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1. Hülfsbuch für den Unterricht in der deutschen Geschichte, mit besonderer Berücksichtigung der Kulturgeschichte - S. 537

1896 - Berlin [u.a.] : Heuser
Friedrichs des Großen. 537 des Landes verwies. Trotzdem war Wolff unausgesetzt dafür thätig, daß seine freiere Auffassung von den religiösen Dingen weiter verbreitet wurde. Wir wissen bereits, daß Friedrich der Große als Kronprinz seine Werke eifrig studierte und ihn später in sein früheres Amt wieder einsetzte. Während Wolff in Deutschland seine Ansichten zu verbreiten suchte, drangen auch von Frankreich und England neue Ideen ein, die das große Rätsel des Lebens, „Ursprung, Wesen, Zweck und Ziel aller Dinge" nicht mehr auf dem Wege des Glaubens, sondern aus dem des vernünftigen Denkens ergründen zu können glaubten. In dieser Richtung hatte sich nicht nur Friedrich Ii. seine Welt- und Lebensanschauung gebildet, sondern auch viele andere gelehrte Männer, die dafür in Wort und Schrift eintraten und den Kampf gegen die Verfechter der alten Lehre aufnahmen. Wie Wolff zu Anfang der Regierungszeit Friedrich Ii. die Gemüter mächtig aufregte, so übte später die Weltanschauung des Philosophen Immanuel Kant in Königsberg (1724—1804) einen nicht geringeren Einfluß auf alle gebildeten Zeitgenossen aus, indem er nachwies, daß übersinnliche Dinge niemals durch die menschliche Vernunft begriffen werden könnten, aber andrerseits den bedeutsamen Satz aufstellte: so zu handeln, als ob der Wille des Handelnden Naturgesetz werden müsse. Es wäre jedoch ein Irrtum, wenn man glauben wollte, daß um das Ende des Jahrhunderts die Aufklärung bereits vieles in den Hütten der Armen, zumal auf dem Lande gebessert hätte. In den Dörfern waren allerdings Schulen, aber häufig genug war der Lehrer ein früherer Bedienter des Gutsherrn, ein armer Schneider oder Leineweber, der sich so wenig als möglich von seinem Handwerk trennen wollte, vielleicht seine Frau den Unterricht besorgen ließ. Noch hing der Landmann treu an seiner Kirche; in den Hütten der Amen wurde viel gebetet und gesungen, häufig war fromme Schwärmerei. Zumal in den Gebirgslandschaften, wo die Industrie sich massenhaft in ärmlichen Hütten festgesetzt hatte, unter Holzarbeitern, Webern und Spitzenklöpplern des Erzgebirges und der schlesischen Bergthäler war ein frommer, gottergebener Sinn lebendig. Inzwischen hatte sich aber auch in der deutschen Dichtung ein ganz neuer Geist Bahn gebrochen. 2. Deutsche Dichter zur Zeit Friedrichs des Großen. Der König hatte in Leipzig mit zwei deutschen Dichtern gesprochen, die er als die größten ihres Vaterlandes bezeichnete; der eine war Gottsched, der andere, der jenen bei dem König ausstach, Christian Fürchtegott Geliert (1715—1769), Professor und Prediger in Leipzig. Friedrich schätzte Gottsched wegen seiner Anlehnung an die von ihm bewunderten Franzosen; zu Geliert zog ihn die Verwandtschaft der Fabeln desselben mit denjenigen Lafontaines hin, und er erklärte Geliert für den vernünftigsten unter allen deutschen Gelehrten. Geliert war auch weiterhin bekannt durch seine geistlichen Lieder und Briese und genoß in hohen und höchsten Kreisen großes Ansehen. Den Ruhm Friedrichs des Großen priesen Gleim (1719-1803), Rammler und Ewald von Kleist in ihren Gedichten. Auch Klopstock hatte Friedrichs Thaten anfangs begeistert besungen, später aber wandte er sich anderen Stoffen zu. Ganz auf dem Boden der Franzosen seiner Zeit stand anfänglich Christoph Martin Wieland (1733 —1803), mit seinem „Oberon" kam er jedoch schon den Dichtern der zweiten Blütezeit nahe. Alle diese Männer stellte der Sachse Gotthold Ephraim L e s s i n g in den Schatten. Lessing hat, obwohl vom König Friedrich nicht beachtet, die Siege und Thaten desselben in dem ersten echt deutschen Schauspiel „Minna von Barnhelm" verewigt und

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1. Von 1648 bis zur Gegenwart - S. 102

1911 - Leipzig : Quelle & Meyer
102 Das Zeitalter Friedrichs des Großen und die Aufklärung Robinson aus, der in Deutschland eine Fülle von Robinsonaden wie die Insel Felsenburg entstehen ließ. Lyrik In der Lyrik trat zu Beginn des Jahrhunderts gegenüber dem Schwulst der früheren Zeit eine Reaktion ein; es kam auch hier das rein Verstandesmäßige zur Geltung. Die Dichtung wurde steif, konventionell, höfisch; sie diente den vornehmen Herren dazu, ihre Bildung zu zeigen, und anderen, sich Geld zu verdienen. Nur vereinzelt trat, wie bei Günther, ein wärmeres Gefühl hervor. Epik Die epische Dichtung stand unter dem Einfluß Popes sowie der teleologischen Richtung Wolffs: der Hamburger Brockes schilderte in den neun Teilen von Irdisches Vergnügen in Gott formgewandt die Natur mit steckbrieflicher Genauigkeit. Der ernste Haller wagte seine Beschreibung der Alpen im Wettkampf mit den Engländern. Drama Das Drama beherrschte fast ausschließlich der französische Ein- fluß. Alles sollte korrekt sein, die Sprache frei von überschwenglichen Wendungen, die Situationen den Regeln des höfischen Zeremoniells entsprechend, die Charaktere ohne Leidenschaft, die ja dem feinen Mann nicht anstand. Die Schaubühne betrachtete man als Schule der Tugend. Diesen Grundsätzen entsprach die wirkliche Bühne mit ihren Stegreifkomödien, ihren schwülstigen, mit Harlekinlustbarkeiten untermengten Haupt- und Staatsaktionen aber gar Gottsched nicht. Erst der Leipziger Professor Gottsched stellte den Zusammenhang zwischen Bühne und Dichtung wieder her, indem er die Neuberin dafür gewann, mit ihrer Truppe wieder regelmäßige Stücke aufzuführen, teils Übersetzungen französischer Dramen, teils Dichtungen wie Gottscheds Sterbenden Cato und die Komödien seiner Frau. Gottsched war durch seine Kritische Dichtkunst und als Senior der Deutschen Gesellschaft in Leipzig ein Jahrzehnt der Gesetzgeber des guten Geschmacks. Neue Auf. Da zeigten 1740 die Schweizer Bodmer und Breitinger, f Dichtunder auf Miltons Poesie hinweisend, daß nicht das Platte und Natürliche, 1c tung sondern das Außerordentliche und Wunderbare uns anziehe. Sie leiteten die Poesie aus der innersten Natur des Menschen her, deswegen sei sie auch nicht lernbar. Daneben besangen Hagedorn und die Anakreontiker, wie Gleim, Liebe und Wein. Diese Richtung, die den heiteren Lebensgenuß pries, wurde später von Wieland gepflegt, der sich damit auch in einer ganz anders gearteten Zeit zu behaupten wußte. Geliert (bis 1769 Professor in Leipzig) entfaltete als Lehrer der Moral, als Dichter der Fabeln und Erzählungen und als Briefschreiber eine vielseitige und weithin wirksame Tätigkeit. 1748 veröffentlichte Klopstock die ersten drei Gesänge semes Messias und einzelne Oden, Dichtungen, die durchaus den Ansichten der Schweizer entsprachen und den 20 jährigen Jüngling als ersten Dichter Deutschlands bewundern ließen. Das Gefühl und damit

2. Die neuere Zeit - S. 177

1882 - Leipzig : Krüger
— 177 — schule bezeichnet hatte, erhob sich die deutsche Litteratur hauptsächlich durch den Einfluß, den die Lehren und die klare Sprache des Philosophen Wolfs gewannen, weniger durch den Eindruck, welchen die Siege des großen Friedrich hervorbrachten. Ein nicht unbedeutendes Verdienst um die Vervollkommnung der Sprache und der Form durch Anlehnung an die Klassizität der Franzosen erwarb sich der Leipziger Professor Gottsched, im übrigen ein nüchterner Kopf, der vom wahren Wesen der Poesie keine Vorstellung hatte und dessen Bestreben darauf hinauslief, Gedichte „machen'' zu lehren. Sein erbitterter Kampf gegen die Schweizer Dichter B o d m e r und B r e i t i n g e r, die im Gegensatz zu ihm den Inhalt einer Dichtung für das Wesentliche erklärten und ebenso einseitig (wie jener den Alexandriner) die antiken Versmaße begünstigten, führte große Aufregung und endliche Klärung der Ansichten herbei. — Im Anschluß an die Schweizer, jedoch sie weit zurücklassend, erstand in Klopstock, (1724—1803) der erste geborene Dichter dieser Zeit. Der Geist des deutschen Volkstums, der Geist der Antike, der Geist einer verjüngten christlichen Religiosität lebte in ihm. In seinem Messias schlug er so durchaus andere Töne als seine Vorgänger an, daß die Zeitgenossen „betäubt, geblendet, überwältigt dastanden vor den plötzlich geöffneten Pforten einer neuen 2mt".*) Noch bedeutender waren seine Oden, in denen er, ein zweiter Luther, eine neue Dichtersprache schuf. Er verlieh ihr selbst bei Anwendung der fremdartigsten Versmaße eine ungeahnte Geschmeidigkeit, hinreißendes Feuer. Und er griff zurück in die Urzeit des Volkes, besang den Sieger im Teutoburger Walde und eignete uns das verlorene Erbe der alten Götterwelt wieder an. Ihm trat bald zur Seite der freilich ganz anders geartete Lessing (1729—81), der unermüdlichste Kämpfer gegen Gottsched und die französischen Klassiker, der geniale Bildner einer neuen Prosa. Sein Haupt-verdienst besteht in der Pflege des Dramas; in die Zeit, wo Friedrich Ii. durch den Sieg bei Roßbach den Sinn für deutsches Volkstum neu erweckte, führt fein bedeutendstes Stück ein: Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück. Später wendete er sich freilich von dieser Gesinnung mehr ab **) und vertiefte sich in gelehrte Untersuchungen und Streitigkeiten. Bitter geißelte er sogar die angebliche Freiheit ,,zu denken und zu schreiben'', welche Friedrich seinen Unterthanen gestattete. ***) Doch verkannte er die Bedeutung des Fürsten niemals, den er in seinen Oden als „menschlichen Helden", als „Vater", als „frommen Krieger" gepriesen, den er in der Minna von Barnhelm als „großen und zugleich guten Mann" bezeichnet hatte. Freilich, daß der König die deutsche Litteratur „mit den Augen eines Franzosen" ansah, konnte ihm Lessing, *) Goethe: Wahrheit und Dichtung 2. Buch am Ende. **) 5- Dez. 1772 schreibt er: Für die Ehre meines lieben Vater- landes will ich keine Feder ansetzen . . . ***) „Sonst sagen Sie mir von Ihrer Berlinischen Freiheit zu denken und zu schreiben ja nichts. Sie reduziert sich einzig und allein auf die Freiheit, gegen die Religion soviel Sottisen zu Markte zu bringen, als man will . . Wagner, Hilfsbuch. Iii. 12 Wolfs. Gottsched. Klopstock 1724—1803. Lessing 1729-81.

