388
§. 190.
Bürgerkrieg zwischen Cäsar und Pom-ejus.
1) Unterdessen suchte Po mp ejus, der zu Rom geblieben
war, und von dort aus seine Provinzen durch Legaten verwalten
ließ, der republikanischen Partei, die vorzüglich noch im Mittel-
stand ihre Stärke hatte, entgegenzuarbeiten und seine eigene
Macht durch Ränke zu vermehren. Unter blutigen Unordnungen
wurden zweimal die Consulwahlen verhindert, weil republikanische
Kandidaten, unter diesen der energische Titus Annius Milo,
Aussicht hatten obzusiegen, und Pom pejus die Dictatur für
sich nothwendig machen wollte, ein Plan, der vorzüglich an Ca-
t o's kräftigem Widerstand scheiterte. Fast täglich kam es in die-
ser Zeit auf dem Markte und in den Straßen Roms zu gewalt-
thätigen Auftritten. Da geschah es, daß der Pöbelanführer Clo-
dius auf der appischen Straße in der Nähe Roms bei einem zu-
fälligen Zusammentreffen mit Milo, welcher der Senatspartei
war, was Clodius den Triumvirn, in einem Handgemenge ver-
wundet und nachher in dem Hause, wohin man ihn gebracht,
von Milo's Leuten getodtct ward (13. Jan. 52). Der Pöbel
über den Tod seines Führers erbittert trug den Leichnam des
Clodius in die Curia Hostilia und verbrannte ihn hier sammt
dem Gebäude. Po mp ejus zog jetzt Truppen in die Stadt, be-
setzte das Capitolium und zwang den Senat, ihn zum alleini-
gen Konsul zu ernennen. Als solcher eigentlich im Besitze
diktatorischer Gewalt stellte er mit Nachdruck die Ordnung wieder
her, und suchte durch Gesetze wider Gewaltthat scks vi) und wider
Amtserschleichung (äs ambitu) den innern Unruhen vorzubeugen.
Die Vorfälle auf der appischen Straße und die damit zusammen-
hängenden Verbrechen wurden einem Specialgerichtshof K über-
wiesen und die Schuldigen beider Parteien strenge bestraft, unter
ihnen auch Milo, der nach Massilia in die Verbannung ging.
Erst nach sieben Monaten hatte der Konsul Pomp ejus sich
einen Kollegen in dem von ihm ganz abhängigen Q. Metellus
Scipio für den Rest des Jahres 52 ernannt. Cicero war in
demselben Jahre wider seinen Willen als Proconsul nach Cilicien
0 Nach den Bestiminnngen dieses Ausnahmegesetzes sollte nicht einer der
Prätoren, sondern ein besonders gewählter Untersuchungsrichter (gnaesitor)
dem Gerichte Vorsitzen; die Mitglieder des Gerichtshofes ernannte P o ñi-
pes us selbst, der "dabei mit lobenswerther Unparteilichkeit verfuhr, indem
er die achtbarsten Männer beider Parteien, unter ihnen selbst Cato,
auswählte. Nebrigens waren der Redefreiheit einige Gränzen gesetzt; die
Anklagerede sollte nicht über zwei, die Pertheidigung nicht über drei Stun-
den dauern dürfen. Die Anklage gegen Milo umfaßte das zweifache
Verbrechen, Wahlumtriebe und Gewaltthat. Die Dertheidigung führte
Cicero; die uns erhaltene oratio pro Milone wurde von diesem später
ausgearbeitet.
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389
gesendet worden, wo er nach einem gegen die räuberischen Be-
wohner des Amanusgebirges unternommenen Streifzug von sei-
nen Truppen, wie dies bereits gewöhnlich war, als Imperator
begrüßt wurde.
2) Seit dem Tode der Julia (54, Casars geliebter Toch-
ter und des Po mp ejus Gemahlin) und dem kläglichen Unter-
gänge des Crassus (53), stieg die Entfremdung und damit die
Eifersucht zwischen jenen beiden Machthabern. Ein unvermeid-
licher Entscheidungskampf zwischen den Militärchefs um den Allein-
besitz der Gewalt bereitete sich immer offener vor. Während Cä-
sar auf die demokratische Partei, die übrigens durch des Clo-
dius Wühlereien um alles Ansehen gekommen war, und auf
sein überlegenes, ihm ganz ergebenes Heer (er hatte es durch
Recrutirung in seinen Provinzen auf zehn Legionen erhöht) sich
stützte, schloß sich Po mp ejus jetzt offen an den Senat an und
wollte als Stütze der bestehenden Verfassung gelten. Er verstän-
digte sich daher mit der streng republikanischen Partei, namentlich
mit den beiden entschlossensten Führern derselben, mit Cato und
Marcus Claudius Marcellus, die mit Grund Cäsar
mehr als Pompejus fürchteten.
