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1. Theil 2 - S. 724

1827 - Leipzig : Fleischer
724 suchen, fehlten; Häuser fehlten ganz, well sie auf dem Hin- wege alles verwüstet hatten. Loderte endlich ein Feuer aus, dann bereiteten Offiziere und Soldaten ihr trauriges Mahl: blutige Fleischlappen von gefallenen Pferden, und nur sehr Wenige hatten einige Löffel voll Mehl, welches sie mit Schnee- wasser vermischt gierig verschluckten. Von jenem Tage an ver- fiel die Ordnung und Zucht des Heeres; nur wenige Regimen- ter blieben in Reihe und Glied, und wäre Kutusow thätiger gewesen, so hätte kein Mann entkommen können. Eine Menge Siegeszeichen aus Moskau, Kanonen und Wagen aller Art ließ man täglich zurück, um nur das Leben zu retten, und eine Hoffnung nur leuchtete den Ausgehungerten: Smolensk, wo man ihnen Lebensmittel aus den reichen Magazinen ver- sprochen hatte. Endlich erblickten sie diese ersehnte Stadt, und die ganze Schaar der Waffenlosen, die den Bewaffneten voran liefen, stürzte auf die Thore zu. Aber die Soldaten, die hier die Wache hatten, und die hcrbeistürzendcn Menschen mit von Erde und Rauch geschwärzten Gesichtern, hohlen Augen und Wangen, in abgerissenen Uniformen und andern wunderlichen. Kleidungsstücken kaum für französische Krieger halten konnten, schlossen die Thore. Flehentlich baten die Armen, sie hineinzu- lassen, und ihren Hunger zu stillen; Viele sanken sogar todt zu Boden. Vergeblich! cs wurden nicht eher die Thore geöff- net, bis die Garden anlangten. Diese, die überall den Vor- zug hatten, erhielten Lebensmittel ausgethcilt, wahrend die Andern abgcwiesen wurden; denn es waren nur wenige Vor- räthe vorhanden, und das Wenige wurde von Einigen, die sich kämpfend in die Magazine drängten, verschlungen, indem An- dere leer ausgingen, sich verzweifelnd auf den Boden warfen, und erst wieder auffprangen, als sic wegen Annäherung der Russen mit Gewalt weitergetrieben wurden. Am 14ten November verließ Napoleon Smolensk mit seinen Garden. Diese marschirten noch in Reihe und Glied, aber finster und stumm; Jeder war allein mit seinem gegen- wärtigen Unglücke und mit seinen Befürchtungen, wie das Alles noch enden würde, beschäftigt; von Tage zu Tage wurde

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1. Theil 3 - S. 496

1839 - Leipzig : Fleischer
496 16 Stunden, in denen ihnen oft das Holz zum Anzünden der Feuer, oder, hatten sie auch dies, die Kräfte, es zusammenzusuchen, fehlten; Häuser sah man gar nicht, weil sie auf dem Hinwege alles verwüstet hatten. Loderte endlich 'ein Feuer auf, dann bereiteten Offiziere und Soldaten ihr trauriges Mahl: blutige Fleischlappen von gefallenen Pferden, und nur sehr Wenige hatten einige Löffel voll Mehl, welches sie mit Schneewasser vermischt gierig verschluckten. Von jenem Tage an verfiel die Ordnung und Zucht des Heeres; nur wenige Regimen- ter blieben in Reihe und Glied, und wäre Kutusow thätiger gewesen, so hätte kein Mann entkommen können. Eine Menge Siegeszeichen aus Moskau, Kanonen und Wagen aller Art ließ man täglich zurück, um nur das Leben zu retten, und eine Hoffnung nur leuchtete den Ausgehungerten: Smolenk, wo man ihnen Lebensmittel aus den reichen Magazinen versprochen hatte. Endlich erblickten sie diese ersehnte Stadt, und die ganze Schaar der Waffenlosen, die den Bewaffneten voran liefen, stürzte auf die Thore zu. Aber die Soldaten, die hier die Wache hatten, und die herbeistürzenden Menschen mit von Erde und Rauch geschwärzten Ge- sichtern, hohlen Augen und Wangen, in abgerissenen Uniformen und andern wunderlichen Kleidungsstücken kaum für französische Krieger halten konnten, schlossen die Thore. Flehentlich baten die Armen, sie hineinzulassen, und ihren Hunger zu stillen; Viele sanken sogar todt zu Boden. Vergeblich! es wurden nicht eher die Thore geöffnet, bis die Garden anlangten. Diese, die überall den Vorzug hatten, erhielten Lebensmittel ausgetheilt, während die Andern abgewiesen wurden; denn es waren nur wenige Vorräthe vorhanden, und das Wenige wurde von Einigen, die jich kämpfend in die Magazine drängten, verschlun- gen, indem Andere leer ausgingen, sich verzweifelnd auf den Boden warfen, und erst wieder aufsprangen, als sie wegen Annäherung der Russen mit Gewalt weitergetrieben wurden. Am 14. November verließ Napoleon Smolensk mit seinen Gar- den. Diese marschirten noch in Reihe und Glied, aber finster und stumm; Jeder war allein mit seinem gegenwärtigen Unglücke und mit seinen Befürchtungen, wie das Alles noch enden würde, beschäftigt; von Tage zu Tage wurde das Elend größer, und die Zahl derer, die noch Waffen trugen, geringer. Von der ganzen Reiterei waren nur noch 800 ausgehungerte Pferde übrig, meist Offizieren gehörig, die nun in ein Corps vereinigt wurden. Mehrmals war das Heer, noch öfter waren einzelne Corps ganz von den Russen umringt und abgeschnit- ten, und wurden nur durch List oder durch die große Tapferkeit derer, die noch unter den Waffen waren, gerettet. Die gräßlichsten Scenen, die sich auf diesem trostlosen Rückzuge ereigneten, kamen in solcher Menge vor, daß nur wenige von der Geschichte aufgemerkt, aber keine

2. Neueste Geschichte - S. 116

1859 - Leipzig : Fleischer
116 Me Winter nahm seinen Anfang, und überfiel die schlechtbekleideten und noch schlechter genährten Soldaten mit allen seinen Schrecken. Schaudernd schleppten sie ffich fort; ein scharfer, schneidender Wind hemmte den Athem, und bildete Eiszapfen, die ihnen am Barte um den Mund hingen. Den Meisten schwanden die Kräfte; stolperten sie dann, und fielen sie zu Boden, so half ihnen Niemand wieder auf; denn Jeder war nur mit seinem eigenen Elend beschäigt, und hatte für den Bruder selbst alles Gefühl verloren. Bald bedeckte der Schnee die Gefallenen, und kleine Erhöhungen, wie Gräber, be- zeichneten die Stellen, wo sie lagen. Der ganze Weg war, wie ein Todten- acker, mit solchen Hügeln übersäet. Fürchterlich öde war die ganze Gegend; nichts als finstere Tannen unterbrachen die Einförmigkeit der wilden Natur. Vielen erfroren die Finger an den Gewehren; darum sah man bald ganze Haufen, die ohne Waffen marschirten, indem sie in düsterer Verzweiflung auf jede Vertheidigung Verzicht thaten. Und wie schrecklich waren erst die langen Nächte von 16 Stunden, in denen ihnen oft das Holz zum Anzünden der Feuer, oder, hatten sie auch dies, die Kräfte, es zusammenzusuchen, fehlten; Häuser sah man gar nicht, weil sie auf dem Hinwege Alles verwüstet hatten. Loderte endlich ein Feuer auf, dann bereiteten Offiziere und Sol- daten ihr trauriges Mahl:, blutige Fleischlappen von gefallenen Pferden, und nur sehr Wenige hatten einige Löffel voll Mehl, welches sie mit Schneewasser vermischt gierig verschluckten. Von jenem Tage an verfiel die Ordnung und Zucht des Heeres; nur wenige Regimenter blieben in Reihe und Glied, und wäre Kutusow thätiger gewesen, so hätte kein Mann entkommen können. Eine Menge Siegeszeichen aus Moskau, Kanonen und Wagen aller Art ließ man täglich zurück, um nur das Leben zu retten, und eine Hoffnung nur leuch- tete den Ausgehungerten: Smolensk, wo man ihnen Lebensmittel aus den reichen Magazinen versprochen hatte. Endlich erblickten sie diese ersehnte Stadt, und die ganze Schaar der Waffenlosen, die den Bewaffneten voran liefen, stürzte auf die Thore zu. Aber die Soldaten, die hier die Wache hatten, und die herbeistürzenden Menschen mit von Erde und Rauch geschwärzten Gesichtern, hohlen Augen und Wangen, in abgerissenen Uniformen und andern wunderlichen Kleidungs- stücken kaum für französische Krieger halten konnten, schlossen die Thore. Flehentlich baten die Armen, sie hineinzulassen, und ihren Hunger zu stillen; Viele sanken sogar todt zu Boden. Vergeblich! es wurden nicht eher die Thore geöffnet, bis die Garden anlangten. Diese, die überall den Vorzug hatten, erhielten Lebensmittel ausgetheilt, während die Andern abgewiesen wurden; denn es waren nur wenige Vorräthe vorhanden, und das Wenige wurde von Einigen, die sich kämpfend in die Magazine drängten, verschlungen, indem Andere leer ausgingen, sich verzweifelnd auf den Boden warfen, und erst wieder aufsprangen, als sie wegen Annäherung der Russen mit Gewalt weiter getrieben wurden. Am 14. November verließ Napoleon Smolensk mit seinen Garden. Diese marschirten noch in Reihe und Glied, aber finster und stumm; Jeder war allein mit seinem gegenwärtigen Unglücke und mit seinen Befürchtungen, wie das Alles noch enden würde, beschäftigt; von Tage zu Tage wurde das Elend größer, und die Zahl derer, die noch Waffen trugen, geringer. Von

