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1906 -
Leipzig
: Hahn
- Autor: Wehrhan, Karl, Kleineberg, W.
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1901
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
241
m brauchbarem Zustande. Sein Haus lag völlig in Trümmern, und an
die Fortführung seines Gewerbes konnte er vorerst nicht denken. Trotzdem
durfte er mit geringerer Sorge in die Zukunft schauen; denn er hatte
sein Haus und seine bewegliche Habe bei einer Feuerversicherungsgesellschaft
versichert, und schon wenige Tage nach dem Brandunglück erschienen zwei
Beamte dieser Gesellschaft, um den Schaden festzustellen, den Meister
Schulten erlitten hatte. Sie sahen bald ein, daß das Haus neu auf-
geführt werden mußte; deshalb schätzten sie den Wert des in den Trümmern
vorhandenen Baumaterials ab und rechneten diesen Betrag auf die Ent-
schädigungssumme an, die bald nachher dem Bäckermeister ausgezahlt wurde.
Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein
Baumeister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzufiihren, als
der frühere gewesen war; denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute
Wohnungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche
Einnahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen
rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Bau-
kosten nicht decken würde, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hinzu-
nähme; zudem sei er für seinen und seiner Familie Unterhalt auf seine
Ersparnisse so lange angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben
könne. Hiergegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch
den Vorschlag, die fehlende Summe bei der städtischen Sparkasse als
Hypothek aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig an:
„Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkasse,
wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." „Bedenken Sie doch, Meister,"
erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen
nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassenbücher gewährt? Sie muß
eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicherheit
und gegen einen höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre
Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geldschränke wollen bezahlt
sein, und einen für unvorhergesehene Fälle ausreichenden Reservefonds
muß sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den Neubau
4 bis 41/2 Prozent Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch ziemlich sicher,
daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wofern Sie die Zinsen pünktlich
bezahlen." Der Meister befolgte den guten Rat; bald stieg der Neubau
in die Höhe, und nach einigen Monaten konnte Schulten seine Freunde
zum Richtfest einladen. Auch der arme Burkhard war zugegen. „Ich
Tor!" rief er im Laufe des Gesprächs aus, „warum habe ich eure
früheren Ermahnungen in den Wind geschlagen! Ein jährliches Opfer
von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so traurigen
Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen;
denn sonst werde ich wohl nie mehr in eigener Werkstatt arbeiten!"
„Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere
Schmied, „und ich will dir nach Kräften behilflich sein; nur schlag dir
die Lotterie aus dem Sinne; denn die ist schon manchem zum Unheil
ausgeschlagen, und »Hoffen und Harren macht manchen zum Narren.«
Du hast ja auch das Sparen gelernt, Freund Burkhard, und wirst das
Lesebuch f. Fo^luldunaittchulen rc. Allg. Teil. i g
1910 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Autor: Gehrg, Hermann, Stillcke, Fr., Helmkampf, Adolf, Krausbauer, Theodor
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1909
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Ländlich-gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
n. Die sittlichen, wirtschaftlichen u. kulturellen Grundlagen der Landwirtschaft rc. 45
nicht denken. Trotzdem durfte er mit geringerer Sorge in die Zukunft
schauen; denn er hatte sein Haus und feine bewegliche Habe bei einer
Feuerversicherungsgesellschaft versichert, und schon wenige Tage
nach dem Brandunglück erschienen zwei Beamte dieser Gesellschaft, um
denschaden festzustellen, den Meister Schulten erlitten hatte. Sie sahen
bald ein, daß das Haus neu aufgeführt werden mußte; deshalb schätzten
sie den Wert des in den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab und
rechneten diesen Betrag auf die Entschädigungssumme an, die bald nach-
her dem Bäckermeister ausgezahlt wurde.
2. Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein
Baumeister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzuführen, als
der frühere gewesen war; denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute
Wohnungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche
Einnahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchlete dies wohl ein; indessen
rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Bau-
kosten nicht decken würde, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hiuzu-
nähme; zudem sei er für seinen und seiner Familie Unterhalt auf seine
Ersparnisse so lange angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben
könne. Hiergegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch
den Vorschlag, die fehlende Summe bei der städtischen Sparkasse als
Hypothek aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig an:
„Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkasse,
wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." „Bedenken Sie doch, Meister,"
erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen
nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassenbücher gewährt? Sie
muß eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicher-
heit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre
Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geldschränke wollen bezahlt
sein, und einen für unvorhergesehene Fälle ausreichenden Reservefonds
muß sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den
Neubau 4 bis 4t/2 Prozent Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch
ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wofern Sie
die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den guten Rat;
bald stieg der Neubau in die Höhe, und nach einigen Monaten konnte
Schulten seine Freunde zum Richtfest einladen. Auch der arme Burk-
hard war zugegen. „Ich Tor!" rief er im Laufe des Gesprächs aus,
„warum habe ich eure früheren Ermahnungen in den Wind geschlagen!
Ein jährliches Opfer von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in
einer so traurigen Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei
der Lotterie versuchen; denn sonst werde ich wohl nie mehr in eigener
Werkstatt arbeiten!"
3. „Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere
Schmied, „und ich will dir nach Kräften behilflich sein; nur schlag dir
die Lotterie aus dem Sinne; denn die ist schon manchem zum Unheil
ausgeschlagen, und ,Hoffen und Harren macht manchen zum Narren'.
Du hast ja auch das Sparen gelernt, Freund Burkhard, und wirst das
wenige, was dir dein schweres Mißgeschick gelassen hat, allmählich ver-
1900 -
Essen
: Baedeker
- Autor: Heinecke, August
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
106
nach dem Brandunglück erschienen • zwei Beamte dieser Gesellschaft, um den
Schaden festzustellen, den Meister Schulten erlitten hatte. Sie sahen bald
ein, daß das Haus neu aufgeführt werden mußte; deshalb schätzten sie den
Wert des in den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab und rechneten
diesen Betrag auf die Entschädigungssumme an, die bald nachher dem Bäcker-
meister ansbezahlt wurde.
Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein Bau-
meister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzuführen als der frühere
gewesen war; denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute Wohnungen
gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Einnahme erwachsen.
Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen rechnete er dem Baumeister
vor, daß die Brandentschädigung die Baukosten nicht decken würde, selbst
wenn er seine Sparkasseneinlage hinzunähme; zudem sei er für seinen und
seiner Familie Unterhalt auf seine Ersparnisse so lange angewiesen, bis er
sein Gewerbe wieder betreiben könne. Hiergegen konnte der Baumeister nichts
einwenden, machte jedoch den Vorschlag, die fehlende Summe bei der städtischen
Sparkasse als Hypothek aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig
an: „Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkasse,
wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." „Bedenken Sie doch, Meister,"
erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen nehmen,
die sie den Inhabern der Sparkassenbücher gewährt? Sie muß eben die ihr
anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicherheit und gegen einen
höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch
auch leben; ihre großen Geldschränke wollen bezahlt sein, und einen für un-
vorhergesehene Fälle ausreichenden Reservefonds muß sie auch sammeln. Sie
wird also für die Hypothek auf den Neubau 4 bis 41/2°/o Zinsen verlangen;
dafür sind Sie aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt
wird, wofern Sie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den
guten Rat; bald stieg der Neubau in die Höhe, und nach einigen Monaten
konnte Schulten seine Freunde zum Richtfest einladen. Auch der arme
Burkhard war zugegen. „Ich Thor!" rief er im Laufe des Gesprächs ans,
„warum habe ich eure früheren Ermahnungen in den Wind geschlagen! Ein
jährliches Opfer von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so
betrübten Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie
versuchen; denn sonst werde ich wohl nie mehr in eigener Werkstatt arbeiten!"
„Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere Schmied,
„und ich will dir nach Kräften behilflich sein; nur schlag dir die Lotterie
aus dem Sinne; denn die ist schon manchem zum Unheil ausgeschlagen, und
„Hoffen und Harren macht manchen zum Narren". Du hast ja auch das
Sparen gelernt, Freund Burkhard, und wirst das Wenige, was dir dein
schweres Mißgeschick gelassen hat, allmählich vermehren. Für die Einrichtung
einer Werkstatt reicht es freilich nicht aus, und ich möchte dir auch nicht
raten, den letzten Notpfennig daran zu wagen. Aber die hiesigen Handwerks-
meister haben, wie du weißt, kürzlich einen Vorschußverein gegründet, und
wenn ich Bürgschaft für dich leiste, so streckt dir, hoffe ich, der Vorstand so
viel Bargeld vor, daß du wieder eine eigene Werkstatt aufmachen kannst, und
deine frühere Kundschaft wirst du sicherlich wieder gewinnen." Mit wachsender
Spannung und zuletzt mit freudigem Staunen hatte Burkhard den Worten
des Freundes gelauscht. „Bruder Schmied," fiel jetzt der Bäcker ein, „da
müßte ich eigentlich auch dabei sein; aber bevor nicht mein Haus fertig, die
1910 -
Wittenberg
: Herrosé
- Autor: Schanze, W., Schanze, J.