3) Während indeß Po mp ejus nach seiner Weise zauderte
und Cäsar sich noch mit diesem zu vergleichen hoffte, war es
die Verfassungspartei, die den Bruch beschleunigte. Sie wider-
setzte sich der Absicht Cäsar's, abwesend um das Consulat sich
zu bewerben, als verfassungswidrig, und stellte durch den Consul
Marcus Marcellus im I. 51 im Senat das Verlangen,
daß da der gallische Krieg beendigt sei, der Proconsul Cajus
Cäsar die ausgedienten Soldaten entlassen und sein außeror-
dentliches Commando niederlegen solle. Die Verhandlungen über
diese Anträge zogen sich übrigens längere Zeit hin, da die Ma-
jorität des Senats aus Furcht vor dem Bürgerkrieg, Cäsar
aber durch wiederholte Vergleichsvorschläge die Entscheidung hinaus-
zuschieben suchten. In Rom wurde Cäsars Sache durch seine
Anhänger und erkauften Agenten mit viel Geschick betrieben.
Weit der fähigste unter diesen war Cajus Curio, Volkstribun
im I. 50, ein Mann ohne allen sittlichen Charakter, den Cä-
sar durch Zahlung seiner durch wüstes Leben aufgehäuften
Schuldenmasse (gegen 60 Milt. Sestert.) ganz an sein Interesse
gebunden hatte. Dieser stellte im Senat den Antrag, daß beiden
Statthaltern zugleich die Niederlegung ihres Heerbefehls aufgege-
den werden solle, ein Vorschlag, mit dem Cäsar sich einverstan-
den erklärte, während Po mp ejus zwar versprach folgen zu
wollen, ohne jedoch einen bestimmten Zeitpunkt hierfür festzusetzen.
Auch der Senat hatte den Antrag mit großer Majorität ange-
nommen. Ebenso fügte sich Cäsar dem Beschlüsse des Senats,
zwei Legionen für den parthischen Krieg abzugeben, die aber statt
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390
nach Syrien eingeschifft zu werden, vorerst in Italien für Pom-
pejus zurückgehalten wurden. — Es stellte sich immer deutlicher
heraus, daß "die beiden militärischen Machthaber der Regierung
in Rom nur zum Scheine sich fügten, nebenbei aber ihre Kriegs-
vorbereitungen im Stillen betrieben. Auf das Gerücht, daß Ca-
sar Truppen aus dem jenseitigen Gallien in das diesseitige ziehe,
forderte der Cónsul Cajus Marcellus (ein Vetter des Mar-
cus Marcellus) in Verbindung mit den beiden defignirten Con-
suln des nächsten Jahres den Pom pejus auf, zur Vertheidigung
der Republik in Italien die wehrpflichtige Mannschaft zu den
Waffen zu rufen. So war man auf beiden Seiten bereits zu
weit gegangen, als Cäsar am 1. Januar 49 in einem durch
Curio dem Senat überbrachten Schreiben seinen letzten wohl
nicht ernstlich gemeinten Vergleichungsvorschlag machte, wornach
er das Heer bis auf zwei Legionen entlassen und sich mit der
Statthalterschaft des diesseitigen Galliens bis zu seinem Consulat
begnügen wollte. Der entscheidende Senatsbeschluß ging
vielmehr dahin: „daß Cäsar, wenn er nicht bis zu einem be-
stimmten Termin sein Heer entlasse, als Hochverräther erachtet
werden solle." C In einer folgenden Sitzung (am 7. Januar)
wurde sodann in den üblichen Formens der Kriegsstand erklärt,
indem die Consuln und alle Magistrate angewiesen wurden, Für-
sorge zu treffen, damit der Staat keinen Schaden nehme. Ver-
gebens hatten die Tribunen von Cäsar's Partei (M. Antonius
und Q. Cassius) gegen dies Vorschreiten ihr Veto eingelegt und
entflohen angeblich wegen drohender Gewaltthat als Sklaven
verkleidet zu Cäsar nach Ravenna. Jetzt berief dieser die Sol-
daten der dreizehnten Legion, die er bereits bis Ravenna vorge-
schoben hatte, zusammen, setzte ihnen die Lage der Dinge aus-
einander, und forderte sie auf ihm zu folgen, um das verletzte Volks-
tribunat und ihren Feldherrn gegen den Adel zu vertheidigen.
