Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Belgien
Geschlecht (WdK): koedukativ
Löwen nach dem Brande, das erhaltene Rathaus ui
Koksöfen, Zinkhütten und Fabriken ab.
Zwischen Lüttich und Namur liegt sehr
malerisch zwischen hohen Felsen das
Städtchen Huy, von der Zitadelle über-
ragt und mit einer vielbewunderten go-
tischen Kirche. In der bald darauf
folgenden Station Andenne sollten rüstige
Wanderer den Zug verlassen und die
20 Kilometer bis Namur zu Fuß zurück-
legen, denn dieser Abschnitt des Maas-
tales gehört zu den reizendsten Gegen-
den Belgiens. Wilde Felsen, sorgsältig
bestellte Äcker, alte Burgen, blühende
Dörfer, Wiesen und Hopfenpflanzungen,
Bergwerke und Fabriken, so geht es in
beständigem Wechsel bunt durcheinander,
und immer wieder bietet sich dem Auge
eine neue Überraschung. Auch Wein wird
hier gebaut, der einzige in Belgien, aber
er steht gerade nicht im besten Ruf. Von
den mannigfachen Herrschaftssitzen ist das
Schloß des Prinzen von Arenberg beim
Dorfe Marche-les-Dames zu erwähnen.
Bei Namur nimmt die Maas ihren
hier ziemlich schmalen, aber für die
Binnenschiffahrt wichtigen Nebenfluß
Sambre auf. Die befestigte Stadt Namur
(flämisch Naemen) hat 33 000 Einwohner
> die Peterskirche. (Phot. Vereinigte Foto-Bureaur.)
und ist von neun modernen Panzerforts
umgeben, die alte Zitadelle liegt an der
Stelle eines römischen Kastells und der
bis auf zwei Türme zerstörten Burg
der Grafen von Namur auf dem steil
emporsteigendenmünduugsdreieckzwischen
der Maas und der Sambre. Es ist
eine stille Provinzstadt, die außer ihrer
hübschen Lage dem Fremden nicht viel
zu bieten hat. Auch Namur mußte, wie
fast alle belgischen Städte, oftmals die
Schrecken des Krieges und der Zerstörung
über sich ergehen lassen.
In Namur vertauschen wir nun die
Eisenbahn mit einem hübschen Dampf-
boot, das im Sommer alltäglich in
knapp vier Stunden stromaufwärts nach
Dinant fährt, wobei es sechs Schleusen
zu überwinden hat. Es ist eine an-
genehme Wasserfahrt zwischen reich be-
waldeten Steilufern und mächtigen Felsen,
deren oft fehr sonderbare Bildungen
der geschäftigen Volksphantasie Gelegen-
heit zu allerlei Legenden boten. Da
gibt es kaum ein Dorf, das nicht von
„seinen" Gnomen und Heinzelmännchen
zu erzählen wüßte, die in den benach-
karten Höhlen leben, kein zerfallenes
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T32: [Vgl Stadt Aufl Frankreich fig Maas Sch. Einw. Vergl Festung], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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18
ausgedehnten _ Schlachtfeldes, auf dem aus erobertem Geschütz gegossener, ge-
am 18. Juni 1815 der entscheidende waltiger Löwe. Unweit davon liegt der
Sieg der verbündeten Engländer, Deut- Pachthof La Haie-Sainte, der Mittel-
scheu und Niederländer unter dem Her- punkt in der Aufstellung der Verbünde-
zog von Wellington und der von Wavre ten, der Schauplatz des heldenmütigen
her eingreifenden Preußen unter Blücher Widerstandes der Hannoveraner unter
erfochten wurde, nimmt mehrere Stunden Major v. Baring. Außer dem Löwen-
in Anspruch. Wir benennen die Schlacht denkmal weist das Schlachtfeld noch
nicht eben sehr glücklich nach dem Wirts- verschiedene Denkmäler auf, u. a. ein
haus Bellealliance, das an der Land- preußisches und ein hannöversches.