3. Deutsche und brandenburgisch-preußische Geschichte von 1648 bis 1815 - S. 121

1910 - Breslau : Dülfer
Kurze Charakteristik des Rationalismus und Pietismus. 121 Ideen Leibnizens, der philosophische Schulmeister der Nation geworden". „Er hat das große Publikum philosophisch denken gelehrt — selbst Bauern haben nach seiner Behauptung seine Logik gelesen — und dadurch die theologischen Fesseln alles höheren Geisteslebens der Durchschnittsdeutschen mit gelöst. Er, der Mann der trockenen Nüchternheit, war recht eigentlich der Mann der mittelmäßigen Geister, die aber doch die Grundlage für die weitere Entwicklung bildeten; seine Klarheit, Glätte und Ordnung war für sie geschaffen und be- förderte die Lehrbarkeit seiner Anschauungen." (Steinhaufen.) Die kulturgeschichtliche Bedeutung Wolffs beruht aber nicht auf seinen Leistungen als Philosoph von Fach, sondern auf den praktischen Einwirkungen des Systems seiner Philosophie auf die Entwicklung der Ethik, der Religions- philosophie und des Staatsrechts; „denn gerade diese Gebiete ergriff Wolff und spann hier Leibnizens Ideen zu jenem ausführlichen und platten Kanon der Aufklärung aus, der zu den Zeiten Friedrich Wilhelms I. und auch viel- fach noch Friedrichs des Großen männiglich als der Weisheit Schluß aufs leichteste einging". (Lamprecht.) a. Die religiösen Anschauungen der Wolffschen Philosophie charakterisieren sich in ihrer Beherrschung durch das rationalistische Nützlichkeitsprinzip als eine reine Vernunftreligion; alles ist von dem gütigen Schöpfer zum Nutzen des Menschen geschaffen worden nach einem von Anbeginn feststehenden vernünftigen Weltplane. Für das Walten übernatürlicher Kräfte, für die Willkür des Wunders und der Offenbarung bleibt in dem Zusammenhang der durch eine lückenlose Kausalverknüpfung verbundenen Dinge kein Raum übrig; die Vernunft ist daher die Quelle auch der religiösen Erkenntnis, das Dasein der Gottheit, deren Weisheit und Größe läßt sich verstandesmäßig erkennen und beweisen aus zweckmäßiger Durchführung der anthropozentrischen Weltordnung. Ausbildung des Verstandes ist daher auch das wichtigste Mittel religiöser Bildung. ß. Auch die Ethik gründete sich nach den Lehren der Wolffschen Philosophie durchaus auf den Kultus des Verstandes. Vollkommenheit des Individuums sei das Ziel der sittlichen Bildung. Da die Seele nun als eine vorstellende Substanz zu denken sei, werde diese Vollkommenheit ausschließlich durch die Ausbildung der Verstandeskräfte bedingt. y. Da die Vollkommenheit des für sich lebenden Einzelmenschen als das höchste Ziel der vernünftigen Weltordnung galt, war der Staat nach rationa- listischer Auffassung nichts anderes als eine Einrichtung, welche die äußeren Vorbedingungen für die möglichst vollkommene Ausbildung des Individuums zu garantieren habe; die staatliche Gesellschaftsordnung erschien also dem rationalistischen Denken nicht als ein lebendiger Organismus, der sich nach ureigensten Gesetzen fortentwickle, sondern nur als eine Summierung von Einzelpersonen. e. Die Werkzeuge und Mittel zur Verbreitung des rationalistischen Geistes in den gebildeteren Kreisen des Volkes fanden sich in den Universitäten, den moralischen Wochenschriften und den geheimen Gesellschaften. a. Zunächst wurden naturgemäß die Universitäten (Halle, Leipzig, Göttingen, Erlangen, Tübingen) die vornehmlichsten Träger der neuen Welt- anschauung, vor allem Leipzig, wo die aufklärerische Dichtung und das neue Theater entstand (Gottsched).

4. Lehrbuch der Deutschen Geschichte für die oberen Klassen höherer Mädchenschulen - S. 245

1902 - Leipzig : Roßberg
— 245 — § 267. Das geistige Leben. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ging in den Anschauungen und Sitten des Volkes eine große Veränderung vor sich. Das Bedürfnis nach geistiger Bildung steigerte sich und wurde allgemeiner, der Mittelstand war ihr Träger. 1. Deutsche Dichter zur Zeit Friedrichs des Groszeu. Friedrich der Große hatte in Leipzig mit zwei deutschen Dichtern gesprochen, die er als die größten ihres Vaterlandes bezeichnete: der eine war Gottsched, der andere, der jenen bei dem König ausstach, Christian Fürchtegott Gellert (1715 — 1769), Professor und Prediger in Leipzig. Gottsched schätzte der König wegen seiner Anlehnung an die von ihm bewunderten Franzosen; zu Gellert zog ihn die Verwandtschaft der Fabeln desselben mit denjenigen Lafontaines hin. Gellert ist weiter bekannt durch seine geistlichen Lieder. Den Ruhm Friedrichs des Großen priesen Gleim (1719 bis 1803), Rammler und Ewald von Kleist in ihren Gedichten; Klopstock hatte Friedrich den Großen anfangs begeistert besungen, später aber kehrte er sich von ihm ab. Ganz auf dem Boden der Franzosen seiner Zeit stand Christoph Martin Wieland (1733—1813). Mit seinem „Oberon" kam er schon den Dichtern der zweiten Blütezeit nahe. Alle diese Männer stellte Gotthold Ephraim Lessing in den Schatten. Lessing hat, obwohl vom König Friedrich nicht beachtet, die Siege und Taten des Königs in dem ersten echt deutschen Schauspiele „Minna von Barnhelm" verewigt und hat Deutschland endgültig von der Vorherrschaft französischer Sprache und Literatur befreit, wie er überhaupt die Nachahmung des französischen Geschmacks im Schauspiel bekämpfte. Im Kampf für die Aufklärung, Duldsamkeit und Menschlichkeit schrieb er „Nathan den Weisen". Lessing war es auch, der die Deutschen aus die Schönheiten der griechischen Welt aufmerksam machte. Was er hier angebahnt hatte, vollendete der Altmärker Winckelmann. Er offenbarte zuerst der Welt die Herrlichkeit der griechischen Kunst. Bald danach übersetzte der Mecklenburger I. H. Voß Homers Gesänge und schuf in seinem „siebzigsten Geburtstag" die neue Dichtungsform der Idylle. 2. Stürmer und Dränger. In den siebziger Jahren hatte sich in den Kreisen der Gebildeten infolge der Handlungsweise mehrerer ihrer Fürsten eine tiefe Mißstimmung gegen die Gewaltherrscher bemächtigt, die in der Literatur zum Ausdruck kam. Daneben zeigte sich eine eigenartige Schwärmerei für die Natur, durch den Franzosen Rousseau hervorgerufen, und für Liebe und Freundschaft. Der Ostpreuße I. G. Herder (1744—1803) er-