Er selbst überschritt noch am Abende des Tages nur von weni-
gen Freunden begleitet das Flüßchen Rubico, die Gränze seiner
Provinz gegen Italien, mit den Worten: „Die Würfel sind ge-
worfen" (jacta est alea) ein Beginnen bezeichnend, das für ihn
wie für sein Vaterland gleich verhängnisvoll werden sollte.
§. 191.
Fortsetzung.
1) Cäsar hatte beim Beginne des Bürgerkrieges neun Le-
gionen (etwa 50,000 Mann), die er in den" gallischen Kriegen 1 2
1) — uti ante certam diem Caesar exercitum demittat; si non faciat,
eum adversus rempublicam facturum videri. (Caes. bell. civ. I. 2.)
2) ,,Dent operam Cónsules, Praetores, Tribuni plebis, quique consulares
sunt ad urbem, ne quid respublica detrimenti capiat.“
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Extrahierte Personennamen: Cajus_Marcellus_( Marcellus) Cäsar Cäsar Antonius Cäsar Cäsar
364
trotz des Widerstandes der Aristokratie zum erstenmal wieder als
liomo novus mit der höchsten Magistratur bekleidet, auch mit
dem Oberbefehl in Afrika betraut. Marius schlug den Ju-
gurtha und dessen Verbündeten, den König Bochus von Mau-
retanien, bei Cirta (107). Iugurtha wurde darauf von Bo-
chus an Sulla, des Marius Quästor, ausgeliefert 106, und
starb, nachdem er in Rom beim Triumphzuge des Marius im
königlichen Gewände und gefesselt aufgeführt worden, im unter-
irdischen Stadtgefängniß (dem Tullianum) den Hungertod. —
Das Ende dieses Krieges wurde der Anfang der verderbenvollen
Eifersucht zwischen Marius und Sullas)
§. 178.
Krieg gegen Kimbern und Teutonen.
1) Nördlich von den Alpen im Thule der Mittlern Donau
erschien um die Mitte des zweiten Jahrhunderts v. Ehr. ein
wandernder Volksstamm, die Kimbrer (d. i. Kempen) genannt,
die vom Norden herkamen mit Weib und Kind, um neue Wohn-
sitze zu suchen. Mit ihnen vereinigten sich, jedoch wie scheint erst
später in Gallien, die Teutonen, die ebenfalls von den Ufern
der Ostsee ausgegangen waren. Beide Völker waren, wie ihre
Namen, ihr Körperbau und ihre Sitten andeuten, wohl germa-
nische Stämme, denen sich später auf ihren südlichen Wanderun-
gen auch keltische Schaaren angeschlossen haben mögen. — Die
Kimbrer näherten sich gegen 113 von der Donau aus der rö-
mischen Nordgränze, und schlugen den Consul Papirius
Carbo bei Noreja im heutigen Kärnthen (113). Die Kim-
brer, ohne hier ihren Sieg weiter zu verfolgen, wandten sich west-
wärts, und drangen durch das Gebiet der Helvetier, mit Tigori-
nern und Ambronen verbunden, nach Gallien bis Spanien vor,
furchtbar durch ihre riesenmäßige Gestalt, wilde Tapferkeit und
ungewöhnliche Fechtart (Wagenburgen). Die Römer erlitten in
i) C. Marius, von armen Landleuten bei Arpinum, einem Municipium
abstammend, hatte sich von den dürftigsten Verhältnissen zunächst im
Heere durch Tapferkeit und militärisches Talent zu höhern Ofsicierstellen
und später trotz des Widerstandes der Aristokratie und wiederholter Zu-
rückweisungen auch in der politischen Laufbahn emporgeschwungen. Ohne
gelehrte Bildung, rauh und einfach in seinen Sitten, wurde er durch
seine Verdienste als Krieger hochgeehrt und durch seine persönliche Uneigen-
nützigkeit und strenge Gerechtigkeit der Liebling des Volkes und die
mächtige Stütze der'volkspartei, lieber Marius Charakter Plutarch.