3. Teil 3 - S. 100

1912 - Leipzig : Dürr
— 100 — gestorben. Nichts regte, nichts bewegte sich, kein Laut war hörbar. Die Russen waren weit ins Innere des Landes zurückgewichen. Eilig folgte ihnen Napoleon. Doch der Vormarsch kostete ihm mehr an Menschen, als eine verlorene Schlacht. Erst lähmte eine furchtbare Hitze seine Truppen, dann fielen heftige Regengüsse. Die Verpflegungswagen konnten auf den schlechten Wegen nicht folgen und verloren massenhaft Zugtiere, so daß bitterer Mangel einriß und Hunger und Krankheit die Regimenter lichteten. Der größte und für den ganzen folgenden Feldzug verhängnisvolle Übelstand war, daß die Mannszucht sich lockerte. Schon schmolz die Armee aus die Hälfte zusammen. Endlich hielten die Russen bei Smolensk stand, aber die blutigen Kämpfe vom 16. August brachten keinen vollen Sieg; denn die Russen zogen sich ostwärts zurück und überließen den Franzosen die Stadt mit ihren Magazinen als ausgebrannte Schutthaufen. Napoleon faßte sie dann zum zweitenmal bei Borobino an der Moskwa. Die mörderische Schlacht in Staub und Hitze am 7. September, in der beide Teile gleichen Heldenmut an den Tag legten, brachte ihm auch keinen vollkommenen Sieg, am folgenden Morgen aber zogen die Russen ab. So stand der Weg nach Moskau offen. Am 14. September zogen die Fran- zosen in die alte Hauptstadt ein. 4. Der Brand Moskaus. Die Stadt war menschenleer; nur hie und da sah man verdächtiges Volk umherschleichen. Es waren die von dem Gouverneur Rostoptschin gedungenen Brandstifter. Plötzlich bemerkten die Franzosen mit Entsetzen, daß an allen Enden der Stadt Flammen emporschlugen. Da die meisten Häuser aus Holz gebaut waren, so lag in wenigen Tagen der größte Teil der Stadt in Asche. Napoleon ließ nun dem Zaren den Frieden anbieten; doch dieser, von Stein beraten, ging auf Verhandlungen gar nicht ein. 5. Der Untergang der großen Brntee. Fünf Wochen waren seit dem Einzug in Moskau verstrichen und die Lebensmittel fast aufgezehrt. Der Kaiser mußte den Rückzug antreten. Zunächst versuchte er, nach dem Süden Rußlands zu gelangen. Als ihm die russischen Heere den Weg dahin verlegten, war er gezwungen, den Rückweg über die Straße Smolensk-Wilna zu nehmen. So mußten seine Soldaten auf der verödeten Heerstraße, die sie gekommen waren, zurückmarschieren. Die ermatteten Mannschaften fielen wie ihre abgetriebenen Pferde massenweise. Um das Unglück voll zu machen, brachen noch eine frühzeitige Kälte und ein heftiger Schneefall herein. Tausende von Soldaten blieben ermattet auf den Schneefeldern liegen und kamen hier um. Unzählige aber fanden ihren Tod beim Übergang über die Beresiua, sei es, daß das Kanonenfeuer der Russen sie niedermähte, sei es, daß die eisige Flut sie verschlang. 6. Napoleons Heimkehr und die Ankunft der Großen Armee in Deutschland. Füns Wochen nach dem Abzüge aus Moskau war die Große Armee vernichtet. Viele, die sich glücklich gerettet hatten, trugen den Keim des Tobes in sich. In biefer entsetzlichen Not verließ Napoleon sein Heer.

4. Bd. 6 - S. 494

1845 - Leipzig : Kollmann
494 zosen die Nothwendigkeit, ihre Nückzugslinie über Kaluga ändern und Len alten Weg wieder an treten zu müssen. Um diese Straße wieder zu gewinnen, bedurfte es eines äußerst beschwerlichen Marsches durch verheerte Gegenden, zu einer Zeit, wo der Winter schon hereinbrach, und die von Moskau mitgenommenen Vorräthc ausgingcn. Den Soldaten fehlte cs an Nahrungsmitteln und Obdach, den Pferden an Futter; dabei drängte der Feind, dessen Streitlust durch den Umschwung des Glückes fürchterlich gestiegen war, auf der Ferse. Sechs Tage nach dem Treffen bei Tarulina stieß die französische Vorhut, die der Vicekönig befeh- ligte, bei M a l o- I a r o s la w e tz auf die russiche Armee. Ein hartnäckiger Kampf entspann sich und dauerte den ganzen Tag fort. Der Vicekönig hielt alle Angriffe ruhmvoll aus. Die bren- nende Stadt wurde sieben Mal gewonnen und verloren, blieb aber endlich in der Gewalt der Franzosen. Gegen Abend kam die französische Hauptarmee auf dem Schiachtfelde an. Kutusow hatte eine Stellung genommen und schien entschlossen, eine ent- scheidende Schlacht zu wagen. Napoleon wollte auf seiner Be- wegung nach Kaluga beharren; allein die Vorstellungen der Generale, daß man keine große Schlacht wagen dürfe, bewogen ihn, statt vorwärts zu marschircn, sich rechts zu wenden, um die Straße nach Smolensk über Wjäöma zu gewinnen, der das Heer auf seinem Zuge nach Moskau gefolgt war. Diesen Weg trat die französische Armee nothgedrungcn jetzt an. Zwanzig Kosakenregimenter unter dem General Platow und zwei Armeecorps als Avantgarde unter dem General Milo- rad owitsch folgten ihr auf dem Fuße; die große russische Armee selbst zog links, seitwärts der großen Straße, wo Lebensmittel und Fourrage in Fülle waren, wogegen das französische Heer durch eine Wüste ziehen mußte. Seine nächsten Magazine waren in Smolensk, und von dieser Stadt war man noch über fünfzig deutsche Meilen entfernt. Diese Strecke ohne Brod und ohne Fourrage, unter rastloser Verfolgung des Feindes, zurückzulegen, war die Aufgabe, welche die französische Armee zu lösen hatte. Nicht lange, so stellte sich der Hunger bei dem Heere ein; die Pferde starben zu Tausenden, und täglich wurden eine große Menge Bagage- und Munitionswagen, die ohne Bespannung blieben, verbrannt. Alle Gemeinden, die sie durchzogen, waren unter Waffen und erschlugen diejenigen, die sich von der Armee