5. Handbuch der allgemeinen Weltgeschichte - S. 358

1873 - Frankfurt a.M. : Jaeger
Afrika aussandten. Gegenwärtig sind die Brüdergemeinden in Deutschland, Rußland und Nordamerika verbreitet und mögen fast eine Million Glieder zählen. Allein alle diese einzelnen Bestrebungen waren nicht im Stande, die französische Aufklärerei vom Gebiete der deutschen Kirche fern zu halten, und es zeigte sich bald, welche nachtheilige Einwirkung dieselbe auf das kirchliche Leben im allgemeinen und auf die Verhältnisse des Familienkreises ausübte. Gegen die sogenannte zweite schlesische Schule richteten sich am Ende bes 17 und Anfang des 18. Jahrhunderts von mehreren Seiten heftige Angriffe. Christian Weise in Zittau (f 1708) ging in Drama und Lyrik auf das .Naturelle" zurück. Bei ihm und seinen Nachfolgern trat an die Stelle der schwülstigen Geschmacklosigkeit der Schlesier prosaische Flachheit. Die „Hofpoeten" (v. Canitz 1654 — 1699) stellten die Lehrer des Horaz und Boileau den Regeln des Opitz entgegen, dichteten nach französischen Mustern und suchten deren Formglätte nachzuahmen. Nur theil* weise gehört zu diesen Dichtern der ihnen an Talent weit überlegene Chr. E. Günther (1695 — 1723), der an innerer und äußerer Haltlosigkeit früh zu Grunde ging. Die bei weitem wichtigste Gegenbewegung ging von Hamburg aus, wo Wernike und namentlich Barthold Heinrich Brockes (1680 — 1747) zuerst auf die englischen Dichter (Thomson) hinwies und der Dichtung die Beschreibung der Natur zur Aufgabe stellte. Das beschreibende Lehrgedicht wurde durch ihn und den in seine Fußtapfen tretenden berühmten Gelehrten Albrecht von Haller (1708 — 1777) auf längere Zeit die beliebteste Dichtungsart. Neben ihm ist der leichtere und heitere Rudolf von Hagedorn (1708 — 1754) zu nennen, wecher sich in der Fabel und der poetischen Erzählung an Lafontaine anschloß (die „Poesie der Grazien"). Eine Stellung, ähnlich derjenigen', welche früher Opitz eingenommen, erwarb sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Johann Friedrich Gottsched aus Judithenkirch bei Königsberg, Professor in Leipzig (1700 — 1766). Er ist in seiner Blütezeit ebenso überschätzt, wie von den späteren unterschätzt worden. Er hat das nicht geringe Verdienst, zuerst den Gedanken der deutschen Litteratur in ihrer Gesammtheit erfaßt und ihr eine gewisse Einheit gegeben zu haben, abgesehen von seinen erfolgreichen Bemühungen für deutsche Grammatik, Stilistik und Rechts-schreibung. Aber die ästhetischen Grundsätze, von denen er ausging, waren unrichtig und einseitig, ein viel zu großes Gewicht auf die mechanische Regel legend. Die kritische Herrschaft, welche er lange Zeit besaß, hatte ihre wohlthätigen Folgen, aber sie durfte nur eine vorübergehende sein. Den ersten Widerspruch erhoben die Schweizer Johann Jakob Dodmer (1698 — 1783) und Johann Jakob Breitinger gegen die ausschließliche Herrschaft der obersächsischen Mundart, gegen Gottscheds Tyrannei, gegen seine Vorliebe für die französischen Klassiker. Sie wiesen wiederum auf die Engländer hin (Milton) und setzten die Phantasie in ihre von dem Gottschedschen Verstandes- und Regelwesen bedrohten Rechte ein: auch ging Bodmer auf die vergessenen Dichtungen des deutschen Mittelalters zurück. In Leipzig selbst fing Gottscheds Herrschaft an zu wanken, als sich eine Anzahl junger Männer selbständig zur Herausgabe der „Bremer Beiträge" vereinigte. Diesem Bunde gehörten außer den sonst weniger bekannten Gärtner, Eramer, Schlegel, Ebert, Giseke auch der Satiriker Rabener, der Humorist Zachariä und der als Fabeldichter und Dichter geistlicher Lieder sowie als Moralist hochgeschätzte Christian Fürchtegott Geliert (1715 —1769) an. Auch Friedrich Gottlieb Klopstock (ans Quedlinburg, geb. 1724, gest. 1803 in Ham-

6. 40 Lektionen, umfassend den Zeitraum von Luther bis in die neueste Zeit - S. 67

1882 - Leipzig : Klinkhardt
— 67 — glaubst, daß ich viel arbeite. Ich thue es, um zu leben. Denn nichts hat mehr Ähnlichkeit mit dem Tode als der Müßiggang." Doch die angestrengteste Thätigkeit allein kann den Menschen nicht glücklich machen. Auch das Gemüt verlangt Nahrung. Es findet diese zunächst in der Natur und im Umgange mit wahren Freunden. Auch der große König fühlte das Bedürfnis nach Freundschaft, aber seine Umgebung konnte dies Bedürfnis nicht stillen. Und das war kein Wunder. Sie bestand nur aus geistreichen, d. H. witzigen Franzosen- Selbst die ernsthaftesten und heiligsten Dinge blieben vor ihrem scharfen Witze und gemütlosen Spotte nicht verschont. Das war damals in Frankreich so Mode, und wir wissen ja, daß Friedrich eine ganz französische Erziehung empfangen hatte. Da hatte er denn auch die französische Denkweise in sich aufgenommen, und deutsches Gemüt und wahre deutsche Herzensfrömmigkeit blieben ihm fremd. Dazu lohnten ihm seine französischen Gesellschafter wohl noch mit Undank, ja sie spotteten über ihn selbst. Durch solche Erfahrungen wurde er in seinen späteren Jahren verbittert, Pflegte wenig Umgang, mißtraute seiner Umgebung und schenkte seine Zuneigung seinen Windhunden, die ihn stets begleiteten und denen in Sanssouci (Saugsussi) bei Potsdam Grabdenkmäler errichtet wurden, wenn sie starben. Was hätte Friedrich bei seinem großen Geiste für deutsches Wesen thun können, wäre es ihm nicht völlig fremd geblieben. Mit Liebe kam man ihm entgegen. Er war der Abgott des Volkes. Wie volkstümlich er war, sieht man aus dem Namen, den man ihm gab. „Der Alte Fritze" hieß er und von niemand werden mehr Anekdoten erzählt als von ihm. Welche viel tiefere Befriedigung würde er im deutschen Geiste gefunden haben als in dem leichtfertigen Sinne der oberflächlichen Franzosen. So aber kannte er weder deutsche Gelehrte uoch Dichter und hatte nie das Verlangen, sie kennen zu lernen. Nur einen ließ er einmal zu sich kommen, als er sein Winterquartier in Leipzig hielt. Es war der Professor Gellert in Leipzig, von dessen Fabeln er gehört hatte. Der schüchterne, aber freundliche, gemütvolle Mann gefiel dem Könige, und er verlangte sogar eine seiner Fabeln zu hören. Friedrich war zufrieden und nannte Gellert den „vernünftigsten der deutschen Gelehrten". Konnte Friedrich nicht annehmen, daß es in Deutschland noch mehr vernünftige Gelehrte und Dichter geben werde? — Wenn wir also Friedrich den Großen als den ehren, der Preußen groß gemacht hat, so beklagen wir zugleich, daß seine Erziehung daran schuld war, ihn nicht deutsch denken und empfinden zu lehren. Wahrlich, er wäre noch größer gewesen! . Wir können diese Lektion nicht schließen, ohne nochmals an Gellert zu ermnern. Christian Fürchtegott Gellert wurde 1715 in Hainichen bei Freiberg geboren. Er besuchte später die Fürstenschule zu Meißen und die Universität zu Leipzig, wo er Theologie studierte. 1751 wurde er daselbst Professor. Durch seine Vorlesungen über die christliche Religion und durch seine Fabeln gewann er die Herzen aller, die ihm zuhörten oder feine Schriften lasen. Besonders aber ist er durch seine geistlichen Lieder der Lte&lmg der christlichen Gemeinde geworden. Eine große Menge derselben 5*

7. Größeres Handbuch für Schüler zum Gebrauche bei dem Unterrichte in Bürgerschulen und höheren Unterrichtsanstalten - S. 219

1874 - Leipzig : Klinkhardt
219 Sprache. Da traten als Vorboten einer bessern Zeit Leibnitz (11716) Wolf (t 1754), Thomasius (f 1728) auf. Letzterer besonders bringt die deutsche Sprache an den Universitäten zu Ehren. Auch Gottsched (1700—1766) hatte um dieselbe mannigfache Verdienste. Als Feind der geistlosen Flachheit in der Poesie kämpft der kritische Wernicke (1720). Immer aber blieb man über das Wesen der Dichtkunst im Dunkel. Da brachte ein zufälliger Streit Licht in dasselbe. Es ist der Streit der Schweizer Bodmer und Breitinger mit Gottsched 1740. Gottsched, seit 1726 Professor in Leipzig, hatte früher im Bunde mit Bodmer die 2. schlesische Schule bekämpft, gerieth aber mit diesem theils über Milton, theils über die Quelle der Poesie in Streit. Bodmer behauptet, die Dichtkunst habe ihren Ursprung im Gemüthe und in einer frischen, lebhaft erregten Phantasie; Gottsched behauptet ausdrücklich: „Es kommt in der Poesie nur auf die Wissenschaft der Regeln an." Bodmer empfiehlt die Engländer, Gottsched die Franzosen als Muster. Alle jüngeren Talente sielen Bodmer zu, und als endlich noch Lessing gegen Gottsched zu Felde zog, war dessen Ansehen ver- nichtet. — § 40. In beiden Parteien sind die Hauptkämpfer als Dichter höchst unbedeutend, denn weder Bodmers „Noachide", noch Gottscheds „sterben- der Kato" hat poetischen Werth. Viel höher stehen Haller und Hage- dorn. Haller, geb. 1708 zu Bern, ch 1777 daselbst, einer der größten Gelehrten des Jahrhunderts, singt tief empfundene Lieder und dichtet die „Alpen", ein beschreibendes Gedicht mit gelungenen Naturschilderungen. Er folgt der Bodmerschen Richtung. Hagedorn, geb. 1708 zu Ham- burg, i 1754, mehr den französischen Mustern folgend, war heiter, jovial, besang daher die Freuden des geselligen Lebens und des Weines in Hora- zischer Weise und in so vollendeter Form, daß sie lange unerreicht blieb. Die sächsische Schule. § 41. Mehrere junge Dichter in Leipzig entzogen sich der Gott- schedischen Diktatur, stifteten eine eigene Zeitschrift: „Die neuen Beiträge zum Vergnügen des Verstandes und Witzes" 1742 und bildeten ein eignes poetisches Kollegium. An der Spitze stand als Kritiker Gärtner 1712 bis 1791. Es gehörten dazu Kramer 1723—88, Gieseke 1724—1765, Zachariä 1726—1777 (der „Renommist"), Joh. Elias Schlegel aus Meißen 1718—1749, ein dramatisches Talent und der Begründer des neueren Dramas („Kanut", der „Geheimnißvolle"), A. G. Kästner, 1719—1800, ebenfalls ein ausgezeichneter Gelehrter und trefflicher Epi- grammendichter, der Satyriker Rabener, 1714—1771, und neben mehreren andern noch Ch. F. Geliert, 1715—1769, bekannt alsfabel- und Liederdichter. — Im Allgemeinen hat die sächsische Schule die Poesie wenig befördert. Friedrich Gottlob Ktopstock. § 42. Klopstock, geb. den 2. Juli 1724 zu Quedlinburg, h den 14. März 1803 zu Hamburg, ist der erste unserer sechs großen Dichter.

