stadt

10. Lehrreiche und anmuthige Erzählungen aus der brandenburgisch-preußischen Geschichte - S. 99

1868 - Wesel : Bagel
99 aus ihm einen Mann nach dem göttlichen Willen macht, — ein Wohlgefallen der Guten, ein Schrecken der Frevler! Gott segne unser theures Vaterland!" Unaussprechlicher Iubelruf ertönte, als der König mit Thronen in den Augen nach dem Throne zurückging. Darauf ward unter dem Donner der Kanonen das Lied: „Nun danket alle Gott" ge- sungen, und der König sang es, vorn am Rande des Sitzes stehend, aus vollem Herzen mit. Der König war mit Ernst darauf bedacht, das Wohl des Landes zu befördern. Damit er die Wünsche und Bitten des Volks erfahre, versammelte er im Februar 1847 die Landständc des ganzen Reichs. Man nannte die Versammlung den vereinigten Land- tag. Lange Zeit waren diese Männer in Berathung. Es wurden viele Wünsche und Behauptungen laut, die man vorher nicht ge- hört hatte, es wurde viel Heilsames, aber auch viel Ueberflüssiges gesprochen, man tadelte Manches, was man selbst nicht verstand besser zu machen. Ueberhaupt war in den Jahren vorher durch manche Gegenden eine Unzufriedenheit gegangen, die böse Leute angerichtet und weiter verbreitet hatten. Da wollte der Eine, die Reichen sollten hergeben und ihr Eigentbum mit den Armen thcilen, ein Anderer, Alles solle gemeinschaftlich sein und die Arbeiter sollten auf Kosten Aller unterhalten werden, ein Dritter, Jeder im Volke sollte mit regieren, also auch ein Wort zu sagen und zu befehlen haben. Daß diese Reden vielen Menschen nach dem Sinne waren, läßt sich leicht denken. Solche Worte waren schon vor 80 Jahren bei den Franzosen erklungen und hatten zu Aufruhr, Mord und Brand geführt und Frankreich in tiefes Elend gebracht. Und ehe man es sich versah, begann der Aufruhr wieder bei den Franzosen und brachte auch uns Unglück. Der französische König Ludwig Philipp hatte schon einige Jahre lang mit unzufriedenen Leuten in seinem Reiche viel zu thun gehabt. Die Gährung wurde stärker und stärker. Plötzlich brach am 24. Februar 1848 in Paris ein Aufruhr los. Das Volk und ein Theil der Soldaten schlugen sich zu den Aufrührern, und der König, welcher sich deß gar nicht versehen hatte, erschrak so heftig, daß er nicht wußte, was er anfangen sollte. Er dankte ab und wollte die Regierung einem seiner Enkel überlassen. Damit war aber den Aufrührern nicht gedient. „Zu spät," schrien sie, „wir wollen gar keinen König mehr, sondern Frankreich soll ein Freistaat, eine Re- publik, sein." Ludwig Philipp mußte aus dem Lande fliehen und ging mit den Seinen nach England; die Franzosen wählten Leute aus ihrer Mitte und setzten sie zur Regierung ein. An alle öffent- lichen Gebäude schrieben sie die Worte: „Freiheit, Gleichheit, Brü- derlichkeit!" Das war ihr Wahlspruch. 7*