- Auflagennummer (WdK): 12
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
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Sparkasseneinlage hinzunähme; zudem sei er für seinen
und seiner Familie Unterhalt auf seine Ersparnisse so lange an-
gewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne. Hiergegen
konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vor-
schlag, die fehlende Summe bei der st ä d t i s ch e n Sparkasse
als Hypothek aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister un-
gläubig an: „Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich
doch der Sparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." „Be-
denken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll
denn die Sparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der
Sparkassenbücher gewährt? Sie muß eben die ihr anvertrauten
Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicherheit und gegen einen
höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre Beamten wollen
doch auch leben; ihre großen Geldschränke wollen bezahlt sein,
und einen für unvorhergesehene Fälle ausreichenden Reservefonds
muß sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den
Neubau 4 bis 4x/2 % Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch
ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wofern
Sie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den guten
Rat; bald stieg der Neubau in die Höhe, und nach einigen Monaten
konnte Schulten seine Freunde zum Richtfeste einladen. Auch der
arme Burkhard war zugegen. „Ich Tor!" rief er im Laufe des
Gesprächs aus, „warum habe ich eure früheren Ermahnungen in
den Wind geschlagen! Ein jährliches Opfer von wenigen Groschen,
und ich wäre jetzt nicht in einer so traurigen Lage! Beinahe möchte
ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen; denn sonst werde
ich wohl nie mehr in eigener Werkstatt arbeiten!"
„Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der
biedere Schmied, „und ich will dir nach Kräften behilflich sein; nur
schlag dir die Lotterie aus dem Sinne; denn die ist schon manchem
zum Unheil ausgeschlagen, und ,Hoffen und Harren macht manchen
zum Narrend Du hast ja auch das Sparen gelernt, Freund
Burkhard, und wirft das wenige, was dir dein schweres Mißgeschick
gelassen hat, allmählich vermehren. Für die Einrichtung einer
Werkstatt reicht es freilich nicht aus, und ich möchte dir auch nicht
raten, den letzten Notpfennig daran zu wagen. Aber die hiesigen
Handwerksmeister haben, wie du weißt, kürzlich einen Vorschuß-
verein gegründet, und wenn ich Bürgschaft für dich leiste, so
streckt dir, hoffe ich, der Vorstand soviel Bargeld vor, daß du wieder
eine eigene Werkstatt aufmachen kannst, und deine frühere Kund-
schaft wirst du sicherlich wiedergewinnen." Mit wachsender Span-
nung und zuletzt mit freudigem Staunen hatte Burkhard den Worten
des Freundes gelauscht. „Bruder Schmied," fiel jetzt der Bäcker
ein, „da müßte ich eigentlich auch dabei sein; aber bevor nicht mein
Haus fertig, die Werkstatt wieder eingerichtet ist und die Wohnungen
vermietet sind, darf ich für einen anderen keine Verpflichtungen
übernehmen. Kannst du aber später meine Dienste brauchen, lieber
Burkhard, so rechne auf mich!" Meister Burkhard standen die
1907 -
Essen Berlin
: Bachmann Baedeker
- Hrsg.: ,, Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Wie sorgt der Handwerker für die Zukunft?
437
man zu sagen pflegt, rein abgebrannt, und, was das Schlimmste war, sein
Handwerkszeug, sein Ledervorrat, sein Bestand an Schuhleisten, alles war
dahin! wollte er nicht mit den Seinen verhungern, so mußte er sich wohl
oder übel als Arbeiter in der Schuhfabrik einschreiben lassen, die vor einiger
Zeit in einembenachbarten Orte angelegt worden war. Dem Bäckermeister
war freilich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte, ein Teil seines Hausrats
verblieben,- allein davon war nur weniges noch in brauchbarem Zustande.
Sein Haus lag völlig in Trümmern, und an die Fortführung seines Ge-
werbes konnte er vorerst nicht denken. Trotzdem durfte er mit geringerer
Sorge in die Zukunft schauen; denn er hatte sein Haus und seine beweg-
liche habe bei einer Feuerversicherungsgesellschast versichert, und schon we-
nige Tage nach dem Brandunglück erschienen zwei Beamte dieser Gesell-
schaft, um den Schaden festzustellen, den Meister Schulten erlitten hatte.
Sie sahen bald ein, daß das Haus neu ausgeführt werden mußte,- deshalb
schätzten sie den Wert des in den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab
und rechneten diesen Betrag auf die Entschädigungssumme an, die bald
nachher dem Bäckermeister ausgezahlt wurde.
Rlsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein Bau-
meister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzuführen als der
frühere gewesen war- denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute Woh-
nungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Einnahme
erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen rechnete er
dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Baukosten nicht decken
würde, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hinzunähme,- zudem sei
er für seinen und seiner Familie Unterhalt aus seine Ersparnisse so lange
angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne, hiergegen konnte
der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vorschlag, die fehlende
Summe bei der städtischen Sparkasse als Hypothek aufzunehmen. Schulten
sah den Baumeister ungläubig an: „Bei der Sparkasse leihen?" sagte er,
„eher leihe ich doch der Sparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe."
„Bedenken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn
die Sparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassen-
bücher gewährt? Sie muß eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen,
aber gegen hohe Sicherheit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von
ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geld-
schränke wollen bezahlt sein, und einen für unvorhergesehene Fälle aus-
reichenden Reservefonds muß sie auch sammeln. Sie wird also für die
Hypothek auf den Neubau 4 bis 4hso/o Zinsen verlangen; dafür sind Sie
aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wo-
fern Sie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den guten
Rat; bald stieg der Neubau in die höhe, und nach einigen Monaten konnte
Schulten seine Freunde zum Richtfest einladen. Ruch der arme Burkhard
war zugegen. „Ich Tor!" rief er im Laufe des Gesprächs aus, „warum
habe ich eure früheren Ermahnungen in den wind geschlagen! Ein jähr-
liches Opfer von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so
betrübten Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie
versuchen; denn sonst werde ich wohl nie mehr in einer eigenen Werkstatt
arbeiten!"
„Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere
Schmied, „und ich will dir nach Mästen behülslich sein; nur schlag dir die
1912 -
Essen Berlin
: Bachmann Baedeker
- Hrsg.: ,, Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Wie sorgt der Handwerker für die Zukunft?
443
nungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Einnahme
erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen rechnete er
dem Baumeister vor, daß die Vrandentschädigung die Baukosten nicht decken
würde, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hinzunähme,- zudem sei
er für seinen und seiner Familie Unterhalt aus seine Ersparnisse so lange
angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne, hiergegen konnte
der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vorschlag, die fehlende
Zumme bei der städtischen Sparkasse als Hypothek aufzunehmen. Schulten
sah den Baumeister ungläubig an: „Bei der Sparkasse leihen?" sagte er,
„eher leihe ich doch der Sparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe."
^Bedenken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn
die Sparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassen-
bücher gewährt? Sie muß eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen,
aber gegen hohe Sicherheit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von
ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch auch leben,- ihre großen Geld-
schränke wollen bezahlt sein, und einen für unvorhergesehene Fälle aus-
reichenden Reservefonds muß sie auch sammeln. Sie wird also für die
Hypothek auf den Neubau 4 bis 41/*0/0 Zinsen verlangen; dafür sind Sie
aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wo-
fern sie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den guten
Nat; bald stieg der Neubau in die höhe, und nach einigen Monaten konnte
Schulten seine Freunde zum Nichtfest einladen. Buch der arme Burkhard
war zugegen. „Ich Tor!" rief er im Laufe des Gesprächs aus, „warum
habe ich eure früheren Ermahnungen in den wind geschlagen! Ein jähr-
liches Opfer von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so
betrübten Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie
versuchen; denn sonst werde ich wohl nie mehr in einer eigenen Werkstatt
arbeiten!"
„Dazu kann vielleicht doch noch Nat werden," versetzte der biedere
Schmied, „und ich will dir nach Mästen behülflich sein; nur schlag dir die
Lotterie aus dem Sinne; denn die ist schon manchem zum Unheil ausge-
schlagen, und „hoffen und harren macht manchen zum Narren". Du hast
ja auch das Sparen gelernt, Freund Burkhard, und wirst das wenige,
was dir dein schweres Mißgeschick gelassen hat, allmählich vermehren.