8. Lehrbuch der Weltgeschichte - S. 832

1847 - Leipzig : Engelmann
832 Neuere Literatur. Jbcbmer 1608 — 1783. Breitin- qer1701 — 1776. Liscov 1701 — 1760. unter verschiedenen Namen („die vernünftigen Tadlerinnen ", „kritische Beiträge", „neuer Büchersaal" u. s. w.) lange Jahre bestand und eine Menge Nachahmungen in den Provinzialstädten hervorrief, die Auszüge aus jener enthielten. — Als Ver- ehrer von Opitz und den Schlesiern hatte er die zahlreichen Anhänger dieser Schule auf seiner Seite; als Lehrer der Poesie und Redekunst bildete er Schüler, die ihn überall priesen, weil sie von ihm wieder gepriesen wurden. — Die Anhänger der Lcibnitz-Wolfischen Philosophie gewann er dadurch, daß er nach ihrem System seine kritische Dichtkunst entwarf; aus diesem Werke, wie aus seiner Redekunst, Sprachkunst u. a. verfertigte er für die sächsischen Schulen Lehrbücher (Compen- dien), worin er den Lehrern Lob spendete, um sie sich geneigt zu machen. — Als Verehrer der französischen Dichter, deren Werke er und seine Frau (Luise geb. Cul- m u s) um die Wette in's Deutsche übersetzten, erlangte er die Gunst der vornehmen Welt, der er bei jeder Gelegenheit seine Huldigung darbrachte; durch Widerstand gegen die hereinbrechende Freigeisterei erwarb er sich das Zutrauen der Frommen und durch Loben und Anpreisen mittelmäßiger Talente gewann er sich einen Schwarm von Freunden und Verehrern. Er war der gefeierte Kunstrichtcr des Nordens; sein Urtheil galt als unfehlbares Gesetz des Geschmacks, so daß er die Dreistigkeit hatte, in seiner Redekunst seine eigenen Werke als Muster neben die Alten zu stel- len. — Ohne Begriff von einem freien Wachsthum der Poesie glaubte er, daß man blos die Gesetze und Regeln der Dichtkunst zu erfinden brauche, um poetische Werke machen zu lernen und trat daher keck nicht nur als Gcschmacksrichter, sondern auch als Mustcrdichter und Wiederherstellcr der dramatischen Poesie auf. Die feierliche Verbannung des Harlekins (Hanswursts) vom Leipziger Theater war das Signal, daß die bisherigen Volksschauspiele mit ihren gemeinen Späßen von der Bühne ver- schwinden sollten; kunstgerechte französische Dramen, in deutsche Alexandriner geklei- det, traten an die Stelle, bis Gottsched selbst eine regelrechte Tragödie in französi- schem Geschmack: „der sterbende Cato" als Muster eines deutschen Original- schauspiels aufstellte. Dieses werthlose Stück, das in der von ihm veranstalteten deutschen Schaubühne an die Spitze gestellt ward, erlebte in Kurzem 10 Auf- lagen. §. 57. Gottsched und die Schweizer. (B od mer und B reitin ger.) Während im Norden Gottscheds Worte wie Orakelsprüche verehrt wurden, erhob sich in der Schweiz gegen den pedantischen Geschmackrichtcr ein gewaltiger Sturm, der zur Folge hatte, daß sein Truggebäude umgestürzt und er mit Hohn von dem angemaßten Posten vertrieben wurde. In Zürich nämlich schaartcn sich um J oh. J a c. Bodmer, einen gewandten, witzigen, für alles Höhere empfänglichen Schrift- steller von vielen, wenn auch nicht gerade tiefen Kenntnissen, eine Anzahl strebsamer Männer, darunter Breitinger. Diese waren eben so tiefe Bewunderer der eng- lischen Literatur, wie Gottsched der französischen, daher bald Reibungen zwischen beiden entstanden. Die Zürcher gingen in ihren Dis cur sen der Maler den elenden Wochenschriften und Zeitungen, die in Gottscheds Diensten standen, zu Leibe. Dies ärgerte den Leipziger Professor und er behandelte daher, als Bodmer Mil- ton's verlornes Paradies übersetzte, den englischen Dichter und dessen reli- giöse Poesie in seinen kritischen Beiträgen mit Spott und Verachtung. Dies war der Anfang eines folgenreichen literarischen Kampfes. Zu den Schweizern gesellte sich der kräftige, durch klassische und englische Literatur gebildete Liscov (aus dem Schwerin'schen), der mit einer dis dahin unerhörten Schärfe des Spottes und der Ironie und in einer musterhaften deutschen Prosa bald gegen die orthodoxen Theo-

9. Lehrbuch der Weltgeschichte für höhere Töchterschulen - S. 225

1878 - Berlin : Nauck
2. Kapitel. Das Zeitalter Friednchs d. Gr. 225 melshausen (1669). - Im Gegensatze gegen he zweite schle. fische Dichterschule wurde von Andern bte Dichtkunst zum Zeitver. treib und zu nchterner Reimerei herabgewrdigt. Dieser Richtung folgten besonders Christian Weise zu Zittau (16421708) und die Schlesier Benj. Neukirch, Hans v. Assig und Hans A. mann, Freiherr v. Abschatz. Hher steht Johann Christian Gnther aus Striegau (16951723). Besonders erschttert wurde das Ansehen der Zweiten schleichen Schule durch den Pro. fessor Daniel Georg Morhof zu Kiel (1639-1691) und den Epigrammatiker Christian Wernicke, + zu Hamburg 1720 (berschriften"). Der preuische Staatsmmister Fnedr. Rudolf Ludwig v. Canitz zu Berlin (16541699) ahmte in seinen Sa. tiren Boileau nach; der Hamburger Rathsherr Barthold Heinrich Brockes (16801720) gab sich religiser Betrachtung der Natur hin; K. Friedrich Drollinger in Basel, -j- 1744, ubertraf ihn noch in Naturschilderungen, und so wurde eine bestere Richtung in der deutschen Dichtkunst vorbereitet, die sich im 18. Jahrhundert Bahn brach. Joh. Christoph Gottsched (geb. 1700 zu Judithenkirch bei Knigsberg, t 1766 als Professor m Leipzig) ver-trieb 1737 den Hanswurst von der Bhne, dichtete deutsche Dra-men nach franzsischen Mustern, behauptete aber, in der Poesie komme es nicht auf Phantasie und Gefhl, sondern auf strenge Beobachtung der Regeln an. Der Streit, in den er dadurch mit den Zricher Professoren Joh. Jak. Bodmer (1698, + 1783) u. Joh. Jak. Breitinger (1701-1776) gerieth, vernichtete lem lange Zeit unumschrnktes Ansehen. Als Vorlufer einer besseren Zeit traten nun der gelehrte Albrecht v. Haller (17081777) als Lyriker und didactischer Dichter (die Alpen"), der Hamburger Friedrich v. Hagedorn (17081754) mit Liedern, poetischen Episteln und Fabeln und sein Freund Christ. Ludw. Liscow (17101760) als Verfasser prosaischer Satiren auf. Mehrere jngere Dichter vereinigten sich zur Herausgabe der Bremer Beitrge." Die bedeutendsten derselben waren Christian Furchtegott Geliert, geb. 1715, + 1769 als Professor in Leipzig (Fabeln u. Erzhlungen, geistliche Lieder). Gottl. Will). Raben er, geb. 1714, t 1771 zu Dresden (Satiren) und Justus Friedrich Wilh. Zachariae, geb. 1726, t 1777 als Professor in Braun-schweig (komische Epopen). Als Dramatiker sind Christian Felix Weie (17261804) und Friedrich Freiherr v. Cronegk (1731 bis 1758) zu nennen. Herbeigefhrt wurde die Zeit der neuen klassischen Poesie durch Friedr. Gottl. Klopstock, geb. 1724 zu Quedlinburg, in Schulpsorte, Jena und Leipzig gebildet, seit 1751 in Kopenhagen, 1771 dnischer Legationsrath in Hamburg, 1774 Hofrath in Karlsruhe, dann wieder in Hamburg, wo er 1803 starb. Er begeisterte die Deutschen zuerst wieder fr Religion und Vaterland (sein religises Epos der Messias", 17481773; Oden, Elegien, geistliche Lieder, Bardiete, geistliche Dramen). Das^na-tionale, christliche und antike Element waren bei ihm aufs schnste vereinigt. Das letztere hatte das Uebergewicht bei Gotthold Ephr. Lessing, 1729 zu Kamen; geboren, in Leipzig gebildet, dann bald in Berlin, bald in Leipzig, bald in Breslau, 1767 Dramaturg in Hamburg, 1770 Bibliothekar in Wolfenbttel, wo er 1781 starb. Er befreite das Drama von den Fesseln der franz- Wernicke, Weltgeschichte. 15