straße fünf Kilometer südlich von Water- [Hl El Ei
loo liegt und in dessen Nähe Napoleon Brüssel (franz. Bruxelles, flämisch
seinen Standpunkt hatte. Den besten Brüssel), die Landeshauptstadt und Haupt-
Überblick über den Schauplatz des ge- stadt der Provinz Brabant, hat des Schö-
waltigen Ringens hat man vom Löwen- nen und Sehenswerten soviel zu bieten,
Hügel, einem 60 Meter hohen, stufenför- daß es selbst den flüchtigen Reisenden
mig ansteigenden Denkmal, das 1823—26 mehrere Tage fesselt. Zwar wird es
von der niederländischen Regierung er- in wirtschaftlicher und mancher anderen
richtet wurde. Den Hügel krönt ein Hinsicht von Antwerpen übertroffen, aber
Brüssel ist und bleibt doch der
geistige Mittelpunkt Belgiens,
der Hauptsitz des gesellschast-
lichen Lebens, durch wunder-
volle Sammlungen der Kunst
und Wissenschaft ausgezeichnet,
und nicht zuletzt auch eine
Stätte lebensfreudiger Heiter-
feit. Der Brüsseler vergleicht
seine geliebte Heimat gern mit
Paris, und wenn der Ver-
gleich auch wie alle derartigen
gewaltig hinkt, so gibt es
doch im öffentlichen Leben
Brüssels, in der zwanglosen
Lässigkeit und Unbekümmert-
heit des ganzen Treibens, ge-
wisse Anklänge an die Pariser
Boulevards und ihre Stim-
mung, die den Vergleich ver-
ständlich machen.
Das eigentliche Brüssel, die
Innenstadt, ist mit 200000
Einwohnern nicht sehr groß,
aber mit Einrechnung der unter
eigener Verwaltung stehenden
Vorstädte, die mit dem Kern
der Stadt zumeist schon zu
einem einheitlichen Ganzen ver-
schmolzen sind, zählt Groß-
Brüssel doch gegen 700 000
Einwohner und ist demnach
die weitaus größte Stadt des
Landes. Brüssel liegt, _ wie
H Die Kathedrale in Antwerpen. Im schon erwähnt, iln fläwifchen
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T32: [Vgl Stadt Aufl Frankreich fig Maas Sch. Einw. Vergl Festung]]
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Extrahierte Personennamen: Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Wellington Water- Antwerpen Belgiens Paris Antwerpen
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26 1
An den Justizpalast schließt sich nach park gelegene Naturwissenschaftliche
Westen ein Wohnviertel mit Gäßchen Museum unbesucht bleiben. Von hoch-
und Winkeln an, dessen Armseligkeit stem Interesse ist die Paläontologische
im schroffsten Gegensatz zu der stolzen Abteilung. Hier befinden sich die vor-
Herrlichkeit des Baumerkes steht. Aber sintslutlicheu Tiere, die aus den Ge-
wer gerne Volksstudieu macht, findet steinsschichten Nordbelgiens in so reicher
gerade hier die beste Gelegenheit, die Menge zutage gefördert wurden, u. a.
„kleinen Leute" in ihrem zwanglosen Tun zehn aufgerichtete, durchschnittlich 8 Meter
und Treiben zu beobachten. Arg ist der hohe Skelette des Jguauodons aus dem
Schmutz, wie denn überhaupt die Belgier Steinkohlenflöz von Bernissart. Auch
der unteren Volksschichten, gleichviel ob den Urmenschen und seine primitiven
Flamen oder Wallonen, im Punkt der Werkzeuge findet man hier vorzüglich
vertreten. — Nahe bei
dem Naturwissenschaft-
liehen Museum liegt eiu
aud eres, in seiner Art ein-
ziges Museum, das die
Werke eines phantastisch-
verschrobenen Künstlers
aufbewahrt, des Malers
Anton Wiertz (1806
bis 1865). Es ließe sich
wohl darüber streiten,
ob es richtig ist, diesem
zwar hochbegabten, aber
in krankhaften Grübe-
leien verirrten Küust-
ler ein eigenes Museum
(einst seine Werkstatt)
zu widmen, zumal da
es von den meisten sicher-
lich weniger aus Kunst-
liebe, als aus Sen-
sationsgier, wie eine Art
Panoptiknm-Schreckens-
kammer, besucht wird.