Mai°iu5 2. 3. — Sallust, bell. Jugurth. 63. — L. Cornelius Sulla,
aus altem patricischen Gcschlechte, durch griechische Wissenschaft gebildet,
in Allem fast das Gegentheiü von Marius, wurde die Hauptstütze der
Aristokratie. Heber Sulla's Charakter Sallust bell. Jugurth. 95. Plu-
tarch. Süll. 1. 2.
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Extrahierte Personennamen: Marius Marius König_Bochus_von_Mau- Sulla Marius_Quästor Marius Marius Marius Marius Marius Sullas Consul_Papirius
Carbo C._Marius Marius Marius_Charakter_Plutarch Marius Jugurth Cornelius_Sulla Sulla Marius Marius Jugurth
Extrahierte Ortsnamen: Afrika Rom Donau Gallien Donau Noreja Gallien Spanien
366
chischen 9iegiments des Senats mit dem Prätor C. Servi tins
Glaucia und L. Apulejus Saturninus, zwei untergeord-
neten Führern der Popularpartei, die aber jedes Frevels fähig
waren, wenn er für ihre Zwecke dienlich schien.
2) Saturninus, gewaltthätig in demselben Jahre zum
Volkstribun erwählt, machte zwei weitgreifende Gesetzesvorschläge,
nämlich daß unentgeltliche Kornspenden an die ärmeren Bür-
ger verabreicht, und Ländereien in der Provinz Afrika an die Ve-
teranen des Marius, in Loosen zu je 100 Morgen für jeden,
ausgetheilt werden sollten. Wohl suchte der Senat diese maaß-
losen Anträge hartnäckig zu Hintertreiben; sie wurden auf tu-
multuarische Weise mit Hilfe der Veteranen des Marius in
der Volksversammlung durchgebracht. Der Senat mußte sogar
der Bestimmung des Gesetzes, daß jeder Senator bei Verlust sei-
ner Stelle binnen fünf Tagen es beschwören solle, sich fügen.
Qutittu8 Metellus (Numidicus), der sich solchem zügellosen
Treiben widersetzte und allein den Eid verweigerte, ging in das
Exil nach Rhodus.
3) Indessen dauerte die Einigkeit unter den Verbündeten
nicht lange. Marius, erschrocken" über das gesetzlose Treiben
seiner Genossen, zog sich mehr und mehr von diesen zurück, und
schloß sich mit allen Wohlhabenden, insbesondere den Rittern,
wieder enger an den Senat an. Saturninus und Glaucia
beschlossen daher für sich zu handeln und das begonnene Werk
fortzuführen. Saturninus, der seinem Verbündeten Glaucia
für das Jahr 99 das Consulat verschaffen wollte, ließ dessen
Mitbewerber, den Candidaten des Senats, auf dem Forum durch
eine Rotte überfallen und mit Knitteln erschlagen. Der Senat
beauftragte nun den Consul Marius, gegen Saturninus
und seine Anhänger Gewalt zu gebrauchen und gegen sie, als
gegen Hochverräther, zu verfahren. Es kam ans dem Forum zu
einer förmlichen Schlacht; Saturninus wurde geschlagen und
zog sich auf das Capitol zurück. Er mußte sich aber an den
Consul Marius, der den Aufrührern das Wasser abschnitt, er-
geben, und wurde mit seinen namhaften Anhängern von dem
erbitterten Volke erschlagen. Auch Glaucia wurde getödtet.
Auf solche Weise hatte der Senat obgestegt. Die saturninischen
Gesetze blieben unausgeführt; die Popularpartei, auch durch ge-
richtliche Verfolgungen geschreckt, schien vollständig besiegt. Um
die legislatorische Gewalt der Tributcomitien einigermaßen zu
beschränken und übereilte Volksbeschlüsse in Zukunft zu verhin-
dern, wurde, was bisher nur herkömmlich war, nunmehr gesetz-
lich festgestellt, daß nämlich jeder Gesetzesvorschlag drei Markt-
tage (17 Tage) vorher bekannt gemacht werden sollte, ehe er zur
Abstimmung an die Volksgemeinde gebracht werden dürfe; auch
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Extrahierte Personennamen: L._Apulejus_Saturninus Marius Marius Marius Marius Marius Marius Marius Marius Marius Marius Glaucia
368
nur daß diese im Verhältniß zu den Bürgern meist in doppelter
Zahl ausgehoben wurden, so blieben sie auch der äußersten
Strenge des römischen Kriegsrechts, insbesondere dem Recht des
Feldherrn, Todesstrafen zu verhängen und zu vollstrecken, fort-
während unterworfen, während für den Bürgersoldaten allmählig
manche Milderungen eingeführt wurden, und das Provocations-
recht, seit den Zeiten der Grachen auch auf die Militärgerichts-
barkeit ausgedehnt, wenigstens Leib und Leben des römischen
Bürgers vor Willkür und Mißhandlung schützte. Eine tiefe Ver-
bitterung bemächtigte sich daher der italischen Gemeinden, die
jeden Augenblick eine erschütternde Katastrophe über die herrschende
Hauptstadt herbeiführen konnte.
