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1. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 241

1913 - Leipzig : Hahn
241 in brauchbarem Zustande. Sein Haus lag völlig in Trümmern, und an die Fortführung seines Gewerbes konnte er vorerst nicht denken. Trotzdem durfte er mit geringerer Sorge in die Zukunft schauen; denn er hatte sein Haus und seine bewegliche Habe bei einer Feuerverficherungsgesellschaft versichert, und schon wenige Tage nach dem Brandunglück erschienen zwei Beamte dieser Gesellschaft, um den Schaden festzustellen, den Meister Schulten erlitten hatte. Sie sahen bald ein, daß das Haus neu aus- geführt werden mußte; deshalb schätzten sie den Wert der in den Trümmern vorhandenen Baustoffe ab und rechneten diesen Betrag auf die Enl- schädigungssumme an, die bald nachher dem Bäckermeister ausgezahlt wurde. Alsbald ging dieser au den Wiederaufbau seines Hauses. Sein Baumeister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzuführen, als der frühere gewesen war; denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute Wohnungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Einnahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Bau- kosten nicht decken würde, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hinzu- nähme; zudem sei er für seinen und seiner Familie Unterhalt auf seine Ersparnisse so lange angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne. Hiergegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vorschlag, die fehlende Summe bei der städtischen Sparkasse als Hypothek aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig an: „Bei der Sparkaffe leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkaffe, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." „Bedenken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Sparkaffenbücher gewährt? Sie muß eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicherheit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geldschräuke wollen bezahlt sein, und einen für unvorhergesehene Fälle ausreichenden Reservefonds muß sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den Neubau 4 bis 41/, Prozent Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wofern Sie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den guten Rat; bald stieg der Neubau in die Höhe, und nach einigen Monaten konnte Schulten seine Freunde zum Richtfest einladen. Auch der arme Burkhard war zugegen. „Ich Tor!" ries er im Laufe des Gesprächs aus, „warum habe ich eure früheren Ermahnungen in den Wind geschlagen! Ein jährliches Opfer von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so traurigen Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen; denn sonst werde ich wohl nie mehr in eigener Werkstatt arbeiten!" „Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere Schmied,. „und ich will dir nach Kräften behilflich sein; nur schlag dir die Lotterie aus dem Sinne; denn die ist schon manchem zum Unheil ausgeschlagen, und »Hoffen und Harren macht manchen zum Narren.« Du hast ja auch das Sparen gelernt, Freund Burkhard, und wirst das Lesebuch s. Fürrbildungsschulen rc. Allg. Teil. Kj

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1. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 241

1906 - Leipzig : Hahn
241 m brauchbarem Zustande. Sein Haus lag völlig in Trümmern, und an die Fortführung seines Gewerbes konnte er vorerst nicht denken. Trotzdem durfte er mit geringerer Sorge in die Zukunft schauen; denn er hatte sein Haus und seine bewegliche Habe bei einer Feuerversicherungsgesellschaft versichert, und schon wenige Tage nach dem Brandunglück erschienen zwei Beamte dieser Gesellschaft, um den Schaden festzustellen, den Meister Schulten erlitten hatte. Sie sahen bald ein, daß das Haus neu auf- geführt werden mußte; deshalb schätzten sie den Wert des in den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab und rechneten diesen Betrag auf die Ent- schädigungssumme an, die bald nachher dem Bäckermeister ausgezahlt wurde. Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein Baumeister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzufiihren, als der frühere gewesen war; denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute Wohnungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Einnahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Bau- kosten nicht decken würde, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hinzu- nähme; zudem sei er für seinen und seiner Familie Unterhalt auf seine Ersparnisse so lange angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne. Hiergegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vorschlag, die fehlende Summe bei der städtischen Sparkasse als Hypothek aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig an: „Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." „Bedenken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassenbücher gewährt? Sie muß eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicherheit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geldschränke wollen bezahlt sein, und einen für unvorhergesehene Fälle ausreichenden Reservefonds muß sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den Neubau 4 bis 41/2 Prozent Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wofern Sie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den guten Rat; bald stieg der Neubau in die Höhe, und nach einigen Monaten konnte Schulten seine Freunde zum Richtfest einladen. Auch der arme Burkhard war zugegen. „Ich Tor!" rief er im Laufe des Gesprächs aus, „warum habe ich eure früheren Ermahnungen in den Wind geschlagen! Ein jährliches Opfer von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so traurigen Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen; denn sonst werde ich wohl nie mehr in eigener Werkstatt arbeiten!" „Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere Schmied, „und ich will dir nach Kräften behilflich sein; nur schlag dir die Lotterie aus dem Sinne; denn die ist schon manchem zum Unheil ausgeschlagen, und »Hoffen und Harren macht manchen zum Narren.« Du hast ja auch das Sparen gelernt, Freund Burkhard, und wirst das Lesebuch f. Fo^luldunaittchulen rc. Allg. Teil. i g

2. Lese- und Lehrbuch für ländlich-gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 45

1910 - Leipzig [u.a.] : Teubner
n. Die sittlichen, wirtschaftlichen u. kulturellen Grundlagen der Landwirtschaft rc. 45 nicht denken. Trotzdem durfte er mit geringerer Sorge in die Zukunft schauen; denn er hatte sein Haus und feine bewegliche Habe bei einer Feuerversicherungsgesellschaft versichert, und schon wenige Tage nach dem Brandunglück erschienen zwei Beamte dieser Gesellschaft, um denschaden festzustellen, den Meister Schulten erlitten hatte. Sie sahen bald ein, daß das Haus neu aufgeführt werden mußte; deshalb schätzten sie den Wert des in den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab und rechneten diesen Betrag auf die Entschädigungssumme an, die bald nach- her dem Bäckermeister ausgezahlt wurde. 2. Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein Baumeister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzuführen, als der frühere gewesen war; denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute Wohnungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Einnahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchlete dies wohl ein; indessen rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Bau- kosten nicht decken würde, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hiuzu- nähme; zudem sei er für seinen und seiner Familie Unterhalt auf seine Ersparnisse so lange angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne. Hiergegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vorschlag, die fehlende Summe bei der städtischen Sparkasse als Hypothek aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig an: „Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." „Bedenken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassenbücher gewährt? Sie muß eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicher- heit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geldschränke wollen bezahlt sein, und einen für unvorhergesehene Fälle ausreichenden Reservefonds muß sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den Neubau 4 bis 4t/2 Prozent Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wofern Sie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den guten Rat; bald stieg der Neubau in die Höhe, und nach einigen Monaten konnte Schulten seine Freunde zum Richtfest einladen. Auch der arme Burk- hard war zugegen. „Ich Tor!" rief er im Laufe des Gesprächs aus, „warum habe ich eure früheren Ermahnungen in den Wind geschlagen! Ein jährliches Opfer von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so traurigen Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen; denn sonst werde ich wohl nie mehr in eigener Werkstatt arbeiten!" 3. „Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere Schmied, „und ich will dir nach Kräften behilflich sein; nur schlag dir die Lotterie aus dem Sinne; denn die ist schon manchem zum Unheil ausgeschlagen, und ,Hoffen und Harren macht manchen zum Narren'. Du hast ja auch das Sparen gelernt, Freund Burkhard, und wirst das wenige, was dir dein schweres Mißgeschick gelassen hat, allmählich ver-

3. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 106

1900 - Essen : Baedeker
106 nach dem Brandunglück erschienen • zwei Beamte dieser Gesellschaft, um den Schaden festzustellen, den Meister Schulten erlitten hatte. Sie sahen bald ein, daß das Haus neu aufgeführt werden mußte; deshalb schätzten sie den Wert des in den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab und rechneten diesen Betrag auf die Entschädigungssumme an, die bald nachher dem Bäcker- meister ansbezahlt wurde. Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein Bau- meister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzuführen als der frühere gewesen war; denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute Wohnungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Einnahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Baukosten nicht decken würde, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hinzunähme; zudem sei er für seinen und seiner Familie Unterhalt auf seine Ersparnisse so lange angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne. Hiergegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vorschlag, die fehlende Summe bei der städtischen Sparkasse als Hypothek aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig an: „Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." „Bedenken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassenbücher gewährt? Sie muß eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicherheit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geldschränke wollen bezahlt sein, und einen für un- vorhergesehene Fälle ausreichenden Reservefonds muß sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den Neubau 4 bis 41/2°/o Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wofern Sie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den guten Rat; bald stieg der Neubau in die Höhe, und nach einigen Monaten konnte Schulten seine Freunde zum Richtfest einladen. Auch der arme Burkhard war zugegen. „Ich Thor!" rief er im Laufe des Gesprächs ans, „warum habe ich eure früheren Ermahnungen in den Wind geschlagen! Ein jährliches Opfer von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so betrübten Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen; denn sonst werde ich wohl nie mehr in eigener Werkstatt arbeiten!" „Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere Schmied, „und ich will dir nach Kräften behilflich sein; nur schlag dir die Lotterie aus dem Sinne; denn die ist schon manchem zum Unheil ausgeschlagen, und „Hoffen und Harren macht manchen zum Narren". Du hast ja auch das Sparen gelernt, Freund Burkhard, und wirst das Wenige, was dir dein schweres Mißgeschick gelassen hat, allmählich vermehren. Für die Einrichtung einer Werkstatt reicht es freilich nicht aus, und ich möchte dir auch nicht raten, den letzten Notpfennig daran zu wagen. Aber die hiesigen Handwerks- meister haben, wie du weißt, kürzlich einen Vorschußverein gegründet, und wenn ich Bürgschaft für dich leiste, so streckt dir, hoffe ich, der Vorstand so viel Bargeld vor, daß du wieder eine eigene Werkstatt aufmachen kannst, und deine frühere Kundschaft wirst du sicherlich wieder gewinnen." Mit wachsender Spannung und zuletzt mit freudigem Staunen hatte Burkhard den Worten des Freundes gelauscht. „Bruder Schmied," fiel jetzt der Bäcker ein, „da müßte ich eigentlich auch dabei sein; aber bevor nicht mein Haus fertig, die

4. Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 354

1910 - Wittenberg : Herrosé
354 Sparkasseneinlage hinzunähme; zudem sei er für seinen und seiner Familie Unterhalt auf seine Ersparnisse so lange an- gewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne. Hiergegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vor- schlag, die fehlende Summe bei der st ä d t i s ch e n Sparkasse als Hypothek aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister un- gläubig an: „Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." „Be- denken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassenbücher gewährt? Sie muß eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicherheit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geldschränke wollen bezahlt sein, und einen für unvorhergesehene Fälle ausreichenden Reservefonds muß sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den Neubau 4 bis 4x/2 % Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wofern Sie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den guten Rat; bald stieg der Neubau in die Höhe, und nach einigen Monaten konnte Schulten seine Freunde zum Richtfeste einladen. Auch der arme Burkhard war zugegen. „Ich Tor!" rief er im Laufe des Gesprächs aus, „warum habe ich eure früheren Ermahnungen in den Wind geschlagen! Ein jährliches Opfer von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so traurigen Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen; denn sonst werde ich wohl nie mehr in eigener Werkstatt arbeiten!" „Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere Schmied, „und ich will dir nach Kräften behilflich sein; nur schlag dir die Lotterie aus dem Sinne; denn die ist schon manchem zum Unheil ausgeschlagen, und ,Hoffen und Harren macht manchen zum Narrend Du hast ja auch das Sparen gelernt, Freund Burkhard, und wirft das wenige, was dir dein schweres Mißgeschick gelassen hat, allmählich vermehren. Für die Einrichtung einer Werkstatt reicht es freilich nicht aus, und ich möchte dir auch nicht raten, den letzten Notpfennig daran zu wagen. Aber die hiesigen Handwerksmeister haben, wie du weißt, kürzlich einen Vorschuß- verein gegründet, und wenn ich Bürgschaft für dich leiste, so streckt dir, hoffe ich, der Vorstand soviel Bargeld vor, daß du wieder eine eigene Werkstatt aufmachen kannst, und deine frühere Kund- schaft wirst du sicherlich wiedergewinnen." Mit wachsender Span- nung und zuletzt mit freudigem Staunen hatte Burkhard den Worten des Freundes gelauscht. „Bruder Schmied," fiel jetzt der Bäcker ein, „da müßte ich eigentlich auch dabei sein; aber bevor nicht mein Haus fertig, die Werkstatt wieder eingerichtet ist und die Wohnungen vermietet sind, darf ich für einen anderen keine Verpflichtungen übernehmen. Kannst du aber später meine Dienste brauchen, lieber Burkhard, so rechne auf mich!" Meister Burkhard standen die

5. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 437

1907 - Essen Berlin : Bachmann Baedeker
Wie sorgt der Handwerker für die Zukunft? 437 man zu sagen pflegt, rein abgebrannt, und, was das Schlimmste war, sein Handwerkszeug, sein Ledervorrat, sein Bestand an Schuhleisten, alles war dahin! wollte er nicht mit den Seinen verhungern, so mußte er sich wohl oder übel als Arbeiter in der Schuhfabrik einschreiben lassen, die vor einiger Zeit in einembenachbarten Orte angelegt worden war. Dem Bäckermeister war freilich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte, ein Teil seines Hausrats verblieben,- allein davon war nur weniges noch in brauchbarem Zustande. Sein Haus lag völlig in Trümmern, und an die Fortführung seines Ge- werbes konnte er vorerst nicht denken. Trotzdem durfte er mit geringerer Sorge in die Zukunft schauen; denn er hatte sein Haus und seine beweg- liche habe bei einer Feuerversicherungsgesellschast versichert, und schon we- nige Tage nach dem Brandunglück erschienen zwei Beamte dieser Gesell- schaft, um den Schaden festzustellen, den Meister Schulten erlitten hatte. Sie sahen bald ein, daß das Haus neu ausgeführt werden mußte,- deshalb schätzten sie den Wert des in den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab und rechneten diesen Betrag auf die Entschädigungssumme an, die bald nachher dem Bäckermeister ausgezahlt wurde. Rlsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein Bau- meister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzuführen als der frühere gewesen war- denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute Woh- nungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Einnahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Baukosten nicht decken würde, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hinzunähme,- zudem sei er für seinen und seiner Familie Unterhalt aus seine Ersparnisse so lange angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne, hiergegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vorschlag, die fehlende Summe bei der städtischen Sparkasse als Hypothek aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig an: „Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." „Bedenken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassen- bücher gewährt? Sie muß eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicherheit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geld- schränke wollen bezahlt sein, und einen für unvorhergesehene Fälle aus- reichenden Reservefonds muß sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den Neubau 4 bis 4hso/o Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wo- fern Sie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den guten Rat; bald stieg der Neubau in die höhe, und nach einigen Monaten konnte Schulten seine Freunde zum Richtfest einladen. Ruch der arme Burkhard war zugegen. „Ich Tor!" rief er im Laufe des Gesprächs aus, „warum habe ich eure früheren Ermahnungen in den wind geschlagen! Ein jähr- liches Opfer von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so betrübten Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen; denn sonst werde ich wohl nie mehr in einer eigenen Werkstatt arbeiten!" „Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere Schmied, „und ich will dir nach Mästen behülslich sein; nur schlag dir die

6. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 443

1912 - Essen Berlin : Bachmann Baedeker
Wie sorgt der Handwerker für die Zukunft? 443 nungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Einnahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen rechnete er dem Baumeister vor, daß die Vrandentschädigung die Baukosten nicht decken würde, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hinzunähme,- zudem sei er für seinen und seiner Familie Unterhalt aus seine Ersparnisse so lange angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne, hiergegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vorschlag, die fehlende Zumme bei der städtischen Sparkasse als Hypothek aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig an: „Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." ^Bedenken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassen- bücher gewährt? Sie muß eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicherheit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch auch leben,- ihre großen Geld- schränke wollen bezahlt sein, und einen für unvorhergesehene Fälle aus- reichenden Reservefonds muß sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den Neubau 4 bis 41/*0/0 Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wo- fern sie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den guten Nat; bald stieg der Neubau in die höhe, und nach einigen Monaten konnte Schulten seine Freunde zum Nichtfest einladen. Buch der arme Burkhard war zugegen. „Ich Tor!" rief er im Laufe des Gesprächs aus, „warum habe ich eure früheren Ermahnungen in den wind geschlagen! Ein jähr- liches Opfer von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so betrübten Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen; denn sonst werde ich wohl nie mehr in einer eigenen Werkstatt arbeiten!" „Dazu kann vielleicht doch noch Nat werden," versetzte der biedere Schmied, „und ich will dir nach Mästen behülflich sein; nur schlag dir die Lotterie aus dem Sinne; denn die ist schon manchem zum Unheil ausge- schlagen, und „hoffen und harren macht manchen zum Narren". Du hast ja auch das Sparen gelernt, Freund Burkhard, und wirst das wenige, was dir dein schweres Mißgeschick gelassen hat, allmählich vermehren. Für die Einrichtung einer Werkstatt reicht es freilich nicht aus, und ich möchte dir auch nicht raten, den letzten Notpfennig daran zu wagen. Über die hiesigen Handwerksmeister haben, wie du weißt, kürzlich einen Vor- schußverein gegründet, und wenn ich Bürgschaft für dich leiste, so streckt dir, hoffe ich, der Vorstand so viel Bargeld vor, daß du wieder eine eigene Werkstatt aufmachen kannst, und deine frühere Kundschaft wirst du sicher- lich wieder gewinnen." Mit wachsender Spannung und zuletzt mit freu- digem Staunen hatte Burkhard den Worten des Freundes gelauscht. „Bruder Schmied," fiel jetzt der Bäcker ein, „da müßte ich eigentlich auch dabei sein; aber bevor nicht mein Haus fertig, die Werkstatt wieder eingerichtet ist und die Wohnungen vermietet sind, darf ich für einen andern keine Verpflichtungen übernehmen. Kannst du aber später meine Dienste brauchen, lieber Burkhard, so rechne aus mich!" 2. Meister Burkhard standen die Tränen in den Bugen, und aus innerstem Herzen quollen seine vankesworte. „Uber Freunde," sagte er nach einer weile, „wenn mich nun ein neues Unglück träfe, ehe ich meine

7. Der Handwerker - S. 15

1908 - Wittenberg : Herrosé
— 15 schlag, die fehlende Summe bei der städtischen Sparkasse als Hy- pothek aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig an: „Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe!" „Bedenken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Spar- kassenbücher gewährt? Sie mutz eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicherheit und gegen einen höheren Zinsfutz als den von ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch auch leben: ihre großen Geldschränke wollen bezahlt sein, und einen für unvorhergesehene Fülle ausreichenden Reserve- fonds mutz sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den Neubau 4—4y2 % Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wo- fern Sie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den guten Rat; bald stieg der Neubau in die Höhe, und nach einigen Monaten konnte Schulten seine Freunde zum Richtfest einladen. Auch der arme Burkhard war zugegen. „Ich Tor!" rief er im Laufe des Gesprächs aus, „warum habe ich eure früheren Ermahnungen in den Wind geschlagen! Ein jährliches Opfer von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so traurigen Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen: denn sonst werde ich wohl nie mehr in eigener Werk- statt arbeiten!" „Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere Schmied, „und ich will dir nach Kräften behilflich sein: nur schlag dir die Lotterie aus dem Sinne: denn die ist schon man- chem zum Unheil ausgeschlagen, und .Hoffen und Harren macht manchen zum Narren'. Du hast ja auch das Sparen gelernt, Freund Burkhard, und wirst das Wenige, was dir dein schweres Mißgeschick gelassen hat. allmählich vermehren. Für die Einrich- tung einer Werkstatt reicht es freilich nicht aus. und ich möchte dir auch nicht raten, den letzten Notpfennig daran zu wagen. Aber die hiesigen Handwerksmeister haben, wie du weitzt, kürzlich einen Vorschutzverein gegründet, und wenn ich Bürgschaft für dich leiste, so streckt dir. hoffe ich, der Vorstand so viel Bargeld vor, daß du wieder eine eigene Werkstatt aufmachen kannst, und deine frühere Kundschaft wirst du sicherlich wieder gewinnen." Mit wachsender Spannung und zuletzt mit freudigem Staunen hatte Burkhard den Worten des Freundes gelauscht. „Bruder Schmied." fiel jetzt der Bäcker ein, „da müßte ich eigentlich auch dabei sein: aber be- vor nicht mein Haus fertig, die Werkstatt wieder eingerichtet ist und die Wohnungen vermietet sind, darf ich für einen andern keine Verpflichtungen übernehmen. Kannst du aber später meine Dienste brauchen, lieber Burkhard, so rechne auf mich!" Meister Burkhard standen die Tränen in den Augen, und aus innerstem Herzen quollen feine Dankesworte. „Aber Freunde." sagte er nach einer Weile, „wenn mich nun ein neues Unglück

8. Lese-, Lehr- und Hilfsbuch für Gewerbeschulen - S. 71

1905 - Schwerin i. M. : Bärensprung
71 Wie sorgt der Geschäftsmann für die Zukunft? herziger Himmel!" rief er aus, „und das bei solcher Dürre!" Alleft Bemühungen der herbeigeeilten Feuerwehr und der aufopfernden Hülfe der Nachbarn zum Trotz griff das Feuer so rasch um sich, daß nur wenig gerettet werden konnte, und die beiden hart betroffenen Meister konnten nur von Glück sagen, daß sie und ihre Angehörigen unversehrt davon- gekommen waren und Freund Zander ihnen für die nächste Zeit in seinem Hause Obdach gewährte. Meister Burkhard war der Verzweiflung nahe. War er doch, wie man zu sagen Pflegt, rein abgebrannt, lind, was das Schlimmste war, sein Handwerkszeug, sein Ledervorrat, sein Bestand an Schuhleisten, alles war dahin. Wollte er nicht mit den Seinen verhungern, so mußte er sich wohl oder übel als Arbeiter in der Schuhfabrik einschreiben lassen, die vor einiger Zeit in einem benachbarten Orte angelegt worden war. Dem Bäckermeister war freilich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte, ein Teil seines Hausrates verblieben; allein davon war nur weniges noch in brauchbarem Zustande. Sein Haus lag völlig in Trümmern, und an die Fortführung seines Gewerbes konnte er vorerst nicht denken. Trotz- dem durfte er mit geringerer Sorge in die Zukunft schauen; denn er hatte sein Haus und seine bewegliche Habe bei einer Feuerversicherungs- gesellschaft versichert, und schon wenige Tage nach dem Brandunglück erschienen zwei Beamte dieser Gesellschaft, um den Schaden festzustellen, den Meister Schulten erlitten hatte. Sie sahen bald ein, daß das Haus neu aufgeführt werden mußte; deshalb schätzten sie den Wert des in den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab und rechneten diesen Be- trag auf die Entschädigungssumme an, die bald nachher dem Bäcker- meister ausgezahlt wurde. Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein Baumeister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzuführen, als der frühere gewesen war; denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute Wohnungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Einnahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Bau- kosten nicht decken würde, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hinzu- nähme; zudem sei er für seinen und seiner Familie Unterhalt aus seine Ersparnisse so lange angewiesen, bis er fein Gewerbe wieder betreiben könne. Hiergegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vorschlag, die fehlende Summe bei der städtischen Sparkasse als Hypothek aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig an: „Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." „Bedenken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassenbücher gewährt? Sie muß eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicher- heit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geldschränke wollen be- zahlt sein, und einen für unvorhergesehene Fülle ausreichenden Reserve- fonds muß sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den Neubau 4 bis 4y2 Prozent Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Gels nicht gekündigt wird, wofern Sie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den Luten Rat;

9. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 437

1903 - Essen : Baedeker
Wie sorgt der Handwerker für die Zukunft? 437 man zu sagen pflegt, rein abgebrannt, und, was das Schlimmste war, sein Handwerkszeug, sein Lederoorrat, sein Bestand an Schuhleisten, alles war dahin! wollte er nicht mit den Leinen verhungern, so mußte er sich wohl oder übel als Arbeiter in der Lchuhfabrik einschreiben lassen, die vor einiger Zeit in einem benachbarten Orte angelegt worden war. Dem Bäckermeister war freilich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte, ein Teil seines Hausrats verblieben,' allein davon war nur weniges noch in brauchbarem Zustande. Lein Haus lag völlig in Trümmern, und an die Fortführung seines Ge- werbes konnte er vorerst nicht denken. Trotzdem durfte er mit geringerer Lorge in die Zukunft schauen,' denn er hatte sein Haus und seine beweg- liche habe bei einer Feuerversicherungsgesellschaft versichert, und schon we- nige Tage nach dem Vrandunglück erschienen zwei Beamte dieser Gesell- schaft, um den Lchaden festzustellen, den Meister Lchulten erlitten hatte. Zie sahen bald ein, daß das Haus neu aufgeführt werden mußte,' deshalb schätzten sie den wert des in den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab und rechneten diesen Betrag auf die Entschädigungssumme an, die bald nachher dem Bäckermeister ausgezahlt wurde. Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Lein Bau- meister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau auszuführen als der frühere gewesen war,' denn bei dem Aufblühen der Ltadt seien gute Woh- nungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Einnahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein,' indessen rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Baukosten nicht decken würde, selbst wenn er seine Lparkasfeneinlage hinzunähme; zudem sei er für seinen und seiner Familie Unterhalt auf seine Ersparnisse so lange angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne, hiergegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vorschlag, die fehlende Lumme bei der städtischen Lparkasse als Hypothek aufzunehmen. Lchulten sah den Baumeister ungläubig an: „Bei der Lparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Lparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." „Bedenken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Lparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Lparkassen- bücher gewährt? Lie muß eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Licherheit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geld- schränke wollen bezahlt sein, und einen für unvorhergesehene Fälle aus- reichenden Reservefonds muß sie auch sammeln. Lie wird also für die Hypothek auf den Neubau 4 bis 41/2°/o Zinsen verlangen; dafür sind Lie aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wo- fern Zie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den guten Nat; bald stieg der Neubau in die höhe, und nach einigen Monaten konnte Lchulten seine Freunde zum Nichtfest einladen. Auch der arme Burkhard war zugegen. „Ich Tor!" ries er im Lause des Gesprächs aus, „warum habe ich eure früheren Ermahnungen in den wind geschlagen! Ein jähr- liches (Opfer von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so betrübten Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen; denn sonst werde ich wohl nie mehr in einer eigenen Werkstatt arbeiten!" „Dazu kann vielleicht doch noch Nat werden," versetzte der biedere Schmied, „und ich will dir nach Kräften behülflich sein; nur schlag dir die

10. Lesebuch für die Volksfortbildungsschulen der Pfalz - S. 265

1908 - Zweibrücken : Kranzbühler
2g5 ---p-------—.------i—i | M | B ~ es durch Sparsamkeit und glücklichen Fortgang ihres Gewerbes zu einem eigenen Häuschen gebracht; Meister Burkhard aber, der Schuhmacher, wohnte bei dem Bäcker zur Miete. Einst in einer Sommernacht fuhr Meister Zander erschreckt vom Lager auf. Feuerlärm hatte ihn geweckt und ein Blick durchs Fenster belehrte ihn, daß Nachbar Schultens Haus in hellen Flammen stand. „Barmherziger Himmel!" rief er aus, „und das bei solcher Dürre!" Allen Bemühungen der herbeigeeilten Feuerwehr und der aufopfernden Hilfe der Nachbarn zum Trotz griff das Feuer so rasch um sich, daß nur wenig gerettet werden konnte, und die beiden hart betroffenen Meister konnten nur von Glück sagen, daß sie und ihre Angehörigen unversehrt davon- gekommen waren und Freund Zander ihnen für die nächste Zeit in seinem Hause Obdach gewährte. Meister Burkhard war der Verzweiflung nahe. War er doch, wie man zu sagen pflegt, rein abgebrannt und, was das Schlimmste war, sein Handwerkszeug, sein Ledervorrat, sein Bestand an Schuhleisten, alles war dahin! Wollte er nicht mit den Seinen verhungern, so mußte er sich wohl oder übel als Arbeiter in der Schuhfabrik einschreiben lassen, die vor einiger Zeit in einem benachbarten Orte angelegt worden war. Dem Bäckermeister war freilich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte, ein Teil seines Hausrats verblieben; allein davon war nur weniges noch in brauchbarem Zustande. Sein Haus lag völlig in Trümmern und an die Fortführung seines Gewerbes konnte er vorerst nicht denken. Trotzdem durfte er mit geringerer Sorge in die Zukunft schauen; denn er hatte sein Haus und seine bewegliche Habe bei einer Feuerversicherungs- gesellschaft versichert und schon wenige Tage nach dem Brandunglück er- schienen zwei Beamte dieser Gesellschaft um den Schaden festzustellen, den Meister Schulten erlitten hatte. Sie sahen bald ein, daß das Haus neu aufgeführt werden müsse; deshalb schätzten sie den Wert des in den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab, minderten um diesen Betrag die Versicherungssumme, die bald nachher dem Bäckermeister ausbezahlt wurde. Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein Baumeister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzuführen, als der frühere gewesen war; denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute Wohnungen gesucht und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Ein- nahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Bau- kosten nicht decke, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hinzunehme; zudem sei er für seinen und seiner Familie Unterhalt aus seine Ersparnisse so lange angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne. Hie- gegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vor- schlag die fehlende Summe bei der städtischen Sparkasse gegen Güter- verpsändung aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig an: „Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." — „Bedenken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassenbücher gewährt? Sie muß

11. Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz - S. 265

1910 - Zweibrücken : Kranzbühler
265 es durch Sparsamkeit und glücklichen Fortgang ihres Gewerbes zu einem eigenen Häuschen gebracht; Meister Burkhard aber, der Schuhmacher, wohnte bei dem Bäcker zur Miete. Einst in einer Sommernacht fuhr Meister Zander erschreckt vom Lager auf. Feuerlärm hatte ihn geweckt und ein Blick durchs Fenster belehrte ihn, daß Nachbar Schultens Haus in hellen Flammen stand. „Barmherziger Himmel!" rief er aus, „und das bei solcher Dürre!" Allen Bemühungen der herbeigeeilten Feuerwehr und der aufopfernden Hilfe der Nachbarn zum Trotz griff das Feuer so rasch um sich, daß nur wenig gerettet werden konnte, und die beiden hart betroffenen Meister konnten nur von Glück sagen, daß sie und ihre Angehörigen unversehrt davon- gekommen waren und Freund Zander ihnen für die nächste Zeit in seinem Hause Obdach gewährte. Meister Burkhard war der Verzweiflung nahe. War er doch, wie man zu sagen pflegt, rein abgebrannt und, was das Schlimmste war, sein Handwerkszeug, sein Ledervorrat, sein Bestand an Schuhleisten, alles war dahin! Wollte er nicht mit den Seinen verhungern, so mußte er sich wohl oder übel als Arbeiter in der Schuhfabrik einschreiben lassen, die vor einiger Zeit in einem benachbarten Orte angelegt worden war. Dem Bäckermeister war freilich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte, ein Teil seines Hausrats verblieben; allein davon war nur weniges noch in brauchbarem Zustande. Sein Haus lag völlig in Trümmern und an die Fortführung seines Gewerbes konnte er vorerst nicht denken. Trotzdem durfte er mit geringerer Sorge in die Zukunft schauen; denn er hatte sein Haus und seine bewegliche Habe bei einer Feuerversicherungs- gesellschaft versichert und schon wenige Tage nach dem Brandunglück er- schienen zwei Beamte dieser Gesellschaft um den Schaden festzustellen, den Meister Schulten erlitten hatte. Sie sahen bald ein, daß das Haus neu aufgeführt werden müsse; deshalb schätzten sie den Wert des in den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab, minderten um diesen Betrag die Versicherungssumme, die bald nachher dem Bäckermeister ausbezahlt wurde. Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein Baumeister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzuführen, als der frühere gewesen war; denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute Wohnungen gesucht und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Ein- nahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Bau- kosten nicht decke, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hinzunehme; zudem sei er für seinen und seiner Familie Unterhalt auf seine Ersparnisse so lange angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne. Hie- gegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vor- schlag die fehlende Summe bei der städtischen Sparkasse gegen Güter- verpfändung aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig an: „Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." — „Bedenken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassenbücher gewährt? Sie muß