5. Büchsenjäger Fleck im Feldzuge Napoleons gegen Rußland 1812 - S. 12

1912 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
— 12 — durch mit dem Anfachender Flamme beschäftigt. Gegen Morgen setzte ich mich auf meinen Ranzen, mit dem Rücken gegen das Feuer, und schlief da ein, wachte aber bald von einer heftigen Hitze im Rücken wieder auf. Meine Kleidungsstücke standen in hellen Flammen. Ich warf mich eilends in den Schnee und löschte das Feuer; aber Mantel und Uniform waren bis aufs Hemd, den ganzen Rücken entlang, verbrannt. Da sank auch mir der Mut, den ich mir noch immer zu erhalten gewußt hatte. Zwar konnte ich Mäntel und Uniformstücke von den in dieser Nacht erfrorenen Kameraden anziehen, aber ein unbesiegbarer Widerwille hielt mich davon ab. Verunstaltet, iu Knäuel gewickelt lagen die Opser dieser Nacht tot neben oder auf der Asche des erloscheueu Feuers. Der Anblick machte es mir unmöglich, die Kleider von den steifgefrorenen Leichen abzuziehen und für mich zu gebrauchen. Ich hütete, so gut ich konnte, mein verbranntes Zeug vor gänzlichem Auseinanderfallen und behalf mich mit ihm. In Smolensk hoffte ich ja auch warme Winterkleider zu bekommen. Der Kaiser hatte die Nacht jenseit des kleinen Tales zugebracht. Gegen 9 Uhr morgens traf er wieder bei uns ein, und wir marschierten mit ihm wie bisher. Vor einem Walde fanden wir frisch gefallene und gut genährte Kosakenpserde; die brieten und verzehrten wir bei flackerudem Feuer mit größtem Appetit. Wir überschritten zum zweiten Male den Dnjepr. Truppen verschiedener Nationen sammelten sich um uns. Sie waren ohne Disziplin und Haltung und schleppten sich mühsam fort; sie hofften, wie wir, voll Sehnsucht auf Smolensk. Unsere Mühseligkeiten sollten aufhören, Ruhetage kommen bei warmen Kaminen und volleu Fleischtöpfen. So träumten wir. Am 10. November langten wir endlich vor Smolensk an. Aber alle unsere Hosfuuugeu wurden zu schänden. Smolensk wimmelte von Truppen aller Gattuugeu und Nationen. Nicht für einen einzigen Mann war Platz übrig. Wir mußten draußen Biwak beziehen. Das waren die warmen Kamine. Die französischen Garden hatten alle Magazine mit Gewalt geleert; Lebensmittel gab es in der Stadt nicht mehr. Das waren die erträumten vollen Fleischtöpfe. Auch die Umgegend von Smolensk ließ irgend etwas Genießbares nicht mehr vermuten. Doch machte ich mich auf, mein Glück zu

6. Vaterländische Geschichtsbilder - S. 176

1896 - Leipzig : Brandstetter
— 176 — wälzen. Von den 600000 Soldaten waren 200000 Deutsche, die für eine fremde Sache auf fremdem Boden bluten mußten. 1000 Kanonen und 20000 Gepäckwagen begleiteten das Heer, das sich zwischen der Weichsel und Memel sammelte und Preußen noch völlig aussog. Es war in drei Heersäulen aufgestellt. Der westliche Flügel, zur Eroberung der russischen Ostseeprovinzen bestimmt, stand unter Marschall Macdonald; bei ihm befanden sich die preußischen Hilfstruppen unter General York. Der östliche Flügel sollte von Galizien aus in Südrußland einbrechen; bei ihm standen die österreichischen Hilfstruppen unter dem Fürsten Schwarzenberg. Das eigentliche Hauptheer aber. die „große Armee", wurde von Napoleon selbst geführt. Er nahm seinen Weg mitten in das Herz des feindlichen Landes. d. Moskau war Napoleons Ziel; dort, in der Hauptstadt des Landes, wollte er den Frieden diktieren. Allein es war ein äußerst beschwerlicher Zug dorthin. Die Wege waren ungangbar; die Zufuhr zur Verpflegung der Truppen blieb aus; das schlecht angebaute Land bot wenig Lebensmittel. Fleisch von gefallenem Vieh und Waffer aus den Pfützen war oft die einzige Nahrung und Labung. Daher lichteten bald Krankheiten die Reihen der Krieger. Die Ruffen wichen beständig, einer Schlacht aus, um den Feind immer tiefer in das Junere des Landes zu locken. Nach zwei blutigen Siegen über die Ruffen bei Smolensk und Borodino an der Moskwa hielt Napoleon am 14. Sept. seinen Einzug in Moskau. Aber Leichenstille empfing die Sieger; der größte Teil der Bürgerschaft war geflohen. Doch waren die Franzosen froh, wenigstens ein Obdach zu haben. Napoleon selbst bewohnte den stolzen Palast der russischen Kaiser, den Kreml. Aber schon am folgenden Tage brach, von den Ruffen selbst angelegt, an hundert Stellen zugleich Feuer aus, das vier Tage wütete und ueun Zehntel der aus Holz gebauten Stadt in Asche legte. Auch der Kreml ging in Flammen auf. Es war ein ungeheures Opfer, das die Russen brachten. Nun bot Napoleon den Frieden an, aber man wollte nichts davon wissen. Fünf Wochen lang blieb er unthätig auf den Trümmern Moskaus; endlich, am 18. und 19. Okt., trat er den Rückzug an. c. Untergang der großen Armee. Die Dörfer und Städte an der Rückzugsstraße waren teils von den Franzosen, teils von den Russen zerstört. In der völlig ausgesogenen Gegend fand das Heer keine Lebensmittel. Dadurch erhielten die Ruffen zwei furchtbare Bundesgenossen, den Hunger und den Winter. Bald war alles mit tiefem Schnee bedeckt; nirgends bot sich den Soldaten ein Obdach gegen Sturm und Winterkälte, nirgends ein Biffen Brot gegen den nagenden Hunger. Die erschöpften Pferde fielen massenweise, so daß man Wagen und Kanonen stehen lassen mußte. Keine Kriegsmusik ertönte, keine Trommel ward gerührt, kein Kommandoruf erschallte. An der Heerstraße lagen Tausende von verhungerten oder erfrorenen Kriegern. Hatte eine Schar am Abend ein Lagerfeuer angezündet, um wahrend der Nacht die erstarrten Glieder zu erwärmen, so war am Morgen vielleicht nichts mehr zu sehen als ein Schneehügel, den der Wind über den Erfrorenen zufammengeweht hatte. Alle Zucht und Ordnung hörte auf; jeder eilte nur, so schnell als möglich vorwärts zu kommen. Das furchtbare Elend hatte alle menschlichen Gefühle abgestumpft; um ein gefallenes Roß entspannen sich erbitterte Kämpfe, und selbst vor dem Genusse von Menschenfleisch schauderte man nicht zurück. In allerlei Vermummungen schleppten sich die Flüchtlinge durch die pfadlose Schnee-

7. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815 - S. 198

1918 - Hannover : Carl Meyer (Gustav Prior)
- 198 machten, ohne Nahrung, in alte Lumpen oder gegerbte Tierhute eingehllt, von der frchterlichsten Klte und vom Hunger halb wahnsinnig, mit Verzweiflung in den Gebrden, ihrem gewissen Untergang entgegengehen zu sehen; und doch prete dieser erbarmungswrdige, einer Maskerade gleichende Zug fters ein un-willkrliches Lcheln dem, der selbst mit all diesem Elend zu kmpfen hatte, beim Anblick mancher seiner Unglcksgefhrten aus..... 2. Quelle: 29. Bulletin der Grande Armee nach dem bergang der die Berefina. bersetzung: Lambeck, Der Feldzug in Rußland 1812. Leipzig o. I. S. 1416. Molodetfchno^), den 3. Dezember. Bis zum 6. November war das Wetter vortrefflich und die Bewegungen der Armee gingen mit dem besten Erfolg vor sich. Die Klte begann mit dem 7. Von diesem Tage an verloren wir in Smolensk mehrere hundert Pferde, die beim Biwak umfielen. Als wir in Smolensk ankamen, hatten wir schon eine betrchtliche Anzahl Artillerie- und Kavalleriepferde eingebt... In der Nacht vom 14. auf den 15. und 16. zeigte das Wetterglas 1618 Grad Reaumur unter dem Gefrierpunkt. Die Wege waren mit Glatteis berdeckt; die Kavallerie-, Artillerie-und Trainpferde fielen jede Nacht in Mengen um, nicht bei Hunderten, sondern bei Tausenden; vor allen die deutschen und franzsischen Pferde. der 30 000 Pferde kamen in Zeit von wenigen Tagen um. Unsere meiste Kavallerie war un-beritten, unsere Artillerie und Transportwagen ohne Bespannung. Wir muten einen groen Teil unserer Kanonen im Stich lassen und zerstren, sowie einen groen Teil unseres Kriegs- und Mundvorrats..... Den 26. lie der Kaiser, nachdem er den ganzen 25. den Feind durch mehrere Bewegungen irre gefhrt, die Armee auf das Dorf Studianca^) vorrcken und alsbald, in Gegenwart einer feindlichen Division und trotz ihres Widerstandes, zwei Brcken der den Flu schlagen. Der Herzog von Reggio^) ging zuerst herber, griff den Feind an und schlug ihn zwei Stunden Weges zurck... In den Tagen des 26. und 27. ging die ganze Armee der den Flu..... Die Armee, ohne Kavallerie, mit wenig Munition, durch einen Marsch von 50 Tagen schrecklich ermdet, ihre Kranken und in so viel Gefechten Verwundeten mit sich fhrend, bedurfte des Augenblicks, wo sie ihre Magazine erreichen konnte..... Alle verwundeten Offiziere und Soldaten, alles, was auf dem Wege aufhlt, Gepck usw., ist nach Wilna geschickt worden. Whrend der ganzen Bewegung der Armee marschierte der Kaiser bestndig im Mittelpunkte seiner Garde... Se. Majestt sind mit dem guten Geiste zu-frieden gewesen, der die Garde beseelt hat; sie hat sich bestndig fertig gezeigt, in jedem erforderlichen Fall sich dahin zu begeben, wo es die Gefahr verlangt haben wrde; aber die Umstnde sind immer so beschaffen gewesen, da ihre bloe Gegenwart hingereicht hat und sie nie in den Fall gekommen ist, zu schlagen..... Unsere Kavallerie war dergestalt unberitten, da man sich veranlat gefunden .hat, alle Offiziere, denen noch ein Pferd brig blieb, in ein Korps zu vereinigen, welches vier Kompagnien, jede von 150 Mann, bildete. Die Generale verrichteten *) Zwischen Borissow und Wilna. 2) Studjenka an der Beresina oberhalb Borissow. 3) Oudinot.