2) Schon Cajus Grachus wollte den drohenden Sturm
beschwören. Aber in der kurzsichtigen Engherzigkeit, die Bundes-
genossen von einer gleichberechtigten bürgerlichen Stellung ferne
zu halten, gingen in Rom alle Parteien, Senat und Bürgerschaft,
stets einmüthig mit einander, und vereitelten gemeinsam die dahin
zielenden Bestrebungen einzelner erleuchteter Staatsmänner. Als
daher die Lex Licinia Mucia1) die Erlangung des römischen
Bürgerrechts noch erschwerte, und mit dem gewaltsamen Tode
des Volkstribunen Livius Drusu s (91) die letzte Hoffnung der
Bundesgenossen schwand, auf friedlichem Wege zu einer Gleich-
berechtigung zu gelangen, so ergriffen viele derselben die Waffen
gegen Rom, besonders im südlichen und mittlern Italien, voran
die Marser, daher der ganze Krieg auch der mar fische ge-
nannt wird, dann die Samniten, Peligner, Maruciner,
Bestiner, Lucaner u. A.
3) Der Aufstand nahm zu Asculum seinen Anfang, als
hier der römische Prätor C. Servil ins erschien, und an das
im Theater versammelte Volk wegen seines den Römern verdäch-
tigen Benehmens eine drohende Strafrede hielt. Der Prätor
wurde von der wüthenden Menge ergriffen und sammt allen
übrigen in der Stadt befindlichen Römern ermordet (91). Schnell
verbreitete sich der Aufruhr über einen großen Theil Italiens.
Doch hielten die latinischen und griechischen Städte wenigstens
in ihrer Mehrzahl, ferner die meisten Etrusker treu zu Rom. —
Nach dem Plane der Verbündeten sollte die Stadt der Peligner,
Corfinium (unter dem Namen Jtalica) die Bundesstadt für
ganz Italien, und ein Senat von fünfhundert Mitgliedern, zwei
Consuln und zwei Prätoren an der Spitze des italischen Bundes-
staates stehen. — Der Kampf selbst wurde mit abwechselndem
9 Die Lex Licinia Mucia de civibus redigundis, von den Consuln L. Li-
cinius Crassus und Q. Mucius Scävola im I. 95 durchgebracht, bedrohte
Nichtbürger mit strengen Strafen, die sich das römische Bürgerrecht an-
maßten, und bewirkte die Austreibung vieler Italer aus Roin.
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397
Die birecten Abgaben wurden überall in bestimmte Natural-
lieferungen oder feste Geldansätze verwandelt, die unmittelbar an
die Staatskasse abzuliefern und deren Erhebung den einzelnen
Steuerdistricten selbst überlassen war. Nur bei den indirecten
Gefallen blieb der Uebersichtlichkeit wegen das bisherige System
der Verpachtung beibehalten. — Insbesondere wurde auf die bei-
den Provinzen Sardinien und Afrika die Del- und Kornlieferung
für die Hauptstadt überwiesen, jene für den unentgeltlichen Ver-
brauch in den zahlreich eingerichteten öffentlichen Badeanstalten,
diese zur Bestreitung der herkömmlichen Getreidespenden. Letztere,
die bei ihrer verderblichen Ausdehnung in den letzten Zeiten alles
arbeitsscheue Gesindel aus ganz Italien nach Rom zogen und
für die Staatskasse eine fast unerträgliche Last geworden waren,
wurden durch Cäsar in eine Ar men Versorgung verwandelt,
indem er verordnet, daß nur an wirklich Dürftige Freikorn ver-
theilt und in den jährlich zu revidirenden Listen die Zahl von
150,000 Individuen nicht überschritten werden solle. — Noch
wirksamer sollte durch eine ausgedehnte überseeische Eolonisation,
zu welchem Zwecke auch Korinth und Karthago wiederhergestellt
wurden, der Zunahme des Proletariats entgegen gewirkt werden.