11. Erzählungen aus der neuesten Geschichte (1815 - 1881) - S. 198

1877 - Oldenburg : Stalling
Da Thiers Kriegsrstungen eine Mehrausgabe von 185 Mill. Fr., die Befestigung von Paris weitere 140 Mill. Fr. verursacht hatte, so sollte der Ausfall in den Finanzen durch eine Erweiterung der Personensteuer gedeckt werden. Eine neue Volkszhlung wurde angeordnet, nach welcher neue Listen fr die Personalsteuer angelegt werden sollten. Eine groe Zahl von Handwerksgesellen, Fabrikarbeitern, Tagelhnern, u. f. to. hatte sich bisher dieser Steuer entzogen, und empfand deren Beitreibung als unertrglichen Druck. Unordnungen und Gewaltthtigkeiten kamen an vielen Orten Frankreichs vor. In Paris machte sich die innere Ghrung in einem Mordanfall auf den Herzog von Aumale Luft, den vierten Sohn des Knigs Ludwig Philipp. Als dieser aus Algerien zurckkehrend am 13. September 1841 an der Spitze seines Regiments in Paris einzog, erscholl in der Vorstadt St. An-toine das Geschrei: Nieder mit Ludwig Philipp! Nieder mit Guizot!" Zugleich fiel ein Schu auf den Herzog von Au-male, der nur durch eine zufllige Bewegung seines Pferdes gerettet wurde. Der Thter Namens Quenisset, frher Sol-bat im Regiments des Herzogs, und wegen eines groben Vergehens zu Kettenstrafe verurtheilt, hatte sich biefer zu entziehen gewut und seine Verurtheilung am Herzoge rchen wollen. Er wrbe zum Tode verurtheilt, von Ludwig Philipp aber zur Deportation nach Norbamerika begnabigt. Der Proze gegen Quenisset lie einen Blick in das Treiben der dmonischen Krfte werfen, die an der Zerstrung der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung der Dinge ar-betteten. Es war nicht zu lugnen, da sich die Regierung und Gesetzgebung in den Hnden des Reichthums befand, und da die herrschenden Klassen keineswegs, wie es ihre Pflicht verlangte, bemht waren, diejenigen Klassen, die, weil sie zur Fristung ihrer Existenz nur auf den Ertrag ihrer Denkmal der Kunst knne das Schicksal des auerordentlichen Mannes so treffend bezeichnen, wie seine Grabessttte auf dein erloschenen Vulcane von St. Helena. Der neue Prometheus htte fr immer aus dem Felsen gelassen werden sollen, an welchen er von der Furcht und dem Hasse seiner Feinde geschmiedet worden, und wo Gram und Stolz, wie der Geier an den Eingeweiden des Titaniden an seinem Leben genagt hatten."

12. Neuere Geschichte - S. 462

1861 - Leipzig : Brandstetter
462 feinten, in der Lombardei, im Kirchenstaate, in Neapel und Sicilien sich erneuerten und bis in die neueste Zeit eine fortwährende Gährung wach erhielten. Konstitutionelle Staatsverfassnng und Preßfreiheit waren die Losungsworte, welche überall in dem vom Klerus und Mönchthume so lange in Knechtschaft gehaltenen, unter dem Feudaldrucke seufzenden Italien ertönten. Selbst der Papst, seit 1846 Pius Ix., schlug den Weg poli- tischer Reformen ein. Die neuen heftigen Stürme, welche seit dem Jahre 1848 ganz Eu- ropa erschütterten, sind uns Allen frisch in der Erinnerung; und es bedarf nur noch weniger Worte, um unsere Erzählung an das Ende ihres langen Weges, an die Grenze der Gegenwart, zu führen. Ludwig Philipp erfüllte die kühnen Hoffnungen nicht, mit wel- chen Frankreich das neue Bürgertonigthum begrüßte. So groß der Jubel im Beginne seiner Regierung war, so kurze Zeit dauerte es, bis die alten Klagen über Beschränkung der Wahlen und der Presse, über Beamten- und Steuerdruck auf's Neue erwachten. Die Unzufriedenheit nahm mit der Armuth überhand. Ludwig Philipp war ein kluger, aber kein edler oder großmüthiger Fürst, der, seinen eigenen Vortheil mehr als den des Staates erstrebend, durch geschickte und glückliche Spekulationen in kurzer Zeit ein unermeßliches Privatvermögen auf Kosten des Landes erwarb. Die Minister folgten seinem Beispiele. Bald traten Ungerechtigkeiten und Unterschleife an's Licht, die sich nicht mehr verbergen ließen. Leidenschaft- liche Parteisucht und die trotzige Bitterkeit, welche nur Elend und Mangel in solcher Weise erzeugt, durchwühlten die Schichten des Volkes und sta- chelten besonders die arbeitenden Klassen zu einem Grad der Aufregung, der nur einer Veranlassung bedurfte, um in seiner ganzen vernichtenden Kraft loszubrechen. Von dem hohen Adel, den Legitimisten an, von den Orleanisten, gemäßigten Republikanern, bis zu den So- cialist en und Kommunisten Herab, war Alles in fieberhafter Thätig- keit. Sieben Mordversuche auf den König scheiterten an seinem Glück und an seiner Vorsicht. Die Erbitterung stieg, als gewichtige Staatspersonen (Cubiöres und Teste) wegen offenbarer Veruntreuung und Bestechung vor Gericht standen, als die empörende Ermordung der eigenen Gattin ein Glied des höchsten Adels als gemeinen Verbrecher in das Gefängniß und zum Selbstmord führte (Herzog von Praslin). Die Befesti- gung von Paris endlich, welche die ganze große Hauptstadt mit dem Kern des französischen Volkes in die Gewalt des Militairs liefern sollte, und die dem liberalen Zeitgeiste widerstrebende Regierungsweise des Mi- nisters Guizot führten die Katastrophe im Februar 1848 herbei, die uns Allen mit ihren weitgreifenden Folgen nur zu wohl bekannt ist. In drei Tagen stürzte der Thron Ludwig Philipp's zusammen, welcher auch in drei Tagen auferbaut worden war, — eben jetzt, als sich der gefürchtete Feind Abdel-Kader Frankreich ergeben hatte, wie 18 Jahre früher Algier vor dem Sturze Karl's X. Ludwig Philipp glaubte den Thron seiner

