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1. Für Ober-Sekunda und Prima - S. 114

1911 - Leipzig : Dürr
114 Prosaheft Vii. sehen, so werden wir durch den Dichter selbst auf die damals üppig entwickelte Literatur unseres westlichen Nachbarlandes, aus Frankreich, geführt. Frankreich, in dem das Rittertum zuerst sich entfaltet hatte, entwickelte auch am frühesten die Blüte mittelalterlicher Kunstdichtung. Durch den häufigen Verkehr der Nationen, der eine Folge der Kreuzzüge war, wurde diese Literatur auch in Deutschland bekannt und verbreitet. Es ist ein alter Zug des germanischen Wesens, dem fremdländischen nur zu leicht sich anzuschließen. Die germanischen Völker haben, als sie romanisches Gebiet einnahmen, sehr rasch ihre eigene Sprache auf- gegeben und die der Besiegten angenommen. Freilich war es zunächst nur das Abstreifeu eines Gewandes, das Anlegen eines fremden Kleides, aber doch im Laufe der Jahrhunderte nicht ohne Einfluß auf die Denkart. Diese Nachgiebigkeit des deutschen Geistes, und nicht allein dem französischen gegenüber, zeigt auch die Entwickelung unserer Literatur. Es hat wenig Epochen gegeben, in denen der deutsche Genius ganz sich selbst folgend sich entfaltet hat. Bis ins zwölfte Jahrhundert hat die deutsche Poesie, wenn wir von der durch das Christentum vermittelten antiken Welt absehen, sich frei von ausländischem Einflüsse gehalten: die nationale Sage, auf alten Traditionen beruhend und durch neue Stoffe wechselnd und sich erweiternd, bildet den Grundstock der, wenn auch nicht geschriebenen, so doch gesungenen Poesie. Die französische Literatur unterbrach und durchbrach diese gesunde und natürliche Entwickelung; nicht zum Vorteil unserer Dichtung, denn weder waren die Dichterstoffe, die aus Frankreich eindrangen, großartig und bedeutend, noch war ihre dichterische Gestaltung von schöpferischer und belebender Wirkung. Hier aber zeigt sich recht neben der Schattenseite, die in der leichten Aneignung des Fremden vorliegt, die Glanzseite des deutschen Geistes, seine ungleich tiefere, wir möchten sagen philosophische Anlage, die den rohen Stoff zum Gefäße tiefer und bedeutender Gedanken macht. Den fremden Dichtungen verstanden, wie Wilhelm Grimm es schön ausdrückt, unsere Dichter die deutsche Seele einzuhauchen, sie verstanden sie umzu- bilden und zu vergeistigen, die, Charaktere zu vertiefen, selbst die Platt- heiten, so gut es ging, zu heben und zu beseitigen. Auch die Franzosen sind nicht die Erfinder jener Stoffe, die aus Frankreich nach Deutschland verpflanzt wurden: die eigentliche Heimat jener Erzählungen ist die Bretagne, sie gehören dem keltischen Volks- stamme an, dessen Reste auf den britischen Inseln fortlebten und von denen ein Teil nach der Bretagne zurückgewandert war. Es sind keltische Märchen und Sagen, die aus der Bretagne nach Frankreich kamen und hier von französischen Dichtern die Gestaltung erhielten, in welcher sie Deutschland überkam.

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1. Deutsche Dichtung in der Neuzeit - S. 25

1916 - Trier : Lintz
25 Zweiter Abschnitt. Deutsche Dichtung vom Beginn des 17. bis um Hie Mitte des 18. Jahrhunderts. 1b24—1748. (Zeit der Nachahmung; die volkstümliche Poesie verwandelt sich in eine gelehrt- klassische. Poetische Form (Alexandriner) und Inhalt lehnen sich nicht an die klassische Poesie selbst, sondern an ihre gekünstelte Nachahmung durch ausländische Dichter. Un- wahrheit und Unnatur kennzeichnen die meisten dichterischen Erzeugnisse dieser Zeit; nur Vas Kirchenlied bewahrt noch Wahrheit und Einfachheit. Erst gegen Beginn des 18. Jahrhunderts gestalten sich die Verhältnisse freundlicher nach dem Erwachen einer literarischen Kritik.) 1. Die trostlosen politischen Verhältnisse zu Anfang des 17. Jahrhunderts und vollends der Dreißigjährige Krieg mit der neben ihm belaufenden Ver- wilderung der Sitten konnten nur den ungünstigsten Einfluß auf die Entwicklung der deutschen Literatur ausüben. Die Teilnahme des Volkes an der Literatur verschwand gänzlich; der größte Teil der Gelehrten hatte sich seit der Wieder- belebung des klassischen Altertums der lateinischen Sprache bedient, und seitdem Frankreichs Einfluß auf die Geistes- und Kulturzustände Deutschlands mächtig wurde, singen die Gebildeten an französisch zu schreiben und zu sprechen. Man kam allmählich zu der Überzeugung, daß die deutsche Poesie hinter der der anderen Völker zurückgeblieben sei; um ihr aufzuhelfen, ahmte man die fremden Muster nach und gab so der Poesie den Charakter schulmäßiger Nach- ahmung und künstlicher Einübung des Fremden. Die Dichter setzten ihren Ruhm in die formale Behandlung der Sprache und des Verses, selten in die Wahrheit der Stimmung und die lebendige Durchdringung des Stoffes. Trotz- dem treten einzelne Dichter hervor, die mehr Selbständigkeit in ihren Werken zeigen und größere Beachtung verdienen. 2. Gleich zu Beginn dieses Zeitraums begegnen wir einigen wohlgemeinten Versuchen, der Sprachverderbnis entgegenzuwirken. Zu diesem Zwecke wurden mehrere Sprachgesellschaften gestiftet nach dem Muster der italienischen Akademien. Die wichtigsten sind: 1. Die fruchtbringende Gesellschaft oder der Palmenorden, gestiftet 1617 auf Schloß Hornstein in Anhalt von mehreren Fürsten und Edelleuten. Den Hauptzweck der Gesellschaft bestimmten die Gründer dahin, daß die „hochgeehrte deutsche Muttersprache in ihrem gründlichen Wesen und rechten Verstand ohne Einmischung fremder ausländischer Flickwörter im Reden, Schreiben, Gedichten aufs allerzierlichste erhalten und ausgeübt werden sollte." 2. Die deutsch-gesinnte Genossenschaft, gestiftet 1643 in Hamburg durch Philipp von Zesen, der sich durch seine Berdeutschungssucht bei seinen Zeitgenossen lächerlich machtez. 3. Die Ge- *) *) Pallas sollte Kluginne, Venus Lustinne, Jupiter Erzgott, Vulkan Glutfaug heißen; für Fenster sagte er Tageleuchter, für Kabinett Beizimmer u. dgl. Doch hat Zesen auch manche Neubildungen geschaffen, die noch heute gelten, z. B. Abstand, Außen- werk, Einwand, Gesichtskreis, Heerschau, Schaubühue, Urbild, Vollmacht, Wortgepränge.

2. Für Ober-Sekunda und Prima - S. 115

1911 - Leipzig : Dürr
K. Bartsch, Der Parzival des Wolfram von Eschenbach als psycholog. Epos. 115 Ein Dichter ragt in Frankreich durch Fruchtbarkeit und Vielseitig- keit hervor: Crestien de Troyes, der fast alle bedeutenden Stoffe dieses Sagenkreises behandelte und dessen Gedichte den Hauptstoff der Nach- ahmung für die deutschen Dichter boten. Crestien verdient das Lob eines verständigen und gefälligen Dichters, der aus der Menge der von ungeheuerlicher Phantasie strotzenden keltischen Sagen- und Märchen- überlieferung mit Geschmack und Besonnenheit ausschied und das Aus- geschiedene in klarer und glatter Weise darstellte. Aber ein bedeutender dichterischer Geist war er so wenig wie ein anderer seiner französischen Zeitgenossen. Seine Dichtung von Parzival ist uns erhalten und damit die eine der Quellen, auf welchen Wolframs Parzival nach des Dichters eigener Aussage ruht. Die andere, auf die sich Wolfram beruft, die Dichtung des Provenzalen Guiot scheint verloren, und doch wäre gerade sie für die Beurteilung des deutschen Dichters die wichtigere, da Wolfram deutlich zu verstehen gibt, daß er mehr Guiot als Crestien gefolgt sei. Solange diese zweite Quelle uns unzugänglich ist, bleibt unent- schieden, wieviel der deutsche Dichter von seinem Eigenen hinzutat und wieviel er nicht nur stofflich, sondern auch in den Ideen vorgebildet und vorgearbeitet fand. Indeß, wir kennen nachgerade genug Belege von dem Verhältnis französischer Quellen und deutscher Bearbeiter, um auch ohne im Besitz von Guiots Werken zu sein, nach Analogie ziemlich sicher urteilen zu können. Überall ist es nur das Stoffliche, das mit großer, beinahe zu großer Gewissenhaftigkeit die deutschen Dichter befolgen, während sie die sittlichen Gedanken je nach Maßgabe ihrer Kraft hineinlegen. Wie sollte es nun anders, ja nicht in viel höherem Maße der Fall sein bei einem Dichter, der an sittlicher Hoheit und Würde seine Zeitgenossen überragt, der Gedanken an die Spitze seines Werkes stellt, wie sie der schon damals sehr frivolen französischen Poesie nur allzufern lagen. Wahrlich, wenn der Provenzale Guiot unserem Wolfram nicht nur den Stoff bot, sondern auch die leitenden und sittlichen Gedanken, dann war er ein Phänomen unter seinen Landsleuten — und dann ließe es sich allerdings zur Not erklären, daß er ganz unverstanden blieb, daß sein Werk spurlos untergehen konnte, weil er in einsamer Größe so weit seine Nation überragte. Allein die Unwahrscheinlichkeit einer solchen Annahme liegt auf der Hand, wenn wir den Geist der französischen, wie provenzalischen Dichtung im zwölften Jahrhundert betrachten. Die Gestalt, in welcher Wolfram bei Guiot und Crestien den Stoff vorbereitet fand, ist schon keine einfache mehr, sondern durch ver- schiedene Stufen der Entwickelung hindurchgegangen. Den Mittelpunkt