8. Neue und neueste Geschichte - S. 150

1880 - Dillenburg : Seel
— 150 — Welt, ist nicht mehr." Durch den Brand von Moskau war Napoleons ganzer Plan vereitelt worden. Das Heer war auf 100 000 Mann zusammengeschmolzen; überall war es von Feinden umgeben; Lebensmittel und Obdach fehlten. Da bot Napoleon Alexander den Frieden an; aber Alexander erklärte, daß an Unterhandlungen nicht zu denken sei, so lange noch ein Feind auf dem Boden Rußlands stehe. Da der gefürchtete russische Winter gerade in diesem Jahre sehr frühe eintrat, so gab Napoleon am 15. October den Befehl zum Rückzüge. Die Kälte hatte schon die Höhe von 18°B. erreicht; die wenigen Kleidungsstücke boten keinen hinreichenden Schutz. Der Weg war derselbe, als auf dem Hinmärsche, daher nirgends Lebensmittel, nirgends Obdach. Meist fand man des Morgens ganze Abtheilungen verhungert oder erfroren um die Wachtfeuer liegen. Dazu ging jetzt der Feind zum Angriff über; die Haufen, welche umliegende Dörfer überfielen, um Lebensrnittel zu erhalten, wurden von den zahlreich umherschwärmenden Kosaken niedergemacht. Als das Heer Smolensk erreichte, zählte es noch 40 000 Mann; 30 000 zogen ohne Führung und Ordnung dem Heere nach. In Smolensk hatte Napoleon seinen Truppen- einige Ruhetage gönnen wollen; da aber die Nähe der Feinde befürchten ließ, der Uebergang über die 33 er es in ci werde gesperrt werden, so ging es ohne Rast weiter. In Eile wurden zwei Brücken über den Flnß geschlagen. Art diesen entstand aber ein fürchterliches Gedränge; jeder wollte zuerst hinüber, warf die vor ihm Befindlichen nieder oder stieß sie über die Brücke in's Wasser; auf einer nahen Anhöhe hatten die Russen Kanonen aufgestellt und feuerten mit Kartätschen in die dichten Hausen. Tausende suchten sich auf schwimmenden Eisblöcken über den Fluß zu retten, fanden aber in den Wellen ihr Grab. Vier Tage (26.-29.) dauerte dieser grause Uebergang; da brach man die Brücke ab, das Nachsetzen der Russen zu verhindern; alle Nachzügler fielen in die Hände der Russen. Kaum 8000 halbkampffähige Soldaten waren von der ungeheuren Armee übrig; in Rußland scharrte man über 240 000 Menschen ein. Fast alle europäischen Länder hatten den Verlust von Unterthanen zu betrauern. Gegen das Ende des Jahres schwankten die letzten Nachzügler, Leichen ähnlich, über die preußische Grenze. Am 5. December verließ Napoleon fein Heer und eilte unerkannt, in Betten und Pelze gehüllt, auf einem Schlitten über Warschau und Dresden nach Paris. Von dort lautete die erste Nachricht über den Kaiser: „Die Gesundheit Sr. Majestät war nie besser."

9. Deutsche und brandenburgisch-preußische Geschichte für Lehrerseminare - S. 277

1904 - Habelschwerdt : Franke
277 Aus diesen Umstnden erklrt sich die damalige Kriegfhrung, die von der des 19. Jahrhunderts wesentlich abweicht. In der Schlacht wurden die Futruppen in zwei Treffen aufgestellt, von denen jedes aus drei Gliedern bestand. Zwischen den beiden Treffen hatten die Geschtze ihren Platz; die Reiterei deckte gewhnlich die Flanken des Fuvolks. Die Angriffe erfolgten in dicht geschlossenen Bataillonen, da man stets zu befrchten hatte, da die Soldaten jede Gelegenheit zur Fahnenflucht bentzen wrden. ' Bei dein geschlossenen Vorgehen, der sog. Lineartaktik,*) war es sehr schwer, Boden-Hindernisse zu berwinden. Deshalb suchten die Feldherren sog. utt-' angreifbare Stellungen auf Bergen zu gewinnen. Die Auflsung der Truppen in Schtzenschwrme entwickelte sich erst, als in den Revolutiouskriegeu und unter Napoleon I. Volksheere geschaffen worden waren. Eine besondere Schwierigkeit bereitete die Verpflegung der Heere. Um die Disziplin zu erhalten, konnte man nicht mehr wie frher die Truppen plndern lassen, sondern man legte Magazine an, die alle Lebensmittel fr die Soldaten lieferten. Von den Magazinen und Feldbckereien durften sich die Heere nur fnf bis sieben Tage-mrsche entfernen. Gelang es, die Magazine des Gegners wegzunehmen, so wurde dieser zum Rckzge gezwungen. (Vgl. Friedrichs Ii. Rckzug aus Bhmen 1744 und aus Mhren 1758.) Die Bewegung der Heere war darum langsam. Es galt 1757 als groe Leistung, da Friedrich Ii. den Weg von Robach nach Leutheu in so kurzer Zeit zurcklegte. Napoleon, der das R e q u i s i t i o u s s y st e m (Beitreibung der Lebensmittel von den Bewohnern, die darber Empfangsbescheinigungen und dadurch Anrecht auf Vergtung erhalten,) ausbildete, htte dazu nicht lnger als eine Woche gebraucht. Auf die Kriegfhrung Friedrichs wirkte auch ein, da seine Heere nicht groß, die Schlachten aber auerordentlich blutig waren, und da bei dem mangelhaften Lazarettwesen die meisten Verwundeten starben. Besonders groß waren die Verluste an Offizieren, da diese sich der Gefahr sehr aussetzen muten. Friedrich war deshalb in den letzten Jahren des Siebenjhrigen Krieges gezwungen, sogar 15- und 16jhrige Fahnenjunker zu Offizieren zu ernennen. Je lnger der Krieg dauerte, desto mehr nahm die Zahl der Soldaten ab. Ans all diesen Grnden konnte Friedrich nicht in raschem Zuge bis tief in Feindesland eindringen und mute von einer sog. Sto-ins-Herz-Strategie", wie sie im 19. Jahrhundert befolgt wurde. Abstand nehmen. *) Unter Taktik versteht man die Lehre von der Fhrung und dem Verhalten der Truppen auf dem Schlachtfelde, unter Strategie die Lehre von der Heeresleitung auf dem Kriegsschauplatz bis zum Schlachtfelde. Delbrck, Die Strategie Friedrichs des Groen. Historische und politische Aufstze. Berlin 1887. '