Man kann hier den
lebendig Begrabenen,
den Kopf eines Hin-
Reinlichkeit weit hinter den Deutschen gerichteten, das verbrannte Kind und
zurückstehen. Besuchenswert und für andere gemalte Gruselstücke bewuuderu. —
anspruchslose Sammler lohnend sind die In lichtere Sphären führt ein Besuch
an manchen Tagen an gewissen Stellen des riesigen Palais du Cinquantenaire,
veranstalteten Trödelmärkte. Es ist nn- das als Überbleibsel der Ausstellung von
glaublich, was da alles an Krimskrams 1879/80 auf Kosten Leopolds Ii. mit
und altem Gerümpel zusammenkommt; einem riesigen Triumphbogen geschmückt
säst sieht es so aus, als ob es den Be- wurde. Im Innern befinden sich das
griff der Unbrauchbarkeit überhaupt nicht Kunstgewerbemuseum und die Antiken-
gibt. Wen die Zeit nicht reut und sammlnng; vor dem Palast liegt ein
wer ein Auge dafür hat, erblickt unter großer Park. — Wen schöne alte Waffen
wertlosem Plunder gelegentlich wohl ein interessieren, findet im Haller Tor,
hübsches, des Mitnehmens wertes Stück, dem einzigen Überrest der alten Stadt-
Von den übrigen Sammlungen Brüssels nmwallung, eine der reichhaltigsten Samm-
darf auf keinen Fall das im Leopolds- lungen dieser Art.
Aus dem Beginenhos in Gent. (Phot. Neue Photographische Gesellschaft.)
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22
m
Das Graventasteel (Schloß der Grasen von Flandern) in Gent.
Iz
Schutzpatron der Stadt, gekrönte Turin nis wieder ergänzt und aufgefrischt worden
wurde erst 1454 vollendet, während man sind. Ihre malerischen Giebel, Pilaster,
mit dem Ban des Rathauses schon 1402 Balustraden, der phantastische Skulp-
begonnen hatte. Einzelne Teile der Rück- turenschmuck und die reiche Vergoldung
seite und der Seitenflügel des Gebäudes üben eine ungemein fesselnde, heitere
sind nach der Beschießung der Stadt durch Wirkung aus, die noch durch die blühen-
die Franzosen i. I. 1695 neu aufgebaut deu, duftenden Verkaufsstände der Blu-
worden. Das Innere rechtfertigt alle menhändlerinnen auf dem Marktplatz
Erwartungen, die das prachtvolle Außere erhöht wird. Alle Hauptgewerbe des
erweckt. Alle Prunkräume, besonders alten Brüssels sind hier vertreten; man
der große Ratssaal und der große sieht das Haus der Krämer, das der
Festsaal, sind reich mit Bildern und Schiffer, Bogenschützen, Fetthändler,
Schnitzereien geschmückt und bilden ein Buchdrucker, Bäcker, Schneider, Metzger
förmliches Museum der Stadtgeschichte, usw., und es ist, als ob die wackeren
Eine ansehnliche Sammlung Brüsseler Gildemeister jeden Augenblick aus den
Altertümer befindet sich auch in dem Türen hervortreten müßten, in ihrer bür-
gegenüberliegenden
Brothaus odermai-
son du Roi, einem
modernen Neubau
in spätester Gotik.
Riugs umher reihen
sich um den Platz die
ehemaligen Zunft-
Häuser, die größ-
tenteils vom Anfang
des 18. Jahrhuu-
derts stammen und
in neuester Zeit mit
feinstem Verständ-
gerlichen Behäbig-
keit, mitsamtwäm-
sern und Schnallen-
schuhen und gol-
denen Ketteu.
Vom Grand'pla-
ce, dein weltlichen
Mittelpunkt Alt-
Brüssels, gelangen
wir durch die Rue
de la Moutague zu
dem am Abhang der
Oberstadt liegenden
geistlichen Mittel-
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30 E^sesöeeseeeeebeeeaeöeb3se3ess33sebas3ae?!i
schätzen reich, so befindet sich z. B.
in der Liebfrauenkirche der berühmte
„Wunderbare Fischzug", den Rubens für
die Mechelner Fischerzunft gemalt hat.