3. Geschichte der neueren und neuesten Zeit - S. 459

1858 - Weimar : Böhlau
459 und politischen Schwärmerei, welche sich bei Klopstock riuch in seiner begeisterten Begrüßung der französischen Revolution kund gab. Ein großes Verdienst Klopstocks ist es, daß durch ihn zuerst die Maße und Formen des klassischen Alterchums für die deutsche Poesie gewonnen und in ihnen deutscher Geist und deutsche Stoffe dargestellt wurden. Länger als zwei Jahrhunderte war die Literatur der Griechen und Römer in Deutschland Gegenstand des eifrigsten Studiums gewe- sen, aber noch herrschte in Deutschland völlige Bewußtlosigkeit von dem inneren Werthe jener großen antiken Dichtungen. Man mißhandelte jene edlen Erzeugnisse deß römischen und griechischen Geistes als bloße Phraseologien und brachte nur hölzerne, geistesleere Nachahmungen des Antiken zu Markte. Man blieb Jahrhunderte lang aus dem Standpunkte des unmündigen, sich plagenden Schülers stehen, bis endlich mit Klop- stock die lange Schulzeit vorüber war, und das durch so lange Uebun- gen Erlernte, in Saft und Blut Verwandelte als freies Eigenthum des frei gewordenen Geistes an das Licht trat. Die Deutschen sind, wie kein anderes Volk, hinausgekommen über die bloß handwerksmäßige Be- schäftigung mit den Alten; die Maße und die Formen der Alten sind die unsrigen, ihre Anschauung ist unsere Anschauung, ihre Gedanken unsere Gedanken. Alles dieses beginnt mit Klopstock in Entwickelung und Blüthe zu treten. Er hat der deutschen Poesie die Versmaße der Alten gegeben, deren Nachahmung so oft versucht, aber niemals gelun- gen war. Durch die antiken reimlosen Verse hat uns Klopstock von dem handwerksmäßigen Klingeln mit Reimen, von dem todten Forma- lismus, in welchen unsere Poesie versunken war, frei gemacht, und uns die Richtung auf große Gedanken, als das den Vers Erfüllende und die Dichtung Erzeugende, auf eine edle, erhabene und wahrhaft dichterische Sprache gegeben. In der Messiade besingt Klopstock die Erlösung des Menschen durch Christus. Auf dieses religiöse Epos in zwanzig Gesängen gründet sich vorzüglich Klopstock's Ruhm, dasselbe ist in fast alle europäischen Sprachen übersetzt und vielfach erklärt und beurtheilt worden. Der hohe Werth des Gedichtes liegt in den lyrischen Partien; als Epos ist daß Gedicht vielfach getadelt worden. „Die Messiade, sagt Schiller, ist mir als ein Schatz elegischer Gefühle und identischer Schilderungen theuer, wie wenig sie mich auch als Darstellung einer Handlung und als epi- sches Werk befriedigt." Die Passionsgeschichte ist nicht geeignet zur epi- lcheir Behandlung, da sie für die Gestaltung wahrer Charaktere und die Schilderung wechselnder Handlungen wenig Stoff bietet und überdies als geheiligte Ueberlieferung dem freien Schaffen der Phantasie unüber- steigliche Schranken setzt. Die eigenthümliche Klassicität Klopstocks liegt in seinen Oden. Der lyrische Schwung, der in der erzählenden Dichtung ermüdet, ent- faltet sich hier zu einem majestätischen Fluge. In den Oden haben wir das vollständige Abbild von der Dichterpersönlichkeit Klopstock's; sie finb nicht nur der Ausdruck seiner tiefen religiösen Gefühle, sondern er feiert in denselben auch die Freundschaft, die Liebe und das Vaterland, und beglei- tet mit diesen Accorden sein ganzes langes Leben, so daß wir in den Oden Zeugnisse seiner frühesten wie seiner spätesten Productivität haben. Klopstock hat auch eine Reihe älterer Kirchenlieder umgestaltet und eigene

4. Geschichte des Mittelalters - S. 463

1854 - Weimar : Böhlau
463 zu ihnen. Die Franzosen eigneten sich wohl die Formen der pro- venzalischen Poesie an, sie besaßen aber nicht das warme Gefühl und die glühende Phantasie der provenzalischen Troubadours; in ihren besten Gesängen läßt ein kalter Ton die Nachahmung empfin- den. Der berühmteste lyrische Dichter dieser Zeit ist Thibaut, König von Navarra. Während Romane, Chansons und andere Gedichte in großer Zahl in französischer Sprache verfaßt wurden, bediente man sich doch in der Wissenschaft, auf der Kanzel und im Gerichtssaale der lateinischen Sprache. Man betrachtete die volksthümliche Prosa nur als ein Mittel, sich im Umgänge des Privatlebens verständlich zu machen. Die Entwickelung der französischen Sprache ist aber der der anderen Sprachen lateinischen Ursprungs vorangegangen. Der klare Verstand, die gesellige Gewandtheit und vielleicht auch die Leichtfertigkeit der Franzosen haben sie frühzeitig von dem Uebergewicht befreit, welches ein überliefertes und dem Leben fremdes Wissen in der Bildung aller anderen neueren Völker lange behauptet hat. Wilhelm der Eroberer drang die französische Sprache den Rechtsgelehrten und selbst der Geistlichkeit Englands auf, und im 13. Jahrhundert sprach man sie an allen Höfen. Die französische Prosa stand bereits im 13. Jahrhundert unter dem Ein- flüsse des Lebens und nicht der Schule. Die ersten französischen Prosaiker, die einen ehrenvollen Platz in der Literatur behaupten, sind nicht in Klöster eingeschlossene Gelehrte, es sind Ritter und Staatsmänner, welche schreiben was sie während eines bewegten Lebens gesehen, gefühlt und gethan haben. Die ersten Meisterwerke der französischen Prosa sind Memoiren, d. h. historische Erzäh- lungen, welche die Ereignisse so darstellen, wie der Verfasser sie gesehen hat, ohne auf gelehrte Genauigkeit Anspruch zu machen. Zwei Werke dieser Art aus dem 13. Jahrhundert geben uns ein treueres Bild von dem Leben der Zeit als alle lateinischen Chroni- ken. Das erste dieser Werke ist die Chronik von der Eroberung von Constantinopel von Geoffrey de Villehardouin, das andere die Geschichte Ludwig's Ix. von des» Lire de Jomville. Bei dem allgemeinen Aufschwung erhob sich auch der deutsche Adel zu feinerer Sitten- und Geistesbildung. Während im 11. Jahrhundert deutscher Gesang nur unterm niederen Volke, in den Klöstern nur deutsche Prosa und lateinische Dichtung und selbst am Hofe nur letztere zu finden war, ließ sich im 12. Jahrhundert an den Höfen und in Klöstern deutsche Dichtung vernehmen. Die Geistlichkeit nahm einen größeren, der Adel einen neuen Antheil an der deutschen Literatur. Die Vorliebe für den Reim bewirkte die Ausbildung desselben zur Form der Poesie und das Zurücktreten der Prosa. Zu dem bisher allein üblichen Singen kam nun auch ein davon verschiedenes Sagen, ein bloßes Lesen der Gedichte. Die Geistlichen trugen einander und den Laien Stoffe der ihnen zunächst angemessenen Gattung vor, religiös und sittlich belehrende und ge- lehrt erzählende nach lateinischen Duellen, bis sie und noch mehr die Ritter nach französischen Epopöen griffen und diese in deutscher Sprache nachahmten. Es waren das keine Lieder mehr, sondern Die deutsche Literatur.