10. Das Vaterland - S. 350

1856 - Darmstadt : Diehl
350 so erschlugen sie den frommen Greis vor seiner Hütte. Niemand hatte es gesehen als die Naben, welche eben erst auf den Schultern des Gemordeten gesessen hatten, und welche durch ihr klägliches Ge- schrei die verruchten Mörder, welche die Hütte durchsuchten, aber Nichts fanden, erschreckten. „Laßt uns gehen," sagte der Eine zu dem Andern, „die Raben des Einsiedlers gefallen mir nicht, und Geld und Geldeswerth finden wir doch nicht." Einige Tage darauf kamen einige fromme Pilger an die Hütte, um den ehrwürdigen Meinhard zu besuchen, aber sie fanden nur sei- den blutigen Leichnam. Alle weinten über das klägliche Ende des frommen Mannes und begruben ihn feierlich neben seiner Wohnung. So lange hatten die Raben immer schweigend auf dem Dache der Hütte gesessen, als aber die Leiche unter der Erde war, da flogen sie schreiend davon. Die Pilger gingen nun in die nächsten Dörfer und verkündigten die schändliche Mordthat, die an dem heiligen Meinhard begangen worden sei. Jedermann hörte es mit Grausen, und Jeder wünschte, daß die Mörder entdeckt und zur Strafe gezogen würden. Da sahen die Pilger auf einmal ein seltsames Schauspiel. Zwei Männer wurden von zwei Raben verfolgt. Immer kreisten die schwar- zen Vögel über den Köpfen der Männer, schrieen und fuhren auf die- selben los, als wollten sie ihnen die Augen aushacken. Die Männer schlugen nach ihnen, aber es half Nichts, die Raben kamen immer wieder. Da kam den Pilgern plötzlich der Gedanke: „Dies sind die Raben des heiligen Meinhard, und diese Männer sind seine Mörder." Sie nahmen die Männer fest und brachten sie vor Gericht. Die Raben folgten unermüdlich, und ihr Geschrei wurde immer schauer- licher. Die Mörder aber, welche schon lange vor den ihnen wohl- bekannten Vögeln erschrocken waren, läugneten ihr Verbrechen nicht länger und erkannten, daß das ein Strafgericht Gottes sey. Als sie hingerichtet waren, verschwanden die Raben, und Niemand hat sie wieder gesehen. 14. Christian Fiirehtegott Geliert. Auch Geliert hat wie so viele berühmten Dichter kein hohes Alter erreicht, auch war er nicht mit irdischen Gütern gesegnet. Allein er war in der Mitte des 18. Jahrhunderts der beliebteste aller deutschen Schrifsteller, und der grosse König Friedrich von Preussen hat ihn allen übrigen vorgezogen. Jetzt liest man seine Schriften weniger, obgleich seine Fabeln und Erzählungen, wie auch seine Kirchenlieder noch Alten und Jungen gefallen. Wer singt nicht gern: „Wie gross ist des Allmächtigen Güte!“ oder „Wenn ich, o Schöpfer, deine Macht,“ oder: „Oft klagt mein Herz, wie schwer es sei?“ Alle diese und noch viele anderen Lieder rühren von Geliert her. Dabei war Geliert ein so vortrefflicher, frommer, bescheidener und mildthätiger Mann, dass Jedermann ihm gut sein musste. Wie oft hat er von seinem geringen Ein- kommen als Lehrer an der Universität zu Leipzig arme Studen- ten unterstützt! wie oft selbst seinen letzten Heller mit ihnen ge- theilt! Denn er war nicht im Stande, einem Bittenden Etwas

11. Vom Westfälischen Frieden bis zum Ende der Französischen Revolution - S. 73

1905 - Hamburg : Boysen
— 73 — die alles Sein und alles Wissen prüfen sollte. Damit war die Philosophie über alle anderen Wissenschaften gestellt; neben ihr und außer ihr gab es keine andere Erkenntnis; sie hörte auf, dienende Magd zu sein; sie wurde Herrscherin. Um eine Übersicht zu erlangen und die Bearbeitung des großen Gebietes der Wissenschaft zu erleichtern, sollte die gesamte Wissenschaft gegliedert werden, und zwar so, daß jeder Wissenszweig mit dem anderen wie die Glieder des menschlichen Körpers zusammenhänge und immer die eine Wahrheit die andere stütze. Damit war eine weite, bisher ungeahnte Aufgabe gestellt. Der Gelehrte sollte sich nicht mehr mit dem elenden Wust von Wissensstoff beschäftigen wie bisher, es kam Leben in die toten Massen; Wissenschaft sollte nicht bloß Wissen, sondern vor allem auch Denken sein. Die Wolffsche Philosophie breitete sich schnell aus. Mit jedem Jahr mehrten sich auf den deutschen Universitäten die Anhänger unter Lehrern und Schülern. Seit 1740 gab es keinen irgend bedeutenden Mann mehr, der nicht freudig bekannte, daß er einen großen Teil seiner Bildung dem Halleschen Philosophen Wolff verdanke. — Angeregt durch Leibniz und Wolff, wandten sich die Deutschen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit Vorliebe der Philosophie zu. Man nennt die geistige Bewegung, welche Deutschland damals erfaßte, die deutsche Aufklärung. Sie hat der Welt keine neuen tiefen Gedanken geschenkt; aber sie hat insofern große Bedeutung, als ihr gelang, eine stetig wachsende Zahl von Gebildeten zu wissenschaftlichem Denken anzuregen. Ein hervorstehendes Merkmal der Aufklärung war, daß man als das Alleinberechtigte das Ich ansah; alles andere hatte für die Männer der Aufklärungszeit nur in dem Maße Wert, als es zur Förderung des Ich beitrug. Wahlspruch war der Satz des Engländers Pope: The proper study of mankind is man. Dieser Spruch kehrt bei allen Schriftstellern der Richtung in den mannigfachsten Übersetzungen wieder. Der Mensch, seine Stellung in der Welt und seine Bestimmung wurden Gegenstand der sorgfältigsten und allseitigsten Prüfung. Daher bearbeitete man vor allen Dingen die Lehre vom Guten und Schönen. Daher auch die Vorliebe für Selbstbekenntnisse und Selbstbiographien, für Gefühlsergüsse in den Briefen und für Tagebücher. Daher ferner das Bemühen, das öffentliche und häusliche Erziehungswesen zu verbessern. Daher endlich die eigenartige Naturbetrachtung, welche die Naturgegenstände und -kräfte daraufhin prüfte, welchen Nutzen sie dem Menschen gewähren. Auch auf die Religion richtete man seine Untersuchungen. Aber die Bekenntnisschriften hatten allmählich für das wissenschaftliche und gesellschaftliche Leben ihre Geltung verloren. Jetzt handelte es sich um den Gegensatz von Vernunft und Offenbarung, Denken und Glauben. Als Grundwahrheiten eines vernünftigen Glaubens bezeichnete man die Lehre vom Dasein Gottes, von der Unsterblichkeit der Seele und von der Notwendigkeit eines tugendhaften Lebens. Das Haupt der deutschen Aufklärungsphilosophie war nach der Meinung jener Zeit Friedrich Nicolai, ein Buchhändler in Berlin,

12. Geschichtliches Lesebuch - S. 73

1909 - Hamburg : Boysen
— 73 — die alles Sein und alles Wissen prüfen sollte. Damit war die Philosophie über alle anderen Wissenschaften gestellt; neben ihr und außer ihr gab es keine andere Erkenntnis; sie hörte auf, dienende Magd zu sein; sie wurde Herrscherin. Um eine Übersicht zu erlangen und die Bearbeitung des großen Gebietes der Wissenschaft zu erleichtern, sollte die gesamte Wissenschaft gegliedert werden, und zwar so, daß jeder Wissenszweig mit dem anderen wie die Glieder des menschlichen Körpers Zusammenhänge und immer die eine Wahrheit die andere stütze. Damit war eine weite, bisher ungeahnte Aufgabe gestellt. Der Gelehrte sollte sich nicht mehr mit dem elenden Wust von Wissensstoff beschäftigen wie bisher, es kam Leben in die toten Massen; Wissenschaft sollte nicht bloß Wissen, sondern vor allem auch Denken sein. Die Wolffsche Philosophie breitete sich schnell aus. Mit jedem Jahr mehrten sich auf den deutschen Universitäten die Anhänger unter Lehrern und Schülern. Seit 1740 gab es keinen irgend bedeutenden Mann mehr, der nicht freudig bekannte, daß er einen großen Teil seiner Bildung dem Halleschen Philosophen Wolff verdanke. — Angeregt durch Leibniz und Wolff, wandten sich die Deutschen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit Vorliebe der Philosophie zu. Man nennt die geistige Bewegung, welche Deutschland damals erfaßte, die deutsche Aufklärung. Sie hat der Welt keine neuen tiefen Gedanken geschenkt; aber sie hat insofern große Bedeutung, als ihr gelang, eine stetig wachsende Zahl von Gebildeten zu wissenschaftlichem Denken anzuregen. Ein hervorstehendes Merkmal der Aufklärung war, daß man als das Alleinberechtigte das Ich ansah; alles andere hatte für die Männer der Aufklärungszeit nur in dem Maße Wert, als es zur Förderung des Ich beitrug. Wahlspruch war der Satz des Engländers Pope: The proper study of mankind is man. Dieser Spruch kehrt bei allen Schriftstellern der Richtung in den mannigfachsten Übersetzungen wieder. Der Mensch, seine Stellung in der Welt und seine Bestimmung wurden Gegenstand der sorgfältigsten und allseitigsten Prüfung. Daher bearbeitete man vor allen Dingen die Lehre vom Guten und Schönen. Daher auch die Vorliebe für Selbstbekenntnisse und Selbstbiographien, für Gefühlsergüsse in den Briefen und für Tagebücher. Daher ferner das Bemühen, das öffentliche und häusliche Erziehungswesen zu verbessern. Daher endlich die eigenartige Naturbetrachtung, welche die Naturgegenstände und -kräfte daraufhin prüfte, welchen Nutzen sie dem Menschen gewähren. Auch auf die Religion richtete man seine Untersuchungen. Aber die Bekenntnisschriften hatten allmählich für das wissenschaftliche und gesellschaftliche Leben ihre Geltung verloren. Jetzt handelte es sich um den Gegensatz von Vernunft und Offenbarung, Denken und Glauben. Als Grundwahrheiten eines vernünftigen Glaubens bezeichnete man die Lehre vom Dasein Gottes, von der Unsterblichkeit der Seele und von der Notwendigkeit eines tugendhaften Lebens. Das Haupt der deutschen Aufklärungsphilosophie war nach der Meinung jener Zeit Friedrich Nicolai, ein Buchhändler in Berlin,