10. Bd. 7 - S. 287

1845 - Leipzig : Kollmann
— 287 — gegen den Feind ziehen würden, die Bildung einer Stadtgarde verfügt, wozu alte waffenfähigen Einwohner von achtzehn bis fünfzig Jahren berufen wurden. Bald folgten auch die andern belgischen Städte dem Bei- spiele Brüssels. Wahrend hier noch gefochten ward, entstand in Lüttich ein falscher Lärm. Der Generalmarsch wurde geschlagen, die Brandglocke gelautet, Frauen und Kinder rissen das Straßen- Pflaster auf, junge Madchen füllten große Krüge mit Wasser und trugen solche ins oberste Stockwerk, Weiber stürmten, mit alten Gewehren bewaffnet, durch die Straßen, die Steinkohlenarbeiter stellten sich in Kompagnien auf, und aus Verviers rückten Verstarkungs-Detachements mit wehenden Fahnen und Ringendem Spiel an. So standen binnen wenigen Stunden über 10,000 Wallonen unter den Waffen; 113 Fasser Pulver wurden aus den Magazinen weggenommen und auf die Cartaufe gebracht, um von dort die (Zitadelle zu beschießen. Dies war nur ein Vorspiel künftiger Uebergabe der mit furchtbarer Artillerie und 1700 Mann Besatzung versehenen Festung. Am 30. wurde ein von Mastricht abgeschicktes Corps Hollander, welches den Truppen in der Cita- delle Lebensmittel zuführen sollte, von den Einwohnern zurück- geschlagen, worauf sich endlich am ö, Ottober die Besatzung aus Mangel an den notwendigsten Bedürfnissen ergeben mußte. — Am 26. Septbr. empörte sich Ostende und zwang in den fol- genden Tagen die Holländer zum Abzüge. — Am 27. ging Brügge über und ward das Fort Ath von den Belgiern ein- genommen. — Arn 28. wurde in Tour n a y die Bevölkerung Meister der Stadt, wahrend die Holländer die die Stadt beherr- schende Citadelle besetzt hielten. — Ein wichtigerer Schritt erfolgte zwei Tage spater in Möns. Diese Stadt stand seit vierzehn Tagen unter dem Kommando des Generals Howen, eines Hol- landers. Am 29. Morgens wurden an allen Thoren Kanonen aufgestellt, und gegen die Straßen gerichtet und auch der Rath- hausplatz! mit zwei Kanonen besetzt. Die Garnison bestand aus 3600 Mann ohne die Artillerie. Ein Theil dieser Truppen stand Morgens um 6 Uhr unter den Waffen, als plötzlich ein Soldat ausrief: „Es lebe die Freiheit! Es leben die Belgier!" und dann zu seinem Offizier sagte: „Ich gehe nach Hause." Der Offizier wollte ihn in die Reihe zurückstoßen, der Soldat aber ergriff ihn und schleppte ihn in die Mitte des Platzes. In diesem Augen-

11. Neuere Zeit - S. 198

1891 - Münster i. W. : Schöningh
198 Neuere Zeit. er sie in Reih' und Glied dicht zusammen hielt. Mit einer solchen Soldatenschaft konnte man denn auch die von den Franzosen aufgebrachten zweckmäßigen Neuerungen in der Kriegsführung nicht nachmachen, nämlich erstens statt des Mitschleppens der Lebensmittel und des Einrichtens von Magazinen, auf welche das Heer im Felde angewiesen war, die zwangsweise Verpflegung der Truppen in Einzelquartieren von feiten der Einwohner, und zweitens in der Schlacht neben dem Massenkampf den Gebrauch des zerstreuten Gefechtes. Durch das eine wurde bei den Franzosen große Raschheit der Heeresbewegung, durch das andere eine wirksamere Kampfart erreicht. Beides war im preußischen Heere seiner Zusammensetzung wegen unmöglich, es mußte bei seinem veralteten schwerfälligen Linienmarsch und zeitraubenden Magazinwesen verbleiben. Ebenso morsch wie das Heer waren die andern überlieferten Einrichtungen des Staates. Die Monarchie hatte auf allen Gebieten die frühere Spannkraft eingebüßt, war schlaff und welk geworden. Das Volk aber, ausgeschlossen von allem Anteil an der Lenkung der vaterländischen Geschicke, in allem und jedem von einer unfähigen Regierung bevormundet, besaß zwar noch den Nationalstolz aus Friedrichs Zeit, aber nicht mehr das freudige Zutrauen zum Könige, der offenbar seinem schwierigen Posten nicht gewachsen war. Übrigens kam damals in Preußen nichts darauf an, was das Volk meinte und dachte; es hatte bloß zu gehorchen, es sollte nichts sein als eine willenlose Masse von Steuerzahlern und Rekrutenlieferern, und es war denn auch nichts weiter. In den vornehmen Kreisen herrschte Frivolität und Genußsucht, in den unteren eine entsetzliche Stumpfheit und Gleichgültigkeit. Der Bürger und der Bauer hatten wenig Liebe für den Staat, in welchem nur Lasten und Pflichten ihr Teil waren, und wenig Liebe für das Heer, welches sie eher als eine Landplage ansahen und für eine bloße Versorgungsanstalt des hochmütigen Adels. Es war also ein verrottetes Heer und ein verrotteter Staat diese „Monarchie Friedrichs des Großen", die nun in die Arena trat, mit dem gewaltigen Kaiserreiche zu ringen, mit bett sieggewohnten Streitkräften Napoleons, die ebenso an Geist wie an Zahl ihr weit überlegen waren. Denn welch ein Abstich zwischen den Invaliden, die das preußische, und den jungen, talentvollen Feldherren, die das französische Heer befehligten! Ein ebenso großer wie zwischen den verprügelten preußischen Söldnern und den ruhmbegierigen französischen Soldaten, deren jeder „in feinem Tornister den Marschallstab" trug. Zu alle dem kam noch, daß es auch an Geld fehlte. Trotz aller Sparsamkeit hatte Friedrich Wilhelm Iii. die^Schulden, die sein Vater hinterlassen, noch nicht tilgen, geschweige denn Überschüsse sammeln können; er mußte vielmehr mit der Ausgabe von Papiergeld — von „Tresor-scheinen" (am 1. Juni 1806) — sich zu helfen fuchen. War es unter

12. Handbuch für den Unterricht in der brandenburgisch-preußischen Geschichte - S. 171

1895 - Paderborn : Schöningh
171 Ordnung zurck. Der Weg nach Moskau stand jetzt dem Sieger offen; allein sein Heer war furchtbar erschpft und zusammengeschmolzen. 2. Der Brand von Moskau. Am 14. September zog Napoleon in Moskau ein, das seine Einwohner verlassen hatten. Napoleons Sol-daten sollten hier Winterquartiere nehmen und sich von den Strapazen des Feldzuges erholen. Stolz schaute Napoleon auf die wehrlose Hauptstadt. Mit ihr schien ganz Rußland zu seinen Fen zu liegen ; in ihren Mauern gedachte er dem besiegten Feinde einen demtigenden Frieden vorzuschreiben. Aber es kam ganz anders. Als die Franzosen in die Stadt einrckten, herrschte dumpfe Stille in allen Straen. Die Huser waren geschlossen, die Einwohner ausgezogen, die Vorrte weggeschafft. Diese gnzliche Ver-dnng der groen Stadt wollte den Franzosen nicht gefallen. Sie schien ihnen an sich schon sehr bedenklich, und dann merkten sie wohl, da ihnen in den menschenleeren Husern gar manches an ihrer Bequemlichkeit abgehen und die Kche schlecht bestellt sein wrde. Doch trsteten sie sich mit der Aussicht auf eine unermeliche Beute. Bald wurde ihnen auch dieser Trost geraubt. Ein ungeheuerer Brands der vier Tage wtete, legte die Stadt in Asche. Kaum entrann Nopoleon in der furchtbaren Verwirrung dem Feuertode. Sein Plan wurde vereitelt, und er mute den Rckzug antreten. 3. Ein klglicher Rckzug. Aber welch ein Rckzug war das! Auf dem weiten Wege fanden die Soldaten nur Brandsttten und ver-lassene Drfer und Städte. Dazu trat ein ungewhnlich frhzeitiger und strenger Winter ein. Tausende von Soldaten starben vor Hunger und Klte oder sielen unter den Lanzen der nachfolgenden Kosaken oder unter den Keulen der ergrimmten Bauern. Die Kanonen und Wagen lie man stehen; die Gewehre, Tornister und Sbel warf man weg; die Pferde schlachtete man, um mit ihrem Fleische den nagenden Hunger zu stillen. Der russische Heerfhrer folgte den Fliehenden auf dem Fue nach und lie ihnen keine Ruhe. Unermdet umschwrmten die Kosaken des Feindes Rcken und Flanken, es folgten Anflle auf Anflle. Die Wege waren mit Eis und Schnee bedeckt, Menschen und Pferde fielen zu Tausenden nieder und blieben liegen. Taufende von Soldaten erfroren an dem Feuer, das sie sich an-gezndet hatten; denn vor Mattigkeit konnten sie nicht mehr ausstehen und dasselbe unterhalten. Viele wurden von den Kosaken niedergestochen, ehe ihre erstarrten Hnde erwrmt waren. Halb vernichtet erreichte das stie-hende Heer endlich die Stadt Smolensk, wo es Ruhe und in den gefllten Magazinen Nahrung und Kleidung zu finden hoffte. Allein umsonst; der russische General drohte, den Franzosen an den Beresinastrom zuvorzueilen und sie gnzlich von ihrer Heimat abzuschneiden. Napoleon mute daher