5. Bd. 1 - S. 763

1883 - Leipzig : Engelmann
§. 423. Die Uehermacht der Kirche im Zeitalter der Kreuzzüge. 763 4. Cultur und Bildungsftaud im dreizehnten Jahrhundert. A) Poesie und Kunstbildung. §. 423. Wie die Institutionen der Kirche, des Feudalwesens, der Ritterschaft in dem französisch-normannischen Volksstamme ihre hauptsächlichsten Träger gefunden und von dort aus die Kreuzzüge ihren Ausgang genommen haben; so ist auch für die Art der Dichtung, welche sich an die Vorstellungen und Jdeen-kreise der Wirklichkeit anlehnte, und als die romantische bezeichnet zu werden pflegt, im westlichen Europa, im provenyalischen Süden und im französisch-nor-mannisch-bretagnischen Norden die eigentliche Heimath zu suchen. Die religiöse Poesie, die, im Anfang unserer- Periode dort wie in Deutschland von Geistlichen gepflegt, die dichterische Thätigkeit fast ausschließlich in Anspruch nahm, trat unter dem Einflüsse der treibenden Zeitideen bald in den Hintergrund: die Dichter mußten entweder die Interessen und Vorstellungen, welche das lebende Geschlecht fesselten, in ihren Kreis ziehen und den weltlichen Stoffen eine religiöse Unterlage geben, oder sie mußten den fremden Sagen- und Phantasiegebilden den Platz räumen. So kam es, daß man zunächst die in der Volkstradition erhaltenen Heldensagen aus Karls des Großen Zeiten im Sinne der herrschenden Anschauungen bearbeitete, indem man bald die Conflicte des königlichen Herrschers und seiner getreuen Paladine gegen eine trotzige Lehnsaristokratie poetisch gestaltete und großartige Heldencharaktere sich entwickeln ließ, bald seinen Kampf gegen die Ungläubigen, die Sachsen wie die Saracenen, im Geiste der Kreuzzüge darstellte. Als aber das verfeinerte Ritterthum und der Frauendienst in den Vordergrund traten und das gesellschaftliche Leben der adeligen Kreise zu beherrschen anfingen, verlor sich der Geschmack für die derben, in naturwüchsiger Kraft und altgläubiger Frömmigkeit auftretenden Heldengestalten aus einer fremdartigen Vergangenheit; die Ritter und Frauen sehnten sich nach einer Unterhaltung, die mehr ihren Sitten und Neigungen entsprach; sie wollten von Personen und Verhältnissen hören, in denen sich ihr eigenes Dasein, die „höfische" Bildung der Zeit, abspiegelte, deren Thaten und Schicksale, deren Bestrebungen und Lebensziele mit ihren eigenen Interessen und Seelenrichtungen, mit ihren eigenen Anliegen und Erlebnissen in Beziehung und Uebereinstimmung standen. Einen solchen Boden fand die Dichtkunst in den Sagengebilden eines halberstorbenen Volksstammes, der, seit Jahrhunderten aus dem öffentlichen Leben ausgeschieden, ein stilles, wenig beachtetes Dasein verbracht hatte, bis er in der zweiten Hälfte des elften Jahrhunderts durch ein großes weltgeschichtliches Ereigniß wieder aus der Verborgenheit hervortrat. Es waren dies die Sagen von Arthur und seiner Tafelrunde, die bei den keltischen Volksresten der Altbriten in Wales, Cornwallis und Bretagne sich von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt hatten und durch den Eroberungszug des Normannenherzogs Wilhelm (§. 338), an dem sich viele Ritter aus der Bretagne betheiligten, einen neuen Impuls erhielten und die Aufmerksamkeit anderer Nationen erweckten. So wenig auch diese wunderlichen Sagen von Irrfahrten und Abenteuern, von Kämpfen und Schlachten ohne geschichtliche Unterlage, ohne Plan und Ziel den Anforderungen der Poesie genügen konnten, in ihrer losen Gestalt, in ihrer 1. Poesie. Die Äa v,2 jagt. Die bre» tonischfränkischen Saneri-kreise.

6. Bayerische Geschichte für Mittelschulen - S. 124

1893 - München : Pohl
124 Um die Mitte des 15. Jahrhunderts drang aus Italien eine neue Kunstrichtung ein, die Renaissance". Sie wurde der Kunststil der neueren Zeit und blieb es in Deutschland, bis mit ihrer Ausartung (Sptrenaissance oder Barockstil, Rokoko oder Zopsstil) die Kunst berhaupt ganz in Verfall geriet. Das Charakteristische der Renaissance besteht in der Rckkehr zur antiken, zunchst altrmischen Kunst mit teilweiser Verschmelzung und Anwendung gotischer Formen. Maler, Bildhauer und Bau-meister gingen nun nach Italien, die neue Kunst und die Kunst ber-Haupt bei den groen Meistern in Rom, Florenz, Mailand, Venedig 2e. zu studieren. Sprache und Literatur, Wissenschaft und Bildung. Die Zeit von 1150 1525 umschliet die zweite Entwickelnngsstuse der deutschen Sprache und Literatur: die Periode des Mittelhochdeutschen. Infolge der Begnstigung, welche der Poesie durch die hohen-staufischen Kaiser zu teil ward, gewann die a l am an nis ch e oder schwbische Mundart so an Bedeutung und Einflu, da sie zur Grundlage fr die nun zur allgemeinen Geltung gelangende Umgangs-und Literatursprache: das Mittelhochdeutsche, wurde. Da dieses zunchst an den Hfen Eingang und Pflege fand, nannte man es auch hfische Sprache". Doch auch die bayerische Mundart hatte aus die Aus-bildung einer allgemeinen deutschen Schriftsprache einen Einflu von entscheidender Bedeutung, und zwar durch die vielen, während der langjhrigen Regierung Kaiser Ludwigs des Bayern in deutscher Sprache erlassenen Urkunden. In der Bltezeit des Mittelhochdeutschen, welche zugleich auch von 11501300 die erste Blteepoche unserer Nationalliteratr ist, nahm die Poesie, die Trgerin der sprachlichen Entwickelung in Deutschland eine zweifache, verschiedene Richtung, die man als Kunst-und Volkspoesie bezeichnet. Durch den Verkehr der deutscheu Ritterschaft in den Kreuzzgen mit der romanischen, besonders franzsischen, lernte jene die Sagen-kreise der letztern kennen und nahm deren Art und Pflege der Dichtung zum Vorbilde. So wurde die deutsche Dichtkunst zunchst zu einer ritterlichen oder h fis ch e n K n n st. Da sie vorzugsweise in den Hnden adeliger Dichter lag, so unterschied sie sich durch Stoff und uere Form von der lteren, einheimischen Volkspoesie. Den Stoff der epischen Kunst Poesie bildeten hauptschlich der frnkische und bretouisch-keltische Sagenkreis. Der Minnesang, die hfische Lyrik, hatte neben politischen und religisen Stoffen Ver-ehrnng und Huldigung der Frauen zum Hauptgegenstande. Die bedeutendsten hfischen Dichter waren: Heinrich von Veldeke (Eneit), Hartmauu von der Aue (Jwein mit dem Lwen), Gottfried von Stra brg (Tristan und Isolde) und Wolfram von Esllicnbach, der grte mittelalterliche Epiker (Parzival). Unter den Minnesngern, deren uns der 150 bekannt sind, nimmt Walther von der Vogelweide (ein Zeitgenosse Philipps von

7. Fünfzehn Jahrhunderte - S. 308

1855 - Freiburg im Breisgau : Herder
308 Die Kreuzzüge und der Osten im zwölften Jahrhundert 13. Das Nitterthum hat sich mit allen seinen Eigentümlichkeiten auch in einer ans seiner Mitte hervorgegangenen Dichtung abgespiegelt. Eine den alten Germanen schon eigene Neigung, Thaten der Helden in Liedern zu feiern, war den Eroberern der römischen Provinzen in ihre neue Heimath gefolgt, aber erst die allmälige Entwicklung der Landessprachen gestattete eine kunstmäßige Gestaltung der Dichtung und machte die Entstehung besonderer Literaturen möglich, welche lange Zeit sich auf die Dichtung beschränkten, während die lateinische Sprache für das romanische und germanische Europa die allgemeine Sprache der Wissenschaft blieb. Am frühesten war dies der Fall auf dem Gebiete der provenyalischen Sprache, das außer der südlichen Hälfte von Frank- reich auch das mit der eigentlichen Provence und andern südfranzösischen Landschaften durch dynastische Verbindungen zusammenhängende nordöst- liche Spanien umfaßte. Hier waren schon im Anfänge des zwölften Jahr- hunderts Dichtung und Musik die Würze geselliger Unterhaltung an den Höfen, und zu den dortigen Dichtern, die man Troubadours oder Erfinder nannte, gehörten viele der angesehensten Herren des Landes. Hier wurden in Liedern Ritterthum und Frauenliebe gefeiert und Wünsche und Aufforderungen in Bezug auf das Leben der Zeit, Theilnahme und Freude, Unwillen und Rüge aus Anlaß gleichzeitiger Begebenheiten ausgesprochen. Neben dieser lyrischen Dichtung des Nitterthums, die im Süden Frankreichs ihren Ursprung hat, entwickelte sich in Nord- frankreich und England eine ritterliche Epik, die theils an Karl den Großen und an Artus, einen Fürsten der durch die Sachsen in den Westen Englands zurückgedrängten Britten, Erzählungen, wie sie dem Sinne der Zeit entsprachen, anknüpfte, theils Helden, die aus der lateinischen Literatur bekannt waren, wie Aeneas und Alexander den Großen, zu Helden im Sinne der Gegenwart umgestaltete. Hierzu kam als ein Stoff, durch dessen Behandlung wenigstens in sinnbildlicher Weise das Ritterthum sich in seiner religiösen Bedeutung zeigen ließ, die Sage von dem heiligen Grale oder der von dem Heilande bei dem Abendmahle gebrauchten Schale, um deren Besitz, weil daran der höchste Segen sich knüpfte, Ritter sich mit größter Beharrlichkeit bemühten. Die ritterliche Dichtung, die von Rittern gepflegt wurde und das ritter- liche Leben der Zeit spiegelte, verpflanzte sich in dem durch die Kreuz- züge vermittelten Verkehr aus Frankreich nach Deutschland und trat hier im Laufe des zwölften Jahrhunderts allmälig an die Stelle einer von Geistlichen gepflegten, auch ihrem Inhalte nach geistlichen Dichtung, welche mit der Erzählung der heiligen Geschichte und der Erörterung christlicher Lehre die deutsche Sprache seit Ludwigs des Frommen Zeiten erzogen hatte. Auf die Belebung der ritterlichen Dichtung hatten die Kreuzzüge den hauptsächlichsten Einfluß, da den Kreuzfahrern sich im