13. Kurze Geschichte der deutschen Dichtung - S. 5

1910 - Leipzig : Voigtländer
5 5. Die Vorblte der zweiten Bltezeit. 3m Zeitalter Friedrichs des Groen begann ein gro-artiger Kufschwung des geistigen Lebens, der sich auch auf dem Gebiete der Dichtung geltend machte. Nach Goethes Ausspruch kam der erste wahre und hhere eigentliche Lebensgehalt durch Friedrich den Groen und die Taten des Siebenjhrigen Krieges in die deutsche Poesie. Es war die Persnlichkeit des groen Knigs, die auf alle Gemter wirkte". Friedrich selbst erlebte noch den Hnfartg der neuen Bltezeit, die mit der Mitte des 18. Jahrhunderts begann. Der eigentlichen Bltezeit geht die Vorbereitungszeit voraus, die bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts reicht. Der Leipziger Professor Gottsched drang mit Recht aus einfachen, klaren, wrdigen Rusdrudt; er irrte sich aber, wenn er die Poesie fr eine Sache des Verstandes hielt, die sich erlernen lasse, und wenn er die franzsischen Dichter den Deutschen als Muster hinstellte. 3m Gegensatz zu ihm suchten die Schweizer Professoren Bodmer und Breitinger den Ursprung der Poesie in einer besonderen Regsamkeit der Einbildungskraft und das Vorbild der deutschen Dichtung in den poetischen Schpfungen der Englnder. Nach dem Sinne der Schweizer dichteten haller, Hage-dorn, Geliert, Ewald von Kleist und Gleim. Albrecht von Kaller war (1708) zu Bern geboren. Sein berhmtestes Gedicht, Die fllpen", schildert in edler Darstellung die groartige Natur des Alpenlandes und das sittenreine, zufriedene Hirtenleben der Gebirgsbewohner. Friedrich von Hagedorn, ein Hamburger (ebenfalls 1708 geb.), hat leichte, anmutige, heitere Lieder, Fabeln und Erzhlungen gedichtet; unvergessen ist noch heute seine poetische (Erzhlung Johann, der muntere Seifensieder". Christian Frchtegott Geliert, Professor in Leipzig (geb. 1715), wurde durch seine Fabeln, die auch Friedrichs des Groen Beifall fanden, und durch seine geistlichen Lieder, von denen nicht wenige in die evangelischen Gesangbcher bergingen (mein erst Gefhl sei preis und Dank", Wie groß ist des flllmcht'gen Gte"), ein Lieblingsdichter des deutschen Volkes. . Ewald von Kleist (geb. 1715), der als preuischer Major an einer in der Schlacht bei Kunersdorf 1759 erlittenen Verwundung starb, ein sanfter, die Natur und die Einsamkeit liebender Dichter, ist besonders durch sein beschreibendes Gedicht Der Frhling" bekannt. Es ist, wie Lessing sagt, eine mit Empfindungen durch-flochtenc Reihe von Bildern". Ludwig Gleim in Halberstadt (gest. 1803) hat heitere Lieder von Rosen, Wein, Freundschaft und anmutige Fabeln gedichtet; krftiger sind seine preuischen Kriegslieder von einem Grenadier", die durch Friedrichs Feldzge von 1756 und 1757 veranlat wurden.

14. Geschichte der Neuzeit - S. 226

1887 - Wiesbaden : Kunze
226 Zweite Periode derneuzeit. Kunst und Wissenschaft bedurften in Deutschland eines hundertjährigen Ringens (§. 6), um sich aus dem traurigen Zustand, in den sie durch den 30jährigen Krieg versetzt worden waren, wieder empor zu arbeiten und sich von den Einflüssen zu befreien, welche Frankreich seit Ludwigs Xiv. Regierung daraus ausübte. Erst das Zeitalter Friedrichs des Großen brachte in dem Geistesleben des deutschen Volkes einen Umschwung und Aufschwung hervor, infolge dessen Deutschland, wenngleich es politisch zerrissen war, geistig an die Spitze der Kulturstaaten trat. Auf dem Gebiete der deutschen Litteratur entstand eine zweite Blütezeit, welche stets der Stolz des deutschen Volkes bleiben wird. Art der Schwelle dieser Blüteperiode stehen Haller und Hagedorn. Haller (f 1777) nahm sich die Engländer zum Vorbild und verschaffte der deutschen Poesie einen würdigeren Inhalt und kräftigen Gedankenausdruck. Von Hagedorn (t 1754), der den Franzosen sich anschloß, erhielt die dichterische Sprache Leichtigkeit und Anmut. Gottsched (f 1766) in Leipzig reinigte das Theater (der Frau Neuber) von unwürdigen, sittenlosen Schauspielen und dem rohen Gebaren des Hans Wurst; er drang zugleich auf Einfachheit und Natürlichkeit der Sprache. Wenn er auch der Nüchternheit und französischen Regelmäßigkeit huldigte, sich auch als pedantischer und hochmütiger Kritiker erwies und über das Wesen der Poesie eine unrichtige Meinung verbreitete, so lenkte er doch den Blick wieder aus die Dichtkunst und rief einen Kampf hervor, der die Anschauungen klärte. In diesem litterarischen Kampfe siegten die Schweizer Bodm er und Br eit in g er in Zürich, indem sie mit ihrer Darlegung durchdrangen, daß die Poesie nicht, wie Opitz und Gottsched meinten, Sache des Verstandes und daher eine erlernbare Kunst sei, sondern daß sie im lebendigen Gefühl und einer regen Phantasie ihre Quelle habe. Junge Dichter schlossen sich zu Vereinen zusammen, um sich gegenseitig zu fördern. In Leipzig bildete sich im Gegensatz zu Gottsched ein Verein, welcher die ernste, elegisch-sentimentale Richtung der Engländer einschlug. Diesem gehörten Gärtner, Zachariä, Rabener, die beiden Brüder Johann Adolf und Johann Elias Schlegel, gramer und Geliert (f 1759) an. Letzterer erlangte als Fabeldichter und Verfasser geistlicher Lieder großes Ansehen. Gleim, Utz und Gotz legten in Halle den Grund zu vertrieben; Gregor Ix. verbannte ihn sogar aus dem Kirchenstaate. Der Orden wußte sich jedoch von neuem Eingang in diese Länder zu verschaffen und einen großen Einfluß geltend zu machen. 1872 wurde er wieder aus dem deutschen Reiche ausgewiesen.

15. Bilder aus dem sächsischen Berglande, der Oberlausitz und den Ebenen an der Elbe, Elster und Saale - S. 501

1883 - Leipzig : Spamer
Gottsched und Gellert. 501 Geduld, Demut und Bescheidenheit, hat sich aber dafür seinen Ruhm und die Liebe aller Deutschen bis zu seinem Tode bewahrt. Bei den Studenten war Gellert sehr beliebt, nicht bloß wegen seines klaren und praktischen Unterrichts, sondern auch wegen seiner Güte und Milde; denn er war seinen Hörern nicht bloß Lehrer, sondern auch Freund, suchte durch persönlichen Umgang auf sie einzuwirken und unterstützte ärmere Studenten, soweit es seine beschränkten Mittel ihm gestatteten. Dieselbe Liebenswürdigkeit in Verbindung mit einer gewissen Schalkhaftigkeit und einem tiefen Gemüt der- liehen auch seinen Schriften einen Charakter, durch den sie im ganzen Volk, bei hoch und niedrig, den größten Beifall erlangten und ihren Weg ebenso gut in die Paläste des Reichtums wie in die Hütten der Armut fanden. Besonders die so recht dem Leben abgelauschten Fabeln verbreiteten sich außerordentlich rasch. Selbst Friedrich Il, der bekanntlich die deutschen Dichter und Schriftsteller wenig achtete, erkannte Gellerts Bedeutung an und würdigte ihn sogar einer Unterredung. Das geschah im Jahre 1760, als Friedrich nach der Schlacht bei Torgau (s. S. 451) den Winter in Leipzig zubrachte. Am 13. Dezember wurde der Dichter von dem preußischen Major Quintus Jcilius vor den König geführt, der sich nach seiner Herkunft erkundigte und ihn dann fragte, warum Deutschland keinen guten Schriftsteller habe. Gellert entgegnete freimütig, Se. Majestät sei einmal gegen die Deutschen eingenommen, nannte dann einige Schriftsteller und fuhr fort: „Überhaupt lassen sich verschiedene Ursachen an- geben, warum die Deutschen noch nicht in aller Art guter Schriften sich hervor- gethan haben. Da die Künste und Wissenschaften bei den Griechen blühten, führten die Römer noch Kriege. Vielleicht ist jetzt das kriegerische Säknlnm der Deutschen; vielleicht hat es ihnen auch noch an Augusten und an Louis Xiv. gefehlt." Als der König von Gellerts Krankheit hörte, die er als die gelehrte bezeichnete, meinte er, die habe er auch gehabt, und er wolle ihn kurieren. „Er muß sich Bewegung machen", sagte Friedrich zum Dichter, „alle Tage ausreiten, jede Woche Rhabarber nehmen." Weiterhin sprach er seine Freude darüber aus, daß Gellert gegen den Hofstil geeifert habe, von dem man nichts verstehen könne, und ließ sich dann eine von seinen Fabeln vortragen. Der König fand sie recht schön und sagte: „Er hat so etwas Kulantes in. seinen Versen, das verstehe ich alles. Da hat mir aber Gottsched eine Übersetzung der Iphigenie vorgelesen; ich habe das Französische dabei gehabt und kein Wort verstanden." Beim Abschiede forderte der König Gellert auf, bald wiederzukommen; doch hat er ihn nicht wieder rufen lassen. Welchen Eindruck die Unterredung auf den König gemacht haben muß. kann man daraus erkennen, daß er sich selber in der Fabel versuchte und Gellert nach einigen Tagen eine solche in französischer Sprache übersandte. Gellert war fortwährend kränklich, und dazu kam in den späteren Lebens- jähren Hypochondrie. Den Rat Friedrichs des Großen, durch Reiten derselben entgegenzuwirken, befolgte er; aus einer lammfrommen Schecke, die ihm der Prinz Heinrich von Preußen geschenkt hatte, ritt er täglich aus, und als be- sondere Auszeichnung gestattete ihm der Stadtrat von Leipzig, daß er das Rosenthal, welches damals sür Reiter und Wagen noch nicht zugänglich war, zu seinen Spazierritten benutzte. Trotz Anwendung aller ärztlichen Kunst ver- schlimmerte sich sein Leiden mit jedem Jahre, und am 13. Dezember 1769