Für die Einrichtung einer Werkstatt reicht es freilich nicht aus, und ich
möchte dir auch nicht raten, den letzten Notpfennig daran zu wagen. Über
die hiesigen Handwerksmeister haben, wie du weißt, kürzlich einen Vor-
schußverein gegründet, und wenn ich Bürgschaft für dich leiste, so streckt
dir, hoffe ich, der Vorstand so viel Bargeld vor, daß du wieder eine eigene
Werkstatt aufmachen kannst, und deine frühere Kundschaft wirst du sicher-
lich wieder gewinnen." Mit wachsender Spannung und zuletzt mit freu-
digem Staunen hatte Burkhard den Worten des Freundes gelauscht. „Bruder
Schmied," fiel jetzt der Bäcker ein, „da müßte ich eigentlich auch dabei
sein; aber bevor nicht mein Haus fertig, die Werkstatt wieder eingerichtet
ist und die Wohnungen vermietet sind, darf ich für einen andern keine
Verpflichtungen übernehmen. Kannst du aber später meine Dienste brauchen,
lieber Burkhard, so rechne aus mich!"
2. Meister Burkhard standen die Tränen in den Bugen, und aus
innerstem Herzen quollen seine vankesworte. „Uber Freunde," sagte er
nach einer weile, „wenn mich nun ein neues Unglück träfe, ehe ich meine
1908 -
Wittenberg
: Herrosé
- Autor: Wüster, Karl, Bodesohn, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
— 15
schlag, die fehlende Summe bei der städtischen Sparkasse als Hy-
pothek aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig
an: „Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der
Sparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe!" „Bedenken
Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn
die Sparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Spar-
kassenbücher gewährt? Sie mutz eben die ihr anvertrauten
Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicherheit und gegen einen
höheren Zinsfutz als den von ihr gewährten. Ihre Beamten
wollen doch auch leben: ihre großen Geldschränke wollen bezahlt
sein, und einen für unvorhergesehene Fülle ausreichenden Reserve-
fonds mutz sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf
den Neubau 4—4y2 % Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber
auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wo-
fern Sie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte
den guten Rat; bald stieg der Neubau in die Höhe, und nach
einigen Monaten konnte Schulten seine Freunde zum Richtfest
einladen. Auch der arme Burkhard war zugegen. „Ich Tor!"
rief er im Laufe des Gesprächs aus, „warum habe ich eure früheren
Ermahnungen in den Wind geschlagen! Ein jährliches Opfer von
wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so traurigen
Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie
versuchen: denn sonst werde ich wohl nie mehr in eigener Werk-
statt arbeiten!"
„Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der
biedere Schmied, „und ich will dir nach Kräften behilflich sein:
nur schlag dir die Lotterie aus dem Sinne: denn die ist schon man-
chem zum Unheil ausgeschlagen, und .Hoffen und Harren macht
manchen zum Narren'. Du hast ja auch das Sparen gelernt,
Freund Burkhard, und wirst das Wenige, was dir dein schweres
Mißgeschick gelassen hat. allmählich vermehren. Für die Einrich-
tung einer Werkstatt reicht es freilich nicht aus. und ich möchte
dir auch nicht raten, den letzten Notpfennig daran zu wagen. Aber
die hiesigen Handwerksmeister haben, wie du weitzt, kürzlich einen
Vorschutzverein gegründet, und wenn ich Bürgschaft für dich leiste,
so streckt dir. hoffe ich, der Vorstand so viel Bargeld vor, daß du
wieder eine eigene Werkstatt aufmachen kannst, und deine frühere
Kundschaft wirst du sicherlich wieder gewinnen." Mit wachsender
Spannung und zuletzt mit freudigem Staunen hatte Burkhard
den Worten des Freundes gelauscht. „Bruder Schmied." fiel jetzt
der Bäcker ein, „da müßte ich eigentlich auch dabei sein: aber be-
vor nicht mein Haus fertig, die Werkstatt wieder eingerichtet ist
und die Wohnungen vermietet sind, darf ich für einen andern
keine Verpflichtungen übernehmen. Kannst du aber später meine
Dienste brauchen, lieber Burkhard, so rechne auf mich!"
Meister Burkhard standen die Tränen in den Augen, und aus
innerstem Herzen quollen feine Dankesworte. „Aber Freunde."
sagte er nach einer Weile, „wenn mich nun ein neues Unglück
1905 -
Schwerin i. M.
: Bärensprung
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch, Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Gewerbeschule
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
71
Wie sorgt der Geschäftsmann für die Zukunft?
herziger Himmel!" rief er aus, „und das bei solcher Dürre!" Alleft
Bemühungen der herbeigeeilten Feuerwehr und der aufopfernden Hülfe
der Nachbarn zum Trotz griff das Feuer so rasch um sich, daß nur wenig
gerettet werden konnte, und die beiden hart betroffenen Meister konnten
nur von Glück sagen, daß sie und ihre Angehörigen unversehrt davon-
gekommen waren und Freund Zander ihnen für die nächste Zeit in
seinem Hause Obdach gewährte.
Meister Burkhard war der Verzweiflung nahe. War er doch, wie
man zu sagen Pflegt, rein abgebrannt, lind, was das Schlimmste war,
sein Handwerkszeug, sein Ledervorrat, sein Bestand an Schuhleisten,
alles war dahin. Wollte er nicht mit den Seinen verhungern, so mußte
er sich wohl oder übel als Arbeiter in der Schuhfabrik einschreiben lassen,
die vor einiger Zeit in einem benachbarten Orte angelegt worden war.
Dem Bäckermeister war freilich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte, ein
Teil seines Hausrates verblieben; allein davon war nur weniges noch
in brauchbarem Zustande. Sein Haus lag völlig in Trümmern, und an
die Fortführung seines Gewerbes konnte er vorerst nicht denken. Trotz-
dem durfte er mit geringerer Sorge in die Zukunft schauen; denn er
hatte sein Haus und seine bewegliche Habe bei einer Feuerversicherungs-
gesellschaft versichert, und schon wenige Tage nach dem Brandunglück
erschienen zwei Beamte dieser Gesellschaft, um den Schaden festzustellen,
den Meister Schulten erlitten hatte. Sie sahen bald ein, daß das Haus
neu aufgeführt werden mußte; deshalb schätzten sie den Wert des in
den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab und rechneten diesen Be-
trag auf die Entschädigungssumme an, die bald nachher dem Bäcker-
meister ausgezahlt wurde.
Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein
Baumeister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzuführen, als
der frühere gewesen war; denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute
Wohnungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche
Einnahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen
rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Bau-
kosten nicht decken würde, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hinzu-
nähme; zudem sei er für seinen und seiner Familie Unterhalt aus seine
Ersparnisse so lange angewiesen, bis er fein Gewerbe wieder betreiben
könne. Hiergegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch
den Vorschlag, die fehlende Summe bei der städtischen Sparkasse als
Hypothek aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig an:
„Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkasse,
wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." „Bedenken Sie doch, Meister,"
erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen
nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassenbücher gewährt? Sie
muß eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicher-
heit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre
Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geldschränke wollen be-
zahlt sein, und einen für unvorhergesehene Fülle ausreichenden Reserve-
fonds muß sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den
Neubau 4 bis 4y2 Prozent Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch
ziemlich sicher, daß Ihnen das Gels nicht gekündigt wird, wofern Sie
die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den Luten Rat;
1903 -
Essen
: Baedeker
- Autor: Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Wie sorgt der Handwerker für die Zukunft?
437
man zu sagen pflegt, rein abgebrannt, und, was das Schlimmste war, sein
Handwerkszeug, sein Lederoorrat, sein Bestand an Schuhleisten, alles war
dahin! wollte er nicht mit den Leinen verhungern, so mußte er sich wohl
oder übel als Arbeiter in der Lchuhfabrik einschreiben lassen, die vor einiger
Zeit in einem benachbarten Orte angelegt worden war. Dem Bäckermeister
war freilich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte, ein Teil seines Hausrats
verblieben,' allein davon war nur weniges noch in brauchbarem Zustande.
Lein Haus lag völlig in Trümmern, und an die Fortführung seines Ge-
werbes konnte er vorerst nicht denken. Trotzdem durfte er mit geringerer
Lorge in die Zukunft schauen,' denn er hatte sein Haus und seine beweg-
liche habe bei einer Feuerversicherungsgesellschaft versichert, und schon we-
nige Tage nach dem Vrandunglück erschienen zwei Beamte dieser Gesell-
schaft, um den Lchaden festzustellen, den Meister Lchulten erlitten hatte.
Zie sahen bald ein, daß das Haus neu aufgeführt werden mußte,' deshalb
schätzten sie den wert des in den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab
und rechneten diesen Betrag auf die Entschädigungssumme an, die bald
nachher dem Bäckermeister ausgezahlt wurde.
Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Lein Bau-
meister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau auszuführen als der
frühere gewesen war,' denn bei dem Aufblühen der Ltadt seien gute Woh-
nungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Einnahme
erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein,' indessen rechnete er
dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Baukosten nicht decken
würde, selbst wenn er seine Lparkasfeneinlage hinzunähme; zudem sei
er für seinen und seiner Familie Unterhalt auf seine Ersparnisse so lange
angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne, hiergegen konnte
der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vorschlag, die fehlende
Lumme bei der städtischen Lparkasse als Hypothek aufzunehmen. Lchulten
sah den Baumeister ungläubig an: „Bei der Lparkasse leihen?" sagte er,
„eher leihe ich doch der Lparkasse, wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe."
„Bedenken Sie doch, Meister," erwiderte der Baumeister, „woher soll denn
die Lparkasse die Zinsen nehmen, die sie den Inhabern der Lparkassen-
bücher gewährt? Lie muß eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen,
aber gegen hohe Licherheit und gegen einen höheren Zinsfuß als den von
ihr gewährten. Ihre Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geld-
schränke wollen bezahlt sein, und einen für unvorhergesehene Fälle aus-
reichenden Reservefonds muß sie auch sammeln. Lie wird also für die
Hypothek auf den Neubau 4 bis 41/2°/o Zinsen verlangen; dafür sind Lie
aber auch ziemlich sicher, daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wo-
fern Zie die Zinsen pünktlich bezahlen." Der Meister befolgte den guten
Nat; bald stieg der Neubau in die höhe, und nach einigen Monaten konnte
Lchulten seine Freunde zum Nichtfest einladen. Auch der arme Burkhard
war zugegen. „Ich Tor!" ries er im Lause des Gesprächs aus, „warum
habe ich eure früheren Ermahnungen in den wind geschlagen! Ein jähr-
liches (Opfer von wenigen Groschen, und ich wäre jetzt nicht in einer so
betrübten Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie
versuchen; denn sonst werde ich wohl nie mehr in einer eigenen Werkstatt
arbeiten!"
„Dazu kann vielleicht doch noch Nat werden," versetzte der biedere
Schmied, „und ich will dir nach Kräften behülflich sein; nur schlag dir die
1908 -
Zweibrücken
: Kranzbühler
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Volksfortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
2g5
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es durch Sparsamkeit und glücklichen Fortgang ihres Gewerbes zu einem
eigenen Häuschen gebracht; Meister Burkhard aber, der Schuhmacher,
wohnte bei dem Bäcker zur Miete.
Einst in einer Sommernacht fuhr Meister Zander erschreckt vom
Lager auf. Feuerlärm hatte ihn geweckt und ein Blick durchs Fenster
belehrte ihn, daß Nachbar Schultens Haus in hellen Flammen stand.
„Barmherziger Himmel!" rief er aus, „und das bei solcher Dürre!" Allen
Bemühungen der herbeigeeilten Feuerwehr und der aufopfernden Hilfe
der Nachbarn zum Trotz griff das Feuer so rasch um sich, daß nur wenig
gerettet werden konnte, und die beiden hart betroffenen Meister konnten
nur von Glück sagen, daß sie und ihre Angehörigen unversehrt davon-
gekommen waren und Freund Zander ihnen für die nächste Zeit in seinem
Hause Obdach gewährte.
Meister Burkhard war der Verzweiflung nahe. War er doch, wie
man zu sagen pflegt, rein abgebrannt und, was das Schlimmste war,
sein Handwerkszeug, sein Ledervorrat, sein Bestand an Schuhleisten, alles
war dahin! Wollte er nicht mit den Seinen verhungern, so mußte
er sich wohl oder übel als Arbeiter in der Schuhfabrik einschreiben
lassen, die vor einiger Zeit in einem benachbarten Orte angelegt worden
war. Dem Bäckermeister war freilich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte,
ein Teil seines Hausrats verblieben; allein davon war nur weniges noch
in brauchbarem Zustande. Sein Haus lag völlig in Trümmern und
an die Fortführung seines Gewerbes konnte er vorerst nicht denken.
Trotzdem durfte er mit geringerer Sorge in die Zukunft schauen; denn
er hatte sein Haus und seine bewegliche Habe bei einer Feuerversicherungs-
gesellschaft versichert und schon wenige Tage nach dem Brandunglück er-
schienen zwei Beamte dieser Gesellschaft um den Schaden festzustellen,
den Meister Schulten erlitten hatte. Sie sahen bald ein, daß das Haus
neu aufgeführt werden müsse; deshalb schätzten sie den Wert des in den
Trümmern vorhandenen Baumaterials ab, minderten um diesen Betrag
die Versicherungssumme, die bald nachher dem Bäckermeister ausbezahlt
wurde.
Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein
Baumeister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzuführen, als
der frühere gewesen war; denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute
Wohnungen gesucht und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Ein-
nahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen
rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Bau-
kosten nicht decke, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hinzunehme;
zudem sei er für seinen und seiner Familie Unterhalt aus seine Ersparnisse
so lange angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne. Hie-
gegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vor-
schlag die fehlende Summe bei der städtischen Sparkasse gegen Güter-
verpsändung aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig an:
„Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkasse,
wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." — „Bedenken Sie doch, Meister,"
erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen
nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassenbücher gewährt? Sie muß
1910 -
Zweibrücken
: Kranzbühler
- Autor: Salzgeber, Franz
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Sonntagsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
265
es durch Sparsamkeit und glücklichen Fortgang ihres Gewerbes zu einem
eigenen Häuschen gebracht; Meister Burkhard aber, der Schuhmacher,
wohnte bei dem Bäcker zur Miete.
Einst in einer Sommernacht fuhr Meister Zander erschreckt vom
Lager auf. Feuerlärm hatte ihn geweckt und ein Blick durchs Fenster
belehrte ihn, daß Nachbar Schultens Haus in hellen Flammen stand.
„Barmherziger Himmel!" rief er aus, „und das bei solcher Dürre!" Allen
Bemühungen der herbeigeeilten Feuerwehr und der aufopfernden Hilfe
der Nachbarn zum Trotz griff das Feuer so rasch um sich, daß nur wenig
gerettet werden konnte, und die beiden hart betroffenen Meister konnten
nur von Glück sagen, daß sie und ihre Angehörigen unversehrt davon-
gekommen waren und Freund Zander ihnen für die nächste Zeit in seinem
Hause Obdach gewährte.
Meister Burkhard war der Verzweiflung nahe. War er doch, wie
man zu sagen pflegt, rein abgebrannt und, was das Schlimmste war,
sein Handwerkszeug, sein Ledervorrat, sein Bestand an Schuhleisten, alles
war dahin! Wollte er nicht mit den Seinen verhungern, so mußte
er sich wohl oder übel als Arbeiter in der Schuhfabrik einschreiben
lassen, die vor einiger Zeit in einem benachbarten Orte angelegt worden
war. Dem Bäckermeister war freilich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte,
ein Teil seines Hausrats verblieben; allein davon war nur weniges noch
in brauchbarem Zustande. Sein Haus lag völlig in Trümmern und
an die Fortführung seines Gewerbes konnte er vorerst nicht denken.
Trotzdem durfte er mit geringerer Sorge in die Zukunft schauen; denn
er hatte sein Haus und seine bewegliche Habe bei einer Feuerversicherungs-
gesellschaft versichert und schon wenige Tage nach dem Brandunglück er-
schienen zwei Beamte dieser Gesellschaft um den Schaden festzustellen,
den Meister Schulten erlitten hatte. Sie sahen bald ein, daß das Haus
neu aufgeführt werden müsse; deshalb schätzten sie den Wert des in den
Trümmern vorhandenen Baumaterials ab, minderten um diesen Betrag
die Versicherungssumme, die bald nachher dem Bäckermeister ausbezahlt
wurde.
Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein
Baumeister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzuführen, als
der frühere gewesen war; denn bei dem Aufblühen der Stadt seien gute
Wohnungen gesucht und so werde ihm aus den Mieten eine hübsche Ein-
nahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies wohl ein; indessen
rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brandentschädigung die Bau-
kosten nicht decke, selbst wenn er seine Sparkasseneinlage hinzunehme;
zudem sei er für seinen und seiner Familie Unterhalt auf seine Ersparnisse
so lange angewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne. Hie-
gegen konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vor-
schlag die fehlende Summe bei der städtischen Sparkasse gegen Güter-
verpfändung aufzunehmen. Schulten sah den Baumeister ungläubig an:
„Bei der Sparkasse leihen?" sagte er, „eher leihe ich doch der Sparkasse,
wenn ich ihr meine Ersparnisse bringe." — „Bedenken Sie doch, Meister,"
erwiderte der Baumeister, „woher soll denn die Sparkasse die Zinsen
nehmen, die sie den Inhabern der Sparkassenbücher gewährt? Sie muß
1908 -
Zweibrücken
: Kranzbühler
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Volksfortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicherheit
und gegen einen höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre
Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geldschränke wollen be-
zahlt sein und einen für unvorhergesehene Fälle ausreichenden Notschatz
muß sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den Neubau
4 bis 41/2 0/0 Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch ziemlich sicher,
daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wofern Sie die Zinsen pünktlich
bezahlen." Der Meister befolgte den guten Rat; bald stieg der Neubau
in die Höhe und nach einigen Monaten konnte Schulten seine Freunde
zum Richtfest einladen. Auch der arme Burkhard war zugegen. „Ich
Tor!" rief er im Laufe des Gesprächs aus, „warum habe ich euere
früheren Ermahnungen in den Wind geschlagen! Ein jährliches Opfer
von kaum einer Mark — und ich wäre jetzt nicht in einer so betrübten
Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen;
denn fonfi werde ich wohl nie mehr in einer eigenen Werkstatt ar-
beiten!"
„Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere
Schmied, „und ich will dir nach Kräften behilflich sein; nur schlag dir
die Lotterie aus dem Sinne; denn die ist schon manchem zum Unheil
geworden und — „Hoffen und Harren macht manchen zum Narren."
Du hast ja auch das Sparen gelernt, Freund Burkhard, und wirst das
Wenige, was dir dein schweres Mißgeschick gelassen hat, allmählich ver-
mehren. Für die Einrichtung einer Werkstatt reicht es freilich nicht
aus und ich möchte dir auch nicht raten den letzten Notpfennig daran
zu wagen. Aber die hiesigen Handwerksmeister haben, wie du weißt,
kürzlich einen Vorschußverein gegründet, und wenn ich Bürgschaft für dich
leiste, so streckt dir, hoffe ich, der Vorstand so viel Bargeld vor, daß
du wieder eine eigene Werkstatt aufmachen kannst, und deine frühere
Kundschaft wirst du sicherlich wieder gewinnen." Mit wachsender Span-
nung und zuletzt mit freudigem Staunen hatte Burkhard den Worten
des Freundes gelauscht. „Bruder Schmied," fiel jetzt der Bäcker ein,
„da müßte ich eigentlich auch dabei sein; aber bevor nicht mein Haus
fertig, die Werkstatt wieder eingerichtet ist und die Wohnungen vermietet
sind, darf ich für einen anderen keine Verpflichtungen übernehmen. Kannst
du aber später meine Dienste brauchen, lieber Burkhard, so rechne aus
mich!"
Meister Burkhard standen die Tränen in den Augen und aus
innerstem Herzen quollen seine Dankesworte. „Aber, Freunde," sagte er
nach einer Weile, „wenn mich neues Unglück träfe, ehe ich meine Schuld
abtragen könnte, wie kämet ihr zu euerem Gelde? Von Herzen gern
möchte ich eueren Freundschaftsdienst annehmen; aber dieser Gedanke
ängstigt mich. Ein Brandschaden hat allerdings seinen Schrecken für
mich verloren; denn meine frühere Versäumnis habe ich nachgeholt, und
daß ich alle neuen Anschaffungen versicherte, wäre ich euch ja schuldig;
aber „heute rot, morgen tot!" — und was dann? Wie es alsdann mit
Weib und Kind wird, daran mag ich gar nicht denken."
„Halt, da weiß ich Rat," rief jetzt der Bäcker. „Ihr wißt, ich
bin ein Freund von Versicherungen und so habe ich mich vor drei Jahren
1910 -
Zweibrücken
: Kranzbühler
- Autor: Salzgeber, Franz
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Sonntagsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
26(5
eben die ihr anvertrauten Gelder verleihen, aber gegen hohe Sicherheit
und gegen einen höheren Zinsfuß als den von ihr gewährten. Ihre
Beamten wollen doch auch leben; ihre großen Geldschränke wollen be-
zahlt sein und einen für unvorhergesehene Fälle ausreichenden Notschatz
muß sie auch sammeln. Sie wird also für die Hypothek auf den Neubau
4 bis 41/2 0/0 Zinsen verlangen; dafür sind Sie aber auch ziemlich sicher,
daß Ihnen das Geld nicht gekündigt wird, wofern Sie die Zinsen pünktlich
bezahlen/' Der Meister befolgte den guten Rat; bald stieg der Neubau
in die Höhe und nach einigen Monaten konnte Schulten seine Freunde
zum Richtfest einladen. Auch der arme Burkhard war zugegen. „Ich
Tor!" rief er im Laufe des Gesprächs aus, „warum habe ich euere
früheren Ermahnungen in den Wind geschlagen! Ein jährliches Opfer
von kaum einer Mark — und ich wäre jetzt nicht in einer so betrübten
Lage! Beinahe möchte ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen;
denn sonst werde ich wohl nie mehr in einer eigenen Werkstatt ar-
beiten!"
„Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere
Schmied, „und ich will dir nach Kräften behilflich sein; nur schlag dir
die Lotterie aus dem Sinne; denn die ist schon manchem zum Unheil
geworden und — „Hoffen und Harren macht manchen zum Narren."
Du hast ja auch das Sparen gelernt, Freund Burkhard, und wirst das
Wenige, was dir dein schweres Mißgeschick gelassen hat, allmählich ver-
mehren. Für die Einrichtung einer Werkstatt reicht es freilich nicht
aus und ich möchte dir auch nicht raten den letzten Notpfennig daran
zu wagen. Aber die hiesigen Handwerksmeister haben, wie du weißt,
kürzlich einen Vorschußverein gegründet, und wenn ich Bürgschaft für dich
leiste, so streckt dir, hoffe ich, der Vorstand so viel Bargeld vor, daß
du wieder eine eigene Werkstatt aufmachen kannst, und deine frühere
Kundschaft wirst du sicherlich wieder gewinnen." Mit wachsender Span-
nung und zuletzt mit freudigem Staunen hatte Burkhard den Worten
des Freundes gelauscht. „Bruder Schmied," fiel jetzt der Bäcker ein,
„da müßte ich eigentlich auch dabei sein; aber bevor nicht mein Haus
fertig, die Werkstatt wieder eingerichtet ist und die Wohnungen vermietet
sind, darf ich für einen anderen keine Verpflichtungen übernehmen. Kannst
du aber später meine Dienste brauchen, lieber Burkhard, so rechne auf
mich!"
Meister Burkhard standen die Tränen in den Augen und aus
innerstem Herzen quollen seine Dankesworte. „Aber, Freunde," sagte er
nach einer Weile, „wenn mich neues Unglück träfe, ehe ich meine Schuld
abtragen könnte, wie kämet ihr zu euerem Gelde? Von Herzen gern
möchte ich eueren Freundschaftsdienst annehmen; aber dieser Gedanke
ängstigt mich. Ein Brandschaden hat allerdings seinen Schrecken für
mich verloren; denn meine frühere Versäumnis habe ich nachgeholt, und
daß ich alle neuen Anschaffungen versicherte, wäre ich euch ja schuldig;
aber „heute rot, morgen tot!" — und was dann? Wie es alsdann mit
Weib und Kind wird, daran mag ich gar nicht denken."
„Halt, da weiß ich Rat," rief jetzt der Bäcker. „Ihr wißt, ich
bin ein Freund von Versicherungen und so habe ich mich vor drei Jahren
1908 -
Wittenberg
: Herrosé
- Autor: Wüster, Karl, Bodesohn, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): Jungen
— 14 —
verband. Zwei von ihnen, der Schmiedemeister Zander und der
Bäckermeister Schulten, hatten es durch Sparsamkeit und glück-
lichen Fortgang ihres Gewerbes zu einem eigenen Häuschen ge-
bracht; Meister Burkhard aber, der Schuhmacher, wohnte bei dem
Bäcker zur Miete.
In einer Sommernacht fuhr Meister Zander erschreckt vom
Lager auf. Feuerlärm hatte ihn geweckt, und ein Blick durchs
Fenster belehrte ihn, daß Nachbar Schaltens Haus in hellen Flam-
men stand. ,,Barmherziger Himmel!" rief er aus, „und das bei
solcher Dürre!" Allen Bemühungen der herbeigeeilten Feuerwehr
und der aufopfernden Hilfe der Nachbarn zum Trotz griff das
Feuer so rasch um sich, daß nur wenig gerettet werden konnte, und
die beiden hart betroffenen Meister konnten nur von Glück sagen,
daß sie und ihre Angehörigen unversehrt davongekommen waren
und Freund Zander ihnen für die nächste Zeit in seinem Hause
Obdach gewährte.