8. Geschichte des Mittelalters - S. 97

1892 - München [u.a.] : Franz
Blüte der deutschen Dichtung des Mittelalters. 97 Rundbogenstil der sächsischen und fränkischen Kaiserzeit verließ und zum kühneren und freieren Spitzbogenstil, dem „gotischen", überging, der sich iu Nordfraukreich zuerst und am Rhein am schönsten entwickelte. 9. Während dieser neue Baustil vornehmlich in den Städten, also beim erstarkenden Bürgertum, Pflege fand, widmete sich der Adel einer anderen Kunst, der Poesie. * Blüte der deutschen Dichtung im Mittelalter. Die deutsche Literatur erreichte um 1200 ihre erste Blütenperiode. Die epischen Dichtungen jener Zeit behandelten entweder nationale oder fremde Sagenstoffe. Die letzteren drangen besonders aus Frankreich zu uns und gehören meist in den Sagenkreis vom König Artus oder iu den vom heiligen Gral. Der erstere bildete sich nm keltische Sagen, die Artus, den mythischen National-helden der Britannen im Kampfe gegen die Angelsachsen, verherrlichten, durch die Bretonen nach Frankreich wanderten und dort in dem Sinne umgebildet wurden, daß Artus als das leuchtende Muster und Vorbild des mittelalterlichen Rittertums erscheint. — Während die Artus sage keltischen Ursprungs ist, stamml die Gralsage aus Spanien. Unter dem Hl. Gral dachte man sich eine kostbare Schüssel, welcher sich Christus beim Abendmahl bedient, zu deren Schutz ein Königssohn von Anjou eine herrliche Burg (etwa in den spanischen Pyrenäen) erbaut und den Ritterorden der Templeisen gestiftet haben soll. Eine Verschmelzung dieser beiden Sagenkreise zeigt das Epos „Parzival", das Wolfram von Eschenbach um 1212 dichtete. Während dessen Sprache kraftvoll, aber wegen ihrer tiefsinnigen Andeutungen auch schwer verständlich ist, entfaltete das Mittelhochdeutsche in dem Epos „Tristan" des Dichters Gottfried von Straßburg den höchsten Wohllaut der Sprache und des Versbaues. — Neben diesen aus der Fremde stammenden Stoffen erlebte aber auch die nationale Sage ihre herrlichste Entfaltung in den beiden Volksepen, dem Nibelungenlied und dem Liede von Gudrun. In dem letzteren sind Überlieferungen aus den Kämpfen der Nordseegermanen zu einem Epos verschmolzen, während das Nibelungenlied den großartigsten Nachklang an die Landfahrten der Germanen enthält, die sich an der großen Völkerwanderung beteiligten. In Etzel ist die Erinnerung an Attila, in Dietrich von Bern das Gedächtnis Theodorichs d. Gr., in Günther das Andenken eines Burgunderkönigs Gundahar erhalten. Aber auch mythologische Elemente birgt das Nibelungenlied, wie die Tarnkappe, den Drachen u. v. a. Artussage. Gralsage. Wolfram von Eschenbach. Gottfried von Straßburg. Gndrunlied. Nibelungen- lied.

9. Deutsche Dichtung in der Neuzeit - S. 90

1916 - Trier : Lintz
90 Dritter Abschnitt. Deutsche Dichtung von Her Mitte Hes 18. Jahrhunderts bis zu Goethes Tode. 1748—1832. (Die Zeit der klassischen Vollendung der deutschen Poesie. Nachdem die Herrschaft des Französischen gebrochen und durch die neu erschlossene Kenntnis des Altertums der Dichtung neue Wege gewiesen sind, Rückkehr zur nationalen Dichtung. Entwicklung, Mittelstufen und Höhepunkt bezeichnen: Klopstock und Wieland, Lessing und Herder, Goethe und Schiller.) 1. Die deutsche Literatur hat eine eigenartige Erscheinung aufzuweisen: Sie ist zweimal zur höchsten Vollendung emporgewachsen, hat zweimal in dem Glanze der Jugendblüte gestrahlt. Das erstemal von 1100 —1300; die zweite Blütezeit hob an mit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Nachdem der Einfluß des Französischen, durch des großen Friedrich Siege mit dem Schwerte, durch Lessings Kritik mit der Feder, gebrochen war, wurde auf dem Wege des in seiner wahren Bedeutung neu erschlossenen Altertums auch die Rückkehr zur nationalen Dichtung gefunden. Die Dichter behandelten nicht mehr sklavisch der Fremde entlehnte Stoffe, spielten nicht mehr mit angelernten Gefühlen und Empfindungen; sie sangen von dem Höchsten und Herrlichsten, was das Menschenherz bewegt, und über der Bildung ihres Volkes stehend, wurden sie seine Lehrer und Erzieher. Drei Dichterpaare sind es, welche die Entwicklung, die Mittelstufen und den Höhepunkt dieser zweiten Blüteperiode unserer Lite- ratur kennzeichnen: Klopstock und Wieland, Lessing und Herder, Goethe und Schiller. 2. Der Höhepunkt liegt um die Wende der beiden Jahrhunderte und fällt in die Zeit des hinsterbenden deutschen Reiches. Während sonst die Kunst nur nach einer Zeit gewaltiger Regungen auf politischem Gebiete ihre Blüten treibt, sollte jetzt gerade die Dichtkunst Deutschlands politische Wiedergeburt mit vorbereiten helfen. 3. Klopstock (1724—1803) und Wieland (1733—1813) gingen noch unmittelbar aus den literarischen Kämpfen der vorigen Periode hervor, Klopstock im Anschluß an die ausmalende religiöse Poesie der Engländer, Wieland im Anschluß an die sinnlich leichte Poesie der Franzosen. Klopftocks „Messias" (1748 die drei ersten Gesänge) war die erste nationale Dichtung; durch den tiefreligiösen Sinn, dem es entstammte, durch die Großartigkeit der Schilderung und den sittlichen Ernst, der das Ganze erfüllt, übte dieses Werk eine unermeßliche Wirkung auf die Nation. In Klopstocks „Oden" erklangen zum ersten Male wieder aus der Tiefe eines reichen Gemütes die Töne er- habener, frommer Begeisterung, inniger Freundschaft und Liebe und eines hinreißend starken Baterlandsgefühles. — Wielands Werke sind niemals recht zum geistigen Eigentum des deutschen Volkes geworden; auch fallen seine besseren Schöpfungen, „Die Abderiten" (1774) und der „Oberon" (1780), bereits in eine Zeit, wo der Genius der deutschen Dichtkunst Männern wie Goethe und Schiller den Weg zur Höhe bahnte. Dennoch ist seine Bedeutung