13. Mit einem Stahlstich - S. 793

1839 - Stuttgart : Belser
Die Julirevolution. 793 Grundsatz, da6 nur von den Pairs bezeichnete Sachwal- ter als Vertheidigcr auftreten dürfen, erregte drohenden Widerspruch der gesammten Opposition: die Richter ga- den nach: man sollte freie Wahl haben unter sämmtli- chen ordinirten Advokaten. Aber auch dicß genügte den Beklagten keineswegs: jeder Politiker, Journalist und Laye, meinten sie, müsse als befähigt gelten: sie wei- gerten dem Hofe Antwort auf seine Fragen, verhöhnten die Richter; viele Pairs blieben verdrossen oder ängstlich von den Sitzungen weg; das Publikum murrte; 2 De- putirtc und 89 andre angesehne Männer setzten eine Schrift in Umlauf, worin sie wider das ganze Verfahren pro- testierten; am 12. Juli entrannen 29 der pariser Ange- klagten aus den Gefängnissen nach Belgien und England. Sv stand es, wie Ludwig Philipp, die Nationalgarde musternd, von Söhnen und glänzendem Gefvlg umringt, am 28. Juli als fünftem Jahrestage der Revolution auf das Boulevard des Tempels ritt: plötzlich schrillendes Getöse; Jammergeschrei; verwundet bäumte sich das Roß des Königs; der Herzog von Orleans spürte eine rück- prallende Kugel, und als der weithin qualmende Dampf zerstiebte, sah man den ergrauten Marschall Mortier dicht hinter Ludwig Philipp in seinem Blut sich wälzen, 63 Andre mehr ober minder schwer getroffen, entdeckte am Fenster eines nahgelegnen kleinen Hauses die Höllen- maschiene, ein Brett mit vielen Flintenläufen, ergriff im Hofe jenes Hauses den selbst verwundeten Thäter, F i e s ch i aus Korsika. Jetzt war es am Tag, in welche scheust, lichen Hände der Staat fallen würde, wenn Ludwig Phi- lipps Sturz erfolgte: alle Gutgesinnten schaarten sich um den wunderbar Geretteten als um den Genius von Frank- reich: der Pairshof verdammte am 13. und 17. August die lyoner Aprilangeklagten theils zur Deportation, theils zu längern oder kürzern Gefangnißstrafen, und von der Kammer wurden unter dem 9. des .nächsten Monats die Septembergeseye votirt, des Inhalts, daß Geschworne cine eingeklagtc Zeitung nicht wie bisher blos zu zwei