13. Erzählungen aus der Geschichte alter und neuer Zeit - S. 324

1846 - Breslau : Graß, Barth
324 Beresina. sich der Zug gegen Westen. Die Soldaten haben sich beladen mit den Schätzen, die sie in Moskau noch zusammengeplündert, um, wenn nicht Ehre, doch Beute mitzubringen über den Rhein. Immer heftiger wird die Kälte; es'nahen die Russen, die leichtbeweglichen Kosacken auf ih- ren schnellen Pferden prallen bald hier bald da gegen die eimlnen Heeresabtheilungen an und werden kühner von Tage zu Tage. Der Soldat läßt seine Beute im Stiche, um das Leben zu retten, wirft die Waffen weg, um unbeschwert die Flucht zu beschleunigen. Kein Obdach bietet sich dar, keine Ruhe bei Tag und Nacht, keine labende Speise bei diesen Mühseligkeiten, bald fehlt's an Nahrungsmitteln über- haupt; Pferdefleisch wird zum Leckerbissen und ein Plätzchen am flackern- den Muer zu finden, das ist der höchste Wunsch, dessen Erfüllung noch zu hoffen steht. Die ganze Strecke, auf welcher die Franzosen zogen, war von ihnen selbst, als sie sich auf Moskau zu bewegt hatten, ver- heert- worden. Versuchten sie es, von diesem Wege abzulenkcn, so wur- den sie von den Russen wieder in die Oede zurückgctricben. Sie ka- men an die Beresina, einen Nebenfluß des Dnjepr, westlich von Smolensk. Der Fluß war, wo sie ihn überschreiten wollten, an sich nicht sehr breit, aber zu beiden Seiten desselben zogen sich Moräste hin, über welche nur wenige Brücken führten, die jetzt alle von den Russen besetzt wurden. Napoleon ließ schnell eine Brücke schlagen. Alles drängte sich, als sie kaum vollendet war, ihr zu. Unzählige wurden erdrückt, zu Boden getreten oder unter die Eisschollen hinabgestoßen. In den dichten Haufen, der die Brücke umlagert hielt, schlugen die Kanonen- und Kartätschenkugeln der Russen; die Angst steigerte sich zur Verzweiflung; jeder war nur auf seine Rettung bedacht; mit dem Säbel in der Hand suchte Mancher sich Bahn zu brechen, bis er selbst den Streichen eines Andern erlag. Die Brücke borst unter der großen Last; die Hinteren, welche davon nichts ahnetcn, drängten wei- ter, bis sie, an der Mitte angelangt, gleich denen, die vor ihnen waren, in den Strom hinabsanken. Durch den Donner der Kanonen und das Brausen des Sturmes und das Prasseln zerplatzender Granaten er- tönte das Jammergeschrei der Sterbenden und derer, die im nächsten Augenblick den gewissen Tod vor Augen sahen. Vom 20. bis 28. No- vember währte der Uebergang über die Beresina. Für äußerst Wenige war es ein Uebergang, den meisten der Todesgang; denn auch die, welche das jenseitige Ufer erreichten, fanden größtcntheils noch in den dortigen Sümpfen und Morästen ihren Tod. Der Kaiser war mit einem Theile seiner Garde glücklich entronnen und beschleunigte seine Flucht. Ueber Warschau eilte er nach Schlesien, auf einem Bauernschlitten kam er durch die Lausitz und rasch ging es weiter über Dresden, Leipzig und

14. König Friedrich Wilhelm II. - König Friedrich Wilhelm IV. - S. 235

1897 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
235 endlich, zwischen fünf und sechs Uhr abends, als schon Dorf und Kirchen brannten, verließen es die Franzosen und zogen sich nach Reudnitz nnb Volkmarsdorf, hart au den Thoren von Leipzig, znrück. — Ney und Reynier, die das freie Feld über Paunsdorf Humus behaupten sollten, wurdeu am Nachmittage von dem Nordheere gleichfalls angegriffen und durch die Preußen unter Bülow ans Paunsdorf hinausgeschlagen. Und als sie sich noch int freien Felde behaupten wollten, da machte sich die treffliche Reiterei der Russen und Preußen, die an diesem Tage sonst wenig thun konnte, da fast nur in den Dörfern gestritten wurde, gegen sie auf, und das Geschütz warf die kongreveschen Raketen in ihre Vierecke. Diese fürchterlichen Fenerdrachen fuhren zischend und heulend in die dichten Haufen der Reiter oder des Fußvolks und spieen ans vielen Röhren ein so verzehrendes, nicht zu löschendes Feuer aus, daß Menschen und Pferde erschrocken vor ihnen auseinander stoben. Da half kein Widerstreben und kein Halten der Befehlshaber, auch nicht, daß Napoleon Teile seiner Garde zu Hilfe schickte; die Reihen lösten sich, auch die andern Dörfer in der Nähe gingen verloren, und erst in Volkmarsdorf wurde wieder ein Halt gewonnen. Auf diesen Feldern und in diesen Stunden war es, da die sächsischen Kriegshaufen, die bis dahin nach dem Willen ihres Königs für Napoleon gekämpft hatten, ihr Blut nicht länger für denjenigen vergießen wollten, der durch feinen unsinnigen Trotz nun gar zu klar an den Tag legte, daß er nur Freude an Kampf mit) Zerstörung habe. In geschlossenen Reihen, mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiele, die Anführer an ihrer Spitze, zogen sie im Angesichte der Franzosen zu den Verbündeten hinüber. Es war ein herzerfrischender Anblick, wie die, welche längst in ihrem Herzen Frennde waren, nun zu einander traten, sich die Rechte reichten und brüderlich schüttelten, und wie den benarbten Kriegern die Freudenthräne über die Backen rann. Napoleon, in Bestürzung über diese Nachricht, schickte sogleich seine Gardereiter unter Nansouty, die entstandene Lücke zu füllen: und dieser mit schneller Wendung und vielem Geschütz bricht plötzlich hervor und will dem siegreichen Bülow in die offene Flanke fallen. Aber die Österreicher unter Bnbna, die in der Nähe stehen, nehmen nicht sobald die Absicht wahr, als sie eiligst schwenken und sich dem verderblichen Stoße kühn entgegenwerfen, und von der andern Seite feuert selbst die eben übergetretene sächsische Artillerie, von dem Kronprinzen von Schweden dazu aufgefordert, in die französischen Reihen, weil es gerade an dieser Stelle an Geschütz fehlte. Da müssen die Garden eilig umkehren und auch hier das Feld den Verbündeten überlassen. Ter blutige Tag neigte sich zu seinem Ende. Die letzten Strahlen der Abendsonne beleuchteten einen freudigen und dankbaren Kreis von Menschen um die drei Herrscher aus ihrem Hügel in des Schlachtfeldes Mitte. Dahin hatte der Feldmarschall Schwarzenberg die Anführer des Heeres berufen, um wegen des morgenden Tages zu ratschlagen. Es war ein feierlicher Augenblick, und eine jede Brust von unaussprechlichen Gefühlen gehoben. Von allen Seiten

15. Enthaltend der neuesten Geschichte erste Hälfte - S. 672

1845 - Halle : Anton
672 lange hatten die Truppen das erstemal wider ein ordentli- ches Quartir, hinlängliche Lebensmittel erhalten; kaum hatten sie sich der Freude dieser kurzen Ruhe hingcgeben, als es notwendig ward, einen Teil derselbe wider heraus- zureißen. Der Vicekönig und Mortier stritten sich um den Vorzug, Ney zu Hilfe ziehen zu können; und der Vicekönig sezte es durch; brachte -4000 Man zusammen und zog Ney zu. Auf gut Glük zogen sie in der Dunkelheit zwei Weg- stunden in der Richtung, wo Ney Herkommen muste, nichts war zu sehen, zu hören. Abermals hielt man Ney für er- drükt unterdessen durch russische Uebermacht oder man glaubte sich verirt zu haben; der Vicekönig ließ einige Kanonen ab- schießen, da endlich horte man einige Pistolenschüße als Ant- wort; sofort traf man nun auf einander. Der Vicekönig und Ney waren die ersten, die sich erkanten, umarmten; die Soldaten verließen Reih und Glid; Lebensmittel und Brandwein wurden mitgeteilt, so kam man vereinigt wi- der nach Orcha. Ney Hatteam 17ten Smolensk verlaßen mit 12 Ka- nonen, 6000 Bayonetten und 300 Pferden. Fünftausend Kranke hatte er der Gnade des Feindes überlaßen mäßen; 7000 Man debandirtes Volk, Marketender und dergleichen, Weiber, Kinder u. s. w. hatten sich angeschloßen. Ney's moralische Kraft hatte alle Schwierigkeiten besigt, hatte allem getrozt; er selbst immer der lezte; zu Fuß, mit der Flinte in der Hand, gleich einem gemeinen Soldaten. Nach dem Uebergange über den nur noch schwach gefrornen Dnié- per hatte Ney nur noch 3000 waffentragende Leute und 3000 Man debandirtes Volk bei sich; die Verfolgungen der Kosaken und die übrigen Drangsale brachten dies Corps bald auf 1500 werfähige Leute herab; mit 600 kam Ney endlich in Orcha bei Napoleon an. Am 22ten zog man unter tausend Mühseligkeiten von Orcha nach Borissow auf einem breiten von Birken umge- benen Wege, durch geschmolzenen Schnee und Kot, denn seit mehreren Tagen war wider Tauwetter eingetreten; alle Blessirtc und Kranke, die nicht in Schlitten sondern in Wagen waren, musten ihrem Schiksal überlaßen bleiben; am