Meister Burkhard war der Verzweiflung nahe. War er doch,
wie man zu sagen pflegt, rein abgebrannt, und, was das
Schlimmste war, sein Handwerkszeug, sein Ledervorrat, sein Be-
stand an Schuhleisten, alles war dahin. Wollte er nicht mit den
Seinen verhungern, so mußte er sich wohl oder übel als Arbeiter
in der Schuhfabrik einschreiben lassen, die vor einiger Zeit in
einem benachbarten Orte angelegt worden war. Dem Bäcker-
meister war freilich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte, ein Teil
seines Hausrates verblieben; allein davon war nur weniges noch
in. brauchbarem Zustande. Sein Haus lag völlig in Trümmern,
und an die Fortführung seines Gewerbes konnte er vorerst nicht
denken. Trotzdem durfte er mit geringerer Sorge in die Zukunft
schauen: denn er hatte sein Haus und seine bewegliche Habe bei
einer Feuerversicherungsgesellschaft versichert, und schon wenige
Tage nach dem Brandunglück erschienen zwei Beamte dieser Ge-
sellschaft. um den Schaden festzustellen, den Meister Schulten er-
litten hatte. Sie sahen bald ein. daß das Haus neu aufgeführt
werden mußte: deshalb schätzten sie den Wert des in den Trüm-
mern vorhandenen Baumaterials ab und rechneten diesen Be-
trag auf die Entschädigungssumme an. die bald nachher dem
Bäckermeister ausgezahlt wurde.
Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses.
Sein Baumeister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzu-
führen, als der frühere gewesen war: denn bei dem Aufblühen der
Stadt seien gute Wohnungen gesucht, und so werde ihm aus den
Mieten eine hübsche Einnahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete
dies wohl ein: indessen rechnete er dem Baumeister vor, daß die
Brandentschädigung die Baukosten nicht decken würde, selbst wenn
er seine Sparkasseneinlage hinzunühme: zudem sei er für seineu
und seiner Familie Unterhalt auf seine Ersparnisse so lange an-
gewiesen, bis er sein Gewerbe wieder betreiben könne. Hiergegen
konnte der Baumeister nichts einwenden, machte jedoch den Vor-
1910 -
Wittenberg
: Herrosé
- Autor: Schanze, W., Schanze, J.
- Auflagennummer (WdK): 12
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
353
144. Wie sorgt -er Geschäftsmann für feine Zukunft?
In einer mittleren Stadt wohnten in derselben Gasse drei
brave Handwerksmeister, welche innige Freundschaft miteinander
verband. Zwei von ihnen, der Schneidermeister Zander und der
Bäckermeister Schulten, hatten es durch Sparsamkeit und glück-
lichen Fortgang ihres Gewerbes zu einem eigenen Häuschen ge-
bracht; Meister Burkhard aber, der Schuhmacher, wohnte bei dem
Bäcker zur Miete.
In einer Sommernacht fuhr Meister Zander erschreckt vom
Lager auf. Feuerlärm hatte ihn geweckt, und ein Blick durchs
Fenster belehrte ihn, daß Nachbar Schultens Haus in hellen
Flammen stand. „Barmherziger Himmel!" ries er aus, „und das
bei solcher Dürre!" Allen Bemühungen der herbeigeeilten Feuer-
wehr und der aufopfernden Hilfe der Nachbarn zum Trotz griff
das Feuer so rasch um sich, daß nur wenig gerettet werden konnte,
und die beiden hart betroffenen Meister konnten nur von Glück
sagen, daß sie und ihre Angehörigen unversehrt davongekommen
waren, und Freund Zander ihnen für die nächste Zeit in seinem
Hause Obdach gewährte.
Meister Burkhard war der Verzweiflung nahe. War er doch,
wie man zu sagen pflegt, rein abgebrannt, und, was das Schlimmste
war, sein Handwerkszeug, sein Ledervorrat, sein Bestand an Schuh-
leisten, alles war dahin: Wollte er nicht mit den Seinen ver-
hungern, so mußte er sich wohl oder übel als Arbeiter in die Schuh-
fabrik einschreiben lassen, die vor einiger Zeit in einem benach-
barten Orte angelegt worden war. Dem Bäckermeister war frei-
lich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte, ein Teil seines Hausrates
verblieben; allein davon war nur weniges noch in brauchbarem
Zustande. Sein Haus lag völlig in Trümmern, und an die Fort-
führung seines Gewerbes konnte er vorerst nicht denken. Trotzdem
durste er mit geringerer Sorge in die Zukunft schauen; denn er
hatte sein Haus und seine bewegliche Habe bei einer Feuer-
versicherungsgesellschaft versichert, und schon
wenige Tage nach dem Brandunglück erschienen zwei Beamte dieser
Gesellschaft, um den Schaden festzustellen, den Meister Schulten
erlitten hatte. Sie sahen bald ein, daß das Haus neu aufgeführt
werden mußte; deshalb schätzten sie den Wert des in den Trümmern
vorhandenen Baumaterials ab und rechneten diesen Betrag auf die
Entschädigungssumme an, die- bald nachher dem Bäckermeister aus-
gezahlt wurde.
Alsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein
Baumeister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau auszuführen,
als der frühere gewesen war; denn bei dem Aufblühen der Stadt
seien gute Wohnungen gesucht, und so werde ihm aus den Mieten
eine hübsche Einnahme erwachsen. Dem Bauherrn leuchtete dies
wohl ein; indessen rechnete er dem Baumeister vor, daß die Brand-
entschädigung die Baukosten nicht decken würde, selbst wenn er seine
Schanze, Lesebuch. 12. Aufl. 23
1905 -
Schwerin i. M.
: Bärensprung
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch, Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Gewerbeschule
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbeschule
- Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
72
Wie sorgt der Geschästzmann für die Zukunft?
bald stieg der Neubau in die Höhe, und nach einigen Monaten konnte
Schulten seine Freunde zum Richtfest einladen.
Auch der arme Burkhard war zugegen. „Ich Tor!" rief er im
Laufe des Gesprächs aus, „warum habe ich eure früheren Ermahnungen
in den Wind geschlagen! Ein jährliches Opfer von wenigen Groschen,
und ich wäre jetzt nicht in einer so traurigen Lage! Beinahe möchte
ich mein Glück einmal bei der Lotterie versuchen; denn sonst werde
ich wohl nie mehr in eigener Werkstatt arbeiten!"
„Dazu kann vielleicht doch noch Rat werden," versetzte der biedere
Schmied, „und ich will dir nach Kräften behülflich sein; nur schlag dir
die Lotterie aus dem Sinne; denn die ist schon manchem zum Unheil
ausgeschlagen, und „Hoffen und Harren macht manchen zum Narren".
Du hast ja auch das Sparen gelernt. Freund Burkhard, und wirst das
wenige, was dir dein schweres Mißgeschick gelassen hat, allmählich ver-
mehren. Für die Einrichtung einer Werkstatt reicht es freilich nicht
aus, und ich möchte dir auch nicht raten, den letzten Notpfennig daran
zu wagen. Aber die hiesigen Handwerksmeister haben, wie du weißt,
kürzlich einen Vorschußverein gegründet, und wenn ich Bürgschaft für
dich leiste, so streckt dir, hoffe ich, der Vorstand so viel Bargeld vor,
daß du wieder eine eigene Werkstatt aufmachen kannst, und deine
frühere Kundschaft wirst du sicherlich wieder gewinnen." Mit wachsender
Spannung und zuletzt mit freudigem Staunen hatte Burkhard den
Worten des Freundes gelauscht. „Bruder Schmied," fiel jetzt der Bäcker
ein, „da müßte ich eigentlich auch dabei sein; aber bevor nicht mein
Haus fertig, die Werkstatt wieder eingerichtet ist und die Wohnungen
vermietet sind, darf ich für einen anderen keine Verpflichtungen über-
nehmen. Kannst du aber später meine Dienste brauchen, lieber Burkhard,
so rechne auf mich!" i
Meister Burkhard standen die Tränen in den Augen, und aus
innerstem Herzen quollen seine Dankesworte. „Aber Freunde," sagte er
nach einer Weile, „wenn mich nun ein neues Unglück träfe, ehe ich meine
Schuld abtragen könnte, wie kämt ihr zu eurem Gelde? Von Herzen
gern möchte ich euren Freundschaftsdienst annehmen, aber dieser Ge-
danke ängstigt mich. Ein Brandschaden hat allerdings seinen Schrecken
für mich verloren; denn meine frühere Versäumnis habe ich nachgeholt,
und daß ich alle neuen Anschaffungen versicherte, wäre ich euch ja
schuldig; aber heute rot, morgen tot! — und was dann? Wie es als-
dann mit Weib und Kind wird, daran mag ich gar nicht denken."