16. Geschichte der Neuzeit - S. 90

1899 - Hannover [u.a.] : Meyer
— 90 — gegen kirchliche Einrichtungen, besonders gegen den Jesuitenorden; dem Einfluß der französischen Regierung gelang es, Papst Clemens Xiv. zur Aufhebung dieses Ordens zu bestimmen (1773). (Die deutsche Litteratur.) 1. Die deutsche Litteratur erhob sich während des zweiten Drittels des 18. Jahrhunderts aus dem tiefen Verfall des siebzehnten. Die litterarische Fehde zwischen dem Leipziger Professor Io H. Christof Gottsched und den Züricher Gelehrten Jo H. Jakob Bodmer und Breit inger führte zur Erörterung des Wesens der Poesie und der von den deutschen Dichtern zu erwählenden, ausländischen Vorbilder. Gottsched entschied sich für die Franzosen, deren Drama er auf die deutsche Bühne zu verpflanzen wnßte, Bodmer für die Engländer, unter denen er Milton am höchsten stellte. Aus dem Pietismus gingen Klopstock und Wieland hervor. Friedrich Gottlieb Klopstock (1724—1803), ein Sachse, ist der Dichter des Messias und zahlreicher Oden; er ahmte die Versmaße der Alten nach, verschmähte den modernen Reim und bereitete dem Kultus einer empfind-samen Freundschaft eine Stätte in der deutschen Poesie. Christof Martin Wieland (1733—1813), ein Schwabe, ursprünglich aller Weltfreude abgesagter Feind, verließ bald die „seraphischen Sphären" und gewann durch französischen Mustern nachgebildete, graziöse Erzählungen in Versen und in Prosa der deutschen Litteratur Eingang in die höheren, bisher der französischen Bildnng allein huldigenden Gesellschaftskreise. Er übersetzte griechische und römische Schriftsteller und vermittelte durch feine Verdeutschung Shakespeares dem heranwachsenden Geschlecht das große Vorbild des nun eiusetzeuden deutschen Dramas höheren Stils. Gott hold Ephraim Lessing (geboren in Kamenz in der Lausitz 1729, gestorben 1781 in Braunschweig), bewegte sich zuerst in den hergebrachten Geleisen der Gottschedschen Schule, schlug dann aber eigene Wege ein: er schuf das deutsche bürgerliche Trauerspiel (Miß Sarah Sampsou, Emilia Gatotti), schrieb das erste deutsche Lustspiel „von temporärem Gehalt" (Minna von Barnhelm, nach Goethe „die wahrste Ausgeburt des siebenjährigen Krieges") und verfocht in dem Schauspiel „Nathan der Weise" die Lehren des Deismus und die Forderung der religiösen Duldung. Er verbreitete durch seine wissenschaftlichen, kritischen Schriften, die zum großen Teile der Poesie, besonders der dramatischen, zu gnte kommen, Licht über einschneidende Fragen der Ästhetik (Briefe die neueste Litteratur betreffend, Laokoon, die Hamburger Dramaturgie, wo er das Ansehen der französischen Dramatik, besonders Voltaires, vernichtet und Shakespeares Bedeutung hervorhebt) und bewies dadurch, daß

17. Lehrbuch der deutschen Geschichte - S. 208

1874 - Erlangen [u.a.] : Deichert
208 90. Die 1teitere deutsche Geschichte. Vi. Periode, 46481806. t 1788) und bcr gemthliche, volksthmliche Dichter, Matthias Claudius (der Wandsbecker Bote, f 1815) standen mit dem Be-kenntnisse ihres Glaubens sehr einsam, wenig beachtet und noch wem-ger erkannt. Manche, wieviele der Romantiker, machten gleich den Mystikern des Mittelalters die Religion zu einer Sache des Gefhls oder traten (wie Friedr. Stolberg, Friedr. Schlegel) zur katholi-schen Kirche der. 4. Um die nmliche Zeit, als Friedrichs Ii. Waffenthaten Enrop a mit Bewunderung erfllten und die von ihm verbreiteten Aufklarungs-ideen vornehmlich in vielen deutschen Frstenhfen Eingang fanden (. 87, 3), suchte sich auch die deutsche Literatur der fremden Fesseln zu entwinden, um sich bald durch die deutschen Geisteshelden zur hoch-sten Blthe zu erheben. Mit Hall er in Bern (f 1777) undhagedorn in Hamburg (j-1754) begann der neue Aufschwung der deutscheu Poesie. Noch glaubte Gottsched in Leipzig (^ 1766), die Poesie allein durch steife Regeln nach franzsischem Muster frdern zu knnen, da wiesen die Schweizer Bdmer (f 1783) und Breitinger (f 1776) auf die englische Literatur und betrachteten Phantasie und schpferische Kraft als das We-sen der Dichtkunst. Bald bildeten sich im Sinne der Schweizer in Leipzig der schsische (Geliert f 1769) und in Halle der preuische (halberstdtische) Dichtervereiu (Gleim f 1803; Ewald v. Kleist f 1759), worauf mit Klopstock (geb. zu Quedlinburg 1724, f zu Hamburg 1803), dem Snger des Messias", mit Gotth. Ephr. Les-sing (geb. 1729 in der Oberlausitz, f 1781 zu Braunschweig), dem groen Kritiker und Reformator des Dramas, mit Wieland, dem in anmnthiger und witziger Darstellung gleich gewandten Dichter, und mit Herder (geb. 1744 in Ostpreuen, f 1803 in Weimar), dem sr die Poesie aller Völker und Zeiten begeisterten Philosophen und Gottesgelehr-ten, die klassische Periode unserer neueren Literatur eintrat. Dieselbe erreichte nach der Bewegung der sog. Sturm- und Drang-Periode (Max Klinger f 1831) und den an Klopstock sich anschlie-enden Dichtern des Gttinger Heinbundes (Brger f 1794; Vo f 1826) ihren Hhepunkt in den beiden Heroen des deutschen Geistes, in Friedrich v. Schiller (geb. zu Marbach in Wrttemberg den 10. Nov. 1759, f zu Weimar 1805) und Johann Wolfgang v. 1799 Gthe (geb. zu Frankfurt a. M. den 28. Aug. 1749, f zu Weimar @tt;e und 1832), die mit Aerdcr, Wieland und anderen bedeutenden Mnnern ctytuer ttt * ' Weimar, unter Karl August's groherziger Regierung in Weimar lebten (. 87, 3). In Jena bildete sich gegen Ende des Jahrhunderts die mit Sehn-sucht aus Deutschlands mittelalterliche Gre zurckblickende roman-tische Dichterschule (die Brder August Wilhelm und Friedrich von Schlegel); zu gleicher Zeit entfalteten dort auch die Philosophen