16. Für die Oberstufe - S. 380

1879 - Stuttgart : Hallberger
380 für bloß menschliche Kraft schien es unbesiegbar. Deutsche aller Stämme (darunter auch 15 000 Württemberger), Franzosen, Polen, Italiener, selbst Spanier wälzten sich dem Norden zu und überschritten am 24. Juni 1812 den russischen Grenzfluß Niemen. Der russische Feldherr wußte wohl, daß die Beschaffenheit des Bodens und des Klimas Napoleons gefährlichster Feind sein werde; er zog sich daher immer weiter zurück. Doch nöthigte ihn der Grimm seiner Russen, dem Feind sich entgegenzustellen. Das erste- mal geschah dies bei der Vertheidigung von Smolensk, einer unter den Russen für heilig gehaltenen Stadt, sie wurde halb in einen Aschen- hausen verwandelt, das zweitemal am Flüßchen Moskwa. Eine gräß- lichere Schlacht ist seit der Erfindung des Schießpulvers nicht geliefert worden: 70 Ooo Todte und Verwundete bedeckten am Abend das Schlacht- feld. Doch schien Napoleon abermals Sieger, weil die Russen sich weiter zurückzogen. 2. Jetzt stand den Franzosen der Weg nach Moskau, der zweiten Haupt- stadt des Reiches, offen. Aber es war auch hohe Zeit. Lebensmittel mangelten, weil die Russen alles vor sich her zerstörten. Die Jahreszeit wurde rauher, und man fürchtete die Schrecken des russischen Winters. In Moskau hatte Napoleon den Seinen nicht bloß ruhige Winterquartiere son- dern auch das Ende des ganzen Kampfes versprochen. So sicher war er in seinen Erwartungen. Als daher die Vordersten des französischen Heeres die letzte Anhöhe vor Moskau erstiegen hatten und nun plötzlich die unge- heure Zarenstadt vor sich liegen sahen, durchdrang der Freudenruf: Mos- kau! Moskau! die Lüfte, und voll freudiger Begier stürmten die Hinteren nach, um des langersehnten Anblicks sich zu freuen. Aber wunderbar! Keine Behörde zog dem Kaiser entgegen, ihn um Schonung der Stadt anzuflehen; nichts Lebendiges wurde vor den Thoren erblickt, die Thore selbst standen weit offen. Einige Offiziere, die sich in sie hineingewagt, brachten die Nachricht, in den Gassen sei es wie ausgestorben. Napoleon wurde bestürzt; eine trübe Ahnung ergriff seine Seele. Er hielt seinen Einzug; es herrschte das Schweigen der Wüste; man hörte nichts als die Hufschläge der Rosse und die Fußtritte der Soldaten. Der Kaiser nahm seine Wohnung in dem Kreml, die Soldaten in den Häusern der Stadt. Aber fast keine Seele trafen sie in denselben an. Alles hatte die Stadt verlassen; nur hie und da begegneten sie dem von Mordlust und teuflischer Freude verzerrten Gesicht eines Sträflings, der aber schnell wieder verschwand. Lebensmittel und Reichthümer fanden sie die Fülle, und man sieng an sich froheren Hoffnungen hinzugeben. Da erhoben sich um Mitternacht an drei verschiedenen Orten der Stadt Feuersäulen. Die Flammen griffen mit

17. Lehrreiche und anmuthige Erzählungen aus der brandenburgisch-preußischen Geschichte - S. 79

1868 - Wesel : Bagel
79 Feinden viele tausend Gefangene ab und drüngte sie so, daß sie nur suchen mußten, nach Böhmen zurückzukehren. Aber die Wege in den Gebirgen waren voll Schlamm und Wasser und schwer zu passiren, die Lebensmittel fehlten, und Unordnung riß ein. Plötzlich kam dazu noch die Nachricht, Napoleon habe seinen General Van- damme mit 30,000 Mann von einer andern Seite abgeschickt, um die Hauptwege in den böhmischen Gebirgen zu versperren. Dann sollte dieser von der einen Seite die Verbündeten drängen, er wolle von der andern Seite kommen und so das ganze Feindesheer in den öden Bergwegen vernichten. Der Plan war schlau ausgedacht und die Gefahr groß. Denn der wilde und tapfere Vandamme hatte sich rasch aufgemacht, war kühn vorwärts gegangen, und es fehlte nur noch wenig, so waren die Wege wirklich versperrt. Am 29. Aug. kam er in dem Thale bei Teplitz an. Hier standen 8000 Mann russische Garden. Das Häuflein war gering, aber sie wehrten sich tapfer, und wie arg auch Vandamme tobte, er konnte nicht durch- brechen. Doch schwächer und schwächer wurden die Russen. Da, wie ein Retter in der Noth, sprengte unser König herbei, ermun- terte die Russen, trieb mehrere Haufen Oesterreicher nach dem Kampfplatze und ordnete Alles so weise, daß die Franzosen nichts gewinnen konnten. Am folgenden Tage griff Vandamme bei Kulm abermals an. Er hoffte, es würden recht bald quer über das Ge- birge die Freunde zu Hülfe kommen und er dann die Feinde schlagen können. Plötzlich erscheinen auch um Mittag oben auf dem Ge- birge Soldaten über Soldaten. Doch nicht Freunde sind es; cs ist der preußische General Kleist, der mit seinen tapfern Kriegern kühn das Gebirge erklettert hat und nun wie ein Sturmwind den Fran- zosen bei dem Oertchen Nollendorf in den Rücken fällt. Sie sind verloren. Ueberall umzingelt, schlagen sich nur wenige durch; Van- damme selbst wird mit 12,000 Mann gefangen. 82 Kanonen, 2 Adler und 2 Fahnen fallen den Siegern in die Hände. Das war die Schlacht bei Kulm. Sie machte den Verlust bei Dresden wieder gut. Und als nun die Nachricht von den andern Siegen eintraf, da befahlen die frommen Herrscher, daß vor Allem dem Allerhöchsten durch ein Dankfest Lob und Preis gebracht würde für die gnädige Hülfe in dem großen Kampfe. 42. Die Schlachten bei Dennewitz und bei Wartenburg. Napoleon war sehr verdrießlich, als er das Unglück seines treuen Vandamme erfuhr. Ueber die Preußen tobte er ganz besonders, denn überall, wo er geschlagen war, hatten diese das Beste gethan. In seinem Grimme beschloß er, sich zu rächen. Er wollte Berlin nehmen, die Stadt plündern und Gott weiß welche Grausamkeiten