„Halt, da weiß ich Rat," rief jetzt der Bäcker. . „Ihr wißt, ich bin
ein Freund von Versicherungen, und so habe ich mich vor drei Jahren,
auch in die Lebensversicherung eingekauft. Just, wenn ich, will's Gott,
meine silberne Hochzeit begehe, nämlich im 55. Lebensjahre, werden
mir 3000 Mark ausgezahlt; werde ich aber früher abgerufen, so wird
dasselbe Kapital ohne Säumen meiner Anna ausgehändigt. Allerdings
muß ich noch jährlich an 120 Mark Prämie entrichten; aber der Beitrag
nimmt von Jahr zu Jahr ab, und die Gewißheit, daß meine Familie,
wenn das Schlimmste eintreten sollte, nicht bloß auf meine Ersparnisse
angewiesen ist, scheint wir ein solches Opfer wert zu sein." ^
„Das ist ja alles recht schön," ließ sich jetzt der Schmred ver-
nehmen^ ,,Wr wejß ich Mcht,,Frlulld .Schulten, wie du mit dement
1912 -
Essen Berlin
: Bachmann Baedeker
- Hrsg.: ,, Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
442
Wie sorgt ter Handwerker für die Zukunft?
lang in Keinem Verein und in Keinem wirtshause. Lange aber Konnte
er 's so nicht ertragen. Um sich zu zerstreuen, suchte er zuerst den Kegel-
verein aus, und nicht lange, so war er wieder Stammgast in alter weise.
Uber sein Besitz war schon arg verschuldet, seine Körper- und Geisteskraft
stark erschöpft. Die Gemeinde mußte sich endlich seiner vier Kinder er-
barmen, die daheim nichts zu beißen und nichts zu brechen fanden. Und
der Vater? Es dauerte nicht lange, so mußte ihn das Irrenhaus auf-
nehmen, und er hat keins von seinen Kindern wiedergesehen.
Nach „Meister Konrads Werkstatt."
*207. Wie sorgt der Handwerker für die Zukunft?
1. In einer mittleren Stadt wohnten in derselben Gasse drei brave
Handwerksmeister, welche innige Freundschaft miteinander verband. Zwei,
von ihnen, der Schmiedemeister Zander und der Bäckermeister Schulten,
hatten es durch Sparsamkeit und glücklichen Fortgang des Gewerbes zu
einem eigenen Häuschen gebracht; Meister Burkhard aber, der Schuhmacher,
wohnte bei dem Bäcker zur Miete.
Einst in einer Sommernacht fuhr Meister Zander erschreckt vom Lager
aus. Feuerlärm hatte ihn geweckt, und ein Blick durchs Fenster belehrte
ihn, daß Nachbar Zchultens Haus in Hellen Flammen stand. „Barmherziger
Himmel!" rief er aus, „und das bei solcher Dürre!" Nllen Bemühungen
der herbeigeeilten Feuerwehr und der aufopfernden hülfe der Nachbarn
zum Trotz griff das Feuer so rasch um sich, daß nur wenig gerettet werden
konnte, und die beiden hart betroffenen Meister konnten nur von Glück
sagen, daß sie und ihre Angehörigen unversehrt davongekommen waren
und Freund Zander ihnen für die nächste Zeit in seinem Hause Gbdach
gewährte.
Meister Burkhard war der Verzweiflung nahe, war er doch, wie
man zu sagen pflegt, rein abgebrannt, und, was das Schlimmste war, sein
Handwerkszeug, sein Ledervorrat, sein Bestand an Schuhleisten, alles war
dahin! wollte er nicht mit den Seinen verhungern, so mußte er sich wohl
oder übel als Arbeiter in der Schuhfabrik einschreiben lassen, die vor einiger
Zeit in einem benachbarten Grte angelegt worden war. Dem Bäckermeister
war freilich, da er im Erdgeschoß gewohnt hatte, ein Teil seines Hausrats
verblieben,' allein davon war nur weniges noch in brauchbarem Zustande.
Sein Haus lag völlig in Trümmern, und an die Fortführung seines Ge-
werbes konnte er vorerst nicht denken. Trotzdem durfte er mit geringerer
Sorge in die Zukunft schauen; denn er hatte sein Haus und seine beweg-
liche habe bei einer Feuerversicherungsgesellschaft versichert, und schon we-
nige Tage nach dem Brandunglück erschienen zwei Beamte dieser Gesell-
schaft, um den Schaden festzustellen, den Meister Schulten erlitten hatte.
Sie sahen bald ein, daß das Haus neu aufgeführt werden mußte,- deshalb
schätzten sie den wert des in den Trümmern vorhandenen Baumaterials ab
und rechneten diesen Betrag auf die Entschädigungssumme an, die bald
nachher dem Bäckermeister ausgezahlt wurde.
Nlsbald ging dieser an den Wiederaufbau seines Hauses. Sein Bau-
meister redete ihm jedoch zu, einen größeren Bau aufzuführen als der
frühere gewesen war,- denn bei dem Nusblühen der Stadt seien gute woh-
1908 -
Zweibrücken
: Kranzbühler
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Volksfortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
267
auch in die Lebensversicherung eingekauft. Just, wenn ich, will's Gott,
meine silberne Hochzeit feiere, nämlich im 55. Lebensjahre, werden mir
3000 Mark ausgezahlt; werde ich aber früher abgerufen, so wird dasselbe
Kapital ohne Säumen meiner Anna ausgehändigt. Allerdings muß ich
noch 120 Mark Jahresbeitrag entrichten; aber die Summe nimmt von
Jahr zu Jahr ab und die Gewißheit, daß meine Familie, wenn das
Schlimmste eintreten sollte, nicht bloß auf meine Ersparnisse angewiesen
ist, scheint mir ein solches Opfer wert zu sein." ~
„Das ist ja alles recht schön," ließ sich jetzt der Schmied vernehmen,
„nur weiß ich nicht, Freund Schulten, wie du mit deinem Loblied auf
die Lebensversicherung unserem Burkhard aus seiner Besorgnis helfen
willst." Allein der wackere Bäckermeister ließ sich nicht irremachen.
„Warte nur, Spötter!" entgegnete er, „ich werde dir jetzt die Lebens-
versicherung noch von einer anderen Seite zeigen und ich wette, du
wirst dich bekehren. Da habe ich einen Vetter, der will seinen kürzlich
verwaisten Neffen, einen sehr begabten Jungen, studieren lassen. Was
tut er? Er kauft ihn in die Lebensversicherung ein. Kommt der Neffe ins
Brot, so wird es ihm nicht schwer fallen, die vorgestreckten Beiträge
zurückzuzahlen. Begegnet ihm aber etwas Menschliches, so hat der Oheim
das bereits aufgewandte Geld nicht vergeblich daran gewandt und es
seiner eigenen Familie nicht entzogen. Was sagst du nun, Bruder
Schmied?" — „Es fängt an mir einzuleuchten," war die Antwort. „Wir
machen es geradeso mit unserem Burkhard. Er geht zum Vertreter einer
Lebensversicherung und wir bringen die Sache bei dem Vorschußverein
in Ordnung; dann ist uns allen geholfen. Hast recht, Schulten, es ist
doch eine schöne Sache um die Lebensversicherung!" „Ich sollt's meinen,"
rief Schulten heiter, „zwei Bürgen und eine Versicherungsurkunde! Eine
dreifache Schnur reißt nicht, Burkhard! Dir machen nur die Jahresbeiträge
noch Sorge, das merk' ich schon; aber wenn's in der ersten Zeit auch
einmal damit hapert, so springen wir ein; denn wir schnitten uns sonst
ja ins eigene Fleisch und dann mußt du wissen, daß eine gute Lebens-
versicherung dem Versicherten auf seine Urkunde sogar ein Darlehen
gewährt. Darum Mut, Bruder, mit Gottes Hilfe bist du bald wieder
der Meister Burkhard und wohnst vielleicht gar einmal unter deinem
eigenen Dache!"
Dem guten Burkhard war es zumute wie einem Träumenden und
Hoffnung, Mut und Lebenslust zogen wieder in sein Gemüt ein. Was
die Freunde besprochen, wurde unverweilt ausgeführt.