10. Altertum und Mittelalter - S. 272

1911 - Stuttgart : Bonz
272 ^ Aufnahme des Christenwms im deutschen Volk zwei Dichtungen, der Heliand (Heiland), ein stabreimendes Epos in altschsischer Sprache (c. 830), das den Heiland in echtem Volkstones Heerknig dem Volk nahe-bringt, und die Evangelienharmonie des Weienburger Mnches Otfried (der Krist" c. 868). In der Folgezeit verschwinden deutsche Dichtungen |ast ganz vor der gelehrten lateinischen Dichtung der Geistlichen, wenn auch fahrende Snger und Spielleute im Volk das Gedchtnis der alten Sagen erhielten. Lateinisch dichtete unter den Ottonen die Gandersheimer Nonne Hroswitha ihre dem Terenz nachgebildeten Dramen neben epischen Versuchen. Auch das Tierepos tritt in dieser Zeit in lateinischer Gestalt aus. 2) Mit dem 12. Jahrh. (11001180) trat die Zeit der Vorbereitung fr die Bltezeit unserer Literatur ein. Mancherlei Umstnde fhrten den Aufschwung herbei. Die Kreuzzge fhrten aus der Enge des Lebens und bereicherten das geistige Leben mit einer Flle neuer Anschauungen. Dazu kam der Glanz der Hohenstansenzeit, der auch dem dichterischen Schaffen frderlich war. Und in dieser Zeit fand das Rittertum feine Ausbildung, und damit entwickelte sich der Stand, der auch in der Poesie die Fhrung bernahm. Das franzsische Ausland war dabei von wesentlicher Bedeutung. In dieser Zeit der Vorbereitung suchten die Geist-liehen es noch den Spielleuten, die alte Sagen mit fremden Zustzen schmckten und seltsame Mren aus dem} Morgenland sangen, gleichzutun: so der Pfaffe Lamprecht am Rhein mit seinem Alexanderlied (c. 1125), Konrad mit dem Rolandslied (c. 1130). 3) Die Bltezeit der mittelhochdeutschen Poesie (11801250) hat wesentlich hfischen, ritterlichen Charakter. Im sdlichen und westlichen Frankreich, in England und Wales entwickelte sich dieses Rittertum mit seinen Idealen und seiner Sanges-knnst. In Frankreich sind groenteils die Sagenstoffe zu Hause, die unsere hfischen Dichter besangen. Feste, wie Friedrichs I. Vermhlung mit Beatrix von Burgund, Heinrichs des Lwen mit der englischen Mathilde, erleichterten der fremden Kunst den Zugang. Sie drang im Westen der die Rheinlande, im Sden von Italien ans ein. Der Hof der Babenberger in sterreich, des Landgrafen Hermann I. auf der Wartburg waren Haupt-sitze des ritterlichen Gesangs. Manche der hohenstanfifchen und welfischen Herrscher waren Freunde des Gesangs, wohl auch selbst Snger. Die be-deutendsten Snger gehrten dem niederen Adel an und verherrlichten den Ruhm und die Milde der greren Fürsten, auf deren Huld sie etwa angewiesen waren. In dieser Bltezeit haben ritterliche Dichter den groen volkstmlichen Epen, dem Nibelungenlied (c. 1200) und dem Gudrunlied (c. 1210), ihre jetzige Gestalt gegeben. Lange vergessen, sind diese Seitenstcke der beiden griechischen Epen erst in der zweiten Hlfte des 18. Jahrh. wieder entdeckt und noch spter recht gewrdigt worden. Ihre Entstehung hat die Forscher beschftigt wie die der Jlias. Einzelne Lieder mgen auch hier frher von Spielleuten gedichtet und gesungen worden sein. Die beiden Werke verherrlichen die altgermanischen Tugenden des Heldentums und der Treue. Ihre Dichter sind nicht mehr festzustellen, ihre Heimat ist ohne Zweifel sterreich. Neben diese Volksepen treten, in dieser Periode die Erzeugnisse des Kunstepos und der Lyrik des Minne-gesangs. Die Stoffe des Kunstepos sind vielfach undeutsch, fremden, franzsischen Vorlagen entnommen, fo die britische Sage von dem König Artus (Artur) und seiner Tafelrunde und die Gralsage, aber die Dichter

11. Geschichte des deutschen Volkes und Landes - S. 250

1869 - Hannover : Hahn
250 und insbesondere durch die Anregungen des großen Kulturhistorikers Ioh. Joachim Winkelnrann (ff 1768), des Philologen Chr. Gottlob Heyne (1729—1812) u. A. ein tieferes Berständniß des klassischen Alterthums und ein edlerer Kunstgeschmack ange- bahnt worden waren, erschienen gleichzeitig drei Dichtergenien, Klopstock. Lessing, Wieland, welche auf eine gänzliche Um- gestaltung der deutschen Literatur und dadurch auf die gesammte Bildung des deutschen Volkes den gewaltigsten Einfluß ausübten. 4) Friedr. Gottlieb Klop stock (1724—1803) ist dnrch Ernst und Tiefe des Geistes, lebendiges Gefühl für Religion, Vaterland und Natur, Eigenschaften, die bei ihm mit antik- klassischem Geiste zu harmonischer Einheit verbunden waren, einer der am meisten nationalen Dichter Deutschlands, an dessen acht deutschem Wesen der deutsche Volksgeist gleichsam zum vollen Bewußtsein seiner Selbst gekommen ist. Gerade durch diese eigen- thümlichc Größe seines Geistes hat Klopstock auf die nationale Richtung und Entwickelung der vaterländischen Literatur einen ent- scheidenden Einfluß erlangt, wenn auch seine Gedichte selbst (das Epos Messias, Oden u. a.) später mehr in den Hintergrund getreten sind. 5) Gotthold Ephraim Lessing (1729—1781), dessen ganzes Leben dem unermüdlichsten Suchen und Forschen nach Wahrheit gewidmet war, repräsentirt die kritische und philo- sophische 'Richtung der deutschen Literatur, für welche sein un- gemein scharfer, durch das Studium des klassischen Alterthums erleuchteter Verstand ein neues Licht angezündet hat. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der dramatischen Dichtkunst, für welche er in Übereinstimmung mit den Lehren des Aristoteles die ewig wahren und richtigen Gesetze wieder empfohlen und zugleich in mehreren dramatischen Dichtungen so meisterhaft prak- tisch angewendet hat, daß diese wahre Musterstücke für die Zu- kunft geworden sind. Zugleich ist Lessing durch Klarheit und Bestimmtheit der Gedanken, Schärfe und Kürze des Ausdrucks der Schöpfer der deutschen klassischen Prosa, für welche seine prosaischen Schriften kaum erreichte Vorbilder geworden sind. 6) Christoph Martin Wieland (1733-1812) steht zu den beiden Genannten in einem starken Gegensätze, indem er in der deutschen Literatur eine eigenthümliche Richtung vertritt, die an den neufranzösischen Geschmack sich anschließt. Wieland ist der Dichter des verfeinerten Lebensgenusses, des Scherzes und der heitern Laune, denen er in seinen zahlreichen Schriften, in Versen und in Prosa, in gewandter leichter Darstellung Ausdruck verleiht. Sein tüchtigstes auch in der Form vollendetes Werk ist „Oberon", ein Epos, durch dessen mittelalterlichen Stoff und Behandlung

12. Deutsche Dichtung in der Neuzeit - S. 23

1893 - Trier : Lintz
23 die sonn hett anch jr freüd damit, 130. daß so dapffer das schiff fortschritt, und schin so hell in druder rinnen, das sie von fern wie spigel schinen. das gestad schertzt auch mit dem schiff; wann das Wasser dem land zuliefst dann gab es einen Widerthon, gleich wie die rüder thäten gon. ein flut die ander trib so gschwind, das sie eim undern gsicht verschwind; ja, der rein Wurf auch ans klein wällen, 140. die dantzten umb das schif zu gsellen. inn summa, alles freudig war, die schiffart zu vollbringen gar; die Vertröstung, rhnm zu erjagen, erhitzigt ihr Hertz nicht zuzagen. Zweiter Abschnitt. Deutsche Dichtung vom Beginn des 17. Ins um die Witte des 18. Jahrhunderts. 1624—1718.. (Periode der Nachahmung: die nationale Poesie verwandelt sich in eine gelehrt- klassische. Nicht nur die poetische Form (Alexandriner), sondern auch der Inhalt lehnt sich, nicht an die klassische Poesie selbst, sondern an ihre gekünstelte Nachahmung durch ausländische Dichter. Unwahrheit und Unnatur kennzeichnen die dichterischen Erzeugnisse dieser Zeit; nur das Kirchenlied bewahrt noch Wahrheit und Einfachheit. Erst gegen Beginn des 18. Jahrh, gestalten sich die Verhältnisse freundlicher nach dem Erwachen einer litterarischen Kritik.) 1. Die trostlosen politischen Verhältnisse zu Anfang des 17. Jahrhunderts und vollends der 3ojährige Krieg mit der neben ihm herlaufenden Verwilderung der Sitten konnten nur den ungünstigsten Einfluß aus die Entwicklung der deutschen Litteratur ausüben. Die Teilnahme des Volkes an der Litteratur verschwand gänzlich; der größte Teil der Gelehrten hatte sich seit der Wieder- belebung des klassischen Altertums der lateinischen Sprache bedient, und seitdem Frankreichs Einfluß aus die Geistes- und Kultnrzustände Deutschlands mächtig wurde, fingen die Gebildeten an, französisch zu schreiben und zu sprechen. Man kam allmählich zu der Überzeugung, daß die deutsche Poesie hinter der der anderen Völker zurückgeblieben sei; um ihr aufzuhelfen, ahmte man die fremden Muster nach und gab so der Poesie den Charakter schulmäßiger Nachahmung und künstlicher Einübung des Fremden. Die Dichter setzten ihren Ruhm in die formale Behandlung der Sprache und des Verses, selten in die Wahrheit der Stimmung und die lebendige Durchdringung des Stoffes. Trotzdem treten einzelne Dichter hervor, die mehr Selbständigkeit in ihren Werken zeigen und größere Beachtung verdienen 2. Gleich zu Beginn dieses Zeitraums begegnen wir einigen wohlgemeinten Versuchen, der Sprachverderbnis entgegenzuwirken. Zu diesem Zwecke wurden mehrere Sprachgesellschaften gestiftet nach dem Muster der italienischen Akademieen. Die wichtigsten sind: 1. Die fruchtbringende Gesellschaft oder der Palmenorden, gestiftet 1617 zu Weimar von mehreren Fürsten und Edelleuten. Den Hauptzweck der Gesellschaft bestimmten die Gründer dahin, daß die „hochgeehrte deutsche Muttersprache in ihrem gründlichen Wesen und rechten Verstand ohne Einmischung fremder ausländischer Flickwörter im Reden,