Die weibliche Hausindustrie befaßt sich
hier, wie überall in Brabant und Flan-
dern, hauptsächlich mit dem Klöppeln
von Spitzen, die unter dem Sammel-
namen „Brüsseler Spitzen" über die
ganze Welt gehen.
Antwerpen (der Flame betont die
erste Silbe) bleibt mit einer Einwohner-
zahl von 400000 zwar beträchtlich hinter
Groß-Brüssel zurück, übertrifft dieses
aber in Handel und Industrie und darf
sich, wenn auch nicht als die schönste, so
doch als die regsamste belgische Stadt
betrachten, ja, mehr noch, als einen Welt-
Handelsplatz von größter Bedeutung. In
seiner halbbogenförmigen Gestalt, im
Westen ans breite Strombett der Scheide
gelehnt, auf den anderen Seiten mit
Kanälen, Mauern, Wällen, geschützten
Toren und Bastionen umgürtet, zeigt
Antwerpen ganz den charakteristischen
Grundriß alter befestigter Plätze. In
weitem Kreis schlingt sich ein Gürtel
moderner Forts um die Stadt. Da
nennenswerte Erhebungen und größere
Wälder fehlen, würde das landschaftliche
Bild wenig befriedigen, wenn nicht jenes
seltsame Farbenspiel der Atmosphäre wäre,
das den feuchten Poldern und der nahen
See seinen Ursprung verdankt: die
Wolkenformen, die Nebelschleier, die
silberglänzenden Lichtreflexe, die wir schon
auf den Meisterbildern der alten flämi-
schenlandschaftsmalerbewundernd kennen
lernten.
Antwerpen steht in vielen Dingen
hinter anderen belgischen Städten zurück;
man vermißt grüne Anlagen, groß-
städtische Eleganz und stößt dafür desto
mehr auf Armutsbilder und Unsauber-
keit. Aber die Stadt besitzt doch so
manchen architektonischen Schatz und
manchen malerischen Winkel. Der erste
Eindruck, den der Besucher beim Ver-
lassen des Bahnhofs empfängt, verspricht
nicht allzuviel, denn die hier befindliche
Avenue de Keyser, der Mittelpunkt des
Fremdenverkehrs, ist mit ihren Hotels,
Bierhäusern und Vergnügungsstätten nur
vonziemlich sragwürdigemreiz. Abergleich
darauf folgt die Meir, der langgestreckte,
vornehmste Platz der Altstadt, und nun
umfängt uns das alte Antwerpen, Rubens'
und Plantins Stadt, überragt vom Wahr-
zeichen ihrer alten Pracht, der Käthe-
drale, dem erhabensten gotischen Bau-
denkmal Flanderns und der Niederlande.
Von den beiden Türmen ist nur der
nördliche ausgebaut, und bei 123 Meter
Höhe wirkt er trotz aller Majestät wunder-
bar zierlich und leicht. Wie die meisten
alten Kathedralen wurde auch diese erst
nach langen Pausen vollendet; der Bau
begann 1352, aber erst 1616 ward das
Mittelschiff eingewölbt. Von den welt-
lichen Prunkbauten aus alter Zeit steht
das in streng klassischem Renaissance-
stil gehaltene Rathaus von 1561 an
erster Stelle, während von neueren
Gebäuden die Börse mit ihren spät-
gotischen Formen eine ganz hervor-
ragende Schöpfung bedeutet. Und dann
gibt es in Antwerpen ein uraltes Bürger-
haus, an dem wohl kein geistig inter-
effierter Fremder teilnahmslos vorüber-
geht: das Heim und die Werkstätte des
berühmten Buchdruckers Christoph Plan-
tin (1514—1589). Es ist etwas Ein-
ziges in seiner Art, denn man sieht hier
in vorzüglichster Erhaltung ein Patrizier-
haus und eine alte Druckerei mit allen
Einzelheiten der Einrichtuug, und man
glaubt, jeden Augenblick müßte Meister
Plantin mit seinen Gesellen erscheinen
und die umherliegenden Werkzeuge der
schwarzen Kunst, die Pressen und Winkel-
haken, wieder in Tätigkeit setzen. Eben-
sowenig wird der Kunstfreund die wunder-
vollen Gemäldesammlungen der Stadt
unbesucht lassen, vor allem das König-
liche Museum mit seinen kostbaren Bil-
dern von Rubens und seiner Schule und
von den altniederländischen Meistern.