Cäsar hat über 80,000 Colonisten aus Italien in den Provin-
zen angesiedelt. — Ein neues sehr umfassendes Luxusgesetz, das
unter anderm ein Maximum für den Tafelaufwand festsetzte und
den Gebrauch von Purpurgewändern und Perlen auf gewisse
Alters- und Rangklassen beschränkte, sollte der unglaublich entar-
teten Genußsucht und Verschwendung der Römer wenigstens
einige Schranken setzen. Ein neues Schuldgesetz, nach welchem
die bereits gezahlten Zinsen vom Capitol abgezogen und die
Gläubiger genöthigt wurden, die verfallene Habe des Schuldners
zu dem Werthe anzunehmen, welchen die Sachen vor dem
Bürgerkriege hatten, war eine Maaßregel Eä sar's, die seine An-
hänger, welche gleich den Catilinariern völlige Tilgung der
Schulden (tabulae novae)' verlangten, einigermaßen befriedigen
sollte.
2) Wohlthätiger und weitgreifender waren die Reformen,
durch welche Cäsar das Municipalwesen und die Lage der bis-
her schrecklich mißhandelten Provinzen zu ordnen und zu verbessern
suchte. Seine beiden Gemeindeordnungen für das cisalpinische
Gallien und Italien gewährten den Gemeinden auch fernerhin
eine möglichst unbeschränkte Selbstverwaltung durch freie Wahl
ihrer Beamten und Überlassung der niedern Civil- und Crimi-
nalgerichtsbarkeit. Die Provinzialbeamten, nun Legaten und Die-
ner des Imperators, wurden jetzt diesem persönlich verantwort-
lich, der mit aller Strenge die von ihm noch verschärften Gesetze
über Erprelsungen an Statthaltern und Steuerbeamten hand-
habte. Die Abgaben wurden theilweise ermäßigt und fixirt. —
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Extrahierte Personennamen: Cäsar Cäsar Cäsar
Extrahierte Ortsnamen: Sardinien Afrika Italien Rom Korinth Karthago Italien Gallien Italien
371
Doch die römischen Großen waren bereits gewöhnt, den Staat
als ihre Beute zu betrachten, und die Befriedigung ihres Ehr-
geizes jeder rechtlichen und sittlichen Rücksicht hintanzusetzen. Als
der Eonsul Sulla, der nach dem Herkommen zunächst die An-
wartschaft auf Führung des asiatischen Krieges zu haben glaubte,
im Lager vor Nola durch zwei Volkstribunen von dem Beschlüsse
der höchsten Staatsgewalt in Rom in Kenntniß gesetzt wurde,
weigerte er sich dieser zu gehorchen. Er versammelte das Heer
und gewann die Soldaten, welche die unbedingte Scheu vor der
Heiligkeit des Gesetzes, wodurch römische Bürgerheere in früher»
Zeiten sich stets auszeichneten, nicht mehr kannten, ganz für sich,
besonders durch die Aussicht auf reiche Beute iu Asien, und die
sittliche Zügellosigkeit, die er den Soldaten zu gestatten gewöhnt
war. Er zog mit 6 Legionen gegen Rom — nur die höher»
Offiziere weigerten sich, an dem aufrührerischen Zuge Theil zu
nehmen — und drang nach heftigem Kampfe in die Stadt.
Sulpicius und Marius wurden mit 12 ihrer Anhänger als
Feinde des Staates geächtet; Sulpicius wurde bei Laureatuni
ergriffen und getödtet, und sein Kopf an der Rednerbühne auf
dem Markte aufgesteckt. Der greise Marius entkam unter
abenteuerlichen Schicksalen (Minturnä) nach Afrika.