18. Der Jugendfreund - S. 401

1887 - Düsseldorf : Schwann
401 Armee". Sie bestand aus Franzosen, Deutschen aller Stämme, Polen, Italienern, Schweizern, selbst Spaniern, im Ganzen aus mehr als einer halben Million Krieger mit 1200 Kanonen. Die Welt hatte wohl nie ein schöneres und besser ausgerüstetes Heer gesehen. Napoleons Plan war, mit aller Macht in das Herz Rußlands, nach Moskau, vorzudringen, die russische Armee durch einige Schlachten zu vernichten und in Moskau den Frieden zrr diktieren. Er schritt über den Niemen. Die Russen zogen sich immer zurück und lieferten blos einzelne Gefechte. Die Bevölke- rung der Dörfer wich dem französischen Heerzuge seitwärts in die Waldungen aus und schaffte Vieh und Lebensmittel fort; es tra- fen daher die Soldaten nur elende, größtenteils verlassene Ort- schaften, in denen nur wenige ein Obdach fanden. In Folge des langen Marsches, des Lagerns unter freiem Himmel bei jeder Witterung, der ungenügenden und schlechten Nahrungsmittel rissen Krankheiten ein, welche das Heer so schwächten, daß es im Au- gust, als es am Dniepr, bei Smolensk ankam, gewiß schon um ein volles Drittel schwächer war, als bei dem Übergang über den Niemen. Smolensk verließen die Russen nach hartnäckigem Wi- derstand, als die Stadt in Brand geschossen war (17. August). Endlich hielt die russische Hauptarmee 30 Stunden westwärts von Moskau bei dem Dorfe Borodiuo am Flusse Moskwa Stand, wo sie eine vorteilhafte Stellung einnahm; sie zählte 136,000 Mann mit 640 Kanonen, gegen welche Napoleon am 7. Septem- der nur noch 120,000 Mann mit 536 Kanonen in die Schlacht führen konnte. Sie war mörderisch und kostete 40,000 Menschen das Leben. Napoleon siegte; aber er vernichtete die russische Armee nicht, die in guter Ordnung südwärts zurückwich. Am 15. September sahen Napoleons Krieger das große Moskau mit seinen strahlenden Kirchen und Palästen vor sich. Sie zogen ein, fanden aber die Stadt fast verödet; denn die meisten Bewohner waren fortgezogen. Vorräte au Lebensmitteln und Kleidungs- stosfen mangelten nicht; aber bald loderten da und dort Feuer- säulen auf, und da wurde es Napoleon und seinen Soldaten klar, das die Stadt von den Russen selbst angezündet worden sei. Sie brannte vom 15. bis 21. September; so ging nicht nur das Obdach für die Soldaten, sondern auch eine Masse von Le- bensmitteln verloren. Napoleon glaubte zuversichtlich, der russische Kaiser Alexander werde sich zu einem Frieden bereitwillig zeigen; aber dieser hielt den sonst so schlauen Napoleon mit Unterhand- lungen hin, welche er endlich mit der Erklärung abbrach: „So lange noch ein Franzose auf dem Boden Rußlands steht, wird kein Friede geschlossen!" Napoleon war nun zum Rückzüge ge- zwungen; denn seine Armee war zu schwach, als daß er sich im Innern Rußlands hätte halten und die notwendigen Lebensrnittel durch Streifzüge hätte herbeischaffen können. Am 19. Oktober Kahls Lesebuch. 26

19. Mancherlei für Jung und Alt - S. 420

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
420 jetzt Hagelten die feindlichen Kugeln gerade hierher, in einer halben Stunde lagen sechzig Soldaten erschlagen; man mußte die Unglücksstätte verlassen. Es hatte da ein Magazin gestanden, das schlecht gewölbt war; überdem hatte man bei dem Batterieenbau Erde von der Bettung weggenommen, und hier schlug wahrscheinlich eine Bombe durch. Die Belagerer konnten jetzt leicht ans Booten landen und stürmend eindringen: das unternahmen sie nicht, nur um so massenhafter und rastloser flogen ihre Geschosse. Insbesondere nahmen sie das ungeheure Pulvermagazin aufs Korn, welches dem aufgeflogenen ziemlich gegenüber auf der andern Seite der Landenge lag. Sie schienen es zu wissen, daß an zweitausend Centner Pulver darin lagerten, eine Artilleriewerkstätte stieß daran, und das schlimmste war, daß dieses Magazin, was auch in vielen deutschen Festungen ein wahres Unglück sein soll, über der Erde lag. Die Piemontesen hatten eigens eine Batterie darauf gerichtet, endlich zündeten ihre Bomben: die Wirkung war ebenso seltsam als furchtbar. Das Magazin, die Werkstätte, zwei Batterieen, welche die Festung gegen nahende Schisse verteidigten, Menschen und Geschütze und alles, was dabei war, ja selbst das anstoßende Kloster, welches vor zwölf Jahren Pius Ix. in Gaeta beherbergte, alles miteinander flog ins Meer. Im Nu war's geschehen, und alles glatt vom Boden weg. Wahrscheinlich waren die Mauern gegen die See zu am schwächsten, deshalb wirkte die ganze Gewalt der entzündeten Pulvermasse in dieser einen Richtung: was nur entgegen- stand, mußte, wie aus der Kanone geschossen, mit dorthin. Jetzt konn- ten die feindlichen Schiffe auf zehn Schritt heranfahren und mit ihren Kugeln die übrigen Batterieen reinfegen. Jetzt war Gaeta gebrochen und gefallen. Man kann sich nun wohl vorstellen, was die Belagerten während der 102 Tage der Einschließung litten, besonders in den letzten Wochen, als die gräßlichen Scenen mit jeder Stunde unerträglicher wurden. Da es mit Proviant gleich anfangs so übel aussah, wurden in Marseille Lebensmittel gekauft und herbeigeschafft, doch auch sie waren schlecht und man mußte sehr damit sparen. Die Offiziere auf den Batterieen bekamen zuletzt, trotz der furchtbaren Ermüdung, vielleicht alle acht oder vierzehn Tage einmal einen Tropfen Wein. Pferde und Maultiere fielen vor Hunger. Die Kleider rissen vom Leibe. Bei kärglicher Kost und eng- gepreßtem Wohnen in schmutzigen Kasematten, bei unaufhörlichen Stra- pazen und dem schrecklichen Staub und Gestank überall konnten mörde- rische Krankheiten nicht ausbleiben. Der gefürchtetste Feind braver Soldaten, der Typhus, hielt seine gierigen Leichenmahle. Überaus groß war deshalb tagtäglich der Menschenverlust; Geschosse, Krankheiten und Explosionen arbeiteten zusammen.

20. Deutsche und brandenburgisch-preußische Geschichte für Lehrer- und Lehrerinnenseminare - S. 289

1912 - Habelschwerdt : Franke
289 Da die Soldaten nicht als freie Brger fr ihr Vaterland kmpften, sondern zum groen Teile Auslnder waren und meist gezwungen die Waffen trugen, konnten sie nur durch die strengste Disziplin zusammengehalten werden. Wegen der geringsten Ver-gehen wurden die Soldaten geprgelt; Eselreiten, Lattenliegen, Spierutenlaufen waren hufige Strafen. Deshalb kamen Deser-Honen sehr oft vor, obgleich die wieder eingefangenen Flchtlinge grausam bestraft wurden. Besonders hufig waren die Desertionen im Kriege; nach verlorenen Schlachten kamen manche Heere in Gefahr, sich aufzulsen. Diese Beschaffenheit der Truppen war von bestimmendem Einflu auf die damalige Kriegfhrung, die von der des 19. Jahrhunderts wesentlich abweicht. In der Schlacht wurden die Futruppen in zwei Abteilungen aufgestellt, von denen jede aus drei Gliedern bestand. Zwischen den beiden Abteilungen hatten die Geschtze ihren Platz; die Reiterei deckte gewhnlich die Flanken des Fu-volks. Die Angriffe erfolgten in dicht geschlossenen Bataillonen, da man stets zu befrchten hatte, da die Soldaten jede Gelegen-heit zur Fahnenflucht bentzen wrden. Bei dem geschlossenen Bor-gehen, der sog. Lineartaktik,* war es sehr schwer, Bodenhindernisse zu berwinden. Deshalb suchten die Feldherren sog. unangreif-bare Stellungen auf Bergen zu gewinnen. Friedrichs Ii. eigenstes Verdienst um das Heerwesen ist die vortreffliche Ausbildung der Reiterei und die Einfhrung der reitenden Artillerie. Besondere Schwierigkeiten bereitete die Verpflegung der Heere. Um die Disziplin zu erhalten, konnte man nicht mehr wie frher die Truppen plndern lassen, sondern legte Magazine an, die alle Lebensmittel fr die Soldaten lieferten. Von den Maga-zinen und Feldbckereien durften sich die Heere nur fnf bis sieben Tagemrsche entfernen. Gelang es, die Magazine des Gegners wegzunehmen, so wurde dieser zum Rckzge gezwungen. (Vgl. Friedrichs Ii. Rckzug aus Bhmen 1744 und aus Mhren 1758.) Die Bewegung der Heere war darum langsam. Es galt als auer-ordentliche Leistung, da Friedrich Ii. nach der Schlacht bei Robach den Weg von Leipzig bis Leuthen in drei Wochen zurcklegte. Auf die Kriegfhrung Friedrichs wirkte auch ein, da seine Heere nicht groß, die Schlachten aber auerordentlich blutig waren, und da bei dem mangelhaften Lazarettwesen die meisten Unter Taktik versteht man die Lehre von der Fhrung und dem Verhalten der Truppen auf dem Schlachtfelde, unter Strategie die Lehre von der Heeresleitung auf dem Kriegsschauplatze bis zum Schlachtfelde. Atzler, Beschichte fr Lehrersemware. 19