14. Die Geschichte der neuesten Zeit - S. 123

1877 - Köln : DuMont-Schauberg
12. Frankreich unter Ludwig Philipp. Rathe Dumouriez' gemäß, äußerlich ruhiger und stiller als je, um kein Mißtrauen zu erregen, während in seinem Innern die alten Anschläge fortbrüteten. Er galt um so mehr, selbst Manchem am Hofe, für einen harmlosen Zuschauer der öffentlichen Dinge, als er wirklich in seinen häuslichen Geschäften, in dem einfachen Glück seines Familienkreises aufzugehen schien. Nichts machte ihn so populär, wie seine Erziehungsmethode, er schickte nämlich die Prinzen, wie sie heranreiften, in das College de France zu gemeinsamem Unterricht mit den andern Knaben, ohne darum die prinz-licheu Unterschiede ganz fallen zu lassen. Sein unermeßliches Vermögen gebrauchte er stets wie ein aufgeklärter Fürst, der den Unglücklichen wohlthätig, den Arbeitern gewogen, den Künstlern förderlich war. Er selbst ein Unzufriedener, ward durch seine Haltung und Stellung zu den liberalen Kreisen allen Unzufriedenen etn Mittel- und Sammelpunkt. Neuilly war der Begegnungsort aller Mißvergnügten; die hervorragendsten Männer der politischen Gesellschaft - sah man dort erscheinen: Talleyrand, den Erfinder der Legitimität, der einst (in Wien) die Bourbonen für den Frieden Europa's für unentbehrlich gehalten, jetzt aber deren Entfernung für die Ruhe Frankreichs nöthig fand; der eitle, selbstgefällige General Sebastiani, von dem Ehrgeiz der Regierungssucht getrieben und zu allem bereit; Graf Mol«, ein Pair von altem Namen, und selbst Decazes. Zu dem engsten Kreise der Freunde des Herzogs aber zählten der Advocat Dnpin und der Banquier Laffitte; der erstere war dem Herzoge durch dessen Rechtsgeschäfte näher gerückt worden, der andere hatte ihm schon 1815 bei seiner Abreise von Frankreich in uneigennütziger Weise aus augenblicklicher Geldverlegenheit geholfen und tauschte jetzt mit ihm im traulichsten Gespräche die innersten Gedanken über die Zeit aus, wann Ludwig Philipp einmal „sein Land zu dem glücklichsten der Welt machen werde". Dagegen schrak der Herzog vor jeder activen Meuterei und Verschwörung zurück, denn es fehlte ihm die Willenskraft zu großen Entschlüssen; er ließ lieber andere für sich handeln und wollte die Geschicke lieber erleiden als machen. Hatte ihm doch schon (1796) seine Erzieherin vorgehalten, daß ihm die Eigenschaften mangelten, die in Frankreich für die wahrhaft königlichen galten, die Majestät und die Ruhmesliebe, die große Triebfeder der Nation. b. Erhebung Ludwig Philipp's zum Könige der Franzosen. Da der Zweck der Juli-Revolution (s. S. 42) nicht der Umsturz der Verfassung, sondern die Vertheidigung derselben gewesen war, so konnte von Einführung der Republik nicht die Rede fein, sondern es handelte sich nach Beendigung der Revolution nur darum, die Verfassung gegen künftige Verletzungen sicher zu stellen und den erledigten Thron wieder zu besetzen. Nach dem Sturze der alten bourbonischen Dynastie, der auch den Herzog von Bordeaux unmöglich gemacht hatte, war das Haupt der jüngeren bourbonischen

15. Die Geschichte der letzten 50 Jahre (1816 - 1866) ; in abgerundeten Gemälden - S. 153

1867 - Köln : DuMont-Schauberg
13. Frankreich unter Ludwig Philipp. 153 Chef der provisorischen Regierung ernannte. Diese auffallende Wahl ließ keineswegs auf eine Mitwissenschast des Cabinets-Präsidenten schließen, zeugte aber immerhin von richtiger Beurtheilung des Man- nes, der im Falle des Gelingens des Aufruhrs wohl ein eben so bereitwilliger und brauchbarer Minister des wiederhergestellten Kai- serthums gewesen wäre, wie des Juli-Königthums. Vor den Pairs- hof gestellt, gebärdete sich Ludwig Bonaparte als rechtmäßigen Erben Rapoleon's, wurde aber, trotz der Fürsprache seines in Florenz le- benden Vaters, des Exkönigs von Holland, zu lebenslänglicheck Ge- fängnisse verurtheilt und im Schlosse Ham eingesperrt, wo man ihm dieselben Zimmer anwies, welche früher der Exminister Polignac bewohnt hatte. Von hier entfloh er am 25. März 1846 in den Kleidern eines Handwerksmannes nach England. Am 17. October wurde auf den König bei einer Fahrt nach St. Cloud wieder einmal eine Kugel abgefeuert, die, wie gewöhnlich, ihr Ziel verfehlte. Der Thäter, Darmes, welcher erklärte, daß er in Ludwig Philipp „den größten Tyrannen des Alterthums und der Neuzeit" habe vertilgen wollen und ohne Mitschuldige zu sein, ward vom Pairshofe zum Tode verurtheilt und hingerichtet. Die Behandlung der orientalischen Frage führte zur Jso- lirung Frankreichs und zur Entlassung des Ministeriums. Thiers wollte nämlich den gegenwärtigen, dem Vicekönige von Aegypten günstigen, Bestand der Dinge im Orient aufrecht erhalten und einen unmittelbaren Vergleich Zwischen dem Sultan und dem Vicekönige zu Stande bringen, um dem letzteren günstigere Bedingungen zu ver- schaffen, als er von einer gemeinschaftlichen Vermittelung der Groß- mächte hoffen konnte. Daher wich Frankreich jeder europäischen Vermittelung aus, bis die vier übrigen Großmächte, ohne Frankreich, aber mit Hinzuziehung der Pforte, am 15. Juli eine Uebereinkunft unterzeichneten, durch welche dem Vicekönige alle seine Eroberungen in Kleinasien, Arabien und Syrien (mit Ausnahme des Paschaliks Akka, das er auf Lebenszeit behalten sollte) abgesprochen und der- selbe zur Räumung jener Länder in einer bestimmten Frist aufge- fordert wurde. Das Cabinet der Tuilerieen, welches nicht erwartet hatte, daß die übrigen Mächte sich über einen gemeinsamen Beschluß einigen würden, sah seine ganze auswärtige Politik vereitelt und ant- wortete auf die Mittheilung jener Uebereinkunft mit Kriegsrüstungen zu Wasser und zu Lande. Der beleidigte Nationalstolz und das Selbstver- trauen der kriegdürstenden Franzosen rechnete mindestens auf das linke Rheinufer als Siegesbeute. Aber die Hoffnung des Ministeriums, durch umfassende Rüstungen die übrigen Mächte einzuschüchtern, schlug fehl, vielmehr eröffnete Rapier am 11. September die Feindseligkeiten gegen Mehmet Ali durch die Beschießung von Beirut, welches nach kurzer Vertheidigung von den Aegyptiern geräumt und von den Ver- bündeten besetzt wurde. Wenige Tage nach dem Eintreffen der Nach- richt vom Beginne des Krieges wurde die französische Flotte aus