12. Lesebuch für die Volksfortbildungsschulen der Pfalz - S. 266

1908 - Zweibrücken : Kranzbühler
eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicherheit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geldschränke wollen be- zahlt sein und einen für unvorhergesehene Fälle ausreichenden Notschatz muß sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den Neubau 4 bis 41/2 0/0 Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wofern Sie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den guten Rat; bald stieg der Neubau in die Höhe und nach einigen Monaten konnte Schulten seine Freunde zum Richtfest einladen. Auch der arme Burkhard war zugegen. „Ich Tor!" rief er im Laufe des Gesprächs aus, „warum habe ich euere früheren Ermahnungen in den Wind geschlagen! Ein jährliches Opfer von kaum einer Mark — und ich wäre jetzt nicht in einer so betrübten Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen; denn fonfi werde ich wohl nie mehr in einer eigenen Werkstatt ar- beiten!" „Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere Schmied, „und ich will dir nach Kräften behilflich sein; nur schlag dir die Lotterie aus dem Sinne; denn die ist schon manchem zum Unheil geworden und — „Hoffen und Harren macht manchen zum Narren." Du hast ja auch das Sparen gelernt, Freund Burkhard, und wirst das Wenige, was dir dein schweres Mißgeschick gelassen hat, allmählich ver- mehren. Für die Einrichtung einer Werkstatt reicht es freilich nicht aus und ich möchte dir auch nicht raten den letzten Notpfennig daran zu wagen. Aber die hiesigen Handwerksmeister haben, wie du weißt, kürzlich einen Vorschußverein gegründet, und wenn ich Bürgschaft für dich leiste, so streckt dir, hoffe ich, der Vorstand so viel Bargeld vor, daß du wieder eine eigene Werkstatt aufmachen kannst, und deine frühere Kundschaft wirst du sicherlich wieder gewinnen." Mit wachsender Span- nung und zuletzt mit freudigem Staunen hatte Burkhard den Worten des Freundes gelauscht. „Bruder Schmied," fiel jetzt der Bäcker ein, „da müßte ich eigentlich auch dabei sein; aber bevor nicht mein Haus fertig, die Werkstatt wieder eingerichtet ist und die Wohnungen vermietet sind, darf ich für einen anderen keine Verpflichtungen übernehmen. Kannst du aber später meine Dienste brauchen, lieber Burkhard, so rechne aus mich!" Meister Burkhard standen die Tränen in den Augen und aus innerstem Herzen quollen seine Dankesworte. „Aber, Freunde," sagte er nach einer Weile, „wenn mich neues Unglück träfe, ehe ich meine Schuld abtragen könnte, wie kämet ihr zu euerem Gelde? Von Herzen gern möchte ich eueren Freundschaftsdienst annehmen; aber dieser Gedanke ängstigt mich. Ein Brandschaden hat allerdings seinen Schrecken für mich verloren; denn meine frühere Versäumnis habe ich nachgeholt, und daß ich alle neuen Anschaffungen versicherte, wäre ich euch ja schuldig; aber „heute rot, morgen tot!" — und was dann? Wie es alsdann mit Weib und Kind wird, daran mag ich gar nicht denken." „Halt, da weiß ich Rat," rief jetzt der Bäcker. „Ihr wißt, ich bin ein Freund von Versicherungen und so habe ich mich vor drei Jahren

13. Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz - S. 266

1910 - Zweibrücken : Kranzbühler
26(5 eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicherheit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geldschränke wollen be- zahlt sein und einen für unvorhergesehene Fälle ausreichenden Notschatz muß sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den Neubau 4 bis 41/2 0/0 Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wofern Sie die Zinsen pünktlich bezahlen/' Der Meister befolgte den guten Rat; bald stieg der Neubau in die Höhe und nach einigen Monaten konnte Schulten seine Freunde zum Richtfest einladen. Auch der arme Burkhard war zugegen. „Ich Tor!" rief er im Laufe des Gesprächs aus, „warum habe ich euere früheren Ermahnungen in den Wind geschlagen! Ein jährliches Opfer von kaum einer Mark — und ich wäre jetzt nicht in einer so betrübten Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen; denn sonst werde ich wohl nie mehr in einer eigenen Werkstatt ar- beiten!" „Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere Schmied, „und ich will dir nach Kräften behilflich sein; nur schlag dir die Lotterie aus dem Sinne; denn die ist schon manchem zum Unheil geworden und — „Hoffen und Harren macht manchen zum Narren." Du hast ja auch das Sparen gelernt, Freund Burkhard, und wirst das Wenige, was dir dein schweres Mißgeschick gelassen hat, allmählich ver- mehren. Für die Einrichtung einer Werkstatt reicht es freilich nicht aus und ich möchte dir auch nicht raten den letzten Notpfennig daran zu wagen. Aber die hiesigen Handwerksmeister haben, wie du weißt, kürzlich einen Vorschußverein gegründet, und wenn ich Bürgschaft für dich leiste, so streckt dir, hoffe ich, der Vorstand so viel Bargeld vor, daß du wieder eine eigene Werkstatt aufmachen kannst, und deine frühere Kundschaft wirst du sicherlich wieder gewinnen." Mit wachsender Span- nung und zuletzt mit freudigem Staunen hatte Burkhard den Worten des Freundes gelauscht. „Bruder Schmied," fiel jetzt der Bäcker ein, „da müßte ich eigentlich auch dabei sein; aber bevor nicht mein Haus fertig, die Werkstatt wieder eingerichtet ist und die Wohnungen vermietet sind, darf ich für einen anderen keine Verpflichtungen übernehmen. Kannst du aber später meine Dienste brauchen, lieber Burkhard, so rechne auf mich!" Meister Burkhard standen die Tränen in den Augen und aus innerstem Herzen quollen seine Dankesworte. „Aber, Freunde," sagte er nach einer Weile, „wenn mich neues Unglück träfe, ehe ich meine Schuld abtragen könnte, wie kämet ihr zu euerem Gelde? Von Herzen gern möchte ich eueren Freundschaftsdienst annehmen; aber dieser Gedanke ängstigt mich. Ein Brandschaden hat allerdings seinen Schrecken für mich verloren; denn meine frühere Versäumnis habe ich nachgeholt, und daß ich alle neuen Anschaffungen versicherte, wäre ich euch ja schuldig; aber „heute rot, morgen tot!" — und was dann? Wie es alsdann mit Weib und Kind wird, daran mag ich gar nicht denken." „Halt, da weiß ich Rat," rief jetzt der Bäcker. „Ihr wißt, ich bin ein Freund von Versicherungen und so habe ich mich vor drei Jahren