13. Neuere Geschichte - S. 468

1861 - Leipzig : Brandstetter
468 Orientalist Hammer-Purgstall hat uns die Schätze der arabischen und persischen Literatur aufgeschlossen. Unmittelbar in's Leben eingreifend und, um den Kreis zu vollenden, zur Philosophie zurückkehrend, nennen wir zum Schlüsse noch einige edle Männer der Theologie, welche in redlicher Forschung und gläubigem Willen nach Wahrheit strebten, wie Schleiermacher, Ammon, Neander, Sailer und Wessenberg. Gesegnet der Boden, welcher einen solchen Reichthum an Geist, Gemüth und Gelehrsamkeit erzeugen und großziehen konnte! Doppelt gesegnet, da auch die Krone der Dichtkunst unserem Vaterlande gehört! Wir werden die Entwickelung der poetischen Literatur, als ganz besonders in den Bill dungskreis der weiblichen Jugend gehörend, so ausführlich, als es eben der Raum und Zweck des Buches gestatten will, zum Schlüsse unserer weiten Wanderung vorüberziehen lassen. §.2. Deutsche Poesie. Goethe und Schiller. Der gegenwärtige Abschnitt knüpft sich unmittelbar da an, wo wir die Schilderung der deutschen Poesie der vorigen Periode gegen Ende des letztvergangenen Jahrhunderts abgebrochen haben, da ihre Vollendung und Blüthe in die ersten drei Jahrzehnte des neunzehnten Jahrhunderts herüber- reicht. Der herrliche Bau war bis auf den letzten Schlußstein heran- gewachsen; Talente der verschiedensten Gattung hatten das Ihrige zusammen- getragen, um dem Erscheinen des größten unserer Dichter vorznarbeiten, um seine Steige richtig zu machen! „Die vollendete Dichtung kündigt sich dadurch an, daß sie durch ein weltliches Evangelium,' durch innere Heiterkeit, durch äußeres Behagen uns von den irdischen Lasten zu befreien weiß, die auf uns ruhen, daß sie uns in höhere Regionen hebt und die Jrrgänge des Lebens zurückläßt," so lauten Goethe's eigene Worte, der gegen den Schluß des vorigen und zum Beginn unseres jetzigen Jahrhunderts über der Menge der Schriftsteller und Dichter, Alle überstrahlend, hoch erhaben stand. — Trotz diesem Loslösen aber von den „Jrrgängen des Lebens" war kaum ein Dichter, Shakespeare und die Alten vielleicht ausgenommen, so mit Geist und Sinnen, mit voller Lebenskraft dem Wirklichen hingegeben, als Goethe, dessen Genius die Wirklichkeit als bildsamen Stoff leicht und natürlich, wie es ihm eigen war, in vollkommener Form zum wahrhaftigen Kunst- ideal erhob. Wohl durfte sich überhaupt nicht leicht ein von der Natur hochbe- gnadigtes Talent herrlicherer, glücklicherer und reicherer Gaben erfreuen

14. Geschichte des Mittelalters - S. 124

1880 - Braunschweig : Bruhn
— 124 — Ritterpoeftc.!) Einfluß der Kreuzzüge auf die Dichtkunst: 1. Die romanischen Dichtungen wurden in Deutschland verbreitet. (Daher der Ausdruck „romantisch.") 2. Die Muse des Gesanges erwachte. 3. Die Erlebnisse der Ritter lieferten reichen und passenden Stoff. (In der Poesie spiegelt sich das ganze Rittertum ab.) Mit der höchsten Blüte des Rittertums fällt zusammen die erste Glanz- periode der deutschen Literatur. Das Ritterwesen erzeugte Poesie, die Poesie wurde Stütze des Rittertums (sie erhielt Begeisterung). Die deutsche Dichtkunst wurde Ritterpoesie, sie zog aus den Klöstern in die Ritterburgen. Sprache: Mittelhochdeutsch. Charakter: Sprachlicher Wollaut, höchst graziöser und energischer Ausdruck. Dichter und Sänger: In England Minstrels (Blondel), in Frankreich Troubadours.^ In Deutschland brachten Fürsten und Ritter die Poesie zur höchsten Blüte. Haupterscheinungen: 1. Volksepos — entstanden aus im Volke gesungenen, nationalen Sagen- kreisen entnommenen Einzelliedern. Dichter unbekannt, a. Gudrun. b. Nibelungen. (S. §. 4. p. 16 und 17.) 2. Kunstepos — meist fremde Stoffe; kunstmäßig schaffende Dichter. Stoffe: Mit dem Rittertum wurden auch die fremden Sagenstoffe und Lieder aus der Fremde nach Deutschland gebracht. a. Hartmann von Aue — Jivein, Erek, der arme Heinrich. b. Wolfram o. Eschenbach ') - Parzival und die Fragmente: Titurel, Wilhelm v. Oranse. c. Meister Gottfried von Straßburg2) (Bürger, der ganz in Rittermanier dichtete) — Tristan und Isolde. Daneben Bearbeitung des trojanischen Krieges (Konrad von Würzburg), der Aeneis (Heinrich v. Veldeke), der Aleranderund Karlssage. 1) Neben den oben angeführten Quellen G. Weber „Lesebuch zur deutschen Literatur" (nhd.); Karl Bartsch „Deutsche Liederdichter des Xii.—Xiv. Jh." 2. Aufl. Stuttgart 1879 (mhd.). 2) Er sagt selbst, daß er keinen Buchstab schreiben kann. 3) Er ist in der Liederhandschrift schreibend dargestellt.

15. Deutsche Dichtung in der Neuzeit - S. 77

1893 - Trier : Lintz
77 Vollendung emporgewachsen, hat zweimal in dem Glanze der Jugendblüte gestrahlt. „Zweimal hat der edelste und reinste Lebensinhalt unserer Nation sich in gleich edle und reine, in naturgemäße und darum vollendete Formen gegossen, und beide Glanzperioden geben an Frische und Fülle der Formen, an Gediegenheit und Reichtum des Stoffes einander wenig nach. Aber während sich jenes frühere Blütenalter unserer Poesie selbständig, in voller Ruhe der Entfaltung schlummernder Keime und Knospen, durch inneren, sicheren und seiner selbst gewissen Naturtrieb entwickelte: vermochte sich das zweite nur aus langem Irrtum, aus schwerer Verirrung, aus dem Wege der Kritik, durch Streit und Widerstreit zu gestalten." Nachdem aber einmal der Einfluß des Französischen, durch des großen Friedrich Siege mit dem Schwerte, durch Lessiugs Kritik mit der Feder, gebrochen war, da wurde auf dem Wege des in seiner wahren Bedeutung neu erschlossenen Altertums auch die Rückkehr zur nationalen Dichtung gefunden. Die Dichter behandelten nicht mehr sklavisch der Fremde entlehnte Stoffe, spielten nicht mehr mit angelernten Gefühlen und Empfindungen: sie sangen von dem Höchsten und Herrlichsten, was das Menschenherz bewegt, und über der Bildung ihres Volkes stehend, wurden sie seine Lehrer und Erzieher. Drei Dichterpaare sind es, welche die Entwickelung, die Mittelstufen und den Höhepunkt dieser zweiten Blüteperiode unserer Litte- ratur kennzeichuen: Klopstock und Wieland, Lessing und Herder, G ö t h e und S ch i l l e r. 2. Der Höhepunkt liegt um die Wende der beiden Jahrhunderte und fällt in die Zeit des hinsterbenden deutschen Reiches. Während sonst die Kunst nur nach einer Zeit gewaltiger Regungen auf politischem Gebiete ihre Blüten treibt, sollte jetzt gerade die Dichtkunst Deutschlands politische Wiedergeburt mit vorbereiten helfen. 3. Klopstock (1724—1803) und Wieland (1733 — 1813) gingen noch unmittelbar aus den litterarischen Kümpfen der vorigen Periode hervor, Klopstock im Anschluß an die malerisch religiöse Poesie der Engländer, Wieland im Anschluß an die sinnlich leichte Poesie der Franzosen. Klopstocks „Messias" (1748 die drei ersten Gesänge) war die erste nationale Dichtung; durch den tiefreligiösen Sinn, dem es entstammte, durch die Großartigkeit der Schilderung und den sittlichen Ernst, der das Ganze erfüllt, übte dieses Werk eine uner- meßliche Wirkung aus die Nation. In Klopstocks „Oden" erklangen zum ersten Male wieder ans der Tiefe eines reiches Gemütes die Töne erhabener frommer Begeisterung, inniger Freundschaft und Liebe und eines hinreißend starken Vaterlandsgefühles. Wielands Werke sind niemals zum eigentlichsten geistigen Eigentum des deutschen Volkes geworden; auch fallen seine besseren Schöpfungen, die „Abderiten" (1774) und der „Oberon" (1780), bereits in eine Zeit, wo der Genius der deutschen Dichtkunst Männern wie Göthe und Schiller den Weg zur Höhe bahnte. Dennoch ist seine Bedeutung nicht zu unterschätzen; er gab der deutschen Sprache Natürlichkeit, Anmut und Freiheit und machte sie geeignet zum Ausdruck hellenischer Heiterkeit und seiner Ironie. Im übrigen schließen Klopstock und Wieland einander ans: der eine stellt die ideale Richtung der Seele zur Unendlichkeit dar, der andere die materielle Richtung des Körpers zum sinnlichen Genuß. 4:. Begeisterung für Klopstocks religiös patriotische, Haß gegen Wielands leichtfertig sinnliche Richtung vereinigte im Jahre 1772 mehrere junge Dichter,