16. Theil 4 - S. 171

1862 - Breslau : Max
Ludwig Philipp. 171 desto tiefer war der Groll und desto lebendiger die geheime Be- wegung, womit sie die öffentlichen Zustände zu untergraben suchten. Zwar theilten sie sich bald in mehrere verschiedene Rich- tungen : die Einen sahen alles Heil nur in der Umgestaltung der Staatsformen, in der Verwandlung der Monarchien in Re- publiken; die Andern griffen die Grundlagen der menschlichen Gesellschaft und Gesittung überhaupt, das Eigenthum, die Ehe und das Familienleben an, und predigten eine gänzliche Auf- hebung der Eigenthumsverhältnisse (Communismus) oder wenig- stens allerlei Hirngespinnste über eine neue Organisation des Vermögens und der Arbeit (Socialismus), womit sie natürlich den ärmeren Volksclassen sehr schmeichelten und die Unzufrieden- heit derselben immer mehr anregten. Bei aller innern Spaltung aber waren sie durch Eines verbunden, nämlich durch den glü- henden Haß gegen den König Ludwig Philipp, von welchem sie meinten, daß er sie nur die Früchte der Julirevolntion be- trogen habe. Daher kam es, daß nach der Unterdrückung der großen Aufstände die Wuth der Radicalen sich in einer Reihe von nichtswürdigen Angriffen (Attentaten) auf das Leben des Königs äußerte, nach dessen Tode sie die allgemeine Verwirrung zur Durchführung ihrer Pläne benutzen zu können hofften. Acht- mal erhoben sich Mörderhände gegen Ludwig Philipp, aber im- mer wurde er fast wunderbar gerettet. Der erste und fürchter- lichste Versuch war der des Corsen Fieschi, welcher bei Ge- legenheit einer großen Revue, welche der König am Gedenktage der Julirevolution im Jahre 1835 auf den Boulevards abnahm, aus einem Dachfenster mit einer Höllenmaschine auf ihn und seine Umgebung feuerte, wobei 21 Personen des königlichen Ge- folges, darunter auch der Marschall Mortier, umkamen. Fi- eschi und seine Genossen starben unter der Guillotine, aber schon im nächsten Jahre (1836) entging der König, als er eines Tages den Wagen zu einer Spazierfahrt bestieg, nur durch einen be- sondern höhern Schutz dem Mordgewehr Alibands, welcher ganz aus der Nähe auf ihn schoß. Auch dieser starb auf dem Schaffot, aber die Todesstrafe schreckte andere fanatische Hasser des Königthums nicht ab. Noch in demselben Jahre wurde ein Attentat auf den König verübt, als er in die Deputirtenkammer fuhr. Diesmal übte der König Gnade, und verwandelte die Todesstrafe in Deportation, aber auch die königliche Großmuth entwaffnete seine Feinde nicht; noch gegen andere derselben,