Der Vorschußverein lieh Burkhard eine Summe, für die er das
nötigste Handwerkszeug anschaffen und sich wieder selbständig machen
konnte. Anfangs mußte sich's der Meister freilich sauer genug werden
lassen und am roten Heller sparen; denn der Vorschußverein hatte sich
5 o/o Zinsen ausbedungen und er erlangte, daß vom zweiten Jahre an
das Kapital in Teilbeträgen zurückerstattet werde. Daneben mußte Burk-
hard die Lebensversicherungsbeiträge erschwingen. Aber es fehlte auch
nicht am Gelingen, und als er die letzte Rate forttrug, begleitete ihn
Freund Schulten, damit er ein zweites Darlehen nehmen und an einer
belebten Straße einen Laden einrichten könnte. Nun kam Burkhard rasch
1910 -
Zweibrücken
: Kranzbühler
- Autor: Salzgeber, Franz
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Sonntagsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
267
auch in die Lebensversicherung eingekauft. Just, wenn ich, will's Gott,
meine silberne Hochzeit feiere, nämlich im 55. Lebensjahre, werden mir
3000 Mark ausgezahlt; werde ich aber früher abgerufen, so wird dasselbe
Kapital ohne Säumen meiner Anna ausgehändigt. Allerdings muß ich
noch 120 Mark Jahresbeitrag entrichten; aber die Summe nimmt von
Jahr zu Jahr ab und die Gewißheit, daß meine Familie, wenn das
Schlimmste eintreten sollte, nicht bloß auf meine Ersparnisse angewiesen
ist, scheint mir ein solches Opfer wert zu sein."
„Das ist ja alles recht schön," ließ sich jetzt der Schmied vernehmen,
„nur weiß ich nicht, Freund Schulter:, wie du mit deinem Loblied auf
die Lebensversicherung unserem Burkhard aus seiner Besorgnis Helsen
willst." Allein der wackere Bäckermeister ließ sich nicht irremachen.
„Warte nur, Spötter!" entgegnete er, „ich werde dir jetzt die Lebens-
versicherung noch von einer anderen Seite zeigen und ich wette, du
wirst dich bekehren. Da habe ich einen Vetter, der will seinen kürzlich
verwaisten Neffen, einen sehr begabten Jungen, studieren lassen. Was
tut er? Er kauft ihn in die Lebensversicherung ein. Kommt der Neffe ins
Brot, so wird es ihm nicht schwer fallen, die vorgestreckten Beiträge
zurückzuzahlen. Begegnet ihm aber etwas Menschliches, so hat der Oheim
das bereits aufgewandte Geld nicht vergeblich daran gewandt und es
seiner eigenen Familie nicht entzogen. Was sagst du nun, Bruder
Schmied?" — „Es fängt an mir einzuleuchten," war die Antwort. „Wir
machen es geradeso mit unserem Burkhard. Er geht zum Vertreter einer
Lebensversicherung und wir bringen die Sache bei dem Vorschußverein
in Ordnung; dann ist uns allen geholfen. Hast recht, Schulten, es ist
doch eine schöne Sache um die Lebensversicherung!" „Ich sollt's meinen,"
rief Schulten heiter, „zwei Bürgen und eine Versicherungsurkunde! Eine
dreifache Schnur reißt nicht, Burkhard! Dir machen nur die Jahresbeiträge
noch Sorge, das merk' ich schon; aber wcnn's in der ersten Zeit auch
einmal damit hapert, so springen wir ein; denn wir schnitten uns sonst
ja ins eigene Fleisch und dann mußt du wissen, daß eine gute Lebens-
versicherung dem Versicherten auf seine Urkunde sogar ein Darlehen
gewährt. Darum Mut, Bruder, mit Gottes Hilfe bist du bald wieder
der Meister Burkhard und wohnst vielleicht gar einmal unter deinem
eigenen Dache!"
Dem guten Burkhard war es zumute wie einem Träumenden und
Hoffnung, Mut und Lebenslust zogen wieder in sein Gemüt ein. Was
die Freunde besprochen, wurde unverweilt ausgeführt.
Der Vorschußverein lieh Burkhard eine Summe, für die er das
nötigste Handwerkszeug anschaffen und sich wieder selbständig machen
konnte. Anfangs mußte sich's der Meister freilich sauer genug werden
lassen und am roten Heller sparen; denn der Vorschußverein hatte sich
5 o/o Zinsen ausbedungen und er erlangte, daß vom zweiten Jahre an
das Kapital in Teilbeträgen zurückerstattet werde. Daneben mußte Burk-
hard die Lebensversicherungsbeiträge erschwingen. Aber es fehlte auch
nicht am Gelingen, und als er die letzte Rate forttrug, begleitete ihn
Freund Schulten, damit er ein zweites Darlehen nehmen und an einer
belebten Straße einen Laden einrichten könnte. Nun kam Burkhard rasch
0
1912 -
Essen Berlin
: Bachmann Baedeker
- Hrsg.: ,, Heinecke, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Gewerbliche Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
440
Vom Sparen.
Vermehrung der Einlagen um 451 tttul.; dann kam 1909 mit 764 Tttill.
allein für die preußischen Sparkassen, für ganz Deutschland betrug die
Zunahme in demselben Jahre 1100 Mill. Die Zahl der Sparkassenbücher
vermehrte sich in Preußen im Jahre 1909 um eine halbe Mill. Ls kamen
in Preußen auf je 100 Einwohner 1909: 31 Sparkassenbücher 1908: 30,
1-900: 25, 1895 nur 21 7». Daß aber diese Hunderte von Millionen sich
hauptsächlich aus kleinen Beträgen zusammensetzen, zeigt folgende
Aufstellung: von den 1272 Mill. Sparkassenbüchern in Preußen haben
372 Mill. (28°/o) höchstens 60 Mk. an Spareinlagen; 13°/o zwischen 60
und 150 Mk. Die Hälfte aller Sparer hat unter 300 Mk. Ersparnisse.
Bücher mit „großen" Spareinlagen (über 3000 Mk.) zählt man 736000,
noch nicht 6 vom hundert. Im Jahre 1909 entfielen auf die kleinen Konten
(unter 600 Mk.) 8488000 Sparkassenbücher mit 1357 Mill. Mark Einlagen,
auf die mittleren Konten (600—3000 Mk ) 3138000 Bücher mit 4172 Mill.,
aus die großen Konten (über 3000 Mk.) 736000 Bücher mit 4807 Mill.
Zahlen auch die Sparkassen den Sparern den mäßigen Zinsfuß von 30/0
oder etwas darüber, so liegt es doch auf der Hand, daß bei solch unge-
heuren Kapitalien auch die Zinsen in die Millionen gehen, durch die sich
dann gleicherweise das privateinkommen und damit das Volkseinkommen
erhöht (s. Nr. 186). woher nehmen denn aber die Sparkassen diese be-
trächtlichen Zinssummen? Nun, sie müssen die eingenommenen Spargelder
eben auch zinsbar anlegen, und zwar hauptsächlich in Hypotheken. Bus
diesem Wege waren Ende 1909 nicht weniger als 6,4 Milliarden unter-
gebracht. Buch aus Wertpapieren, Beteiligung an sicheren und gewinn-
reichen Unternehmungen ziehen die Sparkassen ihre Einnahmen, die im
ganzen sich beträchtlich höher stellen, als die Zinszahlung an die Sparer.
So nutzt also die Sparkasse die sauer erworbenen Notgroschen für ihren
Vorteil aus? Saft könnte es so scheinen. Doch gemach! Ls ist eine all-
gemeine Erscheinung: je höher der Zinsgewinn, desto unsicherer ist die
Kapitalanlage und umgekehrt. Bn Hypotheken und Wertpapieren kann
man ebensogut Geld einbüßen, wie gewinnen. Zwangsversteigerungen
und Kursverluste nagen an den Einnahmen der Sparkassen, und wenn
aus irgendwelchen Gründen — und deren kann es eine ganze Menge
geben — viele Sparer zu gleicher Zeit ihr Geld zurückverlangen, so
müssen die Sparkassen zahlungsfähig sein. Deshalb haben sie für sogenannte
„Neservefonds" Sorge getragen, die im Jahre 1909 die ansehnliche Summe
von 600 Mill. erreichten. Ferner ist zu bedenken, daß die Einrichtung der
Sparkassen, Bäume, Möbel und Geräte, und vor allem die Gehälter der
Beamten auch Geld kosten, woher soll's genommen werden, wenn nicht
aus der Mehreinahme von Zinsen (s. Nr. 207). wer sich aber damit noch
nicht zufrieden geben, sondern mürrisch einen höheren Zinsanteil verlangen
wollte, der lasse sich's gesagt sein, daß er mit seinen eigenen, verhältnis-
mäßig doch geringen Spargeldern mehr Zinsen als ihm die Sparkasse
gewährt nicht erzielen kann, es sei denn aus Kosten der sicheren Bnlage;
die Sparkasse aber macht aus vielen wenig ein viel, mit dem sie ganz
anders wuchern kann als der einzelne mit seinem bescheidenen Bnteil, und
ein Verlust wirst sie auch nicht so leicht um, wie den „kleinen Mann",
den jeder Busfall wirtschaftlich empfindlich zurückbringt. Endlich ist auch
hier dafür gesorgt, daß „die Bäume nicht in den Himmel wachsen." Die
Sparkassen werden nämlich meistens von den bürgerlichen Gemeinden oder