Plantins Wirken fällt in die alte
Blütezeit Antwerpens, in jene Tage, da
die Stadt unter Karls V. machtvollem
Schutz mit 125 000 Einwohnern zu den
lebhaftesten und reichsten Handelsplätzen
Europas gehörte und Venedig und Ge-
nua überstrahlte. Alles, was schön und
köstlich war, sammelte sich damals auf
den Antwerpener Freimessen an, Italien
schickte Seide und Brokat, die portugie-
sischen Kolonien Gewürze und Zucker,
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Extrahierte Personennamen: Christoph Karls_V. Karls_V.
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s^rseseeesööeeeeesse^^Bsebse^^esssebsbb^ 35
denrufe, dieses klingende, singende Mahnen,
diese Sprache eherner Zungen, die alle
Lust und alles Leid der Jahrhunderte
zu kennen scheinen!
Außer der reizenden Tuchhalle zu
Füßen des Belfried fällt so manches
Prachtstück alter bürgerlicher Baukunst
auf, wie z. B. das Schifferhaus, das
schönste gotische Zunfthaus Belgiens, das
Haus der Kornwäger und das Stapel-
haus. Aber alles wird übertrumpft
von dem inmitten der Stadt gelegenen
Gravensteen, dem Schloß der Grafen
von Flandern, dessen Anblick uns in die
Zeit der vorhin erwähnten schweren
sozialen Kämpfe zurückversetzt. Es gibt
in Europa kaum ein zweites Bauwerk,
in dem sich der Geist des „finsteren"
Mittelalters so verkörpert wie in dieser
schwarzen, düsteren, von tausend Geheim-
nissen umwitterten Wasserburg. Hohe
Mauern mit Stützpfeilern umgürten die
Bautengruppe, die eine Seite wird von
der Leie bespült. Man sieht es sofort:
das ist eine Trutzfeste, an der sich der
Feind die Zähne ausbeißen konnte; hinter
diesen, sür die damalige Zeit kaum an-
greifbaren Mauern verschanzten sich die
hochmütigen Grafen, wenn ihnen das
Webervolk zu Leibe gehen wollte; von
den Wehrgängen dort oben mag manch
Wurfgeschoß, manch Kübel voll siedenden
Pechs als freundlicher Willkommgruß
herabgeflogen sein. 9ioch kräftiger spukt
die unheimliche Romantik im Innern
des Schlosses, im Donjon und im Palas,
in den düsteren Sälen und Kemenaten,
den finsteren Kellern und Verliesen. Was
der Kastellan hier zu erzählen weiß, ge-
hört nicht zu den üblichen Schreckens-
mären, sondern ist wirklich wahr, denn
die Verliese dienten nachweislich noch in
der Jnqnisitionszeit des 16. Jahrhunderts
als Folterkammern, und noch vor wenigen
Jahren wurden hier menschliche Skelette
als Zeugen verborgener Greueltaten ans-
gedeckt. Es ist ein wahres Glück, daß
dieses historische Baudenkmal noch recht-
zeitig vor der Verwahrlosung gerettet
werden konnte. Die Gefahr war groß
genug, denn Unverstand und Pietätlosig-
keit hatten das Grafenschloß fast hundert
Jahre lang zur Weberei erniedrigt und
durch allerlei Ein- und Anbauten entstellt,
die dann seit 1884 in sehr geschickter
Weise wieder völlig beseitigt worden sind.