17. Für den Unterricht in Unterklassen berechnet - S. 238

1872 - Hildburghausen : Nonne
238 Neue Geschichte. Unter Gesngen und Freudenrufen wogte die Menge durch die Straen; die Barrikaden verschwanden; aus den Fenstern und von den Balkons wehten Tcher und um 5 Uhr boten die Boulevards *) den nmlichen Anblick dar, wie an einem groen Volksfesttage. Als der Abend anbrach gewhrte die festlich erleuchtete Stadt einen zauberischen Anblick. Da geschah es, da gegen 10 Uhr ein Volkshaufen mit Fahnen und Fackeln singend und lrmend daherzog. Vor dem Ministerium des Aus-wrtigen, wo Guizot wohnte, hielt er still und forderte die Beleuchtung des Hauses. In dem Augenblicke fiel ein Schu und verbreitete unter dem in dem Gebude aufgestellten Militr die Meinung, es wrde ange-griffen. Es erfolgte pltzlich eine Salve auf die Menge und 52 strzten tobt oder verwundet zusammen. Eine unaussprechliche Wuth ergriff das Volk. Man belud eine Bahre mit Leichnamen und durchzog bei Fackel-schein unter dem Rufe: Verrath! Man tobtet uns! Zu den Waffen!" die Straen der Stadt. Um Mitternacht wurde die Sturmglocke gelutet, und am Morgen des 24. Februar war ganz Paris abermals durch Barri-faden abgesperrt. Ein neuer heftiger Kampf entbrennt und auch jetzt neigte sich der Sieg auf die Seite des Volkes. Der König machte weitere Zugestndnisse und erwhlte ein anderes, noch volksthmlicheres Ministerium. Aber es war zu spt ein ver-hngnivolles Wort der neuesten Zeit! Die Aufforderungen von Seiten der neuen Minister zur Ruhe fanden kein Gehr, ihre Verheiungen keinen Glauben. Endlich, in der Hoffnung, durch feine Abdankung den Auf-rhr zu beschwren, entsagte Ludwig Philipp dem Thron zu Gunsten sei-nes Enkels, des Grafen von Paris2). Fr den noch minderjhrigen Knaben er war erst zehn Jahr alt sollte feine Mutter, die bei der Nation beliebt war, die Regentschaft führen. Umsonst erschien die Mutter, die edle deutsche Frstentochter aus Mecklenburg mit ihren beiden Shnen in der Deputirtenkammer. Es war zu spt! Bewaffnete Bloufen-mnner drangen in den Saal und richteten unter dem Rufe: es lebe die Republik!" ihre Flintenlufe auf die Gruppe, welche die Herzogin und ihre Shne umgab. Rur mit Mhe gelang es die Bedrohten der Gefahr zu entreien: man fhrte sie durch eine Seitenthr aus dem lrmenden Sitzungssaale. So blieb dem König nichts brig, als schleunige Flucht. In einem gewhnlichen Fiaker, nur von seiner Gemahlin begleitet, verlie er die Stadt, um den Weg nach England zu nehmen, wo er bis an seinen Tod (1850) zurckgezogen lebte. Die Herzogin von Orleans begab sich mit ihren Kindern nach Deutschland. Unter dem wthenden Lrm des Volkes und der radikalsten3) Depu- x) Boulevard, franzsisirt aus dem beittschen Wort Bollwerk, sinb bic abgetragenen Wlle um die innere Stadt Paris, die in breite, prachtvolle Promena-benstrapen umgewandelt sind. 2) Ludwig Philipp, Graf von Paris, geboren 1838, war der lteste Sohn des Herzogs von Orleans und dieser der lteste Sohn des König Ludwig Philipp. Der Herzog von Orleans war vermhlt mit der Prinzessin von Mecklenburg-Schwerin Helene. In Folge eines Sturzes aus dem Wagen starb er bereits 1842 im 32. Lebensjahre. 3) Radikal von dem lateinischen Wort radix, die Wurzel, bezeichnet zunchst den, der eine Sache an der Wuszel ober in ihrem Grunbe angreift. In der Parteisprache der Gegenwart versteht man barunter soviel wie Ultraliberal, vgl. S. 234 Anm. 3.