5) So hatte die aristokratische Partei zuerst durch das Schwert
die Verfassung Roms thatsächlich umgestürzt. Sulla, der factische
Inhaber der Gewalt,*) beschränkte nun in Rom die Volksmacht
durch neue Gesetze: Kein Gesetzesvorschlag solle an die Volks-
versammlung kommen ohne vorhergehende Billigung des Senates;
es sollen in den Centuriatcomitien, welche die Wahl der höhern
Magistrate hatten, die Centurien nicht nach Tribus, sondern wie-
der nach den alten servianischen Vermögensklaffen stimmen. Die
sulpicischen Gesetze hatte man beseitigt. '
6) Darauf ging Sulla nach Griechenland 87, wo Mithri-
dates, der mit den Griechen Verbindungen angeknüpft hatte,
durch seinen besten Feldherrn Archelaos bereits Athen und
den Piräeus besetzt-hielt. Sulla eroberte unter blutigen Käm-
pfen die Stadt 86, schlug im folgenden Jahr den Archelaos
bei Ehäronea und Orchomenos in Böotien, ging dann im
Frühjahr 84 nach Asien und zwang den durch den Marianer
Fimbria bereits hart bedrängten Mithridates zum Friedem^-^,
84. Dieser, auf sein väterliches Reich beschränkt, zahlte 3000
Talente als Ersatz der Kriegskosten, und lieferte 80 Kriegsschiffe
aus. Die Provinz Asien ward mit einer Geldstrafe von
20,000 Talenten (34 Mill. Thlr.) gebüßt. Ferner mußte sie die
von den letzten Jahren rückständigen Steuern nachträglich bezah-
*) K. F. Zachariä: Lucius Cornelius Sulla, genannt der Glückliche, als
Ordner des römischen Freistaats. 1834. 2 Bde.'
24
TM Hauptwörter (50): [T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn]]
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Extrahierte Personennamen: Sulla Sulpicius Marius Marius Marius Marius Sulla Sulla Sulla K._F._Zachariä Cornelius_Sulla Sulla
Extrahierte Ortsnamen: Rom Asien Rom Afrika Roms Rom Griechenland Ehäronea Asien Marianer
Fimbria
372
len; auch wurden die vornehmsten Anhänger des Mithridates,
besonders die an der Ermordung der Italiker betheiligten, mit
dem Tode bestraft. Dem Urheber des Frevels selbst aber hatte
Sulla einen unerwartet günstigen Frieden bewilligt; hauptsäch-
lich wohl weil ein neuer Umsturz der Dinge in Rom seine Rück-
kehr nach Italien nothwendig machte.
§. 182.
Fortsetzung.
1) Sulla hatte zu Rom bei seinem Zuge gegen Mithri-
dates den En. Octavius und den Lucius Cornelius
Cinna als Consuln für das I. 87 zurücklassen müssen. Nur
der erstere gehörte der Optimatenpartei an; Cinna, ein ent-
schiedener Bolksfreund, war trotz der neuen Wahlordnung Sul-
las von der Mehrheit der Centnrien gewählt worden. Als
Cinna gleich nach der Abfahrt Sulla's das Gesetz des Sul-
picius über die Aenderung der Tribus erneuerte, widersetztesich
Octavius. Cinna, nach blutigem Kampfe in der Stadt ge-
schlagen und vom Senat seines Amtes entsetzt, floh zu den rö-
mischen Legionen in Campanien, die dort gegen die noch nicht
beruhigten Italiker standen.
2) Bon jenen und einem großen Theil der Italiker als wah-
rer Consul anerkannt, rückte Cinna mit dem von ihm zurück-
gerufenen Marius, der in Etrurien gelandet war, verbunden,
gegen Rom, das sich durch Hunger gezwungen ergeben mußte.
Cinna zog ein mit seinen Legionen; Marius aber weigerte
sich, die Stadt zu betreten, bis die gegen ihn ausgesprochene Acht
durch Bolksbeschluß zurückgenommen wäre. Mit seinem Einzug
begann dann eine Zeit des Schreckens; wüthend war die Rache
des wilden Marius. Wem er seinen Gruß verweigerte, wurde
niedergestoßen. Die angesehensten Männer der Senatspartei,
unter ihnen der Consul Octavius, Quin tu s Catulus u. a.,
erlagen der politischen Rache ihrer Gegner. Endlich wurde die
Mörderrotte des Marius von dem mildern Cinna und dem
vortrefflichen Sertorins überfallen und getodtet (4000 an der
Zahl).