16. Theil 2 - S. 230

1875 - Leipzig : Brandstetter
230 einen mächtigen Strom, und durch die Einflüsse der mit den Deutschen in Berührung kommenden fremden Völker einen neuen Umschwung nahm, welcher die bisherige einförmige Behandlung der alten Stoffe brach und eine neue Geistesepoche über Deutschland herausrief. Es liegen Beweise vor, daß selbst die poetischen Sagen von den Nibelungen im Auftrag des Bischofs Piligrhn von Passau von einem Geistlichen in lateinischer Sprache ausgeschrieben worden sind. So wurde, was im Herzen des deutschen Volkes lebte, von dem deutschen Klerus, der damals in der Mitte des Volkes stand und an allen Anliegen Theil nahm, der Sprache der Kirche anvertraut, die er allein zu schreiben verstand Durch Heinrich von Veldeke wurde zuerst „die Minne" in das Reich der Dichtung eingeführt, welche von nun an in die Hände der Laien überging und ans den stillen Klostermauern in die stattlichen Burgen der Ritter, an den glänzenden Hof der Könige übersiedelte. Unter dem Einfluß, welchen die schwärmerische Begeisterung der Kreuz-züge über das ganze Abendland verbreitete, entwickelte sich nun die ritterlich-romantische Poesie des Mittelalters. 5. Kunst und Gewerbe. Noch ausschließender als die Poesie standen die übrigen Künste im Dienste der Kirche. Wenn auch musikalische Weisen in den Gesängen des Volkes heimisch waren, so galt doch die Musik als Kunst nur von dem Kirchengesange und zwar in seiner allereinfachsten Weise, als Melodie. Der musikalischen Instrumente waren nur wenige und ihre Konstruktion noch ungenügend. Die Begleitungsinstrumente zum Gesänge entwickelten sich erst zu der Zeit der Minnesänger. Der Spruch des Psalmisten: „wessen Herz fröhlich ist, der singe Psalmen/' erhielt seine volle Geltung. Auch in der bildenden Kunst sehen wir erst die Versuche und Ansänge zu einer, der Volkseigenthümlichkeit zugesandten Kunstform durchdringen. In der Baukunst galt der römische und griechische Styl lange als einziges Muster, doch begann schon der Geist des Mittelalters aus der fremden, angenommenen Form in Spitzbogen, gothischen Giebeln und Thürmen mächtig emporzustreben und es war zunächst Frankreich, welches in der Erfindung des gothischen Styls sich versuchte. In Deutschland war bis zum 14—15. Jahrhundert nur der romanische Styl heimisch. , Den wachsenden Reichthum in Deutschland zeigten die zahlreichen und stets in's Großartigere gehenden Bauwerke. Zu Konrad's und

17. Deutsche Geschichte bis zum Westfälischen Frieden - S. 101

1908 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
Deutschland im dreizehnten Jahrhundert. 101 schwer ersteigbare Stelle bot und man eines schützenden Grabens gar nicht bedurfte. In der Ebene hat man an wichtigen Straßen, bei der Einmündung von Tälern Wasserburgen gegründet. Bekannt ist unter den zahlreichen Burgen Thüringens die erneuerte Wartburg. Die zweite Hälfte des zwölften und die erste des dreizehnten Jahr- ^"-ruche Hunderts bilden die Blütezeit des Rittertums, das damals der ganzen Kultur einen weltfreudigen, von der asketischen Stimmung der letzten Jahrhunderte sich scharf abhebenden Charakter aufdrückte. Das war auch die Zeit, wo mehr noch als die Geistlichkeit der Ritterstand das geistige Leben der Nation beherrschte. Zwar die Geschichtschreibung ward auch unter den Hohenstaufen noch von Geistlichen ausgeübt; als ihr hervorragendster Vertreter erscheint der Oheim Friedrich Barbarossas, Bischof Otto von Fr ei sing. Aber die erste Blüteperiode unserer $t“»bn0 Poesie trägt den Charakter des Rittertums. Das deutsche Kunstepos suchte seine Stoffe gern in der Fremde und entlehnte sie mit Vorliebe französisch-keltischen Sagenkreisen. Als Begründer dieses höfischen Epos gilt Heinrich von Veldeke, der Schöpfer der Eneit (Aneide); ihm folgten H a r t m a n n von Aue, der u. a. den Jwein und den armen Heinrich, Gottfried von Straßburg, der den Tristan, Wolfram von E s ch e n b a ch, der den Parzival schuf. In derselben Zeit entstanden die großen deutschen V o l k s e p e n, die sich an die germanische Sage anschlossen, das Nibelungenlied und die Kudrun. Es erblühte endlich in den Gedichten Walthers von der Vogelweide und so vieler anderer Minnesänger zum ersten Male eine deutsche Lyrik. Die höfische Dichtung erwuchs im Westen, am Niederrhein war der von Veldeke zu Hause, Hartmann ein Schwabe, Gottfried im Elsaß daheim, Wolfram ein Franke. Dagegen hat sich die volkstümliche Dichtung, welche den alten Sagen von den Nibelungen, von Gudrun, die eigentlich an der Nordsee heimisch war, von dem Gotenhelden Dietrich, die letzte poetische Gestalt gab, im sangreichen Volk von Bayern und Österreich erhalten. Hier ist auch der größte Lyriker der Zeit geboren. Unter den Höfen, welche dem Sänger offen waren, sind die edelsten der der Thüringer Landgrafen auf der Wartburg und der der Babenberger zu Wien; auch die Staufer selbst sind Freunde der Poesie gewesen. Die Dichtung war ganz weltlich geworden, aber der Laienmund sagte jetzt auch das Tiefste über die religiösen Angelegenheiten des Volks. Die letzte Großtat des deutschen Rittertums ist die Gründung des Ordensstaates in Preußen (s. § 103). Allmählich aber tritt ein Verfall