18. Mit einem Stahlstich - S. 749

1839 - Stuttgart : Belser
Die Jüllrevolntlon. 749 queme Freunde passend zu verwenden, nöthigenfalls auch abzunützen! Hiezu gesellte sich die von aussen drohende Gefahr. Den absoluten Kabinetten mußte das Julikv- nigthum ein Dorn im Auge scyn; Vorwand zum Kriege konnte ihnen der Umstand leihen, daß Frankreich der hei- ligen Allianz und ihren Ansichten über Legitimität 1818 förm- lich beigetreten scy; und wenn der Rheinübergang 1814 gegenüber von Napoleon gelungen war, so mochte man sich jetzt mit einem noch leichtern Resultate schmeicheln. Ludwig Philipp bedurfte demnach eines äussern Schutzes: sein Auge fiel auf England, wo die für Reform käm- pfende Nation, während sie dem Sturze des Absolutismus Beifall jubelte, allen Franzosenhaß vergessen zu haben schien. Aber das Toryministerium, welches damals noch sich hielt? Hier kam es darauf au, den rechten Botschaf- ter herauszufinden: Ludwig Philipp sandte Talleyrand, jenen vornehmen, witzigen, sparsam beredten Weltmann, den vertrauten Freund staatskluger Britten, dessen bloßes Erscheinen volle Bürgschaft gab, daß die Sache, der er diene, vor der Hand die Chancen für sich habe. Noch im August erkannte Britannien den Julithron; bedächtig folgte Oestreich; mit einem Blick des Vorwurfs Preus- sen; endlich auch Rußland, nicht ohne Beileidsbezeigun- gen. Wofern das Wort der drei letztern Kabinette nicht ernstlich gemeint seyn sollte, hatte Ludwig Philipp mehr als ein Schreckmittel in Bereitschaft: er drohte, aufs Aeusserste getrieben, in Frankreich die Jakobiner zu ent- fesseln, und in seinem Rathe saßen Männer, die, der Propaganda anga-vrend, eine blutrothe Fackel über dem Ausland schwangen. Auch wenn es keine Propaganda gegeben hätte, würde der Eindruck ungeheuer gewesen seyn, den die Julirevo- lution auf ganz Europa Hervorbringen mußte. Man war so unbefriedigt, so verlangend nach einer Aenderuug des Bestehenden! Und mit einemmal stammte das pracht- volle Meteor im Westen auf! So rasch rollten die Be- gebenheiten ab, so entschieden war das Recht auf des

19. Die Geschichte der letzten 50 Jahre - S. 142

1867 - Köln : DuMont-Schauberg
142 13. Frankreich unter Ludwig Philipp. und zwar, wie er selbst ohne Umschweife erklärte, im Interesse des Weltfriedens. Im Anfänge des Jahres 1831 hatte sich die legitimistische Par- tei von ihrem Julischrecken so weit wieder erholt, daß sie ihre Stärke zu versuchen wagte, und zwar durch eine prunkvolle Feier des Todes- tages des Herzogs von Berry (14. Februar). Die darüber erbitterte Volksmasse brach in die Kirche St. Germain l'auxerrois ein, zer- trümmerte Altar, Kanzel, Beichtstühle und Heiligenbilder und stürmte am folgenden Tage die Wohnung des geistlichen Oberhirten von Paris, des Erzbischofs Quoten, der schon in den Julitagen einen Angriff bestanden hatte. Ludwig Philipp wurde um so leichter der Mitverantwortlichkeit für jene Gewaltthaten, welche die Regierung nicht verhindert hatte, beschrckdigt, als er dem Tumulte ein Zugeständmß dadurch machte, daß er die bourbonischen Lilien, die mit den Kreuzen auf den Kirchen zerstört worden waren, aus seinem Wappen entfernte. Der Liberalismus sah darin einen neuen Beweis des Bruches mit einer verhaßten Vergangenheit, der dem Könige zum Verdienste an- gerechnet wurde. Die Kammer von 1830, deren Rechtsbeständigkeit von Anfang an zweifelhaft gewesen war, hat, abgesehen von den oben (S. 132) angeführten Veränderungen der Charte, keine wesentlichen Neuerungen beschlossen. Sie wurde am 20. April 1831 aufgelöst, um einer nach dem neuen Wahlgesetze zu wählenden Volksvertretung Platz zu machen. Als im Anfänge des Jahres 1831 in Modena, Bologna und Parma Aufstände ausgebrochen waren (s. Nr. 20), in denen das französische Volk eine neue Wirkung der Juli-Revolution erblickte, und Oesterreich in entschlossenem Tone den Grundsatz der Nichtein- mischung für Italien verwarf, glaubte auch das französische Mini- sterium, mit einziger Ausnahme des Minister-Präsidenten, zu Gunsten Italiens nicht länger auf dem Grundsätze der Nichtintervention be- stehen zu müssen und Lafitte, der sich schon mit Ludwig Philipp wegen Kaufs eines Forstes entzweit hatte, nahm von dieser Jncon- sequenz Grund oder Vorwand zum Austritte aus dem Ministerium, welches seinen Namen geführt hatte. Unter dem Ministerium Casimir Perier (13. März 1831 bis 11. October 1832). Der Nachfolger Lafitte's war Casimir Perier, seinem Vorgänger verwandt durch seine bürgerliche Stellung an der Spitze eines groß- ßen Bankhauses, aber durch die schroffsten Gegensätze des Charakters und der Politik von ihm getrennt. Er besaß Willenskraft und staatsmännisches Talent in weit höherem Grade. Im Gegensätze zu der Milde und Anspruchslosigkeit seines Vorgängers, war er lei- denschaftlich, jähzornig, herrisch und bemächtigte sich als Minister- Präsident einer Machtvollkommenheit, vor welcher sich die Kammer und der König beugten und deren kraftvolle Handhabung vom Aus-