18. Geschichte des deutschen Volkes - S. 352

1905 - Berlin : Vahlen
352 Deutsche Dichtung und Wissenschaft. 529531. ausgeruht, jetzt im 18., unter dem Nachhall der Taten Friedrichs, erhob er sich von neuem. Aber obwohl zunchst nur von Preußen dem deutschen Nationalgefhle diese Anregung kam, so nahmen doch an der neuen Geistes-entwicklung alle deutschen Stmme teil, ja es quoll in den kleinen Staaten im Sden und Westen des Vaterlandes eine noch reichere Ader deutschen Geisteslebens als in Preußen selbst; und sogar die Schweiz, dieses politisch von Deutschland getrennte Glied, griff frdernd mit ein. 530. Von hier ging schon in der ersten Hlfte des 18. Jahrhunderts ein Dichter und Gelehrter aus, der die alte Verbindung der Schweiz mit Deutschland gleichsam neu befestigte. Das war Haller (17081777), der Dichter der Alpen", der nach Gttingen berufen lange Zeit eine Zierde dieser blhenden Universitt war, die Deutschland der Vorliebe des hannverisch-englischen Knigshauses fr sein Stammland verdankte (gegrndet 1737). Hallers Zeitgenosse war Hagedorn in Hamburg (17081754), der zuerst die schwerfllige deutsche Poesie wieder Anmut lehrte. So regte sich im uersten Norden wie im uersten Sden die deutsche Muse zuerst wieder. In Leipzig, der alten Stadt des oberschsisch-meinischen Stammes, dessen Sprache die Grundlage des Neuhochdeutschen ( 423) gewesen war, gab seit 1730 Gottsched (17001766) Regeln der Poesie, freilich steif, einseitig und anmaend genug; doch luterte er, be-sonders durch den Hinweis auf die besseren franzsischen Dichter, den Ge-schmack in Deutschland. Gerade als Friedrich der Groe den Thron be-stiegen hatte und die schlesifchen Kriege begannen, lieen sich Schweizer Kunst-freunde und Dichter (Bodmer, Breitinger) mit Gottsched in einen heftigen Schriftenkampf ein, der zu besserer Erkenntnis des Wesens der Dichtkunst fhrte. Leipzig wurde der Sammelplatz der bedeutendsten Krfte dieses Jahrzehnts; von hier aus wirkte Gellert (17151769), der Dichter volksbeliebter Kirchenlieder wie anmutiger Fabeln und Erzhlungen; ferner jene Männer, die, einen jugendlichen Freundeskreis bildend, sich spter meist in Braunschweig am Collegium Carolinum ( 513) wieder zusammenfanden, Grtner, Ebert, Zachari u. a., die man von ihrer Zeitschrist als die Mitarbeiter der Bremer Beitrge zu bezeichnen pflegt. Aus diesem Kreise ging der erste groe deutsche Dichter der Neuzeit hervor: Klopstock (geb. 1724 zu Quedlinburg, gest. 1803 zu Hamburg), der Snger des Messias" und herrlicher Oden. Es lebte in ihm noch der fromme Glaube der Reformation, und er zuerst verlieh der deutschen Sprache wieder den erhabenen Schwung, den sie seit Luther vergessen hatte; mit edlem.selbstbewutsein erhob sich durch ihn wieder die deutsche Muse; er gab auch der Liebe zum deutschen Vaterlande wieder frischen, reinen Ausdruck: Was tat Dir, Tor, Dein Vaterland? Dein spott' ich, glht das Herz Dir nicht Bei seines Namens Schall! Er zuerst hat wieder Groes gehofft von feinem damals noch so zer-splitterten, vielfach gedrckten Heimatlande (1773): Frei, o Deutschland, Wirst Du dereinst, ein Jahrhundert nur noch, So ist es geschehen! 531. Begeistert, wie Klopstock vom Vaterlande sang, hallte es nun auch nach im Kreise der jungen Dichter, die in ihm ihr Vorbild fanden, bei den Sngern des Gttinger Hainbunds: Vo, Hlty, Brger und

19. Das Zeitalter Friedrichs des Großen, Deutschland in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I. - S. 24

1902 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
24 daß er auf dem „Lande der Verheißung" stand. Es sah wohl anders aus, als sein Geist es sich ausmalte. K l o p st o ck s „Messias" blieb ihm unbekannt. Er hätte sich aber auch schwerlich für denselben erwärmt. Mehr Geschmack würde er Wieland abgewonnen haben. Von Gell er t, mit welchem er 1760 in Leipzig eine Unterredung hatte, urteilte er: „Das ist ein ganz anderer Mann als Gottsched" und „Das ist der vernünftigste von allen deutschen Gelehrten". R a b e n e r verschmähte es, sich „mitten in Deutschland" als „einen deutschen Autor mit einem deutschen Könige bekannt machen zu lassen durch einen Franzosen", d'argens, und der König war „so gnädig", sich dessen Weigerung gefallen zu lassen und wollte „deutsch, deutsch" mit ihm reden. Daß Goethes „Götz" dem König als „widerliche Plattheit" vorkam, kann nicht wunder nehmen, da er die Dramen emes Shakespeare als „lächerliche, der Wilden Canadiens würdige Possen" ansah. Was hätte er erst über Schillers „Räuber" geurteilt? Aber auch das Nibelungenlied hielt er „nicht einen Schuß Pulver wert". Und doch gab er, ohne es zu wissen, der nationalen Dichtung die bedeutendste Anregung durch seine großartigen Thaten. „Der erste wahre und höhere eigentliche Lebensgehalt" — behauptete der Dichter der „widerlichen Plattheit" — „kam durch Friedrich den Großen und die Thaten des siebenjährigen Krieges in die deutsche Poesie." Wie gewaltig der Mann besonders auf die Jugend wirkte, das hat Goethe bei Gelegenheit der Schilderung seines Straßburger Aufenthalts ausgesprochen: „Blickten wir hingegen nach Norden, so leuchtete uns von dort Friedrich, der Polarstern her, um den sich Deutschland, Europa, ja die Welt zu drehen schien." Empfand man es mit Genugthuung, daß „ihm seine französischen Poeten, Philosophen und Litteratoren Verdruß" machten, so hielt man es doch „für eine unhöfliche Behauptung", daß es ihm wie den Deutschen überhaupt „au Geschmack fehle". „Friedrich hatte die Ehre eines Teiles der Deutschen gegen eine verbundene Welt gerettet, und es war jedem Gliede der Nation erlaubt, durch Beifall und Verehrung dieses großen Fürsten teil an seinem Siege zu nehmen." So stimmte sein Lob an Gleim in den „Kriegsliederu eines preußischen Grenadiers", die „deswegen einen so hohen Rang unter den deutschen Gedichten" behaupten, „weil sie m i t und in der That entsprungen sind, und noch überdies, weil an

20. Sieben Bücher deutscher Dichtungen - S. 7

1882 - Halle : Hendel
Littcrargeschichtlicher Überblick. 7 Schule" i bald einen neuen Dichter-Verein; doch sah ersterer sich seit 1740 von fast allen seinen Anhängern wieder verlassen. Auch in Halles später in Berlin und Göttingen* 2 3 bildeten sich Dichtervereine, die in edlem Strebeil wetteiferten und deren Arbeiten als Zeugnis ihrer Verdienste für alle Zeiten Gemeingut des deutschen Volkes bleiben werden. Aber schon früher lebten zwei Dichter, deren Namen durchaus genannt zu werden verdienen, da sie als die Vorläufer der Blütezeit deutscher Dichtkunst zu betrachten sind. Es sind dies der ernste, gedankenreiche Albrecht van Haller (geb. 1708, gest. 1777) und der launige Friedrich v. Hagedorn (geb. 1708, gest. 1754); diese beiden sind gleichsam die Vermittler zwischen der Ode der ersten und der Fruchtbarkeit der andern Hälfte des 18. Jahrhunderts. Denn als Klop stock (geb. 1724, gest. 1803) die ersten Gesänge seiner Messiade veröffentlichte, ver- mochte sich Niemand mehr zu verhehlen, daß mit ihm der Eintritt in eine neue Aera der deutschen Dichtkunst erfolgt sei. An Ideenreichtum, schwung- haftem Ausdruck und Würde war er bis dahin von keinem erreicht, und wenn er auch durch Mißgriffe in der Wahl des Stoffes sein Ziel, ein wahrhaft volkstümlicher Dichter zu sein verfehlte, so muß doch anerkannt werden, daß seine Werke von großem Einfluß waren auf das sittliche Bewußtsein seiner Zeitgenossen. Gleichzeitig verfolgte Christoph Martin Wieland (geb. 1733, gest. 1813) die entgegengesetzte Richtung. Bei aller Anerkennung aber seines Talentes und seiner Verdienste bleibt es doch zu beklagen, daß es seinen Werken an Gemütstiefe und Herzlichkeit mangelt, daß er oft sogar zu dem rein Sinn- lichen herabsteigt. Hätte er den Farbenreichtum, der ihm zu geböte stand, nur zum teil mit der Erhabenheit, die bei Klopstock zuweilen in Überschwänglichkeit ausartet, zu verbinden vermocht, so würden wir seinen Arbeiten einen weit höheren Wert beilegen müssen, während wir in ihnen jetzt fast nur den uner- schöpflichen Scherz, die Anmut und Unbefangenheit des Dichters bewundern. Das Verdienst Klopstocks sowohl als Wielands wird aber um Vieles durch das Gotthold Ephraim Lessings (geb. 1729. gest. 1781) überboten, der nicht nur Dichter, sondern auch und mehr und eingreifender noch als Kritiker wirkte und der Litteratur gewissermaßen ihre Selbständigkeit errang. An Scharfsinn und Witz, sowie an umfasseirder Gelehrsamkeit übertraf er alle seine Zeitgenossen und fast alle Gebiete der Litteratur verdanken ihm ihre Heilung von langer Krankheit. Vor allem aber schuldet ihm Dank die dramatische Dichtkunst, ihm, dem Schöpfer der ästhetischen Kritik: er deckte die seitherigen Mängel auf, be- leuchtete die eingewurzelten Irrtümer, rügte die Versündigung an dem Geschmack, zeigte aber auch gleichzeitig die Mittel, wie dem einen abzuhelfen, die andern zu vermeiden, und lehrte die unwandelbaren Gesetze des Schönen. Ihm ver- wandt in Geist und Streben war Job. Gottfried von Herder, (geb. 1744, gest. 1803). Auch er war als Kritiker größer denn als Dichter, und seine Arbeiten reihen sich würdig an die des großen Lessing an, besonders ist das dankenswert anzuerkennen, was er für das Volkslied that. * Anhänger Gottscheds, die jene sächsische Dichterschnle bildeten, waren Geliert, Giseke, Nabener, Zachariä, Schneid, Cronegk, Gramer, Johann Elias, Johann Adolf Schlegel und andere, die ihre Erzeugnisse in den sogenannten „Bremischen Beiträgen zum Vergnügen des Verstandes und Witzes" veröffentlichten. 2 Zu dem Hallischen Dichterverein gehörten: Samuel Gottlob Lange, Ewald, Christian von Kleist, Gleim, llz, Götz, Ramler, Sulzer, Mendelssohn und Christoph Friedrich Nicolai, von denen jedoch die drei letzteren eigentlich nur Kritiker waren. Der Halberstädter Dichterkreis sammelte sich um Gleiin. 3 Zn dem Göttinger Dichterverein, dem Hainbünde, gehörten: Boje, Bürger, Götter, Leisewitz, Hölty, Göckingk, die beiden Grafen Stolberg, Voß, Claudius und Miller.