18. Das Mittelalter - S. 214

1884 - Mainz : Kirchheim
214 Artus. Die Gralsage. Du tost min, ich bin dm, des solt du gewis sin. Du bis beslozzen (eingeschlossen) in minem herzen! verloren ist daz sluzzelin: du müost immer darinne sin. 9. Das höfische Heldengedicht. Noch reicher fast als in der Sieberbichtung (Lyrik) zeigt sich die mittelalterliche Poesie in der Gestaltung der Helbensagen (Epos). Anch hier lieferte Frankreich größtenteils die Stoffe, welche die bentfchen Dichter freilich mit solcher Meisterschaft be-Hanbelten, daß sie ihre französischen Vorbilber weit Himer sich ließen. Die norbfranzösifchen Wanberfänger (in der Normanbie und Bretagne), die „Menestriers" waren nach der normannischen Eroberung Englanbs nach der benachbarten Insel hinübergezogen und hatten hier die altkeltifchen und die altsächsischen Barben gänzlich verbrängt ober in sich aufgenommen (die englischen Mieftrels). Neue Lieberstoffe kamen gleichzeitig aus der alt-briltifchen Laubfchaft Wales nach der Bretagne hinüber. In der Zeit als die Angelsachsen England unterwarfen, kämpfte ein alter keltischer König Artus (Arthur) helbenmütig für feines Laubes Freiheit, und feine Person hatte das Volk im Laufe der Jahrhunberte mit Wunb erjagen umsponnen. Dieser Stoff würde nun in der benachbarten Bretagne weiter ausgebilbet. König Artus, das unerreichbare Vorbilb eines weltlichen Ritters, sammelt um sich feine selben, und nur die, welche sich durch beson-bere Thaten auszeichnen, nehmen Platz an der runben Tafel des Königs (Artus und die Tafelrunbe). Mit biefer Sage verflochten ist die Erzählung von Tristan und Jfolbe, in welcher uns im Gegensatz zu der erheuchelten Liebe eine wirkliche glühenbe Leibenfchaft gefchilbert wirb. Ein zweiter in der Bretagne ausgebildeter Stoff ist die Sage vom heiligen Gral, eine Verherrlichung des geistlichen Rittertums. Der heilige Gral ist ursprünglich das Waschbecken der keltischen Göttin Ceribwen, dann nach Einführung des Christentums bei den keltischen Völkern die Diamantfchüffel, in welche Joseph von Arimathäa das Blut des gekreuzigten Heilanbes aufgefangen haben soll. Der Gral (sang real, fönigl. b. H. heiliges Blut) war mit wunberbaren Kräften ausgestattet, und nur vollkommen reine Ritter bürsten sich feinem Dienste weihen. Als das Abenblanb später in Sünbe verfiel, würde der Gral nach dem Morgenlanbe gebracht, wo ihm an unbekannter Stelle ein Tempel errichtet würde. Karl der Große

19. Deutsche Dichtung im Mittelalter - S. 32

1881 - Trier : Lintz
32 Zweiter Abschnitt. Dmtsdjc Dichtung mm der Mitte des 12. bis M Mitte dos 14. Jahrhunderts. (Blütezeit der mittelalterlichen Litteratur. Die Sprache ist die mittelhochdeutsche, die poetische Form zeigt eine kunstvolle Bildung in Vers und Stropheubau. Die Poesie, anfangs noch in den Händen der Geistlichen, gebt bald ganz in die Hände der Ritter über. Neben dem Volks- und Kunstepos blüht die Lyrik.) 1. Im Lause des 12. Jahrhunderts vereinigten sich eine Reihe von Umständen zur Hebung und Förderung der deutschen Poesie. Einmal regten die Kreuzzüge die Geister gewaltig an, erweiterten den Jdeenkreis der abend- ländischen Volker, belebten die Phantasie und gewährten eine Fülle neuer Stoffe. Von nicht geringer Bedeutung für den Aufschwung des deutschen Gesanges war dann auch der Glanz des staufischen Kaiserhauses und des deutschen Rittertums. Gerade die Ritter glaubten sich zur Pflege dev edlen Sangesknnst vor allem berufen, und es galt als eine ehrenvolle Aufgabe nicht nur des kaiserlichen Hofes, sondern auch der Fürsten, die Dichtkunst und ihre Vertreter auf alle Weise zu schützen und zu heben. Große Anregung fand die deutsche Poesie endlich noch durch die französischen Dichten (Troubadours im südlichen, Trouveres im nördlichen Frankreich genannt), welche für die Deutschen geradezu Muster und Vorbild wurden. 2. Die poetischen Gattungen, welche vorzugsweise gepflegt wurden, find das Epos, die Lyrik und die Didaktik. Das Epos erscheint in zwei nach Form und Inhalt geschiedenen Gestaltungen, als Kunst- und als Volks- epos. Träger des Kunstepos waren die Dichter ritterlichen Standes, die höfischen Dichter, während das Volksepos von Sängern aus dem Volke (varnde liute, spilman, videlaere) gepflegt wurde. Die höfischen Dichter behandeln fast nur fremde Stoffe, und auch diese meist nach französischen Vorlagen; die Volks- dichter dagegen sind die Hüter und Erneuerer der alten Nationalsagen. Das Kunstepos erhielt von der Persönlichkeit des Dichters eine subjektive Färbung, der Volksgesang blieb überwiegend objektiv. Die Form des Kunstepos bilden die sogenannten Reimpaare, während die Volkssänger ihre Stoffe in der Ni- belungenstrophe oder doch in einer derselben ähnlichen Strophenform behandelten. 3. Die Reimpaare sowohl wie die Nibelungenstrophe sind eine Fortbildung der althochdeutschen Langzeile. Die Reimpaare sind stumpf oder klingend gereimte Verse mit wier Hebungen. Die Nibelungenstrophe besteht aus vier paarweise gereimten Langzeilen; die Halbzeilen der vorderen Hälfte haben vier Hebungen und meist klingenden Schluß, die der hinteren Hälfte aber drei Hebungen und stumpfen Schluß; ausgenommen ist aber die achte Halbzeile, welche wieder vier Hebungen aufweist. Vgl. Anhang § 7. Anmerkung 1. In den Reimpaaren finden sich bei klingendem Reim nicht selten vier volle Hebungen, meistens aber gilt als vierte Hebung die nachklingende Silbe. — Ähnlich fällt auch in der Nibelungenstrophe die vierte Hebung der ersten Vershäffte meist, auf ein tonloses e.

20. Geschichte der neueren und neuesten Zeit - S. 806

1858 - Weimar : Böhlau
806 Begeisterung, welche sich auf das Unmögliche richtete, suchte in einem unklaren Schauen, in phantastischen Träumen und in einer weichen Sen- timentalität Befriedigung. Es fehlte den romantischen Dichtern die Gabe der Gestaltung und die Kraft, für die Bewegungen des Innern concrete Lebensbilder zu erfinden. Es blieb ihnen nichts übrig als die Repro- duction. Sie gaben es auf, in Dichtungen modernen Inhalts die Ein- heit der Idee und des Lebens darzustellen und führten von neuem Bil- dungen aus jenen Zeiten altdeutscher Vergangenheit herauf, in welchem das Leben wahrhaft dichterisch, jene Einheit des Glaubens, der poeti- schen Ideale und der äußeren Zustände wirklich vorhanden gewesen war. Das Mittelalter mit der Herrlichkeit der Kirche und des Ritterthums, mit dem Werben um Ehre und Minne, wie es sich in den glänzendsten Scenen dargestellt hatte, war der Stoff der romantischen Dichter. Hier hatten sie in sagenhafter Verklärung den ganzen Reichthum einer poeti- schen Lebensform, die sie in der Gegenwart aufzufinden und herzustellen verzweifelten. Wie die Kreuzzüge alle Völker Europa's durcheinander gemischt und den Orient mit dem Abendlande verbunden hatten, so er- weiterte sich in raschem Wachsthums die Literatur der romantischen Schule zu einer Weltliteratur. An den Poesien uncultivirter Völker liebte man die unmittelbare Sprache der Natur; der Orient verschaffte sich besonders durch seine Symbolik das Bürgerrecht; Spanien und Ita- lien hatten an der christlichen Kunst des Mittelalters Antheil gehabt. Die romantische Schule hat das Verdienst, die Liebe zu den älte- ren deutschen Dichtungen wieder erweckt zu haben; aber ihre gelungensten Erzeugnisse sind nur Reproductionen, in denen aus Frömmigkeit die an manchen Stoffen haftende Beschränktheit und Unklarheit der Ideen bei- behalten wurde. Die neuere Zeit hat an die Stelle solcher Repcoductio- nen die Übersetzung der alten Dichtungen selbst, ihre Geschichte und Erläuterung treten lassen. Verderblich war es, daß die romantische Schule die strenge Sonderung der Kunstformen aufhob, daß sie die Dichtungsgattungen verwirrte, Poetisches und Prosaisches vermischte. Die Romantiker schrieben dramatisirte Sagen und Romane, wo Erzäh- lung, Dialog, Gesang in buntem Gemisch wechselten. Eine Kunst der Gestaltung und der Darstellung in dem Sinne der Alten haben diese Dichter nicht erstrebt. Dagegen entwickelten sie den Wortschatz unserer Sprache und zeigten, hauptsächlich in Uebersetzungen, durch gewandte Behandlung der Rhythmen und Reime die Biegsamkeit der Formen. Deshalb hat auch die neuere deutsche Lyrik die Formen dieser Schule angewendet, und die moderne Poesie verdankt den Romantikern manche wohlthätige Anregung. Dieser Einfluß erstreckte sich auch auf andere Künste, wie die Malerei, und auf die Wissenschaften. Die neue deut- sche historische Sprachforschung der Brüder Jakob und Wilhelm Grimm ist auf dem Boden dieser Schule gewachsen. Zu der romanti- schen Schule gehören August Wilhelm von Schlegel, Friedrich von Schlegel, Novalis oder, wie er eigentlich hieß, Friedrich von Hardenberg, Ludwig Tieck, Ludwig Joachim von Arnim und Clemens Brentano, Hölderlin, Ernst Schulze, der gebo- rene Franzose Chamisso, welcher ein vortrefflicher deutscher Dichter ge- worden ist. Auch Ludwig Uhland, dessen Lyrik vorzugsweise eine vater- ländische Richtung eingeschlagen hat, gehört zu den Romantikern.