20. Die Geschichte der neuesten Zeit - S. 127

1877 - Köln : DuMont-Schauberg
12. Frankreich unter Ludwig Philipp. 127 Drohungen zur Anerkennung zwingen, indem die französische Regierung, allerdings auf Kosten des Grundsatzes der Nichtintervention, einem bewaffneten Einfalle geflüchteter spanischer Liberalen in ihr Heimatland thätigen Vorschub leistete, weshalb Ferdinand Vii., feig wie immer Angesichts der Gefahr, sich vor dem Anfangs mit Uebermuth behandelten Julikönigthum demüthigte. Das Verfahren der französischen Regierung Spanien gegenüber mochte indessen eine Entschuldigung finden in der inzwischen ausgebrochenen belgischen September-Revolution (s. Nr. 15). Diese galt, trotz der Verschiedenheit der Motive und des Charakters, für eine Tochter der französischen Revolution, die Belgier wurden, als ein sprachverwandtes Volk, für halbe Franzosen angesehen, und man zweifelte keinen Augenblick, daß der Losreißnng Belgiens von Holland die Vereinigung desselben mit Frankreich folgen werde, für welches man bei den Belgiern die wärmsten Sympathieen voraussetzte. Ludwig Philipp, der wohl einsah, daß die vier Mächte, welche das Königreich der Niederlande geschaffen hatten, um keinen Preis eine Vereinigung Belgiens mit Frankreich zugeben würden, lehnte die dessallsigen Anträge sowohl für sich ab, als für seinen zweiten Sohn, den Herzog von Nemours (den der belgische Congreß mit der Mehrheit einer einzigen Stimme zum Könige der Belgier gewählt hatte), und zwar, wie er selbst ohne Umschweife erklärte, im Interesse des Weltfriedens. Im Anfange des Jahres 1831 hatte sich die legitimistische Partei von ihrem Julischrecken so weit wieder erholt, daß sie ihre Stärke zu versuchen wagte, und zwar durch eine prunkvolle Feier des Todestages des Herzogs von Berry (14. Febr.). Die darüber erbitterte Volksmasse brach in die Kirche St. Germain l'auxerrois ein, zertrümmerte Altar, Kanzel, Beichtstühle und Heiligenbilder und stürmte am folgenden Tage die Wshnung des geistlichen Oberhirten von Paris, des Erzbischofs üuelen, der schon in den Julitagen einen Angriff bestanden hatte. Ludwig Philipp wurde um so leichter der Mitverantwortlichkeit für jene Gewaltthaten, welche die Regierung nicht verhindert hatte, beschuldigt, als er dem Tumulte ein Zugeständniß dadurch machte, daß er die bourbonischen Lilien, die mit den Kreuzen auf den Kirchen zerstört worden waren, aus seinem Wappen entfernte. Der Liberalismus sah darin einen neuen Beweis des Bruches mit einer verhaßten Vergangenheit, der dem Könige zum Verdienste angerechnet wurde. Als im Anfange des Jahres 1831 in Modena, Bologna und Parma Aufstände ausgebrochen waren (s. Nr. 19), in denen das französische Volk eine neue Wirkung der Juli-Revolution erblickte, und Oesterreich in entschlossenem Tone den Grundsatz der Nichteinmischung für Italien verwarf, glaubte auch das französische Ministerium, mit einziger Ausnahme des Minister-Präsidenten, zu Gunsten Italiens nicht länger ans dem Grundsätze der Nichtintervention bestehen zu müssen, und Soffitte (der sich schon mit