14. Der Handwerker - S. 14

1908 - Wittenberg : Herrosé
— 14 — verband. Zwei von ihnen, der Schmiedemeister Zander und der Bäckermeister Schulten, hatten es durch Sparsamkeit und glück- lichen Fortgang ihres Gewerbes zu einem eigenen Häuschen ge- bracht; Meister Burkhard aber, der Schuhmacher, wohnte bei dem Bäcker zur Miete. In einer Sommernacht fuhr Meister Zander erschreckt vom Lager auf. Feuerlärm hatte ihn geweckt, und ein Blick durchs Fenster belehrte ihn, daß Nachbar Schaltens Haus in hellen Flam- men stand. ,,Barmherziger Himmel!" rief er aus, „und das bei solcher Dürre!" Allen Bemühungen der herbeigeeilten Feuerwehr und der aufopfernden Hilfe der Nachbarn zum Trotz griff das Feuer so rasch um sich, daß nur wenig gerettet werden konnte, und die beiden hart betroffenen Meister konnten nur von Glück sagen, daß sie und ihre Angehörigen unversehrt davongekommen waren und Freund Zander ihnen für die nächste Zeit in seinem Hause Obdach gewährte. Meister Burkhard war der Verzweiflung nahe. War er doch, wie man zu sagen pflegt, rein abgebrannt, und, was das Schlimmste war, sein Handwerkszeug, sein Ledervorrat, sein Be- stand an Schuhleisten, alles war dahin. Wollte er nicht mit den Seinen verhungern, so mußte er sich wohl oder übel als Arbeiter in der Schuhfabrik einschreiben lassen, die vor einiger Zeit in einem benachbarten Orte angelegt worden war. Dem Bäcker- meister war freilich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte, ein Teil seines Hausrates verblieben; allein davon war nur weniges noch in. brauchbarem Zustande. Sein Haus lag völlig in Trümmern, und an die Fortführung seines Gewerbes konnte er vorerst nicht denken. Trotzdem durfte er mit geringerer Sorge in die Zukunft schauen: denn er hatte sein Haus und seine bewegliche Habe bei einer Feuerversicherungsgesellschaft versichert, und schon wenige Tage nach dem Brandunglück erschienen zwei Beamte dieser Ge- sellschaft. um den Schaden festzustellen, den Meister Schulten er- litten hatte. Sie sahen bald ein. daß das Haus neu aufgeführt werden mußte: deshalb schätzten sie den Wert des in den Trüm- mern vorhandenen Baumaterials ab und rechneten diesen Be- trag auf die Entschädigungssumme an. die bald nachher dem Bäckermeister ausgezahlt wurde. Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein Baumeister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzu- führen, als der frühere gewesen war: denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute Wohnungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Einnahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein: indessen rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Baukosten nicht decken würde, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hinzunühme: zudem sei er für seineu und seiner Familie Unterhalt auf seine Ersparnisse so lange an- gewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne. Hiergegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vor-

15. Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 353

1910 - Wittenberg : Herrosé
353 144. Wie sorgt -er Geschäftsmann für feine Zukunft? In einer mittleren Stadt wohnten in derselben Gasse drei brave Handwerksmeister, welche innige Freundschaft miteinander verband. Zwei von ihnen, der Schneidermeister Zander und der Bäckermeister Schulten, hatten es durch Sparsamkeit und glück- lichen Fortgang ihres Gewerbes zu einem eigenen Häuschen ge- bracht; Meister Burkhard aber, der Schuhmacher, wohnte bei dem Bäcker zur Miete. In einer Sommernacht fuhr Meister Zander erschreckt vom Lager auf. Feuerlärm hatte ihn geweckt, und ein Blick durchs Fenster belehrte ihn, daß Nachbar Schultens Haus in hellen Flammen stand. „Barmherziger Himmel!" ries er aus, „und das bei solcher Dürre!" Allen Bemühungen der herbeigeeilten Feuer- wehr und der aufopfernden Hilfe der Nachbarn zum Trotz griff das Feuer so rasch um sich, daß nur wenig gerettet werden konnte, und die beiden hart betroffenen Meister konnten nur von Glück sagen, daß sie und ihre Angehörigen unversehrt davongekommen waren, und Freund Zander ihnen für die nächste Zeit in seinem Hause Obdach gewährte. Meister Burkhard war der Verzweiflung nahe. War er doch, wie man zu sagen pflegt, rein abgebrannt, und, was das Schlimmste war, sein Handwerkszeug, sein Ledervorrat, sein Bestand an Schuh- leisten, alles war dahin: Wollte er nicht mit den Seinen ver- hungern, so mußte er sich wohl oder übel als Arbeiter in die Schuh- fabrik einschreiben lassen, die vor einiger Zeit in einem benach- barten Orte angelegt worden war. Dem Bäckermeister war frei- lich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte, ein Teil seines Hausrates verblieben; allein davon war nur weniges noch in brauchbarem Zustande. Sein Haus lag völlig in Trümmern, und an die Fort- führung seines Gewerbes konnte er vorerst nicht denken. Trotzdem durste er mit geringerer Sorge in die Zukunft schauen; denn er hatte sein Haus und seine bewegliche Habe bei einer Feuer- versicherungsgesellschaft versichert, und schon wenige Tage nach dem Brandunglück erschienen zwei Beamte dieser Gesellschaft, um den Schaden festzustellen, den Meister Schulten erlitten hatte. Sie sahen bald ein, daß das Haus neu aufgeführt werden mußte; deshalb schätzten sie den Wert des in den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab und rechneten diesen Betrag auf die Entschädigungssumme an, die- bald nachher dem Bäckermeister aus- gezahlt wurde. Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein Baumeister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau auszuführen, als der frühere gewesen war; denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute Wohnungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Einnahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brand- entschädigung die Baukosten nicht decken würde, selbst wenn er seine Schanze, Lesebuch. 12. Aufl. 23

16. Lese-, Lehr- und Hilfsbuch für Gewerbeschulen - S. 72

1905 - Schwerin i. M. : Bärensprung
72 Wie sorgt der Geschästzmann für die Zukunft? bald stieg der Neubau in die Höhe, und nach einigen Monaten konnte Schulten seine Freunde zum Richtfest einladen. Auch der arme Burkhard war zugegen. „Ich Tor!" rief er im Laufe des Gesprächs aus, „warum habe ich eure früheren Ermahnungen in den Wind geschlagen! Ein jährliches Opfer von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so traurigen Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen; denn sonst werde ich wohl nie mehr in eigener Werkstatt arbeiten!" „Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere Schmied, „und ich will dir nach Kräften behülflich sein; nur schlag dir die Lotterie aus dem Sinne; denn die ist schon manchem zum Unheil ausgeschlagen, und „Hoffen und Harren macht manchen zum Narren". Du hast ja auch das Sparen gelernt. Freund Burkhard, und wirst das wenige, was dir dein schweres Mißgeschick gelassen hat, allmählich ver- mehren. Für die Einrichtung einer Werkstatt reicht es freilich nicht aus, und ich möchte dir auch nicht raten, den letzten Notpfennig daran zu wagen. Aber die hiesigen Handwerksmeister haben, wie du weißt, kürzlich einen Vorschußverein gegründet, und wenn ich Bürgschaft für dich leiste, so streckt dir, hoffe ich, der Vorstand so viel Bargeld vor, daß du wieder eine eigene Werkstatt aufmachen kannst, und deine frühere Kundschaft wirst du sicherlich wieder gewinnen." Mit wachsender Spannung und zuletzt mit freudigem Staunen hatte Burkhard den Worten des Freundes gelauscht. „Bruder Schmied," fiel jetzt der Bäcker ein, „da müßte ich eigentlich auch dabei sein; aber bevor nicht mein Haus fertig, die Werkstatt wieder eingerichtet ist und die Wohnungen vermietet sind, darf ich für einen anderen keine Verpflichtungen über- nehmen. Kannst du aber später meine Dienste brauchen, lieber Burkhard, so rechne auf mich!" i Meister Burkhard standen die Tränen in den Augen, und aus innerstem Herzen quollen seine Dankesworte. „Aber Freunde," sagte er nach einer Weile, „wenn mich nun ein neues Unglück träfe, ehe ich meine Schuld abtragen könnte, wie kämt ihr zu eurem Gelde? Von Herzen gern möchte ich euren Freundschaftsdienst annehmen, aber dieser Ge- danke ängstigt mich. Ein Brandschaden hat allerdings seinen Schrecken für mich verloren; denn meine frühere Versäumnis habe ich nachgeholt, und daß ich alle neuen Anschaffungen versicherte, wäre ich euch ja schuldig; aber heute rot, morgen tot! — und was dann? Wie es als- dann mit Weib und Kind wird, daran mag ich gar nicht denken." „Halt, da weiß ich Rat," rief jetzt der Bäcker. . „Ihr wißt, ich bin ein Freund von Versicherungen, und so habe ich mich vor drei Jahren, auch in die Lebensversicherung eingekauft. Just, wenn ich, will's Gott, meine silberne Hochzeit begehe, nämlich im 55. Lebensjahre, werden mir 3000 Mark ausgezahlt; werde ich aber früher abgerufen, so wird dasselbe Kapital ohne Säumen meiner Anna ausgehändigt. Allerdings muß ich noch jährlich an 120 Mark Prämie entrichten; aber der Beitrag nimmt von Jahr zu Jahr ab, und die Gewißheit, daß meine Familie, wenn das Schlimmste eintreten sollte, nicht bloß auf meine Ersparnisse angewiesen ist, scheint wir ein solches Opfer wert zu sein." ^ „Das ist ja alles recht schön," ließ sich jetzt der Schmred ver- nehmen^ ,,Wr wejß ich Mcht,,Frlulld .Schulten, wie du mit dement

17. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 442

1912 - Essen Berlin : Bachmann Baedeker
442 Wie sorgt ter Handwerker für die Zukunft? lang in Keinem Verein und in Keinem wirtshause. Lange aber Konnte er 's so nicht ertragen. Um sich zu zerstreuen, suchte er zuerst den Kegel- verein aus, und nicht lange, so war er wieder Stammgast in alter weise. Uber sein Besitz war schon arg verschuldet, seine Körper- und Geisteskraft stark erschöpft. Die Gemeinde mußte sich endlich seiner vier Kinder er- barmen, die daheim nichts zu beißen und nichts zu brechen fanden. Und der Vater? Es dauerte nicht lange, so mußte ihn das Irrenhaus auf- nehmen, und er hat keins von seinen Kindern wiedergesehen. Nach „Meister Konrads Werkstatt." *207. Wie sorgt der Handwerker für die Zukunft? 1. In einer mittleren Stadt wohnten in derselben Gasse drei brave Handwerksmeister, welche innige Freundschaft miteinander verband. Zwei, von ihnen, der Schmiedemeister Zander und der Bäckermeister Schulten, hatten es durch Sparsamkeit und glücklichen Fortgang des Gewerbes zu einem eigenen Häuschen gebracht; Meister Burkhard aber, der Schuhmacher, wohnte bei dem Bäcker zur Miete. Einst in einer Sommernacht fuhr Meister Zander erschreckt vom Lager aus. Feuerlärm hatte ihn geweckt, und ein Blick durchs Fenster belehrte ihn, daß Nachbar Zchultens Haus in Hellen Flammen stand. „Barmherziger Himmel!" rief er aus, „und das bei solcher Dürre!" Nllen Bemühungen der herbeigeeilten Feuerwehr und der aufopfernden hülfe der Nachbarn zum Trotz griff das Feuer so rasch um sich, daß nur wenig gerettet werden konnte, und die beiden hart betroffenen Meister konnten nur von Glück sagen, daß sie und ihre Angehörigen unversehrt davongekommen waren und Freund Zander ihnen für die nächste Zeit in seinem Hause Gbdach gewährte. Meister Burkhard war der Verzweiflung nahe, war er doch, wie man zu sagen pflegt, rein abgebrannt, und, was das Schlimmste war, sein Handwerkszeug, sein Ledervorrat, sein Bestand an Schuhleisten, alles war dahin! wollte er nicht mit den Seinen verhungern, so mußte er sich wohl oder übel als Arbeiter in der Schuhfabrik einschreiben lassen, die vor einiger Zeit in einem benachbarten Grte angelegt worden war. Dem Bäckermeister war freilich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte, ein Teil seines Hausrats verblieben,' allein davon war nur weniges noch in brauchbarem Zustande. Sein Haus lag völlig in Trümmern, und an die Fortführung seines Ge- werbes konnte er vorerst nicht denken. Trotzdem durfte er mit geringerer Sorge in die Zukunft schauen; denn er hatte sein Haus und seine beweg- liche habe bei einer Feuerversicherungsgesellschaft versichert, und schon we- nige Tage nach dem Brandunglück erschienen zwei Beamte dieser Gesell- schaft, um den Schaden festzustellen, den Meister Schulten erlitten hatte. Sie sahen bald ein, daß das Haus neu aufgeführt werden mußte,- deshalb schätzten sie den wert des in den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab und rechneten diesen Betrag auf die Entschädigungssumme an, die bald nachher dem Bäckermeister ausgezahlt wurde. Nlsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein Bau- meister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzuführen als der frühere gewesen war,- denn bei dem Nusblühen der Stadt seien gute woh-

18. Lesebuch für die Volksfortbildungsschulen der Pfalz - S. 267

1908 - Zweibrücken : Kranzbühler
267 auch in die Lebensversicherung eingekauft. Just, wenn ich, will's Gott, meine silberne Hochzeit feiere, nämlich im 55. Lebensjahre, werden mir 3000 Mark ausgezahlt; werde ich aber früher abgerufen, so wird dasselbe Kapital ohne Säumen meiner Anna ausgehändigt. Allerdings muß ich noch 120 Mark Jahresbeitrag entrichten; aber die Summe nimmt von Jahr zu Jahr ab und die Gewißheit, daß meine Familie, wenn das Schlimmste eintreten sollte, nicht bloß auf meine Ersparnisse angewiesen ist, scheint mir ein solches Opfer wert zu sein." ~ „Das ist ja alles recht schön," ließ sich jetzt der Schmied vernehmen, „nur weiß ich nicht, Freund Schulten, wie du mit deinem Loblied auf die Lebensversicherung unserem Burkhard aus seiner Besorgnis helfen willst." Allein der wackere Bäckermeister ließ sich nicht irremachen. „Warte nur, Spötter!" entgegnete er, „ich werde dir jetzt die Lebens- versicherung noch von einer anderen Seite zeigen und ich wette, du wirst dich bekehren. Da habe ich einen Vetter, der will seinen kürzlich verwaisten Neffen, einen sehr begabten Jungen, studieren lassen. Was tut er? Er kauft ihn in die Lebensversicherung ein. Kommt der Neffe ins Brot, so wird es ihm nicht schwer fallen, die vorgestreckten Beiträge zurückzuzahlen. Begegnet ihm aber etwas Menschliches, so hat der Oheim das bereits aufgewandte Geld nicht vergeblich daran gewandt und es seiner eigenen Familie nicht entzogen. Was sagst du nun, Bruder Schmied?" — „Es fängt an mir einzuleuchten," war die Antwort. „Wir machen es geradeso mit unserem Burkhard. Er geht zum Vertreter einer Lebensversicherung und wir bringen die Sache bei dem Vorschußverein in Ordnung; dann ist uns allen geholfen. Hast recht, Schulten, es ist doch eine schöne Sache um die Lebensversicherung!" „Ich sollt's meinen," rief Schulten heiter, „zwei Bürgen und eine Versicherungsurkunde! Eine dreifache Schnur reißt nicht, Burkhard! Dir machen nur die Jahresbeiträge noch Sorge, das merk' ich schon; aber wenn's in der ersten Zeit auch einmal damit hapert, so springen wir ein; denn wir schnitten uns sonst ja ins eigene Fleisch und dann mußt du wissen, daß eine gute Lebens- versicherung dem Versicherten auf seine Urkunde sogar ein Darlehen gewährt. Darum Mut, Bruder, mit Gottes Hilfe bist du bald wieder der Meister Burkhard und wohnst vielleicht gar einmal unter deinem eigenen Dache!" Dem guten Burkhard war es zumute wie einem Träumenden und Hoffnung, Mut und Lebenslust zogen wieder in sein Gemüt ein. Was die Freunde besprochen, wurde unverweilt ausgeführt. Der Vorschußverein lieh Burkhard eine Summe, für die er das nötigste Handwerkszeug anschaffen und sich wieder selbständig machen konnte. Anfangs mußte sich's der Meister freilich sauer genug werden lassen und am roten Heller sparen; denn der Vorschußverein hatte sich 5 o/o Zinsen ausbedungen und er erlangte, daß vom zweiten Jahre an das Kapital in Teilbeträgen zurückerstattet werde. Daneben mußte Burk- hard die Lebensversicherungsbeiträge erschwingen. Aber es fehlte auch nicht am Gelingen, und als er die letzte Rate forttrug, begleitete ihn Freund Schulten, damit er ein zweites Darlehen nehmen und an einer belebten Straße einen Laden einrichten könnte. Nun kam Burkhard rasch

19. Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz - S. 267

1910 - Zweibrücken : Kranzbühler
267 auch in die Lebensversicherung eingekauft. Just, wenn ich, will's Gott, meine silberne Hochzeit feiere, nämlich im 55. Lebensjahre, werden mir 3000 Mark ausgezahlt; werde ich aber früher abgerufen, so wird dasselbe Kapital ohne Säumen meiner Anna ausgehändigt. Allerdings muß ich noch 120 Mark Jahresbeitrag entrichten; aber die Summe nimmt von Jahr zu Jahr ab und die Gewißheit, daß meine Familie, wenn das Schlimmste eintreten sollte, nicht bloß auf meine Ersparnisse angewiesen ist, scheint mir ein solches Opfer wert zu sein." „Das ist ja alles recht schön," ließ sich jetzt der Schmied vernehmen, „nur weiß ich nicht, Freund Schulter:, wie du mit deinem Loblied auf die Lebensversicherung unserem Burkhard aus seiner Besorgnis Helsen willst." Allein der wackere Bäckermeister ließ sich nicht irremachen. „Warte nur, Spötter!" entgegnete er, „ich werde dir jetzt die Lebens- versicherung noch von einer anderen Seite zeigen und ich wette, du wirst dich bekehren. Da habe ich einen Vetter, der will seinen kürzlich verwaisten Neffen, einen sehr begabten Jungen, studieren lassen. Was tut er? Er kauft ihn in die Lebensversicherung ein. Kommt der Neffe ins Brot, so wird es ihm nicht schwer fallen, die vorgestreckten Beiträge zurückzuzahlen. Begegnet ihm aber etwas Menschliches, so hat der Oheim das bereits aufgewandte Geld nicht vergeblich daran gewandt und es seiner eigenen Familie nicht entzogen. Was sagst du nun, Bruder Schmied?" — „Es fängt an mir einzuleuchten," war die Antwort. „Wir machen es geradeso mit unserem Burkhard. Er geht zum Vertreter einer Lebensversicherung und wir bringen die Sache bei dem Vorschußverein in Ordnung; dann ist uns allen geholfen. Hast recht, Schulten, es ist doch eine schöne Sache um die Lebensversicherung!" „Ich sollt's meinen," rief Schulten heiter, „zwei Bürgen und eine Versicherungsurkunde! Eine dreifache Schnur reißt nicht, Burkhard! Dir machen nur die Jahresbeiträge noch Sorge, das merk' ich schon; aber wcnn's in der ersten Zeit auch einmal damit hapert, so springen wir ein; denn wir schnitten uns sonst ja ins eigene Fleisch und dann mußt du wissen, daß eine gute Lebens- versicherung dem Versicherten auf seine Urkunde sogar ein Darlehen gewährt. Darum Mut, Bruder, mit Gottes Hilfe bist du bald wieder der Meister Burkhard und wohnst vielleicht gar einmal unter deinem eigenen Dache!" Dem guten Burkhard war es zumute wie einem Träumenden und Hoffnung, Mut und Lebenslust zogen wieder in sein Gemüt ein. Was die Freunde besprochen, wurde unverweilt ausgeführt. Der Vorschußverein lieh Burkhard eine Summe, für die er das nötigste Handwerkszeug anschaffen und sich wieder selbständig machen konnte. Anfangs mußte sich's der Meister freilich sauer genug werden lassen und am roten Heller sparen; denn der Vorschußverein hatte sich 5 o/o Zinsen ausbedungen und er erlangte, daß vom zweiten Jahre an das Kapital in Teilbeträgen zurückerstattet werde. Daneben mußte Burk- hard die Lebensversicherungsbeiträge erschwingen. Aber es fehlte auch nicht am Gelingen, und als er die letzte Rate forttrug, begleitete ihn Freund Schulten, damit er ein zweites Darlehen nehmen und an einer belebten Straße einen Laden einrichten könnte. Nun kam Burkhard rasch 0

20. Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen - S. 440

1912 - Essen Berlin : Bachmann Baedeker
440 Vom Sparen. Vermehrung der Einlagen um 451 tttul.; dann kam 1909 mit 764 Tttill. allein für die preußischen Sparkassen, für ganz Deutschland betrug die Zunahme in demselben Jahre 1100 Mill. Die Zahl der Sparkassenbücher vermehrte sich in Preußen im Jahre 1909 um eine halbe Mill. Ls kamen in Preußen auf je 100 Einwohner 1909: 31 Sparkassenbücher 1908: 30, 1-900: 25, 1895 nur 21 7». Daß aber diese Hunderte von Millionen sich hauptsächlich aus kleinen Beträgen zusammensetzen, zeigt folgende Aufstellung: von den 1272 Mill. Sparkassenbüchern in Preußen haben 372 Mill. (28°/o) höchstens 60 Mk. an Spareinlagen; 13°/o zwischen 60 und 150 Mk. Die Hälfte aller Sparer hat unter 300 Mk. Ersparnisse. Bücher mit „großen" Spareinlagen (über 3000 Mk.) zählt man 736000, noch nicht 6 vom hundert. Im Jahre 1909 entfielen auf die kleinen Konten (unter 600 Mk.) 8488000 Sparkassenbücher mit 1357 Mill. Mark Einlagen, auf die mittleren Konten (600—3000 Mk ) 3138000 Bücher mit 4172 Mill., aus die großen Konten (über 3000 Mk.) 736000 Bücher mit 4807 Mill. Zahlen auch die Sparkassen den Sparern den mäßigen Zinsfuß von 30/0 oder etwas darüber, so liegt es doch auf der Hand, daß bei solch unge- heuren Kapitalien auch die Zinsen in die Millionen gehen, durch die sich dann gleicherweise das privateinkommen und damit das Volkseinkommen erhöht (s. Nr. 186). woher nehmen denn aber die Sparkassen diese be- trächtlichen Zinssummen? Nun, sie müssen die eingenommenen Spargelder eben auch zinsbar anlegen, und zwar hauptsächlich in Hypotheken. Bus diesem Wege waren Ende 1909 nicht weniger als 6,4 Milliarden unter- gebracht. Buch aus Wertpapieren, Beteiligung an sicheren und gewinn- reichen Unternehmungen ziehen die Sparkassen ihre Einnahmen, die im ganzen sich beträchtlich höher stellen, als die Zinszahlung an die Sparer. So nutzt also die Sparkasse die sauer erworbenen Notgroschen für ihren Vorteil aus? Saft könnte es so scheinen. Doch gemach! Ls ist eine all- gemeine Erscheinung: je höher der Zinsgewinn, desto unsicherer ist die Kapitalanlage und umgekehrt. Bn Hypotheken und Wertpapieren kann man ebensogut Geld einbüßen, wie gewinnen. Zwangsversteigerungen und Kursverluste nagen an den Einnahmen der Sparkassen, und wenn aus irgendwelchen Gründen — und deren kann es eine ganze Menge geben — viele Sparer zu gleicher Zeit ihr Geld zurückverlangen, so müssen die Sparkassen zahlungsfähig sein. Deshalb haben sie für sogenannte „Neservefonds" Sorge getragen, die im Jahre 1909 die ansehnliche Summe von 600 Mill. erreichten. Ferner ist zu bedenken, daß die Einrichtung der Sparkassen, Bäume, Möbel und Geräte, und vor allem die Gehälter der Beamten auch Geld kosten, woher soll's genommen werden, wenn nicht aus der Mehreinahme von Zinsen (s. Nr. 207). wer sich aber damit noch nicht zufrieden geben, sondern mürrisch einen höheren Zinsanteil verlangen wollte, der lasse sich's gesagt sein, daß er mit seinen eigenen, verhältnis- mäßig doch geringen Spargeldern mehr Zinsen als ihm die Sparkasse gewährt nicht erzielen kann, es sei denn aus Kosten der sicheren Bnlage; die Sparkasse aber macht aus vielen wenig ein viel, mit dem sie ganz anders wuchern kann als der einzelne mit seinem bescheidenen Bnteil, und ein Verlust wirst sie auch nicht so leicht um, wie den „kleinen Mann", den jeder Busfall wirtschaftlich empfindlich zurückbringt. Endlich ist auch hier dafür gesorgt, daß „die Bäume nicht in den Himmel wachsen." Die Sparkassen werden nämlich meistens von den bürgerlichen Gemeinden oder