Von den übrigen historischen Stätten
Gents sei noch der Freitagsmarkt erwähnt,
einst das Forum der Bürger und je
nach der politischen Stimmung bald der
friedliche Versammlungsort, bald der
Schauplatz blutiger Fehden. Hier ver-
brannte Jakob van Artevelde, dessen
Standbild den Platz schmückt, die päpst-
G^rg-Eekort-fnstfc^i
für internationale
Schulbuc Morsehunt
ßraunschv/eig
Scm>uchr,Uioth<*
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
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Extrahierte Personennamen: Jakob_van_Artevelde
Extrahierte Ortsnamen: Belgiens Flandern Europa Wasserburg Donjon Morsehunt
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Belgien
Geschlecht (WdK): koedukativ
Bsseöseesseö£?ee£?seeös£3333a?333-333333333331 37
artigen Kirchen, schönen
weltlichen Bauten und
erlesenen Kunstwerken
zu schmücken. Eine ganze
Kolonie berühmter Ma-
ler, der Süddeutsche
Hans Memling obenan,
machte sich in Brügge
heimisch, auswärtige
große Künstler wurden
mit Austrügen bedacht,
und so sammelte sich in
der Stadt eine Fülle
von Meisterwerken an,
die, wie Michelangelos
rührend schöne Madon-
na mit dem Kind und
Memlings Reliquien-
schrein der heiligen Ur-
sula, noch heute die
Kunstfreunde nach dem toten Brügge locken.
Es war eine Zeit der Macht und
Schönheit — dann kam der Niedergang.
Reg.-Präsident Dr. Maximilian von Sandt,
der Chef der deutschen Zivilverwaltung in
Belgien. Hosphot. W. Blum-Hössert, Köln.
Land und Meer zur un-
bedeutenden, von der
Erinnerung zehrenden
Provinzstadt hinab.
Brügge ist heute ein
Mekka der Maler und
der Poeten, die hier
zwischen uralten Gie-
beln, an den Ufern halb-
versiegter Kanäle und
in allerlei verträumten
Winkeln ihre Entdeckun-
gen machen. Der Be-
sucher darf keine über-
schwenglichen Erwar-
tungen hegen. Zwar
sind die alten Pracht-
bauten, wie das zier-
liche Stadthaus, die
düsteren Hallen mit dem
Belsried, die Stadtkanzlei und die Lieb-
sraueukirche, noch alle in bestem Zustand
vorhanden, aber der bürgerliche Wohn-
Die Kriegsfurien tobten durch das Land, Hausstil der ältesten Quartiere steht mit
und was Feuer und Schwert verschonten,
dem gab eine Laune der Natur den
letzten Stoß. Der Zwyn verfiel nämlich
einer unaufhaltsamen Versandung, die
Reederei ging mehr und mehr zurück,
die Großkausleute verlegten ihre Tätig-
keit nach Antwerpen. Brügges Stern
erblaßte, erst langsam, dann immer
schneller, die Patrizier verarmten oder
zogen fort, und schließlich sank die ehe-
geringen Ausnahmen ganz im Zeichen
der schlichten, sast puritanisch schmucklosen
Frühgotik und verträgt keinen Vergleich
mit der phantastisch heiteren Üppigkeit,
wie sie in den Renaissancebauten unserer
alten deutschen Städte, z. B. Nürnbergs
und Hildesheims, zum Ausdruck kommt.
Die Schönheiten Brügges wollen vom
liebevoll sorschenden Blick gefunden wer-
den, dann aber üben sie einen Zauber
mals so hochgepriesene Herrscherin über aus, dem sich kein empfängliches Gemüt
entziehen kann.
Eine unfag-
bare Melan-
cholie spinnt
ihrefädenzwi-
sehen den Mau-
ern, die auf
Schritt und
Tritt von der
raschen Ver-
gänglichkeit,
dem bißchen
Daseinsfreude
und dem ewi-
gen Todes-
schlas erzählen.
Brügge wäre
Botschaftsrat Oskar H. E. von der Lancken- tt^ch einsamer, Reichsbankdirektor Dr. von Summ.
Wakenitz. Hosphot. W. Hostert, Potsdam. Wlnn es Nicht Hosphot. H. Noach Berlin.
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
TM Hauptwörter (100): [T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T105: [Stadt Dom Jahrhundert Zeit Bau Kirche Rhein Baukunst Deutschland Mainz], T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Hans_Memling Memlings Maximilian_von_Sandt Maximilian Brügges Oskar_H._E. W._Hostert