3) Marius aber sah seinen lang gehegten Wunsch und
eine ihm gewordene Weissagung erfüllt; er wurde zum siebenten-
mal Consul neben Cinna. Doch starb er bald nach dem Antritt
seines Consulats (13. Jan. 86) an einem hitzigen Fieber, indem
der mehr als siebenzigjährige einst wackere Mann zuletzt über-
mäßigem Weingennß sich ergab, um die quälende Unruhe seines
Innern zu betäuben. Cinna hielt sich besonders mit Hilfe der
italischen Neubürger, die man sämmtlich in die 35 Tribus ver-
theilt hatte, noch längere Zeit im Besitze der Gewalt, wurde aber
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Extrahierte Personennamen: Sulla Sulla Cornelius
Cinna Marius Marius Marius Marius Marius Marius Marius Marius Marius Marius
Extrahierte Ortsnamen: Rom Italien Rom Etrurien Rom
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später in einem Aufruhr der Soldaten, als er sie gegeir Sulla
nach Griechenland führen wollte,, erschlagen (84). Dieser kam
im Frühjahr 83 nach Italien zurück, und besiegte, nachdem Q.
Metellus und der junge Cn. Pompejusz) der im Piceni-
schen, wo er reich begütert war, Truppen gesammelt, zu ihm ge-
stoßen waren, überall die Marianer (des Marius Sohn in Prä-
neste, den Samniter Pontius Telesinus vor den Thoren
Roms).
4) Bald nach Beginn dieses blutigen Bürgerkrieges in Ita-
lien war der ehrwürdige Tempel des römischen Jupiter auf dem
Capitolium abgebrannt (in der Nacht des 6. Juli 83); es war
das Anzeichen, daß die Zeit des alten Noms und seiner Verfassung
vorüber sei. — Nachdem Sulla die Volkspartei in Italien
niedergeworfen, ließ er sich durch den Senat unter dem Namen
Dictator unnmschränkte Machtfülle „zur Abfassung von Gesetzen
und znr Ordnung des Gemeinwesens" auf unbestimmte Zeit
übertragen. Vorerst sollten alle Feinde des Vaterlandes, d. i. die
Anhänger der Volkspartei, bestraft werden. So begann Sulla
des Beglückten (Felix, wie er sich gerne selbst nannte) S cb recken s-
regierung 82. Durch die sogenannten Proscripttonen, indem
man die Namen der zu Tödtenden auf öffentlich aufgestellten Ta-
feln bekannt machte, wurden viele Tausende gemordet und ihre
Güter eingezogen. Wer einen Geächteten tödtete, war nicht nur
straflos, sondern erhielt auch eine Belohnung von 12,000 De-
naren (etwa 3400 Thlr.). Die Kinder der Geächteten verlo-
ren nicht nur das väterliche Erbe, sondern auch das Recht, um
öffentliche Armier sich zu bewerben. Sulla's Mordsystem er-
scheint um so schrecklicher, als es nicht ans leidenschaftlicher Rach-
sucht, wie bei dem alten Marius, sondern aus kalter politischer
Berechnung hervorging. — Zu seiner persönlichen Sicherung gab
Sulla zehntausend Sklaven der Geächteten das Bürgerrecht;
diese sogenannten Cornelier, deren politische Existenz mit den
Interessen ihres Patrons enge verknüpft war, sollte eine Art
Leibwache des Gewalthabers in Rom bilden. Vielen Städten,
namentlich in Etrurien, wurde das Bürgerrecht entzogen und
ihre Gemarkungen an Sulla's Veteranen vertheilt. — Sulla
suchte durch seine leges Corneliae eine streng aristokratische
Form der Verfassung wiederherzustellen, besonders durch - Ein-
0 Cii. Pompejus, Sohn des Pompejus Strabo, von Sulla Im-
perator und Magnus genannt, gelangte schon frühzeitig mehr durch Gunst
des Glücks und durch kluge Benutzung der Umstände, als durch wahrhaft
große Eigenschaften zu ungewöhnlichem Ansehen und Einfluß; gerecht und
wohldenkend, wo nicht seine Eitelkeit, die keinen Gleichen neben sich dul-
den kann, in Widerspruch kam. Civis in toga, nisi ubi vereretur, ne
quem haberet parem, modestissimus. Vellej. Pater cui. Ii. 29.
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Extrahierte Personennamen: Sulla Marius_Sohn Marius Pontius_Telesinus Sulla Sulla Felix Felix Marius Marius Sulla Sulla Pompejus_Strabo Sulla Sulla Magnus Magnus
Extrahierte Ortsnamen: Griechenland Italien Roms Ita- Italien Rom Etrurien